Posts mit dem Label Hölderlin werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Hölderlin werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 16. November 2021

"Was der Mund zu sprechen gewöhnt ist, daran gewöhnt sich das Herz zu glauben." Friedrich Hölderlin (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Hölderlin-Zitat (gutezitate.com).

Dieser Aphorismus stammt nicht von dem deutschen Dichter Friedrich Hölderlin, sondern aus dem Essay "L'École païenne"  des französischen Dichters Charles Baudelaire, den Max Rychner mit dem Titel "Die heidnische Schule" übersetzt hat.

 

Charles Baudelaire:  "L'École païenne", 1851

  • "Qu’on ne prenne pas ces choses pour des puérilités. Ce que la bouche s’accoutume à dire, le cœur s’accoutume à le croire. " (Link)


  • "Man halte diese Dinge nicht für Kindereien. Was der Mund zu sagen sich gewöhnt, gewöhnt sich das Herz zu glauben."

    Charles Baudelaire: "Die heidnische Schule",  übersetzt von Max Rychner, Neue Schweizer Rundschau, 1926, Heft 11, S. 1077 (Link)

 

Warum dieses Zitat seit etwa 10 Jahren Friedrich Hölderlin untergeschoben wird, weiss ich nicht. 

 

___________

Quellen:

Twitter

gutezitate.com

Charles Baudelaire: "L’école païenne", in:  L’Art romantique, Œuvres complètes de Charles Baudelaire, tome III, Calmann Lévy, Paris: 1885, p. 301-309 (wikisource.org)

 Charles Baudelaire: "Die heidnische Schule",  übersetzt von Max Rychner, Neue Schweizer Rundschau, 1926, Heft 11, S. 1077 (Link) 

 


_____________

Dank:

Ich danke  M. Wollmann für seine Frage zu diesem Zitat und Ralf Bülow für seinen Hinweis auf den Ursprung des Zitats bei Baudelaire.

 

 

Donnerstag, 22. Oktober 2020

"Wenn ich auf mein Unglück trete, stehe ich höher." Hölderlin (angeblich)

Entstelltes Friedrich-Hölderlin-Zitat. Twitter.

Korrekt lautet dieser Aphorismus aus Hölderlins Briefroman Hyperion: "Wer auf sein Elend tritt, steht höher" 

Im selben Wortlaut zitiert Friedrich Hölderlin diesen Satz auch am 4. Juli 1798, ein Jahr nach dem Erscheinen des Romans, in einem Brief an seinen Bruder.

Verbreitet wurde das enstellte Zitat seit 1947 von dem Psychiater Viktor Frankl in einigen Vorträgen und Büchern (Link), und inzwischen  ist das entstellte Zitat mit der ersten Person Singular und dem Wort "Unglück" statt "Elend" laut einer Google-Statistik beliebter als das Orignal.

 

 

Artikel in Arbeit.

 ___________

Quellen:
Google  Ungefähr 881 Ergebnisse (0,42 Sekunden) (Entstelltes Zitat)
Google  Ungefähr 638 Ergebnisse (0,40 Sekunden) (Hölderlin-Zitat)
Friedrich Hölderlin: "Hyperion oder der Eremit in Griechenland."  Erster Band. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Tübingen: 1797, 51. Brief Hyperions (Link)
Viktor Emil Frankl:  "Die Existenzanalyse und die Probleme der Zeit" Amandus-Edition, Wien: 1947, S. 21 (Link) (Entstelltes Zitat)
 
_________
Dank:
Ich danke Zitante Christa für den Hinweis auf dieses Zitat.

____________________________________________

 

 

ANHANG


Friedrich Hölderlin: Hyperion an Diotima LI

 

  • " Ach! und Eines hab’ ich lange dir verschwiegen. Feierlich versties mein Vater mich, verwies mich ohne Rükkehr aus dem Hause meiner Jugend, will mich nimmer wieder sehen, nicht in diesem, noch im andern Leben, wie er sagt. So lautet die Antwort auf den Brief, worinn ich mein Beginnen ihm geschrieben.

    Nun lass dich nur das Mitleid nimmer irre führen. Glaube mir, es bleibt uns überall noch eine Freude. Der ächte Schmerz begeistert. Wer auf sein Elend tritt, steht höher. Und das ist herrlich, dass wir erst im Leiden recht der Seele Freiheit fühlen. Freiheit! wer das Wort versteht - es ist ein tiefes Wort, Diotima. Ich bin so innigst angefochten, bin so unerhört gekränkt, bin ohne Hoffnung, ohne Ziel, bin gänzlich ehrlos, und doch ist eine Macht in mir, ein Unbezwingliches, das mein Gebein mit süssen Schauern durchdringt, so oft es rege wird in mir." (Link)

    Friedrich Hölderlin: "Hyperion oder der Eremit in Griechenland."  Erster Band. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Tübingen: 1797, 51. Brief Hyperions (Link)
 

Samstag, 9. Februar 2019

"Wer weiß, was er will, der hat schon die halbe Arbeit getan." Friedrich Hölderlin (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Hölderlin-Zitat.

Dieser Satz wird erst seit kaum fünf Jahren Friedrich Hölderlin unterschoben. 

In seinen digitalisierten Schriften ist er unauffindbar und stammt so ähnlich aus einem seit 1906 mehrfach gedruckten Brief-Fragment des deutschen Malers Hans von Marées:
  • "Der, wer weiß, was er will, hat die halbe Arbeit getan." 

    Brief-Entwurf von Hans von Marées an eine unbekannte Person, undatiert, wahrscheinlich: Rom, 1867; in: Konrad Fiedler: Schriften über Kunst. Hrsg. von Hermann Konnerth, Erster Band, R. Pieper u. Co., München: 1913, S. 369 (Link)
 Auch von dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard ist ein ähnlicher Satz überliefert, aber nicht von Friedrich Hölderlin:
  • "Wofern es wahr ist, was das Sprichwort sagt: Frisch gewagt ist halb gewonnen, so ist auch wahr, daß die Arbeit halb getan ist, ja mehr als halb, wenn die Aufgabe feststeht."

    Søren Kierkegaard: Gesammelte Werke, Band XVIII, Erbauliche Reden in verschiedenem Geist 1847. Eugen Diederichs Verlag: 1966, S. 313 (Link)
 _______
Quellen:
Brief-Entwurf von Hans von Marées an einen unbekannten Adressat, undatiert, wahrscheinlich: Rom,  1867; in: Konrad Fiedler: Schriften über Kunst. Hrsg. von Hermann Konnerth, Erster Band, R. Pieper u. Co., München: 1913, S. 369 (Link)
Søren Kierkegaard: Gesammelte Werke, Band XVIII, Erbauliche Reden in verschiedenem Geist 1847. Eugen Diederichs Verlag, (Jena): 1966, S. 313 (Link) 

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
2014: Twitter (frühe falsche Zuschreibung)
2017: Bert Forschelen: "Kompendium der Zitate für Unternehmer und Führungskräfte: Über 5000 Aphorismen für Reden und Texte im Management.", Springer Gabler, Wiesbaden: 2017, S. 70 books.google (Laut Google books ist das die erste Zuschreibung in einer gedruckten Zitatsammlung.)
aphorismen.de/zitat/175251

_____
Mir fällt dazu auch das alte Sprichwort, "Gut eingeseift ist halb rasiert", ein. Das ist aber zu weit hergeholt.

Donnerstag, 13. September 2018

"In der Gefahr wächst das Rettende auch." Friedrich Hölderlin (angeblich)

Die berühmten Zeilen Hölderlins, "Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch", aus der ersten Strophe seiner 15strophigen Hymne "Patmos", wird von Leuten ohne Sinn für Sprachrhythmus leider oft entstellt wiedergegeben:

Beispiele für Verunstaltungen:

  • "In der Gefahr wächst das Rettende auch."
  • "Mit der Gefahr wächst das Rettende auch."
  • "Denn mit der Gefahr wächst das Rettende auch."  
  • "Da, wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch".
  • "In der Not wächst das Retttende auch." 
  • "Und wo die Not am größten, wächst das Rettende doch".
  • "Aber wo die Not am größten ist, sagt Hölderlin, da wächst das Errettende auch." 

Friedrich Hölderlin,  1803/1808:

                  Patmos


  • "Nah ist
    Und schwer zu fassen der Gott.

    Wo aber Gefahr ist, wächst

    Das Rettende auch."


Friedrich Hölderlin: Patmos / Dem Landgrafen von Homburg, Manuskript 1803, Stroemfeld,  S. 427 (Link)


______
Quellen:
Google
Twitter  
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke, Frankfurter Ausgabe, hrsg. von D.E. Sattler, Band 7, Gesänge, Stroemfeld/Roter Stern, Frankfurt am Main / Basel: 2000; Patmos, Manuskript 1803,  S. 427 (Link)
Friedrich Hölderlin: Patmos zeno.org
Friedrich Hölderlin: Pathmos. Erstdruck in: Musenalmanach für das Jahr 1808. Herausgegeben von Leo Freiherrn von Seckendorf. Regensburg, in der Montag- und Weißischen Buchhandlung, S. 78-87 (hoelderlin.de)
Wikipedia

Letzte Änderung: 2/4 2020