Dieser wohl beliebteste Slogan der Friedensbewegung wurde durch einen Artikel der Autorin Charlotte Keyes ab 1966 in Amerika in der Version "Suppose They Gave a War and No One Came" berühmt, und kam Ende der 1970er Jahren auch in Deutschland auf, wo er bald irrtümlich Bertolt Brecht untergeschoben wurde.
Der einflussreiche Sprachkritiker und Sprachstillehrer Wolf Schneider zum Beispiel illustrierte mit diesem amerikanischen Zitat irrtümlich die Größe von Bertolt Brechts Sprache, "in der gemeisselten Einfachheit, die er an
Luther schulte":
2008, Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat:
- "Der
Dichter Bert Brecht aber hat für die deutsche Sprache und durch sie
Grosses geleistet: zum einen in der gemeisselten Einfachheit, die er an
Luther schulte ('Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin'), zum
anderen in der frechen, zynischen Kraft - von der 'Dreigroschenoper'
[...] bis zu seinem 'Zweiten Psalm' ".
Wolf Schneider: "Bert Brecht, begnadetes Scheusal", NZZ, 1. Juli 2008 (Link)
Grafik von Johannes Hartmann, Hamburg 1981. |
1981 wird diese pazifistische Devise durch die Grafik des Hamburger Designers Johannes Hartmann in ganz Deutschland populär, und obwohl Ralf Bülow 1983 im 'Sprachdienst', Siegfried Unseld 1991 in einem Leserbrief an die FAZ und schließlich Christoph Drösser 2002 in der ZEIT-Kolumne "Stimmt's?" und viele andere darauf hinwiesen, dass der Spruch auf den amerikanischen Lyriker Carl Sandburg zurückgeht und mit Bertolt Brecht nichts zu tun hat, wird der Slogan auch 2018 noch Bertolt Brecht untergeschoben.
In einer längeren Fassung wurden diesem antimilitaristischen Spruch Zeilen aus einem Gedicht Bertolt Brechts angehängt und der gesamte Text Bertolt Brecht irrtümlich zugeschrieben.
Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat:
- "Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. (1)
Dann kommt der Krieg zu Euch! (2)
Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, und läßt andere kämpfen für seine Sache, der muß sich vorsehen: Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will, denn er wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat." (3)
Weder der erste Satz (1 'Stell dir vor ..') noch der zweite Satz (2 'Dann kommt..') dieses Slogans hat etwas mit Bertolt Brecht zu tun, wobei der zweite Satz völlig der pazifistischen Aussage des ersten widerspricht.
(1): "Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin."
"Suppose They Gave a War and No One Came", war ein Slogan amerikanischer Hippies und Kriegsdienstverweigerer, von denenen einige lieber Jahre im Gefängnis verbrachten als im Krieg gegen Vietnam zu kämpfen.
Charlotte Keyes, die Mutter eines dieser Kriegsdienstverweigerer, hat 1966 den Slogan in einem Artikel über ihren Sohn populär gemacht (pdf).
Ich folge hier den Recherchen ihres anderen Sohnes, Ralph Keyes, aus seinem Standardwerk "The Quote Verifier: Who Said What, Where, and When" (Link).
- "Sometime they’ll give a war and nobody will come.” Carl Sandburg: "The People, Yes" (Link)
- "Suppose they gave a war and no one came?” James R. Newman zitiert und verändert Sandburgs Satz in einem Leserbrief an die Washington Post.
- "Suppose they gave a war and no one came?” Charlotte E. Keyes zitiert Newmans verändertes Sandburg-Zitat.
- "Suppose they gave a war and no one came?” Film von Hy Averback.
- "Stell dir vor, es kommt Krieg, und keiner geht hin." Grafik von Johannes Hartmann
(2): Dann kommt der Krieg zu Euch!
Autor: Wahrscheinlich ein unbekannter Schweizer in einer Schweizer Militärzeitung.
Diese Satz hebt die antimilitaristische Aussage des ersten Satzes auf.
(3): "Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt ...."
- "Wer zu Hause bleibt; wenn der Kampf beginnt
...
Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und läßt andere kämpfen für seine Sache
Der muß sich vorsehen: denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal den Kampf vermeidet
Wer den Kampf vermeiden will: denn
Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat."
Bertolt Brecht: "Koloman Wallisch Kantate" (Link)
1968
The Monkees: "Zor and Zam"
by Bill Chadwick and John Chadwick.."The king of Zor, he called for war
And the king of Zam, he answered.
...
...
Two little kings playing a game.
They gave a war and nobody came."
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Quellen:
Charlotte E. Keyes: "Suppose They Gave a War and No One Came", October 1966 (pdf)
Ralph Keyes: "The Quote Verifier: Who Said What, Where, and When." St. Martin's Griffin, New York: 2006, S. 239 (Link)
Carl
Sandburg: The Complete Poems of Carl Sandburg. Revised and Expanded
Edition. Introduction by Archibald McLeish. Harcourt, San Diego/ New
York/ London: 1970, S. 464 (Link)
Siegfried Unseld: Leserbrief, FAZ 12. März 1991 (Link)
Ralf Bülow: "Stell Dir vor, es gibt einen Spruch ...", Der Sprachdienst Jg. 27, 1983, S. 97-100
Christoph Drösser: "Stimmt's? Von Brecht? Unvorstellbar." Die ZEIT 31. Januar 2002 (Link)
Johannes Hartmann: "Die rätselhafte Parole: 'Stell Dir vor, es ist Krieg, und Keiner geht hin'", Der SPIEGEL, EINESTAGES, 6. Februar 2016 (Link)
Bertolt Brecht: "Kolomann Wallisch Kantate" (Link) (Link),
in: Bertolt Brecht: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter
Ausgabe, Band 14 (Gedichte 4), Berlin, Weimar und Frankfurt: 1993, S.
262–270, S. 267
Beispiele für falsche Zuschreibungen:
2018: Frank
Schmidt-Wyk: "Politikwissenschaftler Herfried Münkler: Mehr
Besonnenheit im Umgang mit Russland", Interview, "Lampertheimer
Zeitung", 31. März 2018 (Link);
2013: unzensuriert.at
Artikel in Arbeit.
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Letzte Änderungen: 6/1 2022 (neu: NZZ); 19/5 2022.
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ANHANG
Wolf Schneider: "Deutsch für junge Profis: Wie man gut und lebendig schreibt" 2011 (Link) |