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Sonntag, 30. September 2018

"Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten." Rabindranath Tagore (angeblich)

Pseudo-Rabindranath-Tagore-Zitat.

Dem bengalischen Dichter und Philosophen Rabindranath Tagore, dem ersten nicht europäischen Nobelpreisträger für Literatur, werden die Verse, "Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten", auf Deutsch seit 1961 zugeschrieben, auf Englisch erst Jahrzehnte später. Die Verse stammen aber so ähnlich vom deutschen Autor, Kabarettisten und Maler Joachim Ringelnatz.

Der Garten ist eine alte Metapher für das Paradies und nicht erst durch Voltaire wurde er eine Metapher für das geglückte Leben. 
  • Genesis 2:15
    "Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn baute und bewahrte." 
Am Ende von Voltaires Roman "Candide" erinnert ein kleiner türkischer Obstbauer den Optimisten Pangloss, den Pessimisten Martin und den Ex-Optimisten Candide an die Lebensweisheit, dass nur die Arbeit "drei große Übel von uns fernhalte: Langweile, Laster und Not." 

Alle drei stimmen dem zu, und Martin schlägt vor: "Lasst uns arbeiten ohne nachzudenken, das ist das einzige Mittel, das Leben erträglich zu machen".  Der Roman endet nach einer letzten Schönrednerei von Pangloss mit dem berühmten letzten Satz: "'Sehr richtig', sagte Candide, 'aber wir müssen unseren Garten bestellen'" ("Cela est bien dit, répondit Candide, mais il faut cultiver notre jardin"). 

1931 publiziert Joachim Ringelnatz ein Kindergedicht mit dem Titel "Kinder weinen":
  • "Kinder weinen.
     Narren warten.
     Dumme wissen.
     Kleine meinen.
     Weise gehen in den Garten."
    Joachim Ringelnatz,
    "Kinder-Verwirr-Buch", 1931

Entwicklung des angeblichen Rabindranath-Tagore-Zitats:


20 Jahre nach Rabindranath Tagores Tod stand in der Zeitschrift "Wissenschaft und Weltbild":

1961
  • Er (Tagore) dachte hier wie Haiku: „Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten." Eben, um sich zu versenken und zu betrachten. Das Leitbild, das ihn aus Indien inspirierte, führte in die Tiefe des sich Versenken können.  (Link)

Hier wird also noch nicht behauptet, Rabindranath Tagore habe diesen Aphorismus geprägt, sondern nur, er würde am besten seine Lebensphilosophie zusammenfassen. Vor 1961 ist diese Zuschreibung an indischen Nobelpreisträger in den digitalisierten Texten weder auf Deutsch noch auf Englisch zu finden.

Fünf Jahre später, war man sich schon sicher, die Verse stammten von Tagore:


1966
  • Rudolf Dobersch hat frühzeitig bei dem indischen Dichter Tagore einen Ausspruch gefunden, der ihm der Schlüssel zur wahren Lebensweisheit zu sein scheint, nämlich: 'Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.' (Link)
Seitdem wird der gereimte Aphorismus fast immer  Rabindranath Tagore zugeschrieben. Nach den digitaliserten Quellen zu beurteilen, hat er ihn aber selbst so nie gesagt.

Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass er nicht doch noch einmal in einem nicht digtalisierten Werk Tagores gefunden wird, halte es aber für eher unwahrscheinlich und glaube, korrekter Weise müsste man den  schönen Aphorimus als Variante des Kindergedichts "Kinder weinen" von Joachim Ringelnatz bezeichnen.  

Fest steht, dass bisher noch niemand eine seriöse Quelle zu diesem Zitat in den aus dem Bengalischen übersetzten Schriften Rabindranath Tagores publiziert hat.


Varianten: 

  • Kinder weinen. Narren warten. Dumme wissen. Kleine meinen. Weise gehen in den Garten. - 1931
  • Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten. - 1961
  • Dumme laufen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten
  • Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen durch den Garten.
  • Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.
  • Fools hurry, the clever wait, the wise enter into the garden-gate. - 1989 
  • The dumb run, the clever wait, the wise go into the garden. - 2012

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Quellen:
Joachim Ringelnatz: "Kinder-Verwirr-Buch", 1931, in: Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 2: Gedichte, Zürich: 1994, S. 17 (vorerst zitiert nach zeno.org)
Ian Jack: "Rabindranath Tagore was a global phenomenon, so why is he neglected?", The Guardian, 7. Mai 2011 (Link)  
Tagores Werke wurden aus dem Englischen ins Deutsche übertragen.
Rabindranath Tagore: THE GARDENER Translated by the author from the original Bengali , 1915 (Link)

groups.google 
http://www.tagoreweb.in/
(Link) S. 367

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Artikel in Arbeit.
(Link)

(Link)  S. 83 Rorormono

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Ich danke Ralf Bülow für seine Hinweise.