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Mittwoch, 15. März 2023

"Ich sage euch, 's ist alles heilig jetzt, / Und wer im Blühen einen Baum verletzt, / Der schneidet ein wie in ein Mutterherz." Jean Paul (angeblich)

     Im Frühling

Ich sage euch, 's ist alles heilig jetzt,
Und wer im Blühen einen Baum verletzt,
Der schneidet ein wie in ein Mutterherz.
Und wer nur eine Blume pflückt zum Scherz
Und sie dann von sich schleudert sorgenlos,
Der reißt ein Kind von seiner Mutter Schoß.
Und wer dem Vogel jetzt die Freiheit raubt,
Der sündiget an eines Sängers Haupt,
Und wer im Frühling bitter ist und hart,
Vergeht sich wider Gott, der sichtbar ward.

Diese volkstümlichen Verse stammen von der deutschen Autorin Ida von Reinsberg-Düringsfeld, die in ihrer Zeit eine erfolgreiche Romanschriftstellerin war und 1871 in Stuttgart gestorben ist. 

Sie veröffentlichte schon mit 15 ihre ersten Gedichte und hat nach vielen Novellen, Reisebeschreibungen und Romanen auch die Sprichwortforschung mit ihrem 1863 erschienenen dreibändigen Werk "Das Sprichwort als Kosmopolit" (Das Sprichwort 1. als Philosoph, 2. als Praktikus und 3. als Humorist) bereichert.
 
Das unter ihrem Pseudonym "Thekla" publiziert Gedicht wurde oft in Zeitungen und Zeitschriften nachgedruckt, seit 1857 auch oft ohne den Namen der Dichterin zu erwähnen.
 
Seit 1888 wird ihr Gedicht fälschlich Jean Paul zugeschrieben und im 20. Jahrhundert auch mit dem Namen "Jean Paul" in Gedichtanthologien und Schulbüchern verbreitet. 
 
Arno Tator hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Mitglied der Jean-Paul-Gesellschaft schon 1957 in der Halbjahreschrift "Hesperus. Blätter der Jean-Paul-Gesellschaft" die falsche Zuschreibung an Jean Paul aufgedeckt hat.
 
Der 1825 in Bayreuth verstorbene deutsche Autor Jean Paul hat Satiren und Romane verfasst, aber keine Lyrik: deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass dieses Gedicht in seinen Schriften nicht zu finden ist. 
 
Die Erstveröffentlichung von Ida von Reinsberg-Düringsfelds Gedicht, das auch auf Holztafeln als anonyme Naturschutzmahnung am Waldesrand zu lesen war, konnte ich noch nicht ermitteln.
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Quellen:

Hesperus: Blätter der Jean-Paul-Gesellschaft, Nr. 13, 1957, S. 57 [Daten müssen noch kollationiert werden.]
Beispiel für die Zuschreibung an Thekla (Ida von Reinsberg-Düringsfeld):
"Pharus am Meere des Lebens." Anthologie für Geist und Herz aus den Werken deutscher und ausländischer Schriftsteller älterer und neuester Zeit. Hrsg.: Carl Coutelle. Bädeker, Iserlohn: 4. Auflage 1858, Nr. 1370, S. 441f. (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibung an Jean Paul:

 "Vom Reichtum der deutschen Seele – Ein Hausbuch deutscher Lyrik." Herausgegeben von Georg Wirnsberg, mit Bildern von Rud. Bär, Georg Dollheimer, Leipzig: 1928, 3. Auflage, S. 30f.  
"Damit uns Erde zur Heimat wird." Eine Gedichtsammlung. Mit 16 Handschriften deutschen Dichter, Bayrischer Schulbuch Verlag, München: 1959, S. 235 (Link)
Lesebücher für Schulen in Bayern (Frühlingsmahnung) und Österreich (Mahnung)

 Beispiele für das Gedicht ohne Zuschreibung an eine Autor:in:

Unterhaltungsblatt der Neustadter Zeitung, Nr.  45, 14. April 1857, S. 180 "Lebensphilosophie"
Unterhaltungsblatt der Neustadter Zeitung, Nr. 64, 30. Mai. 1865, S. 256 (Link)
Wienerwald.Bote, Nr. 20, 12. Mai 1923, S. 3 (Link)

 

Artikel in Arbeit. 

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Dank:

Ich danke Arno Tator für die Aufdeckung der falschen Zuschreibung an Jean Paul.


Sonntag, 21. Februar 2021

"Das Schöne am Frühling ist, dass er immer dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht." Jean Paul (angeblich)


Pseudo-Jean-Paul-Zitat.

 Das Bonmot "The best thing about spring — it comes when it is most needed" wurde vor mehr als 100 Jahren von einer unbekannten Person in Amerika geprägt und erst im 21. Jahrhundert dem geistreichen deutschen Autor Jean Paul zugeschrieben. In seinen Werken ist der Witz weder so noch so ähnlich zu finden.

Moritz Jacob hat den allerersten Nachweis dieses in vielen amerikanischen Zeitschriften verbreiteten  Witzes auf der Humorseite der Krankenhauszeitschrift "The Edsan Optimist"  gefunden, einer kleinen Zeitschrift für die Patienten eines Sanatoriums in Illinois.

 

"The Edsan Optimist", Vol. 1, Dezember 1918, S. 8 (Link)
 

Die Zuschreibung des Witzes an "Trotty Veck", einer Figur aus Charles Dickens' Gespenstergeschichte "The Chimes"  ("Die Silvesterglocken"), kann nicht ernst gemeint sein. 

(pinterest)
Auf Deutsch taucht der Witz bei einer chronologischen Google-books-Suche das erste Mal - noch ohne Zuschreibung an Jean Paul - im Jahr 1981 auf: .
  • "Das Schöne am Frühling ist, dass er immer dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht."  (Link)

Jean Paul wurde - laut einer  Suche mit der Zeitungssuchmaschine genios.de  - das Zitat das erste Mal  im Jahr 2003 untergeschoben, und diese falsche Zuschreibung wurde ein paar Jahre später auch von anderen deutschen Zeitungen und Online-Zitatesammlungen übernommen.


Pseudo-Jean-Paul-Zitat.

 

Vereinzelt wird das Zitat auch fälschlich Achim von Arnim zugeschrieben (Link).

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Quellen:

Google
archive.org
"The Edsan Optimist", Edward Sanatorium  (Naperville, Illinois) Vol. 1 Dezember 1918, S. 8 (Link)

1926: (Link)
1981: (Link)
 
Frühe falsche Zuschreibungen an Jean Paul:
2003: Trierischer Volksfreund, 22.03.2003  SPRUCH ZUM TAG... genios.de  (kostenpflichtig; die Suchwörter werden leider nicht gespeichert.) 
2004: Berliner Morgenpost, 18.03.2004 genios.de  (kostenpflichtig)
2013: TAZ 02.03.2013 genios.de  (kostenpflichtig) 

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Dank:

Ich danke Zenon für seine Frage zu diesem Kuckuckszitat und Moritz Jacob für seine Recherchen. 


Artikel in Arbeit.

 

Freitag, 19. Februar 2021

"Musik ist die Poesie der Luft." Jean Paul

 Dieses beliebte Jean-Paul-Zitat ist ein Kurzzitat eines Satzes aus Jean Pauls Roman "Die unsichtbare Loge", in dem die Romanfigur Gustav die ersten acht Lebensjahre unter der Erde bei ihrem Lehrer, dem Herrenhuter "Genius", verbringen muss. Vor Gustavs Freilassung wird gesagt: "In das Ohr des Kleinen war Musik, diese Poesie der Luft, noch nie gekommen."

 

 Jean Paul: "Die unsichtbare Loge", 1793

  • "In das Ohr des Kleinen war Musik, diese Poesie der Luft, noch nie gekommen."

    Jean Paul: "Die unsichtbare Loge", Vierter Sektor oder Ausschnitt, in: Jean Paul's sämmtliche Werke in vier Bänden, Erster Band, Baudry's Buchhandlung, Paris: 1843, S. 232  (Link);  (projekt-gutenberg)

Sonntag, 2. Februar 2020

"Ein Optimist ist ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit der Perle, die er darin findet, bezahlen zu können." Theodor Fontane (angeblich)

Dieses weit verbreitete Bonmot ist über 100 Jahre alt, anonymen Ursprungs und wird - immer ohne Quellenangabe - in verschiedenen Varianten Ugo Tognazzi, Theodor Fontane, Paul Getty und Jean Paul zugeschrieben.

In den digitalisierten Werken Jean Pauls und Theodor Fontanes ist das Zitat so oder so ähnlich so wenig zu finden wie in seriösen Nachschlagwerken.
Pseudo-Theodor-Fontane-Zitat.

In den digitalisierten deutschsprachigen Texten taucht der anonyme Witz meines Wissens erstmals im Jahr 1931 in einer deutschsprachigen Tageszeitung aus Pilsen (Tschechoslowakei) auf:

1931
  • "Definition. 'Können Sie mir erklären, was ein Optimist ist?'  'Ein völlig mittelloser Mann, der sich in einem Restaurant erster Klasse Austern bestellt, in der Hoffnung, daß er das Diner mit einer Perle bezahlt, die er in einer Auster finden wird.'"

    Westböhmische Tageszeitung, XXXII. Jg., Nr. 189, 15. Juli 1931, S. 5, anonym (Link)

Bis 1974 wird der Witz immer ohne Zuschreibung an einen Autor zitiert (Link), in diesem Jahr wird er in einer Zitatesammlung dem italienischen Schauspieler und Regisseur Ugo Tognazzi zugeschrieben.

1974
  • "Ein Optimist ist ein Mensch, der ohne Geld in der Tasche Austern bestellt - in der Hoffnung, von den gefundenen Perlen die Zeche bezahlen zu können. Ugo Tognazzi"

    Markus M. Ronner: "Die Treffende Pointe: humoristisch-satirische Geistesblitze des 20. Jahrhunderts nach Stichwörtern alphabetisch geordnet." Ott Verlag, Thun: 1974, S. 325 (Link)

Ugo Tognazzi hat den Witz vielleicht einmal erzählt, aber geprägt kann er ihn nicht haben, da er im Jahr 1931 erst 9 Jahre alt war.

Die erstmalige Zuschreibung an Theodor Fontane wurde in der Zeitschrift "Westermanns Monatshefte"  im Jahr 1986 ohne Quellenangabe publiziert (Link):

  • "Optimist? Ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit der Perle, die er darin findet, bezahlen zu können.

    Theodor Fontane"
    Westermanns Monatshefte (Westermann's), 1986, Ausgaben 9-12, S. 161 (Link)

Ein paar Jahre später wird der alte Witz etwas verändert dem amerikanischen Milliardär Paul Getty unterschoben:


1992
  • "Ein Spekulant ist ein Mann, der ohne einen Pfennig in der Tasche Austern bestellt, in der Hoffnung,  mit einer Perle bezahlen zu können. Paul Getty"

    Albert H. Savelberg: "Währungsoptionsscheine: Grundlagen, Preisbildung, Strategien", Springer Fachmedien, Wiesbaden: 1992, S. V (Link)
Und im 21. Jahrhundert wird das Zitat erstmals auch Jean Paul zugeschrieben:

2011
  • "Ein Optimist ist ein Mann, der – ohne einen Pfennig Geld in der Tasche – Austern bestellt in der Hoffnung, mit der Perle bezahlen zu können. Jean Paul"Roland Leonhardt: Weltklassezitate für Hochstapler. rowohlt:  2011 (Link) 
Auf Grund der Geschichte dieses Zitats ist es sehr unwahrscheinlich, dass es so oder so ähnlich jemals in einem Text Jean Pauls oder Theodor Fontanes gefunden werden wird. Weitere Funde vor dem Jahr 1931 sind aber nicht auszuschließen.

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Nachtrag 12. Februar 2020

Der Witz ist anscheinend in Amerika entstanden:

1914
  •  "An Optimist is a penniless chap who will go into an oyster house and order 'a dozen on the half-shell' in the hope of finding a pearl wherewith to pay the charges."

Twitter:




Artikel in Arbeit.
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 Quellen:
Google
Westböhmische Tageszeitung, XXXII. Jg., Nr. 189, 15. Juli 1931, S. 5, anonym (Link)
Markus M. Ronner: "Die Treffende Pointe: humoristisch-satirische Geistesblitze des 20. Jahrhunderts nach Stichwörtern alphabetisch geordnet." Ott Verlag, Thun: 1974, S. 325 (Link) 
Westermanns Monatshefte (Westermann's), 1986, Ausgaben 9-12, S. 161 (Link)
Albert H. Savelberg: "Währungsoptionsscheine: Grundlagen, Preisbildung, Strategien", Springer Fachmedien, Wiesbaden: 1992, S. V (Link)
Roland Leonhardt: Weltklassezitate für Hochstapler. rowohlt:  2011 (Link) 

books.google 

Dienstag, 3. April 2018

""Poesie ist wie ein Duft, der sich verflüchtigt und dabei in unserer Seele die Essenz der Schönheit zurückläßt." Jean Paul (angeblich)


Dieses Zitat wird seit etwa 8 Jahren dem deutschen Schriftsteller Jean Paul - immer ohne Quellenangabe - zugeschrieben, aber bis heute hat es noch niemand in einer seiner Schriften entdeckt; Jean Pauls Nachlass ist noch nicht digitalisiert, deswegen kann man einen späteren Fund nicht völlig ausschließen, auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist, weil ihm das Zitat erst seit so kurzer Zeit unterschoben wird.

Ohne Zuschreibung an Jean Paul taucht das Zitat  laut Google-Books-Suche erstmals als anonymes  Motto in dem Lyrikband "Zweiminuten-Terrine" der jungen Dichterin Lisa-Marie Kuich auf (Link).

Seit 2010 wird mit diesem Kuckuckszitat regelmäßig der Welttag der Poesie am 21. März gefeiert.



 2010, Twitter:





 

2014, Twitter: 






2015, Twitter:




 2018, Twitter:



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Quellen:
 Lisa-Marie Kuich: Zweiminuten-Terrine, Papierfresserchens MRM Verlag, Bodolz: 2008, Motto, S. (6)   (Link): "Für Irena Spangehl / .. denn Poesie ist der Duft, der sich verflüchtigt und dabei in der Seele die Essenz des Schönen zurücklässt ... "
Falsche Zuschreibungen, zum Beispiel:   (Link) (Link); oe1.orf.at/programm/20140321/345224  
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Entwicklung:
1861: Leopold Dules:  "Das Innere der Poesie ist der Duft der Rose, der empfunden aber nicht definiert werden kann." Ben Chananja. Wochenblatt für jüdische Theologie, Nr. 7, Szegedin 15. Februar 1861, S. 54 (Link)  

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Dank:
Ich danke Markus Bernauer, dem Leiter der Jean Paul Edition der Berlin-Brandenburgischen  Akademie der Wissenschaften, für seine Auskunft.