Entstelltes Friedrich-Hölderlin-Zitat. Twitter. |
Korrekt lautet dieser Aphorismus aus Hölderlins Briefroman Hyperion: "Wer auf sein Elend tritt, steht höher".
Im selben Wortlaut zitiert Friedrich Hölderlin diesen Satz auch am 4. Juli 1798, ein Jahr nach dem Erscheinen des Romans, in einem Brief an seinen Bruder.
Verbreitet wurde das enstellte Zitat seit 1947 von dem Psychiater Viktor Frankl in einigen Vorträgen und Büchern (Link), und inzwischen ist das entstellte Zitat mit der ersten Person Singular und dem Wort "Unglück" statt "Elend" laut einer Google-Statistik beliebter als das Orignal.
- "Wer auf sein Elend tritt, steht höher." Friedrich Hölderlin: "Hyperion oder der Eremit in Griechenland." 51. Brief von Hyperion an Diotima
- "Whoever mounts his misery stands higher." Friedrich Hölderlin, übersetzt von Howard Gaskill
- "He who steps upon his misery stands higher." Friedrich Hölderlin, übersetzt von Bayard Quincy Morgan
- "If I step onto my misfortune, I stand higher." Variante von Viktor Frankl
- "Wenn ich auf mein Unglück trete, stehe ich höher." Variante von Viktor Frankl
Artikel in Arbeit.
___________
Friedrich Hölderlin: "Hyperion oder der Eremit in Griechenland." Erster Band. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Tübingen: 1797, 51. Brief Hyperions (Link)
____________________________________________
ANHANG
Friedrich Hölderlin: Hyperion an Diotima LI
- " Ach! und Eines hab’ ich lange dir verschwiegen. Feierlich versties
mein Vater mich, verwies mich ohne Rükkehr aus dem Hause meiner Jugend,
will mich nimmer wieder sehen, nicht in diesem, noch im andern Leben,
wie er sagt. So lautet die Antwort auf den Brief, worinn ich mein
Beginnen ihm geschrieben.
Nun lass dich nur das Mitleid nimmer irre führen. Glaube mir, es bleibt uns überall noch eine Freude. Der ächte Schmerz begeistert. Wer auf sein Elend tritt, steht höher. Und das ist herrlich, dass wir erst im Leiden recht der Seele Freiheit fühlen. Freiheit! wer das Wort versteht - es ist ein tiefes Wort, Diotima. Ich bin so innigst angefochten, bin so unerhört gekränkt, bin ohne Hoffnung, ohne Ziel, bin gänzlich ehrlos, und doch ist eine Macht in mir, ein Unbezwingliches, das mein Gebein mit süssen Schauern durchdringt, so oft es rege wird in mir." (Link)
Friedrich Hölderlin: "Hyperion oder der Eremit in Griechenland." Erster Band. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Tübingen: 1797, 51. Brief Hyperions (Link)