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Sonntag, 15. April 2018

"Wer eine gute, verständige und schöne Frau sucht, sucht nicht eine, sondern drei." Oscar Wilde (angeblich)

   
Dieser blöde Spruch taucht erst hundert Jahre nach Oscar Wildes Tod in den digitalisierten Texten auf.

Da ich ihn - wie zu erwarten - weder auf Deutsch noch auf Englisch in einem Text Oscar Wildes gefunden habe und auch in keinem seriösen Nachschlagwerk, ist das Zitat wohl ein typisches Kuckuckszitat aus dem 21. Jahrhundert.

Dieser inzwischen im Internet durch diverse unseriöse Zitatsammlungen schon weit verbreitete misogyne Zynismus wird auch immer ohne Quellenangabe zitiert.


Pseudo-Oscar-Wilde quote.
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Quellen:
Ralph Keyes: "The Wit and Wisdom of Oscar Wilde", Harper Collins Publishers, New York: 2009
Google
Beispiele für falsche Zuschreibungen:
gutezitate.com/zitat/173669
zitate-online.de
gutzitiert.de
aphorismen.de/zitat/70176
zitatekiste.com

Frühe Belege für das Falschzitat:
2004: www.chefkoch.de/forum/
2005: de.fitness.com/forum

Sonntag, 11. Februar 2018

"Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will.“ Michel de Montaigne (angeblich)

"Nul vent fait pour celuy qui n'a point de port destiné."
Michel de Montaigne

Dieses Zitat des französichen Philosophen Michel de Montaigne  geht auf einen ähnlichen Satz von Lucius Annaeus Seneca in einem Brief an Lucilius aus dem Jahr 64 n. Chr. zurück.

Montaigne, Übersetzungen:

  • 1753: "Wer sich keinem gewissen Hafen vorgesetzet hat, dem ist kein Wind günstig." (Link)
  • 1793: "Wer nach keinem betimmten Hafen steuert, dem ist kein Wind günstig." (Link)
  • 1942: "Kein Wind dient dem Manne, der keinen Hafen ansteuert." (Link)
  • 1957: "Dem weht kein Wind, der keinen Hafen hat, nach dem er segelt."

  • "No wind serves him who has no destined port." (Link)
  • "No wind works for the man who has no port of destination. " (Link)    

Das Zitat Montaignes wird in den letzten Jahrzehnten sehr frei ins Deutsche übersetzt:
  • "Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will."
  • "Kein Wind ist dem günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will."   
 _
  • "Aucun ne fait certain dessein de et puis y accommoder la main, l'arc, la corde, la fiesche, et les mouvemens. Nos conseils fourvoyent, parce qu'ils n'ont pas d'adresse et de but. Nul vent fait pour celuy qui n'a point de port destiné."
    Michel de Montaigne: Essais. Hrsg. v. Pierre Coste,  P. Gosse u. J. Neaulme, Haye: 1727,
    Livre Second, Chap. I, S. 12 (Link)

  • "Niemand macht einen festen Entwurf für sein Leben, und nur Theilweise nehmen wir es unter unsere Überlegung. Der Bogenschütze muß doch erst wissen, wohin er zielen soll, und dann erst seine Hand, den Bogen, Sehne, Pfeil und Schneller darnach einrichten. Unsre Anschläge sind nichtig, weil sie kein fest bezeichnetes Ziel haben. Wer nach keinem bestimmten Hafen steuert, dem ist kein Wind günstig."
    Michael Montaigne’s Gedanken und Meinungen über allerley Gegenstände. Ins Deutsche übersetzt.  F.T. Lagarde, Berlin: 1793, Band 3, Zweytes Buch, 1. Kapitel,  S. 17 (Link)

 Seneca: Moralische Briefe an Lucilius (Epistulae morales ad Lucilium), VIII, Brief LXXI, 3, 64 n. Chr.:

 

  • "ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est."

     
  • "Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind günstig."
  • "Wer nicht weiß, welchen Hafen er anlaufen soll, bekommt keinen günstigen Wind." 
  • "Für einen, der nicht weiß, welchen Hafen er anlaufen soll, ist kein Fahrtwind günstig." 
  •  "Il n'y a point de vent favorable pour celui qui ne sait dans quel port il veut arrive." (Link)
  • "If one does not know to which port one is sailing, no wind is favorable."
  • "When a man does not know what harbour he is making for, no wind is the right wind."
  • "You Must Know Your Destination Port If You Wish to Catch A Favorable Wind."

 _
  • "Scire debet quid petat ille qui sagittam vult mittere, et tunc derigere ac moderari manu telum: errant consilia nostra, quia non habent quo derigantur; ignoranti quem portum petat nullus suus ventus est."
    Seneca, Brief LXXI an Lucilius (Link)
  • "Wissen muß, wohin zielt, wer einen Pfeil abschießen will, und dann ausrichten und lenken mit der Hand das Geschoß: In die Irre gehen unsere Pläne, weil sie kein Ziel haben, auf das sie ausgerichtet werden können. Wer nicht weiß, welchen Hafen er anlaufen soll, bekommt keinen günstigen Wind."
    Seneca, Brief LXXI an Lucilius


Oscar Wilde wird der Satz Senecas in der Version, "Günstige Winde kann nur der nutzen, der weiß, wohin er will", unterschoben (Link), wie Garson O'Toole dokumentiert hat (Link).

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Quellen:
Google
Google: Aucun vent ne sert celui qui dirige son voyage vers aucun port certain. "Ungefähr 5 Ergebnisse" 
Garson O'Toole (Quote Investigator): "You Must Know Your Destination Port If You Wish to Catch A Favorable Wind -  Oscar Wilde? Seneca the Younger? Leon Tec?", 2011 (Link)
Lucius Annaeus Seneca: Philosophische Schriften. Vierter Band: Ad Lucilium epistulae morales. An Lucilius Briefe über die Ethik 70—124. Hg. V. Manfred Rosenbach. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1984, S. 21 (Link)
Moralische Briefe an Lucilius (Epistulae morales ad Lucilium), VIII, LXXI, 3  (Link)
Seneca: Letter LXXI: On the supreme good, line 3
L. Annaeus Seneca: Epistulae morales ad Lucilium, Hrsg. von Rainer Nickel, Band 1,  Artemis u. Winkler, 2007, S. 416 (Link)
Michel de Montaigne: Essais. Hrsg. v. Pierre Coste,  P. Gosse u. J. Neaulme, Haye: 1727, Livre Second, Chap. I, S. 12 (Link)
Michael Montaigne’s Gedanken und Meinungen über allerley Gegenstände. Ins Deutsche übersetzt.  F.T. Lagarde, Berlin: 1793, Band 3, Zweytes Buch, 1. Kapitel,  S. 17 (Link) 
Stefan Zweig: Montaigne. (1941, 1942 verfasst) Hrsg. von Karl-Maria Guth. Contumax, Berlin: 2015, S. 31 (Link)

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Dank:
Ich danke Tacita für den Hinweis auf dieses Zitat.

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Artikel in Arbeit. 


Sonntag, 5. November 2017

"Alles im Leben dreht sich um Sex, nur nicht der Sex. Der dreht sich um Macht.“ Oscar Wilde (angeblich)

Pseudo-Oscar-Wilde-Zitat.
Der heutzutage sehr beliebte Spruch ist vor dem Jahr 1980 weder auf Englisch noch auf Deutsch in digitalisierten Texten nachweisbar und auch in keinem Werk Oscar Wildes zu finden.

Bekannt wurde der Aphorismus durch die Netflix-Serie "House of Cards":
  • "Francis Underwood
    A great man once said, everything is about sex. Except sex. Sex is about power."
    House of Cards, Chapter 9, 2013  (Link)

Wer den Spruch geprägt hat, wissen wir nicht. Er ist in verschiedenen Variationen schon vor der TV-Serie "House of Cards" in den 1990er Jahren als alter Witz unter amerikanischen Psychoanalytikern bekannt.
Erstmals irrtümlich Oscar Wilde zugeschrieben wurde dieser Witz anscheinend im Jahr 2002 (Link).

Varianten:

  • "Everything is about sex except sex, which is about aggression."
  • "Everything in the world is about sex except sex. Sex is about power." 
  • "Everything is about sex. Except sex. Sex is about power."

 

Evolution des Spruchs:


1959
  • "Everything is sex except sex, and God knows what sex has become. "
1984
  • "Because sex is about power, then sado-masochism is argued to be only an extension of that power, and anyway, where do you draw the line?"

1997
  • ".. the importance with which sex and aggression are viewed as motivators of human behavior by psychoanalysts is captured by the saying, "Everything is about sex, except sex, which is about aggression." I think of the Beast Within as a wolf ..."

1998
  • "As the old analytic joke goes, "Everything is about sex except sex, which is about aggression."
2002
  • "Brendan Lemon thoroughly understands Oscar Wilde's assertion that everything in the world is really about sex, except sex: Sex is about power." (Link)
2002
  • "Summarizing Freud and all of psychoanalysis most succinctly, Robert Michels (personal communication) wryly suggested: "Everything is about sex, except sex; sex is about power." ...  "Sometimes sex is just about sex !" (Link)
2013
  • "Francis Underwood
    A great man once said, everything is about sex. Except sex. Sex is about power."
    House of Cards, Chapter 9, 2013  (Link)
    _______
    Quellen: 
    Google
    Wikiquote: unsourced
    Vergebliche Suche (Link)
    Usenet:  (Link)
    IMDb (Link) 
    ________
    Dank:
    Ich danke Ralf Bülow für die Korrektur der ersten Fassung des Artikels.
    Artikel in Arbeit.

    Dienstag, 17. Oktober 2017

    "Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende." Pseudo-Oscar-Wilde-Zitat.

    Pseudo-Oscar-Wilde-Zitat.
    Dieses Bonmot, das wie eine Weisheit aus dem Buch Hiob klingt, wurde wahrscheinlich von dem Vater des brasilianischen Schriftstellers Fernando Sabino auf Portugiesisch geprägt.
    Pseudo-John-Lennon-Zitat.
    Auf Englisch und Deutsch taucht das Zitat erst im 21. Jahrhundert auf, entweder als anonymes Sprichwort, asiatische Weisheit oder es wird - immer ohne Angabe einer seriösen Quelle - Oscar Wilde (seit 2003) oder John Lennon (seit 2008) unterschoben. 




    Entwicklung des Zitats von 1988-2013:


    Das Pseudo-Oscar-Wilde-Zitat tauchte erstmals in dem 1988 erschienenen protugiesischen Buch "O tabuleiro de damas" ("Das Schachbrett") des brasilianischen Schriftstellers Fernando Sabino auf.

    Sein Vater Domingo Sabino hatte ihn mit diesem inzwischen weltweit in vielen Sprachen beliebten Spruch einmal aufgemuntert. 

    1988
    •  "O melhor, talvez, que me lembre, foi o que me disse um dia em que me encontrou entregue à aflição de espírito:

      'Meu filho,
      tudo no fim dá certo. Se não deu, é porque ainda não chegou ao fim.'"
      Fernando Sabino: "O tabuleiro de damas" Editora Record, Rio de Janeiro: 1988, S. 79 (quoteinvestigator)

      "Vielleicht das Beste, an das ich mich erinnere, ist, was er zu mir einmal sagte, als er mich niedergeschlagen sah:

      'Mein Sohn, am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.'"

     

    1991
    • "Para lembrar uma frase do pai de Fernando Sabino, por quem tenho uma grande admiração: no fim tudo dá certo. Se não deu certo, é porque ainda não chegou ao fim."  (Link)

    2000
    •  "Everything is OK in the end. If it's not OK, it's not the end." Anonym (Link)
      (Erste Erwähnung auf Englisch im Usenet. Ohne Zuschreibung.)
    2003
    • "So we know, as someone said, everything will be okay in the end. If it's not okay, it's not the end!" Anonym (Link)

    2003
    • "Am Ende wird alles GUT. Wenn es nicht gut wird ist es noch nicht das Ende. (Oskar Wilde)"
      muenchnersingles.de
      (Erste Zuschreibung an Oscar Wilde)
    2008 
    • "Everything will be okay in the end. If it's not okay, it's not the end. (John Lennon)" doktorandenforum.de 
      (Erste Zuschreibung
      an John Lennon)
    2010
    • "am ende wird alles gut und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das ende (oscar wilde)"
      lehrerforen.de
    2011
    • Sonny Kapoor: 'In India, we have a saying – everything will be all right in the end. So if it is not all right, it is not yet the end.'
      "The Best Exotic Marigold Hotel", Film (Link)
     

     Dieser Dialog im Film "The Best Exotic Marigold Hotel" suggeriert, das brasilianische Bonmot sei eine alte indische Weisheit.

    2012
    • "Bei Oscar Wilde las ich dazu den schönen Satz: »Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende.« " (Link)
    2012
    • "Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende. (indisches Sprichwort)" (Link)
    2013
    • "'... everything will be okay in the end and if it's not okay it's not the end' (attributed to John Lennon among others)" (Link)
     

     

    Varianten

    • "No fim, tudo dá certo. Se não deu, ainda não chegou ao fim." Fernando Sabino
    • "No fim tudo dá certo, se não deu certo é porque ainda não chegou ao fim." Fernando Sabino
    • "It will turn out fine in the end. If it's not fine, it's not the end."
    • "Everything is going to be fine in the end. If it's not fine it's not the end."
    • "In the end, everything will be ok. If it's not ok, it's not yet the end."
    • "Everything is OK in the end. If it's not OK, it's not the end."
    • "Everything will be okay in the end. If it's not okay, it's not the end." 
    • "Am Ende wird alles gut! Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende."
    • "Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende."
    Auf Deutsch oder Englisch ist das Zitat in keinem digitaliserten Text vor dem 21. Jahrhundert zu finden. Auch deswegen kann es nicht von Oscar Wilde oder John Lennon stammen. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass es noch jemand an versteckter Stelle in ihren Schriften entdeckt, da schon Viele vergeblich gesucht haben. 

    Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass jemals eine seriöse Quelle für die Behauptung gefunden wird, das Zitat sei eine indische oder asiatische Weisheit, da diese Zuschreibungen alle erst ein paar Jahre alt und aus philologisch nicht vertrauenswürdigen Quellen sind.






    ________
    Quellen: 
    Fernando Sabino: "O tabuleiro de damas" Editora Record, Rio de Janeiro: 1988, S. 79 [Zitiert nach Garson O'Toole (quoteinvestigator) ]
    Fernando Tavares Sabino: "Zélia, uma paixão - biografia", Record: 1991, S. 249  (Link)
    Fernando Tavares Sabino: "No fim dá certo - crônicas", Record: 1998, S. 217 (Link)
    Google
     Wikiquote:  "attributed to Lennon, but no verifiable source found."
    Wikiquote portugiesisch
     Quora
    2003: Frühe Zuschreibung an Oscar Wilde: Anka 27.08.2003 14:00 Uhr muenchnersingles.de 
    2008: Früheste Zuschreibung an John Lennon:  holladiewaldfee  04.11.2008, 17:11 doktorandenforum.de
    2011: "The Best Exotic Marigold Hotel", Film, 2011, UK, Regie: John Madden (Link
    shepherdproject.com/the-best-exotic-marigold-hotel-review/ 
    2015: Asiatische Weisheit:  (Link)
    Falsche Zuschreibungen findet man auch in vielen unseriösen Zitatsammlungen (Google). 
    Garson O' Toole: "Everything Will Be OK in the End. If It’s Not OK It’s Not the End John Lennon? Oscar Wilde? Fernando Sabino? Paulo Coelho? Domingos Sabino? Anonymous?" 2023 (quoteinvestigator.medium.com)
    ----
    1967?: (Link) 

    Dank:
    Ich danke den Autorinnen von Wikiquote, (Nachtrag:) und Garson O'Toole für seine zusätzlichen Funde.
     
    _________
    Artikel in Arbeit. Letzte Änderung: 10/9 2018; 31/1 2023 (O'Toole, Vater Sabinos1988)

    Montag, 17. April 2017

    "Was Deutschland und Österreich trennt, ist die gemeinsame Sprache." Karl Kraus (angeblich)

    Pseudo-Karl-Kraus-Zitat.

    Das war jahrzehntelang das beliebteste Aperçu, das dem Polemiker Karl Kraus fälschlich zugeschrieben wurde. 

    In seinen Schriften hat es niemand so oder so ähnlich entdecken können. 

     

    Varianten des Pseudo-Karl-Kraus-Zitats:

     
    • "Was Deutschland und Österreich trennt, ist die gemeinsame Sprache."
    • "Was die Österreicher von den Deutschen trennt, ist die gemeinsame Sprache."
    • "Was uns voneinander trennt, ist die gemeinsame Sprache."
    • "Das Einzige, was die Österreicher und Deutschen trennt, ist die deutsche Sprache."
    • "Der größte Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern ist die gemeinsame Sprache!"

     Mit der falschen Zuschreibung an Karl Kraus hat anscheinend der Literaturwissenschaftler Ernst Alker in der dritten Auflage seiner fast 1000seitigen deutschen Literaturgeschichte begonnen:
     
    1969:
    • "Das von Karl Kraus, dem getreuesten und liebevollsten Hasser Österreichs, dem getreuesten und liebevollsten Diener der deutschen Sprache, geprägte Aperçu, Deutsche und Österreicher wären durch die gemeinsame Sprache, getrennt erhellt eine schicksalhafte Gegebenheit."
      Ernst Alker: "Die deutsche Literatur im 19. Jahrhundert (1832-1914)." Alfred Kröner Verlag, 3. veränderte und verbesserte Auflage, Stuttgart: 1969, S. 659 (Link)
     1973
     
    • "Nun, Karl Kraus hat einmal gesagt: 'Der größte Unterschied zwischen Österreichern und Deutschen ist die gemeinsame Sprache.'"
      Neue Deutsche Literatur, Volk und Welt, 1973[?], S. 6 (Link)

     
    Die falsche Zuschreibung an Karl Kraus ging also von Literaturwissenschaftlern - und nicht wie so oft von literarischen Laien - aus, und wurde ab den 1980er Jahren von Autoren, Historikern und Journalist:innen weiter verbreitet.
     
     
    Viele haben in den folgenden Jahren vergeblich nach dem wahren Urheber dieses Bonmots gesucht, Robert Sedlaczek hat ihn im Jahr 2011 schließlich gefunden: 
     
    Der österreichische Kabarettist Karl Farkas prägte 1957 eine Variante dieses Aphorismus, und nicht Karl Kraus, dem das Zitat nachweisbar seit 1969 untergeschoben wurde. 

    Karl Farkas:

    • "Aber wir Österreicher unterscheiden uns doch von den Deutschen durch so mancherlei, besonders durch die gleiche Sprache."
      Karl Farkas, 30. Dezember 1957, ORF (Link)
     
    Im englischen Sprachraum wird seit 1942 ein ähnliches Bonmot dem irischen Dramatiker Bernard Shaw zugeschrieben: 
    Aber auch in George Bernard Shaws Schriften hat dieses Bonmot, das wahrscheinlich auch Karl Farkas gekannt hat, noch niemand entdecken können.

    Dieses angebliche Bernard-Shaw-Zitat könnte von einem Satz aus Oscar Wildes Erzählung “The Canterville Ghost” angeregt worden sein:
     

    Oscar Wilde: "The Canterville Ghost" (1887):

    • "Indeed, in many respects, she was quite English, and was an excellent example of the fact that we have really everything in common with America nowadays, except, of course, language." (Link)
    • "So war sie wirklich in vieler Hinsicht völlig englisch und ein vorzügliches Beispiel für die Tatsache, daß wir heutzutage alles mit Amerika gemein haben, ausgenommen natürlich die Sprache."
      Oscar Wilde:
      "Das Gespenst von Canterville", übersetzt von Franz Blei. (Link)
    __________
    Quellen:
    Über Karl Farkas:
    Robert Sedlaczek: "Nicht alles Gute kommt von Kraus",  "Wiener Zeitung", 22. Juli 2011.
    Über das englische Zitat und dessen Ursprung bei Oscar Wilde und eventuell bei Bernard Shaw:
    Garson O'Toole (Quote Investigator): "Britain and America Are Two Nations Divided by a Common Language. George Bernard Shaw? Mallory Browne? Raymond Gram Swing? Apocryphal?" 2016
    (Link)
    Oscar Wilde: "Das Gespenst von Canterville: The Canterville Ghost" - Bilingual Englisch-Deutsch,  Übersetzung: Franz Blei, Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform: 2015 ebook (Link)
     
    Ernst Alker: "Die deutsche Literatur im 19. Jahrhundert (1832-1914)." Alfred Kröner Verlag, 3. veränderte und verbesserte Auflage, Stuttgart: 1969, S. 659 (Link) [In der Ausgabe von 1962 ist das Pseudo-Karl-Kraus-Zitat noch nicht enthalten.]

    Zitat-Sammlungen, in denen der Aphorismus immer noch irrtümlich Karl Kraus zugeschrieben wird; zum Beispiel:
    ___________
    Dank:
    Ich bin Robert Sedlaczek und Garson O'Toole zu Dank verpflichtet.
     
     Artikel in Arbeit.
    ___________
    Twitter-Diskussion

    Letzte Änderungen: 26/10 2022 (Formulierungen; 1969.)