Entstelltes-Ludwig-van-Beethoven-Zitat. |
Dieses Zitat wurde Ludwig van Beethoven erstmals im Jahr 1903 auf Französich untergeschoben und ist in seinen Texten so wenig zu finden wie in Texten Leo Tolstois, dem das Zitat seit dem Jahr 1920 fälschlich zugeschrieben wird.
Romain Rolland: "Vie de Beethoven", 1903:
- "« Je ne reconnais pas d'autres signes de supériorité que la bonté », écrit-il le 17 juillet 1812"
Romain Rolland: "Vie de Beethoven." Hachette et Ci., Paris: (1903) 1914, S. 38 (Link)
Der von Stefan Zweig verehrte Romain Rolland, der französische Biograph Beethovens, nannte als Quelle für sein angebliches Beethoven-Zitat (deutsch: "Ich erkenne kein anderes Zeichen der Überlegenheit an als die Güte" ) einen Brief Beethovens vom 17. Juli 1812.
Aber das Zitat kommt hier so wenig wie in einem anderen Brief Beethovens vor.
Ludwig van Beethoven antwortete in diesem Brief vom 17. Juli 1812 einer etwa 10-jährigen Hamburger Klavierspielerin, die ihm aus Verehrung ein kleines Geschenk mit einem Brief gesandt hatte:
Ludwig van Beethoven an Emilie M. ,17. Juli 1812:
- "Sollte ich einst nach H. kommen, so komme ich zu Dir, zu den Deinen. Ich kenne keine andern Vorzüge des Menschen als diejenigen, welche ihn zu den bessern Menschen zählen machen; wo ich diese finde, dort ist meine Heimath. [...] Betrachte mich als Deinen und Freund Deiner Familie."
Alexander Wheelock Thayer: Ludwig van Beethoven's Leben. Dritter Band. Verlag W. Weber, Berlin: 1879, S. 205 (Link)
Die deutsche Übersetzerin von Romain Rollands Beethoven-Biographie zitierte korrekt aus diesem Brief, die englische Übersetzerin übersetzte nur das von Romain Rolland geprägte verkürzte und entstellte Zitat:
1918
- "'Ich kenne keine andern Vorzüge des Menschen als diejenigen, welche ihn zu den bessern Menschen zählen machen', schreibt er am 17. Juli 1812."
Romain Rolland: "Ludwig van Beethoven." Deutsch von Lisbeth Langnese-Hug, Rascher, Zürich: 1918, S. 45 (Link)
- "Beethoven wrote, 'I recognise no sign of superiority in mankind other than goodness.'"
Romain Rolland: "Beethoven." Englisch von B. Constance Hull, H. Holt and Company, New York: 1919, S. VI (Link)
Im Jahr 1919 ordnete der Romanist Ernst Robert Curtius den Satz "Ich erkenne kein anderes Zeichen der Überlegenheit an als die Güte" korrekter Weise einem "der Größten" (Romain Rolland) der neuen französischen Literatur zu, ein Jahr später schreibt Stefan Zweig, "einer von den Grössten (Tolstoi)" habe gesagt: "Ich erkenne kein anderes Zeichen der Überlegenheit als die Güte."
1919- "Wie es einer der Grössten unter ihnen, der, dessen Leben wir hier erzählen, gesagt hat: ,Ich erkenne kein anderes Zeichen der Überlegenheit an als die Güte.‘"
Ernst Robert Curtius: "Die literarischen Wegbereiter des neuen Frankreich", Gustav Kiepenheuer, Potsdam: [1919], S. 88 (archive.org)
1920
- "Wie einer von den Grössten (Tolstoi) gesagt hat: ,Ich erkenne kein anderes Zeichen der Überlegenheit als die Güte.‘"
Stefan Zweig: "Romain Rollands 'Beethoven'" Moderne Welt, Heft 9, 1920, S. 9 (anno)
Stefan Zweig hat diesen Satz wahrscheinlich irrtümlich Leo Tolstoi zugeschrieben, aber seit dieser Zeit wird das von Romain Rolland geprägte Zitat in vielen Sprachen irrtümlich manchmal Leo Tolstoi und manchmal Ludwig van Beethoven zugeschrieben.
Undatierte Grußkarte von Elly Ney (Link). |
Die deutschsprachige Fassung des Zitats, die zum Beispiel die deutsche Beethoven-Pianistin Elly Ney auf einer Gruß-Karte verbreitet hat, kann nur aus einer Rückübersetzung stammen und ist in den digitalisierten überlieferten Texten Beethovens nicht zu finden.
Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Romain Rolland: "Vie de Beethoven." Hachette et Ci., Paris: (1903) 1914, S. 38 (Link)
Ernst Robert Curtius: "Die literarischen Wegbereiter des neuen Frankreich", Gustav Kiepenheuer, Potsdam: [1919], S. 88 (archive.org)
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Dank:
Ich danke Clemens Alder für die Frage nach diesem Zitat sowie Zitante Christa und Ralf Bülow wieder für ihre sehr hilfreichen Recherchen.
.1920