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Samstag, 29. April 2017

"Der Tod eines Menschen: das ist eine Katastrophe. Hunderttausend Tote: das ist eine Statistik!" Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Stalin quote.

  • "The death of one man is a tragedy, the death of millions a statistic."

Dieses zynische Bonmot, das die Geisteshaltung von Despoten und von manchen Generälen ausdrückt, stammt aus einer Anekdote über einen unbekannten französischen Diplomaten, die Kurt Tucholsky 1925 in seinem Artikel "Französischer Witz" erzählt hat.


Kurt Tucholsky hat diesen Zynismus überliefert, und seitdem wird er fälschlich - ohne den Kontext zu berücksichtigen - ihm selbst und seit 1947 in verschiedenen Versionen auch Joseph Stalin zugeschrieben.


In Stalins Reden, Briefen und Schriften ist dieser Zynismus bisher nicht gefunden worden. Auch eine französische schriftliche Quelle für Kurt Tucholskys Diplomaten-Anekdote wurde bisher nicht entdeckt.

Die Anekdoten, die über Stalin im Zusammenhang mit diesem Zitat erzählt werden, widersprechen einander sowohl im Wortlaut des Zitats als auch im Kontext.

Es ist also bei dieser Quellenlage sehr unsicher, ob er diesen Satz wirklich gesagt hat. Sicher ist, dass Stalin ihn nicht geprägt hat und auch der Stalin-Biograph Stephen Kotkin kann die Authenzität keines dieser  Stalin-Zitate, die es in russischer Sprache gar nicht gibt, bestätigen.

Stalin-Anekdoten


1947 (1933)
  • "In the days when Stalin was Commissar of Munitions, a meeting was held of the highest ranking Commissars, and the principal matter for discussion was the famine then prevalent in the Ukraine. One official arose and made a speech about this tragedy — the tragedy of having millions of people dying of hunger. He began to enumerate death figures … Stalin interrupted him to say: 'If only one man dies of hunger, that is a tragedy. If millions die, that’s only statistics.'"
    Washington Post, 30. Januar 1947  (Quoteinvestigator)
1981/1992 (1943)
  • "Churchill had been arguing that a premature opening of a second front in France would result in an unjustified loss of tens of thousands of Allied soldiers. Stalin responded that 'when one man dies it is a tragedy, when thousands die it's statistics'".
    Anton Antonov-Ovseyenko: "The Time of Stalin" (Link)
2012 (1945)
  • "Mary Soames, the daughter of Winston Churchill, stated that she heard Stalin say this to her father at the Potsdam Conference. Stalin and Churchill were talking when Churchill received a note saying that one of his best friends had died. Churchill began to cry, then said: "Marshall Stalin, I have to apologize because I know it is absurd that the death of one person should make one weep while you on the eastern front have lost so many millions." Stalin replied: "No, I understand, because one death is a tragedy, but a million is just a statistic."
    Simon Sebag Montefiore in talk to Jaipur Literature Festival, 6 June 2012. Youtube (50:30)

Kurt Tucholsky

  • "Es wird von den Schrecknissen des Krieges gesprochen. Darauf sagt ein Diplomat vom Quai d'Orsay: »Der Krieg? Ich kann das nicht so schrecklich finden! Der Tod eines Menschen: das ist eine Katastrophe. Hunderttausend Tote: das ist eine Statistik!« Die Sprache der Diplomaten ist eben die französische, und die Definition des Berufes heißt so: »Ein Diplomat, mein liebes Kind, ist ein Mann, der das Geburtsdatum einer Frau kennt und ihr Alter vergessen hat!«"
    Kurt Tucholsky (Peter Panter): "Französischer Witz", 1925
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Quellen:
Kurt Tucholsky (Peter Panter): "Französischer Witz", Vossische Zeitung, 23. August 1925, in:  Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 4, Rowohlt,  Reinbek bei Hamburg: 1975, S. 189-191. (Link) (vorerst zitiert nach Zeno.org)
Garson O'Toole: "A Single Death is a Tragedy; a Million Deaths is a Statistic - Joseph Stalin? Leonard Lyons? Beilby Porteus? Kurt Tucholsky? Erich Maria Remarque?", 2010, 2015 (LInk)
Simon Sebag Montefiore in talk to Jaipur Literature Festival, 6 June 2012. Youtube (50:30) (Zitiert nach Wikipedia)
1947 January 30, Washington Post, Loose-Leaf Notebook by Leonard Lyons, Quote Page 9, Washington, D.C. (ProQuest) (Zitiert nach Grason O'Toole)
Anton Antonov-Ovseyenko: "The Time of Stalin: Portrait of a Tyranny", Harper Collins Publishers, 1981, S. 278 (Zitiert nach David McCullough: Truman, S. 509)  (Link)
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate
E-Mail von Stephen Kotkin vom 11. Juni 2018
defence.pk
(Artikel in Arbeit.)

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Dank:
Ich bin Garson O'Toole für seinen aufschlußreichen Artikel dankbar.

Freitag, 5. Mai 2017

"Wenn wir aus dieser Welt durch Sterben uns begeben, So lassen wir den Ort, wir lassen nicht das Leben." Nikolaus Lenau (angeblich)

Dieses Zitat wird hunderte Male irrtümlich Nikolaus Lenau unterschoben, es stammt aber aus dem Gedicht "Der Tod" des Barockdichters Friedrich von Logau.

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Quellen:
Google-Statistik
Friedrich von Logau: Der Tod, 1702
Arbeitsgruppe von Ulrich Seelbach von der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld: "Trauersprüche"

Samstag, 14. September 2019

"Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein." Marie von Ebner-Eschenbach (angeblich)


Pseudo-Oliver-Cromwell quote?
Dieses Sprichwort wird auf Englisch in mehreren Versionen Oliver Cromwell zugeschrieben, aber auf Deutsch im 21. Jahrhundert der österreichischen Aphoristikerin Marie von Ebner-Eschenbach unterschoben.
 
Pseudo-Marie-von-Ebner-Eschenbach-Zitat.

Marie von Ebner-Eschenbach hat ungefähr 900 Aphorismen verfasst, aber diesen nicht. Ich folge da dem Urteil von Daniela Strigl, der Biographin Ebner-Eschenbachs. Auch in keinem seriösen Zitate-Lexikon wird der Aphorismus Marie von Ebner-Eschenbach zugeschrieben.
-

Der englische Soldat und Politiker Oliver Cromwell soll im 17. Jahrhundert in sein Bibel-Exemplar folgende Zeile eingetragen haben:

Oliver Cromwell: 

  • "If I cease becoming better I shall soon cease becoming good".
    "The Marks of a Man", 1906, S. 159 archive.org/
1933 scheint der Eintrag in die Bibel vergessen zu sein, und der Spruch wird Cromwell in folgender Version zugeschrieben:
  • "He who stops being better stops being good." (Link)

Garson O'Toole hat herausgefunden, dass die erste schriftliche Erwähnung dieses Satzes auf Lateinisch und Englisch aus dem Jahr 1621 stammt.
  •  "Qui cessat esse melior, cessat esse bonus.
    Hee that ceasseth to be better, ceasseth to be good"
Oliver Cromwell hat laut den Recherchen Garson O`Tooles den Satz auf Lateinisch in seine Taschenbibel geschrieben:
Auf Deutsch wird das angebliche Ebner-Eschenbach-Zitat inzwischen in Schulen und Universitäten gerne zitiert.

Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Robert Elliot Speer: "The Marks of a Man; Or The Essential of Christian Character", Fleming H. Revell Company, New York / London etc.: 1906; S. 159  archive.org
 Daniela Strigl - Berühmt sein ist nichts. Marie von Ebner-Eschenbach - Eine Biographie. Residenz Verlag, Salzburg Wien: 2018 ebook (Link)
wikiquote.org/wiki/Talk:Oliver_Cromwell
archive.org/
 (Link)
Garson O'Toole: "If I Cease Becoming Better, I Shall Soon Cease To Be Good
Oliver Cromwell? John Andrewes? Earl of Chichester? Mark Antony Lower? Viscount Fauconberg? Apocryphal?" 2019 quoteinvestigator.com

Frühe Zuschreibung an Marie von Ebner-Eschenbach:
2008 www.vogelforen.de/threads/grosser-textorweber.95424/,
robin1993game, 02.09.2008

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
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Dank:
Ich danke Daniela Strigl für den Hinweis auf die falsche Zuschreibung dieses Zitats und Garson O'Toole für seine Recherchen zu dem Cromwell-Zitat.


Letzte Änderung: 4/11 2019

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Wer heutzutage aufhört, besser  werden zu wollen, der hat schon aufgehört, gut zu sein. 
Deutsche Baumschule 1968 (Link)

Donnerstag, 22. Oktober 2020

"Wenn ich auf mein Unglück trete, stehe ich höher." Hölderlin (angeblich)

Entstelltes Friedrich-Hölderlin-Zitat. Twitter.

Korrekt lautet dieser Aphorismus aus Hölderlins Briefroman Hyperion: "Wer auf sein Elend tritt, steht höher" 

Im selben Wortlaut zitiert Friedrich Hölderlin diesen Satz auch am 4. Juli 1798, ein Jahr nach dem Erscheinen des Romans, in einem Brief an seinen Bruder.

Verbreitet wurde das enstellte Zitat seit 1947 von dem Psychiater Viktor Frankl in einigen Vorträgen und Büchern (Link), und inzwischen  ist das entstellte Zitat mit der ersten Person Singular und dem Wort "Unglück" statt "Elend" laut einer Google-Statistik beliebter als das Orignal.

 

 

Artikel in Arbeit.

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Quellen:
Google  Ungefähr 881 Ergebnisse (0,42 Sekunden) (Entstelltes Zitat)
Google  Ungefähr 638 Ergebnisse (0,40 Sekunden) (Hölderlin-Zitat)
Friedrich Hölderlin: "Hyperion oder der Eremit in Griechenland."  Erster Band. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Tübingen: 1797, 51. Brief Hyperions (Link)
Viktor Emil Frankl:  "Die Existenzanalyse und die Probleme der Zeit" Amandus-Edition, Wien: 1947, S. 21 (Link) (Entstelltes Zitat)
 
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Dank:
Ich danke Zitante Christa für den Hinweis auf dieses Zitat.

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ANHANG


Friedrich Hölderlin: Hyperion an Diotima LI

 

  • " Ach! und Eines hab’ ich lange dir verschwiegen. Feierlich versties mein Vater mich, verwies mich ohne Rükkehr aus dem Hause meiner Jugend, will mich nimmer wieder sehen, nicht in diesem, noch im andern Leben, wie er sagt. So lautet die Antwort auf den Brief, worinn ich mein Beginnen ihm geschrieben.

    Nun lass dich nur das Mitleid nimmer irre führen. Glaube mir, es bleibt uns überall noch eine Freude. Der ächte Schmerz begeistert. Wer auf sein Elend tritt, steht höher. Und das ist herrlich, dass wir erst im Leiden recht der Seele Freiheit fühlen. Freiheit! wer das Wort versteht - es ist ein tiefes Wort, Diotima. Ich bin so innigst angefochten, bin so unerhört gekränkt, bin ohne Hoffnung, ohne Ziel, bin gänzlich ehrlos, und doch ist eine Macht in mir, ein Unbezwingliches, das mein Gebein mit süssen Schauern durchdringt, so oft es rege wird in mir." (Link)

    Friedrich Hölderlin: "Hyperion oder der Eremit in Griechenland."  Erster Band. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Tübingen: 1797, 51. Brief Hyperions (Link)
 

Montag, 24. April 2017

The trouble with "Germans is not that they fire shells, but that they engrave them with quotations from Kant." Karl Kraus (angeblich)

Dieses Zitat ist auf Deutsch fast unbekannt und taucht erstmals 1967 in einem Buch des englischen Historikers Frank Field über "Die Letzten Tage der Menschheit" auf:
  • "The trouble with the Germans, Kraus complained with polemical exaggeration, was not that they fired shells at the enemy but that they engraved quotations from Kant on the shells before firing them."
Falsche Zitate enstehen oft durch Gedächtnisirrtümer von Experten. Wenn der Spruch plausibel und prägnant formuliert ist, kann das falsche Zitat sehr erfolgreich werden, wie dieses hier, das durch Bücher, Zeitungen und im Internet im englischen Sprachraum millionenfach verbreitet wurde. 
Wie kam der englische Historiker zu dieser falschen Zuschreibung? Nirgends ist überliefert, im Ersten Weltkrieg wären Zitate von Immanuel Kant auf Granaten eingraviert gewesen. Was Karl Kraus der deutschen Kriegspropaganda von Kaiser Wilhelm und patriotischen Journalisten allerdings besonders übelnahm, war die metaphysische und moralische Überhöhung ihrer Aggressionspolitik mit Immanuel Kant. Zur gleichen Zeit wurden mit martialischen Redensarten wie, "Immer feste druff!",  Hunderttausende in den Tod geschickt, was - wie jeder wissen konnte - Immanuel Kants völkerrechtlichen, moralischen und politischen Forderungen vollständig widersprach.



Die preußische Redensart: "Immer feste druff!" war zwischen 1914 und 1918 so populär wie sonst nie.



  • "»Der völlige Sieg im Osten erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit. Er läßt uns wieder einen der großen Momente erleben, in denen wir ehrfürchtig Gottes Walten in der Geschichte bewundern können. Welch eine Wendung durch Gottes Fügung! Die Heldentaten unserer Truppen, die Erfolge unserer großen Feldherren, die bewunderungswürdigen Leistungen der Heimat wurzeln letzten Endes in den sittlichen Kräften, im  kategorischen Imperativ, die unserm Volk in harter Schule anerzogen sind ....«
  • » … Um so dankbarer wird gerade in Ostpreußen das Gottesgericht im Osten empfunden werden. Unseren Sieg verdanken wir nicht zum mindesten den sittlichen und geistigen Gütern, die der große Weise von Königsberg unserem Volke geschenkt hat .... Gott helfe weiter bis zum endgültigen Siege.« "
Karl Kraus hat diese pathetischen, abwegigen Berufungen auf die Lehren von Immanuel Kant im Mai 1918 mit Zitaten aus Kants Friedensschrift konfrontiert und am Ende mit einem ironischen, "eigenhändigen" Immanuel-Kant-Zitat glossiert. Die Sigle "m.p." bedeutet eigenhändig (e.h.), mit eigener Hand, vom Lateinischen "manu propria" (abgekürzt: m.p):
  •             "Um Mißverständnissen vorzubeugen
    erkläre ich, daß ich »Habt acht!«, »Marsch marsch!«, »Immer
    feste druff!« und »Durchhalten!« nicht als Beispiele für meinen
    kategorischen Imperativ vorgesehen habe. Kant m. p."
    Karl Kraus, Mai 1918
Und in der Tragödie "Die letzten Tage der Menschheit" lässt Karl Kraus den Nörgler sagen, die
"neuen Deutschen" hätten "den Kant'schen kategorischen Imperativ frisch von der Leber weg als eine philosophische Rechtfertigung von »Immer feste druff!« reklamiert". Dieses "Immer feste druff!" wurde nicht nur vertont, es wurde in der Tat auch auf Granaten eingraviert. In den "Letzten Tagen der Menschheit" stehen vor dem Eingang der Villa Wahnschafffe "rechts und links zwei Modelle von Mörsergeschossen, das eine mit der Inschrift: 'Immer feste druff!', das andere mit: 'Durchhalten!'".

Dem Historiker Julian Nodhues verdanken wir die These, dass die enge Verbindung von "Immer feste druff!" mit Immanuel Kant in den Kriegschriften von Karl Kraus den englischen Historiker dazu verleitet hat, zu glauben, Zitate von Immanuel Kant wären auf Granaten eingraviert gewesen und Karl Kraus habe gerade das an den Deutschen am meisten gestört.

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Mich freuten die Diskussionen auf Twitter, die geholfen haben, dieses Zitat-Rätsel zu lösen, wobei mir auch die Meldung "nix gefunden" oder Thesen mit kurzer Halbwertszeit nützlich waren. 
Dank an:  Basso Continuo, Julian Nordhues, Katharina Prager,  Andrea Maria Dusl, Christina Dongowski ua
 
Quellen:
Frank Field: "The last days of mankind: Karl Kraus and his Vienna", 1967
Karl Kraus: "Die Letzten Tage der Menschheit. Tragödie in 5 Akten mit Vorspiel und Epilog", III. Akt, 14. Szene: Der Optimist und der Nörgler im Gespräch. (Link)
Karl Kraus: "Die Fackel", Mai 1918,  474-483, S. 156
Google Statistik: Das Zitat hat mehr als 1000 Treffer, ist also wahrscheinlich millionenfach im englischen Sprachraum verbreitet.
BrainyQuote

Freitag, 5. Mai 2017

"Aus Gottes Hand empfing ich mein Leben, unter Gottes Hand gestaltete ich mein Leben, in Gottes Hand gebe ich mein Leben zurück." Augustinus (angeblich)

Pseudo-Augustinus-Zitat.

Dieser Trauerspruch ist im 21. Jahrhundert entstanden und wird - nach den Recherchen des Literaurwissenschafters Ulrich Seelbach -  fälschlich Augustinus zugeschrieben. Die ursprüngliche Verfasserin des Zitats ist unbekannt.

In den digitalisierten Texten vor dem 21. Jahrhundert und in den Schriften von Augustinus ist dieses Zitat unauffindbar.
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Quellen:
Arbeitsgruppe von Ulrich Seelbach von der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld: "Trauersprüche"
Google-Statistik

Frühe falsche Zuschreibung an Augustinus:
2004: S. 18 preussische-allgemeine.de/2004 
Beispiele für falsche Zuschreibungen an Augustinus:
Google Books
Zitate.eu
Aphorismen.de

Samstag, 6. Mai 2017

"Der Witz ist das Erdgeschoss des Humors, die Satire der erste Stock, die Ironie der zweite, der Sarkasmus das Mansardenstübchen." Karl Kraus (angeblich)

 
Süddeutsche Zeitung, 5. Mai 2017: Pseudo-Karl-Kraus-Zitat

Auf Google Books taucht dieses Zitat erstmals 2007 auf, und wird dem Schauspieler Werner Krauß zugeschrieben; zehn Jahre später liest man in Online-Zitat-Sammlungen, Karl Kraus sei der Urheber dieses Bonmots; ich kann nicht wissen, ob es wirklich von Werner Krauß stammt: von Karl Kraus ist es sicher nicht. Erstens klingt es zu harmlos humorig und zweitens ist es in seinen Schriften nicht zu finden. Wahrscheinlich ist dieses Pseudo-Karl-Kraus-Zitat über eine Zitate-Sammlung wie Aphorismen.de in die "Süddeutsche Zeitung" gekommen.

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Google-Statistik: "Ungefähr 3 120 Ergebnisse"; das Zitat ist also weit verbreitet und wird abwechselnd Werner Krauß oder Karl Kraus zugeschrieben. 
Quellen:
Ralph Schneider: "Zitatenschatz Krebs - 22.06. - 22.07: Für jeden Tag die besten Sprüche von 150 Krebs-Persönlichkeiten der Zeitgeschichte", 2007, S. 15
Sarkasmus-ironie-zynismus.de
Aphorismen.de
Martin Zips: "Satiregruppe startet Aktion gegen Waffenindustrie", "Süddeutsche Zeitung", 5. Mai 2017, SZ.de

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Ich danke Joseph Wälzholz für den Hinweis. 

Sonntag, 25. Juni 2017

"Ich kann, weil ich will, was ich muss." Immanuel Kant (angeblich)


Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
Diese Maxime steht in keiner Schrift von Immanuel Kant und ist inzwischen hauptsächlich deswegen weit verbreitet, weil sie seit dem Jahr 2000 in Ratgeberbüchern für Manager und Führungskräfte oft Immanuel Kant fälschlich zugeschrieben wird.

Der Spruch erinnert an die Redensart: "Wer kann, der will und wer will, der kann", aber er könnte auch als Variante des weltweit beliebten Kant-Zitats: "Du kannst, denn du sollst", entstanden sein, das (Überraschung!) allerdings auch nicht von Immanuel Kant stammt, sondern von Friedrich Schiller, der so viele deutsche Redensarten und Sprichwörter wie kaum ein anderer Autor geprägt hat.

Kant hat sein Postulat, eine moralische Norm müsse auch erreichbar sein, einmal in der ersten Person Plural formuliert: "wir müssen es auch können." Bei Fichte wurde daraus: »Ich kann, denn ich soll«, bei Hegel und Schopenhauer wurde es zu: "Du kannst, weil du sollst." Friedrich Schiller prägte die Maxime allerdings schon 1796, also Jahrzehnte vor Hegel und Schopenhauer.




Nicht nur in Zeitungen, auch in der Sekundärliteratur zu Kant wird die Kurzformel "Du kannst, weil du sollst", die einen Gedanken Kants paraphrasiert, oft Immanuel Kant irrtümlich zugeschrieben und nicht korrekter Weise Friedrich Schiller.


  • "Was ist aber von dem ruhmredigen Ausspruche der Kraftmänner [...] zu halten: »Was der Mensch will, das kann er«? Er ist nichts weiter als eine hochtönende Tautologie: was er nämlich auf den Geheiß seiner moralisch=gebietenden Vernunft will, das soll er, folglich kann er es auch thun (denn das Unmögliche wird ihm die Vernunft nicht gebieten)." - Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798), Erstes Buch, § 12. Vom Können in Ansehung des Erkenntnißvermögens überhaupt. In: Akademieausgabe Band VII, S. 14826f. --






  • "Die reine Vernunft enthält also, zwar nicht in ihrem spekulativen, aber doch in einem gewissen praktischen, nämlich dem moralischen Gebrauche, Prinzipien der Möglichkeit der Erfahrung, nämlich solcher Handlungen, die den sittlichen Vorschriften gemäß in der Geschichte des Menschen anzutreffen sein könnten. Denn, da sie gebietet, daß solche geschehen sollen, so müssen sie auch geschehen können, ..."
    Immanuel Kant: "Kritik der Reinen Vernunft", 1781(Link)
Varianten:
  • "Du kannst, denn du sollst."
  • "Du kannst, weil du sollst."
  • "Ich kann, denn ich soll." 
  • "You can, because you must!"
  • "You can because you ought."

1794, Kant:
  • "Denn, wenn das moralische Gesetz gebietet, wir sollen jetzt bessere Menschen sein: so folgt unumgänglich, wir müssen es auch können."
    Immanuel Kant: "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft",  1793/94, AAVI, S. 50 (Link)
1796, Schiller:
  • "Auf theoretischem Feld ist weiter nichts mehr zu finden;
    Aber der praktische Satz gilt doch: Du kannst, denn du sollst!"
    Friedrich Schiller: "Die Philosophen", 1796 (Link)(Link)
1798, Fichte:
  • "Nicht von der Möglichkeit wird auf die Wirklichkeit fortgeschlossen, sondern umgekehrt. Es heisst nicht: ich soll, denn ich kann; sondern: ich kann, denn ich soll."
    Johann Gottlieb Fichte: "Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Welt-Regierung", 1798 Zur Religionsphilosophie (Link)
1816, Hegel:
  • "Du kannst, weil du sollst, dieser Ausdruck, der viel sagen sollte, liegt im Begriffe des Sollens. Denn das Sollen ist das Hinausseyn über die Schranke; die Grenze ist in demselben aufgehoben, das Ansichseyn des Sollens ist so identische Beziehung auf sich, somit die Abstraktion des Könnens. Aber umgekehrt ist es eben so richtig: Du kannst nicht, eben weil du sollst. Denn im Sollen liegt ebenso sehr die Schranke als Schranke; jener Formalismus der Möglichkeit hat an ihr eine Realität, ein qualitatives Andersseyn, sich gegenüber, und die Beziehung beider auf einander ist der Widerspruch, somit das Nicht-Können oder vielmehr die Unmöglichkeit."
    Georg Wilhelm Friedrich Hegel: "Wissenschaft der Logik", 1816, (Projekt Gutenberg)
1839, Schopenhauer:
  • "Zudem es auch wohl nicht die Absicht der Königlichen Sozietät sein kann, durch eine Hinzuziehung des Gewissens in das Selbstbewußtsein, die Frage auf den Boden der Moral hinübergespielt und nun K a n t s moralischen Beweis, oder vielmehr Postulat, der Freiheit aus dem  a  p r i o r i  bewußten Moralgesetz, vermöge des Schlusses "du kannst, weil du sollst", wiederholt zu sehen."
    Arthur Schopenhauer: "Über die Freiheit des menschlichen Willens." Preisschrift, Drontheim: 1839 (Link)


Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.


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Quellen:
Google-Statistik:  "Ungefähr 8 950 Ergebnisse" für "Ich kann, weil ich will, was ich muss. Kant"
Elektronische Edition von Immanuel Kants Gesammelten Werken: Universität Duisburg
(Die Suchfunktion dieser Edition ist leider fehlerhaft.)
Immanuel Kant: "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft",  1793/94, AAVI, S. 50 (Link) 
Friedrich Schiller: "Die Philosophen", in: Musen-Almanach für das Jahr 1797, herausgegeben von Schiller, J.G. Cottaische Buchhandlung, Tübingen: (1796), S. 294 (Link)  
Friedrich Schiller Archiv: (Link) 

Karl Friedrich Wilhelm Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. 2. Bd. Gott bis Lehren, F.A. Brockhaus, Leipzig: 1870, S. 1495 (Link)
Johann Gottlieb Fichte: "Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Welt-Regierung", 1798, in:  Zur Religionsphilosophie (Link)
Klaus Steigleder: "Kants Konzeption der Moralphilosophie als 'Metaphyik der Sitten'." In: "Interdisziplinäre Ethik. Festschrift für Dietmar Mieth." Hrsg. von Adrian Holderegger u. Jean-Pierre Wils, Universitätsverlag Freib. CH, Herder Verlag, Wien: 2001, S. 101ff.
(Link)
David Baumgardt: "Legendary Quotations and the Lack of References." In: Journal of the History of Ideas 7 (1946) S. 99-102 (Zitiert nach Steigleder.)
Wolfgang Mieder: "'Zitate sind des Bürgers Zierde.' Zum Weiterleben von Schiller-Zitaten." In: "Deutsche Redensarten, Sprichwörter und Zitate: Studien zu ihrer Herkunft, Überlieferung und Verwendung." Edition Praesens, Wien: 1995, S. 46 ff. 
 

(Link)

Einige Beispiele für das Falschzitat:
Thorsten Hadeler: "Zitate für Manager: Für Reden, Diskussionen und Papers immer das treffende Zitat." Gabler, Wiesbaden: 2000, S. 84 (Link)
Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 23 (Link)
Krawiez Consulting: "69 Zitate für die Persönlichkeitsentwicklung." Ohne Datum. (Das ist eine Sammlung von vielen falschen Zitaten.)  (Link)
Zitate-Online.de
EAG-FPI.com
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"Ich kann besser werden; .... Ich kann es, wenn ich muß."
Christian Erhard Schmid: "Versuch einer Moralphilosophie". 1790
(Link)
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 Artikel in Arbeit
"Ich kann weil ich muss und will. "1911 (Link)


Wolle nur, so kannst du (Link)


Zizek: (Link)


 




Montag, 5. Juni 2017

"Die Wahrheit ist für die Menschen nur deshalb wichtig, weil sie für sie nützlich und unerlässlich ist." - Thomas Hobbes

Pseudo-Hobbes quote.

Mit diesem nichtssagenden Spruch wäre der Philosoph Thomas Hobbes nicht berühmt geworden; der fade Aphorismus ist erst ein paar Jahre alt; es gibt ihn kaum zehn Mal im Internet und das nur auf Deutsch.
Ich wette, dass er weder so noch so ähnlich in einer seriösen Quelle von Thomas Hobbes zu finden ist.
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Quellen:
Google-Statistik
Gutezitate.com (Das ist eine große Zitate-Sammlung mit hunderten falsch zugeschriebenen Zitaten und Memes.)
"Der Standard", 3./4./5. Juni 2017, S. 30

Samstag, 1. Juli 2017

"Niemand hat das Recht zu gehorchen." Hannah Arendt (angeblich)

Entstelltes Hannah-Arendt-Zitat.
Dieses entstellte Zitat stammt aus einem Radio-Gespräch Hannah Arendts mit Joachim Fest aus dem Jahr 1964 und ist ein Falschzitat, weil ein entscheidendes Wort fehlt.

In dem Interview geht es unter anderem um die Dummheit des sonst intelligenten Adolf Eichmann, wenn er behauptet, er habe sein Leben lang die Moralvorschriften Immanuel Kants befolgt, Kants Pflichtbegriff zu seiner  Richtschnur gemacht und aus Pflicht den Befehlen seiner Vorgesetzten gehorcht.

Nun kann sich ein Schreibtischmassenmörder nicht auf den kategorischen Imperativ berufen, ohne sich oder andere anzulügen. Zu glauben, mit so einer Rechtfertigung durchzukommen, ist ein Zeichen von Dummheit. Hannah Arendt erklärt kurz, warum Eichmanns Berufung auf Kant lächerlich ist, warum es mit Hilfe von Kant unmöglich ist, sein Gewissen und seine Verantwortung bei einem Vorgesetzten auszulagern und sagt in diesem Zusammenhang: "Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen bei Kant."

Der Satz ist in diesem Kontext verständlich und richtig, in seiner Verkürzung und Verallgemeinerung aber unsinnig und zu einem Slogan verkommen, den man sowenig ernst nehmen kann wie einen Werbespruch. Selbstverständlich habe ich zum Beispiel das Recht, einem Polizisten zu gehorchen, wenn er mir sagt, ich solle nicht bei Rot über die Kreuzung gehen.

Leider ist das unsinnig entstellte Zitat Hannah Arendts viel bekannter als der Gedanke, der ursprünglich dahinter steckt, und mit diesem Spruch werden auch Denkmäler und Park-Bänke geschmückt. Zum Beispiel wurde 2014 für den Hannah-Arendt-Park in Wien angekündigt, das Falschzitat werde "im Park-Eingangsbereich an der Maria-Tusch-Straße in den Sockel einer Sitzbank eingegossen werden". (Link)

Das Deutsche Historische Museum bewirbt im Jahr 2020 seine Hannah-Arendt-Ausstellung mit diesem Falschzitat auf Deutsch und auf Englisch ("No one has the right to obey". )


5. November 2017:
  • "Nach jahrelangem Tauziehen ist heute am Gebäude des Finanzamtes in der Südtiroler Hauptstadt Bozen eine Installation am Mussolini-Relief enthüllt worden, die das faschistische Relikt in seinen geschichtlichen Kontext rücken soll. Am Abend leuchtete das Zitat von Hannah Arendt, 'Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen', dann erstmals auch."
    ORF.at, 5. November 2017
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Joachim Fest, Radio-Gespräch, 1964: 

  • "Sie haben vorhin den Namen Kant erwähnt, und Eichmann selbst hat sich ja nun in dem Prozess gelegentlich auf Kant berufen. Er habe gesagt, er sei sein Leben lang den Moralvorschriften Kants gefolgt und habe vor allem den Kantischen Pflichtbegriff zu seiner Richtschnur gemacht." 

 

Hannah Arendt, 16.20:

 

Hannah Arendt, 1964:

  •  "Ja. Natürlich eine Unverschämtheit, nicht? Von Herrn Eichmann. Kants ganze Moral läuft doch darauf hinaus, dass jeder Mensch bei jeder Handlung sich selbst überlegen muss, ob die Maxime seines Handelns zum allgemeinen Gesetz werden kann. … Es ist ja gerade sozusagen das extrem Umgekehrte des Gehorsams! Jeder ist Gesetzgeber. Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen bei Kant
  • Eichmann war ganz intelligent, aber diese Dummheit hatte er. Das war die Dummheit, die so empörend war. Und das habe ich eigentlich gemeint mit der Banalität. Da ist keine Tiefe – das ist nicht dämonisch! Das ist einfach der Unwille, sich je vorzustellen, was eigentlich mit dem anderen ist ...
  • Das heißt, dieses Unvermögen, wie Kant sagt, um ihn jetzt also doch wirklich in den Mund zu nehmen: "an der Stelle jedes andern denken" – ja, das Unvermögen ... Diese Art von Dummheit, dass es ist, als ob man gegen eine Wand spricht. Man kriegt nie eine Reaktion, weil nämlich auf einen selber gar nicht eingegangen wird. Das ist deutsch. Das zweite, was mir spezifisch deutsch scheint, ist diese geradezu verrückte Idealisierung des Gehorsams."
    Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim Fest, 1964.

    Zitiert nach: "Eine Rundfunksendung aus dem Jahr 1964."  Herausgegeben von Ursula Ludz und Thomas Wild. (Link) (Allerdings habe ich hier die Version: "Kein Mensch hat bei Kant das Recht zu gehorchen" nach dem Original korrigiert.)

Immanuel Kant, 1793: 

 

  • "Der Satz 'man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen' bedeutet nur, daß, wenn die letzten etwas gebieten, was an sich böse (dem Sittengesetz unmittelbar zuwider) ist, ihnen nicht gehorcht werden darf und soll."

    Immanuel Kant: "Die Religion innerhalb der Grenzen  der bloßen Vernunft." 1793, AA VI, S. 99 (Link)
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Twitter:




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Quellen:
Google Statistik: "Ungefähr 16 600 Ergebnisse" (Das Falschzitat ist also millionenfach verbreitet.)
Hannah Arendt, Joachim Fest: "Eichmann war von empörender Dummheit. Gespräche und Briefe." Piper Verlag, München: 2011 (Der fragliche Satz mit dem nachgestellten "bei Kant" wurde  redigiert zu: "Kein Mensch hat bei Kant das Recht zu gehorchen." Ich halte diese Umstellung für vertretbar.)
Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim Fest, 1964.  "Eine Rundfunksendung aus dem Jahr 1964."  Herausgegeben von Ursula Ludz und Thomas Wild. (Link)
"Der rätselhafte Satz." Ein Gespräch mit Andreas Oberprantacher über das falsche Hannah-Arendt-Zitat auf einem Mussolini-Relief. "Die Neue Südtiroler Tageszeitung Online", 5. Februar 2017  (Link)
Stadtteilmanagement Seestadt aspern: "Niemand hat das Recht zu gehorchen." 2014 (Link)
Immanuel Kant: "Die Religion innerhalb der Grenzen  der bloßen Vernunft." 1793, Akademieausgabe von Immanuel Kants Gesammelten Werken (AA), Elektronische Edition, Band VI, S. 99 (Link)

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Ich danke Lisi Moosmann und Michael Mayer für ihre Hinweise.

Letzte Änderung: 22/6 2020.


Sonntag, 23. April 2017

"Wähle den Beruf, den du liebst – und du musst keinen Tag in deinem Leben arbeiten." Konfuzius (angeblich)


Pseudo-Confucius-Zitat.

Dieses Zitat ist vor etwa 50 Jahren in Amerika entstanden und noch kein Forscher hat es in einem konfuzianischen Text gefunden. Es ist also ein Kuckuckszitat.

Der Quote Investigator Garson O'Toole hat herausgefunden, dass dieses populäre Konfuzius-Zitat - mit über 400.000 Treffern in einer Google-Suche-Statistik  -  wahrscheinlich von einem Lehrer des Philosophieprofessors Arthur Szathmary stammt. 

Arthur Szathmary erinnerte sich an den Ausspruch seines alten Lehrers in einem Artikel für das "Princeton Alumni Weekly" im Jahr 1982:

  • "An old-timer I knew used to tell his students: ‘Find something you love to do and you’ll never have to work a day in your life.’"
    Zitiert nach 
    (Quote Investigator)
Den Namen dieses alten amerikanischen Lehrers, der den Spruch für seine Studentinnen und Studenten geprägt hat, kennen wir nicht.

Seit dem Jahr 1985 wurde dieses Zitat auf Englisch Konfuzius fälschlich zugeschrieben, seit dem Jahr 2007 auf Deutsch, und mit Hilfe von unseriösen Zitatesammlungen  wurde das Falschzitat bald auf der ganzen Welt beliebt.

Pseudo-Konfuzius-Zitat.


Varianten:

Pseudo-Confucius quote.
  • "Choose a job you love, and you will never have to work a day in your life."
  • "Choisissez un travail que vous aimez et vous n'aurez pas à travailler un seul jour de votre vie."
  • "Scegli un lavoro che ami, e non dovrai lavorare neppure un giorno in vita tua."
  • "Wähle den Beruf, den du liebst – und du musst keinen Tag in deinem Leben arbeiten."
  • "Wähle einen Beruf, den du liebst, und du musst nie im Leben arbeiten."
  • "Wähle einen Beruf, den du liebst, und du musst keinen einzigen Tag in deinem Leben arbeiten."
Pseudo-Konfuzius-Zitat.

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Quellen: 
Garson O'Toole: "Choose a Job You Love, and You Will Never Have To Work a Day in Your Life. Confucius? Arthur Szathmary? An Old-Timer? Janet Lambert-Moore? Harvey Mackay? Anonymous?" 2014 (Quote Investigator)
Konfuzius: "Gespräche (Lun-yu). Aus dem Chinesischen übersetzt und herausgegeben von Ralf Moritz, Philipp Reclam jun. (1988) Stuttgart: 1998.
Princeton Alumni Weekly, Princeton University Press, Princeton, New Jersey: October 6, 1982, S. 32 [Zitiert nach Garson O'Toole.]

Beispiele für falsche Zuschreibungen:

"Geistreiches für Manager" Neu ausgewählt von Hermann Simon, Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York: 2009, S. 204 (Link)
Bert Forschelen:  "Kompendium der Zitate für Unternehmer und Führungskräfte: Über 5000 Aphorismen für Reden und Texte im Management." Springer Gabler, Wiesbaden: 2017, S. 13 (Link)
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Ich danke Astrid Dominiak für den Hinweis auf Twitter und wie so oft Garson O'Toole für seine gründliche Arbeit.


Letzte Änderungen: 7/7 2022

Freitag, 9. Juni 2017

"Der Ziellose erleidet sein Schicksal - der Zielbewusste gestaltet es." Immanuel Kant (angeblich)

Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
Dieser Aphorismus einer unbekannten Person wird Immanuel Kant seit ungefähr 70 Jahren unterschoben und ist in seinen Schriften weder so noch so ähnlich zufinden.

Das Wort "zielbewusst" kommt in keiner seiner Flexionen in Kants Wortschatz vor.

Da Kants Werke mehrfach digitalisiert sind, ist es so gut wie ausgeschlossen, dass der Satz jemals auf einer versteckten Stelle in Kants Schriften gefunden werden wird.


Varianten des Kuckuckszitats:

  • "Der ziellose Mensch erleidet sein Schicksal, der zielbewusste gestaltet es."
  • "Der ziellose Mensch erleidet ein Schicksal, der zielbewusste gestaltet es."
  • "Der Ziellose erleidet sein Schicksal - der Zielbewusste gestaltet es." 



Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
Dieses angebliche Kant-Zitat wurde meiner Tochter bei der Matura-Feier im Juni 2017 zum Abschied von der Schule überreicht. Ihre Schuldirektorin ist wahrscheinlich auf eine unseriöse Online-Zitat-Sammlung oder auf ein Meme hereingefallen, aber sie könnte das Zitat auch einmal in "DIE ZEIT" gelesen haben.
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Quellen:
Elektronische Edition von Immanuel Kants Gesammelten Werken: Universität Duisburg
Google Statistik: "Ungefähr 8 780 Ergebnisse"
Google Books: Erstmals unterschoben: 1953  (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
"Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt", Bände 39-40, C. Heymann: 1953, S. 45 (Link)
Martin Wehrle: "Das Zitat... und Ihr Gewinn. Immanuel Kant sagt: Der ziellose Mensch erleidet sein Schicksal, der zielbewusste gestaltet." Die Zeit, 48/2012, 28. November 2012 (Link)
Robert Lutsch: "Zitate, die das Leben beschreiben", Books on Demand, Norderstedt: 2013, S. 42 (Link)

Letzte Änderung: 9/9 2018; 8/2 2020

Freitag, 5. Mai 2017

"Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr." Albert Einstein (angeblich)

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.
Einstein hat diese Prophezeiung nie gemacht. Ein konfuser Imker, der anscheinend Aussagen Darwins und  Maeterlincks mit Gedanken von Albert Einstein verwechselte, startet 1941 mit der Zuschreibung einer Bienenprophezeihung an Albert Einstein. Wie man in der vergnüglichen Bienen-Zitat-Geschichte von Quote Investigator nachlesen kann, setzt sich diese falsche Zuschreibung 1965 in einer französischen und 1966 in einer irischen Imkerzeitschrift fort, und wird jedesmal, wenn irgendwo auf der Welt viele Bienen sterben, wieder belebt. 

Seit 2007 können deutschsprachige Leserinnen und Leser wissen, dass Einsteins Bienenprophezeiung ein Falschzitat ist, da der Wissenschaftsjournalist Hans Schuh für  "DIE ZEIT" der Sache nachgegangen ist. Das Albert-Einstein-Archiv in Jerusalem bestätigte damals, dass weder in den publizierten Schriften noch im Nachlass Einsteins dieses Zitat enthalten ist.

Das hinderte aber in der Folge keineswegs, dass man sich weiter gerne auf die schwarze Biologie-Prophezeiung des Physikers Einsteins beruft und Politiker wie Heinz-Christian Strache versuchen, politischen Gegnern mit der Autorität des angeblichen Bienen-Experten Albert Einstein kraftvoll zu kontern.
  •  Facebook:
    "Albert Einstein sagte einst zu Recht:
    'Wenn die Bienen aussterben, hat der Mensch nur mehr vier Jahre zu leben.' / Keine Bienen, keine Blütenbestäubung, keine Pflanzen, keine Tiere und keine Menschen! /
    Die unverantwortliche ÖVP setzt mit ihrem Pseudo-"Umweltminister" Berlakovic lieber auf Raubtier-Kapitalismus, globale Konzerninteressen, Chemie, Pharmakonzerne und tödliche Pestizide statt auf Umwelt, Natur, Gesundheit, Heimat und Menschen! Eine Schande!
    Euer HC"
    Heinz-Christian Strache, 3. Mai 2013, Facebook
Einige Varianten:
  • "Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr." 
  • "Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben."
  • "Wenn die Bienen aussterben, hat der Mensch nur mehr vier Jahre zu leben." 
  • "If the bee disappeared off the surface of the globe then man would only have four years of life left. No more bees, no more pollination, no more plants, no more animals, no more man."
  • "If the Bee Disappeared Off the Face of the Earth, Man Would Only Have Four Years Left To Live."
Trotz aller Aufklärung über dieses Falschzitat durch "DIE ZEIT", durch den Quote Investigator, durch Wikiquote und durch diverse seriöse Nachschlagwerke und Blogs, verhalten sich die Verantwortlichen vieler Medien und von Online- und Offline-Zitatsammlungen weiterhin so, als hätte es diese Aufklärung nicht gegeben und schreiben dieses Zitat weiterhin fälschlich dem Genie des 20. Jahrhunderts, Albert Einstein, zu.

[Ist Ihnen ZITATFORSCHUNG zur Eindämmung falscher Zitate etwas wert? (Link)]

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Quellen:
Google-Statistik, Deutsch: "Ungefähr 4 880 Ergebnisse"
Google-Satistik, Englisch: "Ungefähr 15 600 Ergebnisse"

Hans Schuh: "Die Biene, das Geld und der Tod",  "DIE ZEIT", 
Snopes.com, 2007 
Quote Investigator: "If the Bee Disappeared Off the Face of the Earth, Man Would Only Have Four Years Left To Live - Albert Einstein? Charles Darwin? Maurice Maeterlinck? E. O. Wilson? Apocryphal?": 2013 
 Florian Freistetter: "Albert Einstein, das Sterben der Bienen und das ominöse Zitat", 2015 scienceblogs.de
Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011
Wikiquote
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Kronen Zeitung
Servus TV 
Pro7
 etc.
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Tweet

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Anhang

30 falsch zugeschriebene Einstein-Zitate 


  1. "Das Einzige, was man unbedingt wissen muss, ist der Standort der Bibliothek."

  2. "Das tiefste und erhabenste Gefühl, dessen wir fähig sind, ist das Erlebnis des Mystischen." Albert Einstein (angeblich)

  3.  "Der Hauptgrund für Stress ist der tägliche Kontakt mit Idioten." 

  4. "Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius null - und das nennen sie ihren Standpunkt."

  5.  "Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren."

  6. "Der Sinn des Lebens besteht nicht darin ein erfolgreicher Mensch zu sein, sondern ein wertvoller."

  7. "Der Zinseszins war die größte Erfindung menschlichen Denkens." 

  8. "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten."

  9.  ["Die Suche nach Wahrheit ist köstlicher als deren gesicherter Besitz." Gotthold E. Lessing (angeblich)]

  10. "Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen."

  11.  "Es gibt eine extrem starke Kraft, für die die Wissenschaft bisher noch keine Formel gefunden hat. ... Diese universelle Kraft ist Liebe."

  12. "Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom."

  13.  "Die wichtigste Erkenntnis meines Lebens ist die, dass wir in einem liebenden Universum leben."

  14. "Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist falsch." 

  15.  "Genieße Deine Zeit, denn du lebst nur jetzt und heute. Morgen kannst du gestern nicht nachholen und später kommt früher als du denkst."

  16. "Halte dich von negativen Menschen fern. Sie haben ein Problem für jede Lösung."

  17. "Ich denke 99 Mal nach und finde nichts. Ich höre auf zu denken, schwimme in der Stille und die Wahrheit kommt zu mir."

  18. "Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem die Technologie unsere Menschlichkeit übertrifft. Auf der Welt wird es nur noch eine Generation aus Idioten geben."

  19. “Jeder intelligente Narr kann Dinge größer und komplexer machen. Es braucht ein Stück Genialität – und jede Menge Mut -, sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen.”

  20. "Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat."

  21. "Lerne von gestern, lebe für heute, hoffe auf morgen. Das Wichtigste ist, dass man nie aufhört, Fragen zu stellen."

  22. "Logik bringt Dich von A nach B. Phantasie überall hin."

  23. "Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben."

  24. "Nichts in der Welt wird so gefürchtet wie der Einfluss von Männern, die geistig unabhängig sind.“

  25. "Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum." 

  26. "Wenn ein unordentlicher Schreibtisch einen unordentlichen Geist repräsentiert, was repräsentiert dann ein leerer Schreibtisch?"

  27.  "Was nichts kostet, ist nichts wert." 

  28. "Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr." 

  29. "Wenn die Fakten nicht zur Theorie passen, ändere die Fakten."

  30. "Wer die Wahrheit beschreiben will, überlasse die Eleganz dem Schneider.“

  31. "Wer schweigt stimmt nicht immer zu. Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren."