Dieses in der Salzburger Tourismuswerbung beliebte Zitat wird Alexander von Humboldt, der selbst nie in Konstantinopel war, seit 1870 unterschoben. Erstmals wurde Salzburg 1839 gemeinsam mit Neapel und Konstantinopel von unbekannten "Reisenden" als eine der schönsten Städte gepriesen.
1839
- "Nach den Berichten von Reisenden, welche die Städte und Sitten vieler Menschen gesehen, ist Neapel die erste, Konstantinopel die zweyte, Salzburg die dritte der schönsten Städte Europens. Nach ihnen kommt Vincenca."
Benedikt Pillwein, Das Herzogthum Salzburg oder der Salzburger Kreis, Linz 1839, S. 273. (Zitiert nach R. Hoffmann)
40 Jahre später wurde aus einer der schönsten Städte Europas eine der drei schönsten Städte der Erde:
1870
- "Die Gegenden von Salzburg, Neapel und Constantinopel halte ich für die schönsten der Erde."
Alexander v. Humboldt in einem Briefe an Bergrath Math. Mielichhofer."
"Führer durch Salzburg", 1870 (pdf)
Der undatierte Brief wurde nie gefunden. Es gibt keine schriftlichen
Zeugen, dass Alexander von Humboldt je mit dem Salzburger Bergrath
und Botaniker Mielichhofer, nach dem die
Salix mielichhoferi, die Tauernweide, benannt
wurde, korrespondiert hätte.
Allerdings scheint der Sohn des Bergraths, Ludwig Mielichhofer, diesen Brief öfters mündlich erwähnt zu haben.
Über Ludwig Miellichhofer, 1871:
- "Wenn Mielichhofer mit Fremden von der schönen Lage Salzburgs spricht, zitirt er sehr gerne einen Brief Alexanders von Humboldt an seinen Vater, den Bergrath Mielichhofer, in welchem der Erstere Salzburg mit Neapel und Konstantinopel in in eine Linie stellt; in solchen Augenblicken vergißt Mielichhofer, daß er nicht sein eigener Vater ist; er fühlt sich dann nicht allein als Redakteur der Salzburgerin und siebzehnzeiliger Dichter im Wurzbach, sondern sogar als Bergrath, und wenn er noch zehn Jahre lebt, wird er endlich überzeugt sein, daß Humboldt eigentlich an ihn geschrieben hat.
Rupertus"
"Neue Böse Zungen", 1871 (Link)
Nach dem Urteil dieses unbekannten Autors mit dem Pseudonym "Rupertus" war Ludwig Mielichhofer, der Autor und Chefredakteur der Salzburger Zeitung, kein vertrauenswürdiger Zeuge für einen undatierten Brief, der spurlos verschwunden ist und von dem man nur eine Zeile kennt.
Humboldt wohnte zwar ein halbes Jahr in Salzburg, war aber sein Leben lang nie in Konstantinopel, weswegen sein enthusiastisches Lob Konstantinopels völlig unwahrscheinlich ist. Also ist der ganze Satz erfunden. Ich folge hier der Argumentation des Salzburger Historikers Robert Hoffmann (
pdf), der sich die Mühe machte, die Entwicklung der Legende von diesem "Schlagwort im Dienste des Tourismus" in allen Details nachzuzeichnen.
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Pseudo-Alexander-von-Humboldt quote. |
Die Schönheit der Landschaft um Salzburg wurde in den 1790er Jahren von Gelehrten, Künstlern und Reiseschriftstellern entdeckt und später als romantisches Landschaftideal verherrlicht. Erstaunlicherweise auch vom Bruder Alexander von Humboldts, dessen Begeisterung für die Salzburger Landschaft von der Salzburger Tourismuswerbung völlig ignoriert wurde und wird:
Wilhelm von Humboldt, Salzburg, 14. August 1828:
- "Ich schreibe Ihnen wieder aus Deutschland, liebe Charlotte, und aus der Gegend, die man wohl die schönste von Deutschland nennen kann. Wenigstens kenne ich keine, die man als schöner rühmen könnte. Die Lage ist wirklich prachtvoll, eine
lachende, fruchtbare Ebene, von der man überall die Ansicht
majestätischer Gebirge hat, und in der selbst einige wie
hingeschleuderte Felsenparthien liegen. Diese sind wirklich merkwürdig,
und ich sah nirgends sonst ähnliche dieser Art. Es sind nicht einzelne Felsstücke blos, noch weniger einzelne gipfelige Berge, sondern hohe, lange und verhältnißmäßig schmale Felsmassen, die auf ihrer Oberfläche
eine mit fruchtbarer Erde bedeckte, mit Garten und Häusern geschmückte Ebene bilden." (Link)
Man wirbt für Salzburg lieber mit einem kurzen, einprägsamen Slogan von Alexander von Humboldt, auch wenn der höchstwahrscheinlich nur erlogen ist.
Varianten:
- "Die Gegenden von Salzburg, Neapel und Konstantinopel halte ich für die schönsten der Erde."
- "Die Gegend um Konstantinopel, Neapel und Salzburg halte ich für die schönsten der Erde."
- “I regard the areas of Salzburg, Naples and Constantinople as the most beautiful on Earth."
- "Ich zähle die Gegend von Salzburg zu den drei schönsten Regionen der Erde."
- "Salzburg
wurde von einem berühmten Reisenden als eine der drei schönsten
Städte dieser Erde bezeichnet; die anderen waren Venedig und Rio de
Janeiro."
- “the surroundings of Salzburg, Naples and Constantinople are one of the most beautiful places in the world”.
- "Schon Alexander von Humboldt nannte Hallstatt »den schönsten Seeort der Welt«".
- "Alexander von Humboldt zählte Berchtesgaden zu den fünf schönsten Gegenden weltweit."
Salzburg ist nicht die einzige Stadt, die mit erfundenen Zitaten von Alexander von Humboldt beworben wird.
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Quellen:
Robert Hoffmann: "Die Entstehung einer Legende. Alexander von
Humboldts angeblicher Ausspruch über Salzburg" (mit einer Einleitung
von Ingo Schwarz), 2006:
(pdf)
Benedikt Pillwein: "Das Herzogthum Salzburg oder der Salzburger Kreis", Linz: 1839, S. 273. (Zitiert nach R. Hoffmann)
Führer durch Salzburg und seine Umgebungen . Mit besonderer
Berücksichtigung von Gastein, Berchtesgaden und Reichenhall. Zweite
berichtigte und sehr vermehrte Auflage, Verlag Dieter und Kroll,
Salzburg 1870. (Zitiert nach R. Hoffmann) (pdf)
Wilhelm von Humboldt: "Briefe an eine Freundin." I. Theil, Brockhaus, Leipzig: 1847, S. 362 (Link)
"Neue Böse Zungen. Eine Revue alles Interessanten", Wien, 2. Jg., Nr. 14, 7. Juli 1871, S. 231 (Link)
Salzburg Wiki
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Anmerkung:
"Auch Mathias Mielichhofers Sohn Ludwig ... äußerte sich nie – was wohl naheliegend gewesen wäre
– über einen Kontakt seines Vaters zu Humboldt." Nach dem Quellen-Fund von Christian Opitz (Link) stimmt dieser Satz von Robert Hoffmann so nicht mehr. Ludwig Mielichhofer scheint sich zwar schriftlich nie über das Verhältnis seines Vaters mit Alexander von Humboldt geäußert zu haben, mündlich in seinem Bekanntenkreis aber öfters (Link), wenn man dem boshaften Artikel von 1871 glauben kann.
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Dank:
Ich danke Ingo Schwarz für den Hinweis auf dieses Zitat und
Christian Opitz für seinen Hinweis auf den satirischen Artikel über den Sohn des Bergraths Mielichhofer.