Pseudo-William-Shakespeare-Zitat. (gutezitate.com) |
Das Optimismus verbreitende, mutmachende Falschzitat scheint bei Matura-Abschlussfeiern beliebt zu sein und ist vielleicht als Antithese zu einem Seufzer aus Shakespeares Drama "Der Kaufmann von Venedig" entstanden.
In diesem im Jahr 1600 veröffentlichten Drama klagt der schwermütige Kaufmann Antonio, die ganze Welt sei ein Schauplatz, wo man eine Rolle spielen muss, und seine Rolle sei traurig:
William Shakespeare: "Der Kaufmann von Venedig"
"I hold the world but as the world, Gratiano;
A stage where every man must play a part,
And mine a sad one."
Antonio — Act I, Scene I (archive.org)
Antonio:
"Mir gilt die Welt nur wie die Welt, Graziano;
Ein Schauplatz, wo man eine Rolle spielt,
Und mein' ist traurig."
Übersetzung: A. W. Schlegel(archive.org)
Dass "das Leben ein Theater ist", ist ein alter Gedanke, der so ähnlich auch das Motto von Shakespeares Globe Theatre bildete: "Totus mundus agit histrionem" (Die ganze Welt ist ein Schauspiel) (Link).
Kurze Geschichte des Shakespeare-Kuckuckzitats:
- "Die Freude über den Erfolg sei berechtigt, so Bürgermeister Alfred Wacker. Doch für den neuen Lebensabschnitt gälten andere Bedingungen, und deshalb solle man es mit Shakespeare halten: 'Wenn das Leben ein Theater ist, dann suche dir eine Rolle aus und gestatte auch anderen, ihre Rolle zu spielen.'"
MAINPOST, Bad Kissingen, Ausgabe vom 28.06.1999 (genios.de)
- " 'Wenn Du den Ein[d]ruck hast, dass das Leben Theater ist, dann suche Dir eine Rolle aus, die Dir so richtig Spaß macht'. Diese Worte von William Shakespeare sprach Protektor Volker Becker, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Sparkasse Merzig-Wadern."
Saarbrücker Zeitung vom 08.09.2009 / (genios.de)
2010 Twitter
- "Und wenn du den Eindruck hast, dass das Leben Theater ist, dann such dir eine Rolle aus, die dir so richtig Spaß macht. [William Shakespeare"
7:43 nachm. · 17. März 2010 (twitter.com)
____________________
ANHANG
William Shakespeare: "Wie es euch gefällt"
Jacques.Die ganze Welt ist BühneUnd alle Fraun und Männer bloße Spieler.Sie treten auf und geben wieder ab,Sein Leben lang spielt einer manche RollenDurch sieben Akte hin. Zuerst das Kind,Das in der Wärtrin Armen greint und sprudelt;Der weinerliche Bube, der mit BündelUnd glattem Morgenantlitz wie die SchneckeUngern zur Schule kriecht; dann der Verliebte,Der wie ein Ofen seufzt, mit JammerliedAuf seiner Liebsten Braun; dann der Soldat,Voll toller Flüch und wie ein Pardel bärtig,Auf Ehre eifersüchtig, schnell zu Händeln,Bis in die Mündung der Kanone suchendDie Seifenblase Ruhm. Und dann der RichterIm runden Bauche, mit Kapaun gestopft,Mit strengem Blick und regelrechtem Bart,Voll weiser Sprüch und AllerweltssentenzenSpielt seine Rolle so. Das sechste AlterMacht den besockten, hagern Pantalon,Brill auf der Nase, Beutel an der Seite;Die jugendliche Hose, wohl geschont,'ne Welt zu weit für die verschrumpften Lenden;Die tiefe Männerstimme, umgewandeltZum kindischen Diskante, pfeift und quäktIn seinem Ton. Der letzte Akt, mit demDie seltsam wechselnde Geschichte schließt,Ist zweite Kindheit, gänzliches Vergessen,Ohn Augen, ohne Zahn, Geschmack und alles."
William Shakespeare: "As you like it.", "Wie es euch gefällt." Übersetzt von August Wilhelm Schlegel (william-shakespeare.de)