Mittwoch, 27. Juli 2022

"Was die Herde am meisten hasst, ist derjenige, der anders denkt; es ist nicht so sehr die Meinung selbst, sondern die Kühnheit, für sich selbst denken zu wollen, etwas, von dem sie nicht wissen, wie sie es tun sollen." Arthur Schopenhauer (angeblich)

Paraphrase eines Arthur-Schopenhauer-Zitats.
Dieses besonders in Spanien beliebte angebliche Schopenhauer-Zitat ist in den Schriften des im Jahr 1860 verstorbenen deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer in diesem Wortlaut nicht zu finden. 

Der Gedanke, dass unabhängige Denker gehasst werden, steht allerdings so ähnlich im Kunstgriff 30 der Eristischen Dialektik Arthur Schopenhauers, wie Bernd Christoph Kämper herausgefunden hat.
 

 Arthur Schopenhauer:

  • "Denn sie hassen am Andersdenkenden nicht sowohl die andere Meinung, zu der er sich bekennt, als die Vermessenheit, selbst urtheilen zu wollen; was sie ja doch selbst nie unternehmen und im Stillen sich dessen bewußt sind."
    (projekt-gutenberg.org/schopenh/eristik/erist30.html)
 
Paraphrase eines Arthur-Schopenhauer-Zitats.
 
Das falsche Zitat kam um das Jahr 2016 auf Spanisch auf, und wurde in den folgenden Jahren in andere europäische Sprachen übersetzt.

Auf Deutsch verbreitete es sich - wahrscheinlich durch eine Google-Übersetzung - erst seit dem Jahr 2019 in den Sozialen Medien.
Paraphrase eines Arthur-Schopenhauer-Zitats.

 

Frühe Erwähnungen des entstellten Zitats auf Twitter und Facebook:

 

27. Oktober 2016, Twitter, Spanisch

  • "Lo que más odia el rebaño de quien piensa distinto no es tanto la opinión en sí, como la osadía de querer pensar por sí mismo" Schopenhauer (twitter.com/r_zacheo)

 7. September 2018, Twitter, Spanisch

  • "Lo que más odia el rebaño es aquel que piensa de modo distinto, no es tanto la opinión en si, como la osadía de querer pensar por si mismo, algo que ellos no saben hacer...". ARTHUR SCHOPENHAUER (twitter.com/wacostap)

1. Oktober 2019, Facebook, Deutsch

  • "Was die Herde am meisten hasst, ist derjenige, der anders denkt und für die Kühnheit, für sich selbst denken zu wollen. Etwas, das die Herde nicht kann. " ((facebook.com)


17. Juli 2020, Twitter, Italienisch

  • “Ciò che odia di più il gregge e’ colui che pensa in modo diverso,non e’ tanto l’opinione in se, come l’audacia di voler pensare da solo, qualcosa che loro non sanno fare “Arthur Schopenhauer (twitter.com/Ci1812)

 23. Oktober 2020, Twitter, Englisch

  • ′′ What the flock hates most is one who thinks differently; it is not so much the opinion itself, but the daringness of wanting to think for themselves, something they do not know how to do ". -Arthur Schopenhauer (twitter.com/YarackGeorge)

12. April 2021, Twitter, Deutsch

  • Was die Herde am meisten hasst, ist derjenige, der anders denkt; es ist nicht so sehr die Meinung selbst, sondern die Kühnheit, für sich selbst denken zu wollen, etwas, von dem sie nicht wissen, wie sie es tun sollen. Arthur Schopenhauer (twitter.com/heboda13)

2. Juli 2021, Twitter, Französisch

  • Ce que le troupeau déteste le plus, ce sont ceux qui pensent différemment ; ce n'est pas tant l'opinion elle-même que l'audace de penser par soi-même, ce qu'ils ne peuvent pas faire. Arthur Schopenhauer (twitter.com/CrespelJeanPier)
 

Es ist nicht einzusehen, warum man einen klaren Satz Arthur Schopenhauers lieber in einer holprigen Entstellung zitiert.

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Quellen:

Arthur Schopenhauer: "Eristische Dialektik" in: Arthur Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlaß. Band 3: Berliner Manuskripte (1818-1830). Herausgegeben von Arthur Hübscher. DTV, München: 1985, S. 666-695; 690
Artikel in Arbeit.

 

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Dank:

Ich danke prxpragma und Florian Gallwitz für die Fragen zu diesem falschen Zitat und Bernd Christoph  Kämper für seinen Hinweis auf die Eristische Diakektik.


Artikel in Arbeit: Letzte Änderung: 3/7 2024


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Anhang


Arthur Schopenhauer: "Eristische Dialektik", Kunstgriff 30: 

  • "[...] Was man so die allgemeine Meinung nennt, ist, beim Lichte betrachtet, die Meinung zweier oder dreier Personen, und davon würden wir uns überzeugen, wenn wir der Entstehungsart so einer allgemein gültigen Meinung zusehen könnten. Wir würden dann finden, daß zwei oder drei Leute es sind, die solche zuerst annahmen oder aufstellten und behaupteten, und denen man so gütig war zuzutrauen, daß sie solche recht gründlich geprüft hätten. Auf das Vorurtheil der hinlänglichen Fähigkeit Dieser nahmen zuerst einige Andere die Meinung ebenfalls an.

    Diesen wiederum glaubten viele Andere, deren Trägheit ihnen anrieth, lieber gleich zu glauben, als erst mühsam zu prüfen. So wuchs von Tag zu Tag die Zahl solcher trägen und leichtgläubigen Anhänger: denn hatte die Meinung erst eine gute Anzahl Stimmen für sich, so schrieben die Folgenden dies dem zu, daß sie solche nur durch die Triftigkeit ihrer Gründe hätte erlangen können.

    Die noch Uebrigen waren jetzt genöthigt, gelten zu lassen was allgemein galt, um nicht für unruhige Köpfe zu gelten, die sich gegen allgemein gültige Meinungen auflehnten, und naseweise Burschen, die klüger sein wollten als alle Welt. Jetzt wurde die Beistimmung zur Pflicht.

    Nunmehr müssen die Wenigen, welche zu urtheilen fähig sind, schweigen: und die da reden dürfen, sind Solche, welche völlig unfähig, eigene Meinungen und eigenes Urtheil zu haben, das blosse Echo fremder Meinungen sind; jedoch sind sie desto eifrigere und unduldsamere Verteidiger derselben.

    Denn sie hassen am Andersdenkenden nicht sowohl die andere Meinung, zu der er sich bekennt, als die Vermessenheit, selbst urtheilen zu wollen; was sie ja doch selbst nie unternehmen und im Stillen sich dessen bewußt sind. – Kurzum denken können sehr Wenige, aber Meinungen wollen Alle haben; was bleibt da Anderes übrig, als daß sie solche, statt sie sich selber zu machen, ganz fertig von Andern aufnehmen? –   [...]
    (Nach Bayle, Pensées sur les Comètes, Bd. I, S. 10.)"
    (https://www.projekt-gutenberg.org/schopenh/eristik/erist30.html)

 

 Arthur Schopenhauer: "Eristische Dialektik" in: Arthur Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlaß. Band 3: Berliner Manuskripte (1818-1830). Herausgegeben von Arthur Hübscher. DTV, München: 1985, S. 666-695; 690


Artikel in Arbeit.