Donnerstag, 5. Mai 2022

"Der ungerechteste Friede ist immer noch besser als der gerechteste Krieg." Cicero (angeblich)

Verkürztes Cicero-Zitat.
Dieses verkürzte Cicero-Zitat unterschiebt dem römischen Anwalt, Politiker und Philosophen Cicero die Meinung, Kriege müssten immer sofort um jeden Preis beendet werden, auch Befreiungs- oder Verteidigungskriege.

Cicero war aber wie alle Römer nicht der Meinung, dass Rom einen Angriff oder die Besetzung durch eine fremde Macht ohne starke Gegenwehr erdulden müsse. 

Verteidigungskriege oder Kriege, um angegriffenen Bundesgenossen beizustehen, waren für Cicero Beispiele für einen gerechtfertigten Krieg, einen "bellum iustum".

Das verkürzte Zitat stammt aus einem Brief Ciceros über den Bürgerkrieg, den Caesar ausgelöst hat, als er am 5. Januar 49 vor Chr. den Rubikon überschritt.

Drei Wochen danach, am 25. Januar 49 schrieb Cicero an seinen ältesten Freund, den wohlhabenden Epikureer und Geldverleiher Atticus:

Cicero an Atticus, Cales, den 25. Januar 49:

  • "Equidem pacem hortari non desino; quae vel iniusta utilior est quam iustissimum bellum cum civibus."
  • "Ich rate unausgesetzt zum Frieden, selbst ein ungerechter ist immer noch besser als jeder noch so gerechte Krieg gegen Mitbürger.(Link)
  • "As for me, I cease not to advocate peace. It may be on unjust terms, but even so it is more expedient than the justest of civil wars.(Link)

In einigen Übersetzungen von Ciceros Briefen wurde "bellum cum civibus" nur mit "Krieg" übersetzt, was bei jenen, die nur diesen Satz und nicht den ganzen Brief kennen, zu Fehlinterpretationen führt und geführt hat. 

In den meisten Zitate-Sammlungen steht nur das verkürzte Cicero-Zitat (google.com).

Verkürztes Cicero-Zitat.

Bei einem Plädoyer für einen schnellen Waffenstillstand in einem Verteidigungskrieg kann man sich nicht auf diesen Aphorismus Ciceros berufen, der ausdrücklich nur für Bürgerkriege gedacht war. (Link)

Die Philosophin Nicole Karafyllis kommentierte die falsche Verwendung dieses Zitats mit den Worten: "Zitate nachschlagen hilft, Stuss zu enttarnen." (Twitter)

  

Artikel in Arbeit.
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Quellen:

Marcus Tullius Cicero: Atticus-Briefe, lateinisch-deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Helmut Kasten. Sammlung Tusculum, Artemis und Winkler, Düsseldorf / Zürich: 1990, 5. Auflage: 1998,  VII, 15 (14),  S. 438f. (Link)
Cicero: Letters to Atticus, English Translation: E.O. Winstadt, William Heinemann, London, The Macmillan Co., New York: 1913, Volume II,  VII, 14, 15, S. 69 (Link)
M. Tullius Cicero: Sämmtliche Briefe, übersetzt und erläutert von C.M. Wieland, Verlag der Geistinger'schen Buchhandlung, Wien und Triest: 1813, S. 100 (Link)
Cicero: Vom pflichtgemäßen Handeln / De officiis: Lateinisch - Deutsch, herausgegeben und übersetzt von Rainer Nickel, Reihe Tusculum, Patmos Verlag, Artemis und Winkler, Düsseldorf: 2008, 1, 35,1, S. 34f. (Link)
Thomas Must: Rezension zu: Keller, Andrea: Cicero und der gerechte Krieg. Eine ethisch-staatsphilosophische Untersuchung. Stuttgart 2012: ISBN 978-3-17-022340-0,  in: H-Soz-Kult, 19.11.2012 (www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-18662).




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Dank:
Ich danke Christian SeidlArno Tator, Johanna Sprondel und Nicole Karafyllis für ihre Hinweise.

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Anhang

Cicero: "Vom pflichtgemäßen Handeln" (De officiis 1, 35, 1):


"Deshalb darf man nur zu dem Zweck Krieg führen, um unbehelligt in Frieden leben zu können; aber nach dem Krieg muss man diejenigen schonen, die im Krieg nicht grausam und unmenschlich waren ...".
 
" Quare suscipienda quidem bella sunt ob eam causam, ut sine iniuria in pace vivatur, parta autem victoria conservandi ii, qui non crudeles in bello, non inmanes fuerunt;"

Cicero: Vom pflichtgemäßen Handeln / De officiis, Lateinisch - Deutsch, herausgegeben und übersetzt von Rainer Nickel, Reihe Tusculum, Patmos Verlag, Artemis und Winkler, Düsseldorf: 2008, S. 34f. (Link)