Auf Zwischenrufe wie "Scheiß Staat!" versuchte Walter Lübcke die moralischen Verpflichtungen des deutschen Staates gegenüber Asylsuchenden zu erklären, um am Ende an die Zwischenrufer gewendet zu sagen:
14. Oktober 2015
- ".. es lohnt sich in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen, wenn er nicht einverstanden ist - das ist die Freiheit eines jeden Deutschen ..." (Pfui-Rufe aus dem Publikum)
Walter Lübcke, Bürgerversammlung in Lohfelden zu Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge in Hessen, 14. Oktober 2015, vor über 800 Leuten Youtube
Zwei Tage später stellt Walter Lübcke in einem Interview klar, dass seine Worte an aggressive, staatsfeindliche Zwischenrufer gerichtet waren und keineswegs an alle Deutschen, die der großzügigen Flüchtlingspolitik im Herbst 2015 skeptisch oder ängstlich gegenüberstanden.
Trotzdem war die Verbreitung des entstellten Zitates mit irreführenden Überschriften nicht mehr aufzuhalten.
Ohne die falschen Zitate wäre der Hass auf den am 2. Juni 2019 ermordeten angeblichen "Volksverräter" Walter Lübcke wahrscheinlich nicht dermaßen ausgeufert. Sogar sein Tod wurde im rechtsextremen Milieu noch hämisch gefeiert.
15. Oktober 2015
Twitter, 15. Oktober 2015. |
15. Oktober 2015, michael-mannheimer.net/
16. Oktober 2015
Blogeintrag im Jargon von Neonazis:
- "Es geht um Umvolkung, Austausch der einheimischen deutschen Bevölkerung gegen neue “Bürger” aus dem Nahen Osten und Afrika, die hierher auf unsere Kosten umgesiedelt werden, damit die Deutschen in Bedrängnis geraten, fliehen sollen, vertrieben von ihrem eigenen Land durch Häscher und Politik dieses Besatzungs-Regimes, das keinen Funken Deutschlandliebe in sich trägt.
- Offenbar sollen die Deutschen
zum Verlassen des eigenen Landes genötigt werden, anders kann es wohl
nicht gedeutet, wenn man sich das einmal anhört, was dieser Systemling
da so öffentlich von sich gibt ..."
deutschelobbyinfo.com/2015/10/16/
Weitere Beispiele für entstellte Wiedergaben von Walter Lübckes Worten:
- "Nachdem ihm ein Zwischenrufer aus dem Saal zugerufen hatte „aber das
wollen wir nicht“ und das anwesende Publikum diesem Ausspruch mit
Beifall bedachte, antwortete Lübcke: „Wir haben Quoten zu erfüllen. Wem
das nicht passt, hat das Recht und die Möglichkeit, das Land zu
verlassen.“ Ende des Zitats!"
pi-news.net/2015/10/lohfelden-wem-das-nicht-passt-hat-das-recht-und-die-moeglichkeit-das-land-zu-verlassen/
Entstellende Überschrift der Zeitschrift "Junge Freiheit":
- "Ungeheuerlicher Vortrag des
Dr. Walter Lübcke (Regierungspräsident Kassel): Deutsche sollen ihr
Land verlassen, wenn sie mit der Asylpolitik nicht einverstanden sein!
deutschelobbyinfo.com/2015/10/16/
Später wurde Regierungspräsident Lübcke dann öfters im richtigen Wortlaut zitiert, aber ohne darauf hinzuweisen, an wen die Worte gerichtet waren und in welchem Kontext sie zu verstehen sind.
Walter Lübcke, Interview, 16. Oktober 2015:
- "... Meine Aussage war an jene gerichtet, die durch Zwischenrufe ihre Verachtung unseres Staates artikuliert oder diesen Schmähungen applaudiert haben. ...
- Unser Zusammenleben beruht auf christlichen Werten. Damit eng verbunden sind die Sorge, die Verantwortung und die Hilfe für Menschen in Not. An diese christlichen Kernbegriffe hatte ich erinnert, als ich immer wieder durch Zwischenrufe wie „Scheiß Staat!“ und durch hämische Bemerkungen unterbrochen wurde. Ich wollte diese Zwischenrufer darauf hinweisen, dass in diesem Land für jeden und für jede, die diese Werte und die Konsequenzen aus unseren Werten so sehr ablehnen und verachten, die Freiheit besteht, es zu verlassen; im Gegensatz zu solchen Ländern, aus denen Mensch nach Deutschland fliehen, weil sie diese Freiheit dort nicht haben.
- Halten Sie an der Aussage fest?Walter Lübcke: Ich habe gerade ausführlich erklärt, wie diese Äußerung zustande kam. Und weil ich sie immer noch als eindeutig im Sinne der Vermittlung unserer Werte sehe und insofern als sie sich an diese Zwischenrufer richtete, bleibe ich auch dabei."
hna.de/lokales/kreis-kassel/lohfelden
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Besonders wütend reagierte jene Gruppe im rechten politischen Spektrum, die an die Ideologie glaubt, Migranten und Asylwerber würden von einer geheimen Macht gesteuert, die einen "großen Austausch", eine im Nazijargon genannte "Umvolkung" plane.
Der Journalist Matern Boeselager erinnerte nach der Ermordung Lübckes an die Hassreaktionen, Mordwünsche und Morddrohungen aus dem rechten Spektrum: "So hasserfüllt war die rechtsextreme Kampagne gegen den erschossenen CDU-Politiker. Eine Dokumentation der Attacken und Drohungen, die 2015 über Walter Lübcke hereinbrachen." Vice, 4. Juni 2019 (Link)
Die entstellten Darstellungen der Rechtsextremen wurden auch von AfD-nahen Politikerinnen wie Erika Steinbach noch vier Jahre später, im Jahr der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübckes, weiter verbreitet.
Polizei und Justiz konnten noch nicht ermitteln, ob die Tötung des CDU-Politikers wirklich ein politischer Mord war.
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Quellen:
"Störer provozierten Regierungspräsidenten. Info-Abend zu Flüchtlingen: 800 Besucher in Lohfelden", HNA, 15. Oktober 2015 hna.de
"Walter Lübcke im Interview: 'Ich bleibe bei meiner Aussage'", HNA, 16. Oktober 2015 hna.de
"Ungeheuerlicher Vortrag des Dr. Walter Lübcke (Regierungspräsident Kassel): Deutsche sollen ihr Land verlassen, wenn sie mit der Asylpolitik nicht einverstanden sein!", 16. Oktober 2015,
deutschelobbyinfo.com
"CDU-Politiker: Asylkritiker können „dieses Land jederzeit verlassen“, Junge Freiheit, 16. Oktober 2015 Jungefreiheit.de
pi-news.net/2015/10/
michael-mannheimer.net/
wikipedia
Lars Wienand: "Erika Steinbach heizte Hass auf Walter Lübcke neu an" 6. Juni 2019, t-online.de (Link)
Matern Boeselager: "So hasserfüllt war die rechtsextreme Kampagne gegen den erschossenen CDU-Politiker. Eine Dokumentation der Attacken und Drohungen, die 2015 über Walter Lübcke hereinbrachen." Vice, 4. Juni 2019 (Link)
(Artikel in Arbeit. Letzte Änderung: 17/6)
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Dank:
Ich danke den Wikipedia-Mitarbeiter*innen für ihre Recherchen.
Besonders wütend reagierte jene Gruppe im rechten politischen Spektrum, die an die Ideologie glaubt, Migranten und Asylwerber würden von einer geheimen Macht gesteuert, die einen "großen Austausch", eine im Nazijargon genannte "Umvolkung" plane.
Der Journalist Matern Boeselager erinnerte nach der Ermordung Lübckes an die Hassreaktionen, Mordwünsche und Morddrohungen aus dem rechten Spektrum: "So hasserfüllt war die rechtsextreme Kampagne gegen den erschossenen CDU-Politiker. Eine Dokumentation der Attacken und Drohungen, die 2015 über Walter Lübcke hereinbrachen." Vice, 4. Juni 2019 (Link)
Die entstellten Darstellungen der Rechtsextremen wurden auch von AfD-nahen Politikerinnen wie Erika Steinbach noch vier Jahre später, im Jahr der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübckes, weiter verbreitet.
Polizei und Justiz konnten noch nicht ermitteln, ob die Tötung des CDU-Politikers wirklich ein politischer Mord war.
Twitter, 16. Juni 2019:
Sollte sich dies
bestätigen, wäre Walter #Lübcke
das 196 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990. Nach den Mordanschlägen
auf Henriette Reker, Andreas Hollstein und andere wäre es der erste
vollendete Mord an einem Politiker durch Nazis. #NiemandIstVergessen
#NazisRaus
https://t.co/TWR6V4SUe3
—
Blackbox VS (@BlackboxVS) June
16, 2019
Sollte sich dies bestätigen, wäre Walter #Lübcke das 196 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990. Nach den Mordanschlägen auf Henriette Reker, Andreas Hollstein und andere wäre es der erste vollendete Mord an einem Politiker durch Nazis. #NiemandIstVergessen #NazisRaus https://t.co/TWR6V4SUe3— Blackbox VS (@BlackboxVS) June 16, 2019
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Quellen:
"Störer provozierten Regierungspräsidenten. Info-Abend zu Flüchtlingen: 800 Besucher in Lohfelden", HNA, 15. Oktober 2015 hna.de
"Walter Lübcke im Interview: 'Ich bleibe bei meiner Aussage'", HNA, 16. Oktober 2015 hna.de
"Ungeheuerlicher Vortrag des Dr. Walter Lübcke (Regierungspräsident Kassel): Deutsche sollen ihr Land verlassen, wenn sie mit der Asylpolitik nicht einverstanden sein!", 16. Oktober 2015,
deutschelobbyinfo.com
"CDU-Politiker: Asylkritiker können „dieses Land jederzeit verlassen“, Junge Freiheit, 16. Oktober 2015 Jungefreiheit.de
pi-news.net/2015/10/
michael-mannheimer.net/
wikipedia
Lars Wienand: "Erika Steinbach heizte Hass auf Walter Lübcke neu an" 6. Juni 2019, t-online.de (Link)
Matern Boeselager: "So hasserfüllt war die rechtsextreme Kampagne gegen den erschossenen CDU-Politiker. Eine Dokumentation der Attacken und Drohungen, die 2015 über Walter Lübcke hereinbrachen." Vice, 4. Juni 2019 (Link)
(Artikel in Arbeit. Letzte Änderung: 17/6)
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Dank:
Ich danke den Wikipedia-Mitarbeiter*innen für ihre Recherchen.