Hedwig Courths-Mahler: "Arbeit adelt", Titania Verlag, Stuttgart: 1950 (Erstausgabe: 1921). |
Arbeit wurde lange als Strafe für den Ungehorsam im Paradies gesehen ("Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen", 1. Mos. 3,19), und zum Adel gehörte jene Gruppe von Menschen, die andere für sich arbeiten ließ und nur miltärische Pflichten kannte.
Adel wurde zu einem Synonym für Vornehmheit und die Wertschätzung der Arbeit hat sich bekanntlich im Laufe der Geschichte auch verändert, wahrscheinlich schon im Mittelalter, sicher jedoch in der Entwicklung der protestantischen Ethik vor allem in England und Amerika.
Arbeit war nicht nur mehr Notwenigkeit für Arme, Sklaven und Bauern, sondern wurde als ein Weg zum persönlichen Glück empfohlen.
In dem tausendfach zitierten Herr-und-Knecht-Kapitel aus Hegels Phänomenologie des Geistes kann man das Märchen herauslesen, dass am Ende der Knecht durch seine Arbeit, die ihm selbst noch mehr als seinem Herrn nützt, der Gewinner im Herr/Knecht-Kampf sein wird.
Die Verherrlichung der Arbeit führte dann im 19. Jahrhundert so weit, dass in einer Geschichte um eine Märchenprinzessin, nicht mehr große Tapferkeit oder Schlauheit für den Brautwerber ausschlagend sind, sondern fleißige Arbeit allein auszureichen scheint, um die begehrte Frau zu beeindrucken.
So erzählt es wenigsten Detlef von Liliencron in seiner Komödie mit dem Titel "Arbeit adelt", als ein deutscher Arbeitsloser bei einem reichen Amerikaner in New York sich als Reitknecht anstellen lässt und durch fleißige Arbeit das Vertrauen von Vater und Tochter gewinnt.
Am Ende der Komödie erfährt die Tochter, dass der Bräutigam sich nicht nur durch die Arbeit als Reitknecht selbst geadelt hat, sondern schon als deutscher Adeliger geboren wurde und inkognito nach Amerika gereist ist.
Kurze Geschichte der Redensart "Arbeit adelt":
- "Denn da des Pöbels Mund nur blos die Arbeit adelt, / die seinen Beutel füllt [...]"
Herrn Christoph Dietrichs von Böhlau Poetische Jugend-Früchte. [1740], S. 406 (Link) |
- "Was aber Herrn Meisl's Arbeit am meisten adelt ist der edle Gebrauch, welches er von diesem Geistesproducte macht."
Der Wanderer Nro. 37, 6. Februar 1825, S. [3] (Link)
- "Seidenwurm in einem Gehäuse: seine Arbeit adelt sein Gefängnis" (Link)
- "Aber wie Fleiß des Glückes Vater ist, so ist 'Arbeit des Ruhmes Mutter.' Ruhmvoll, ehrenvoll, geadelt erscheint der im groben Kittel, in zerrissenem Wamms, im Schweiße seines Angesichts sein Brod verdienende Arbeiter vor dem Gesetzgeber des deutschen Sprüchwortes; und so zu Ehren gekommen, darf er stolz um sich sehen und namenlos sich den Stolzesten der Erde keck gegenüber stellen, denn der Schweiß seines Angesichts ist sein adlig Blut".
Jacob Venedey: "Die Deutschen und die Franzosen in ihren Spüchwörtern", Morgenblatt für gebildete Stände (Link)
- "Jene Kreise haben vom freien Amerika gelesen, wo keine Arbeit schändet, kein Stand deswegen verachtet wird, dass er die Nadel, die Pfrieme, den Pflug führt [...]"
Neue Jenaische allgemeine Literatur-Zeitung (Link)
- "In den Städten betrieben die freien Deutschen die Gewerbe, auf dem Land die untergebenen Bauern den Ackerbau. Die Arbeit edelt den Menschen, stellt ihn Gott näher, lehrt ihn schaffen, wie Gott schafft. Aber das Nichtsthun adelt."
Jacob Venedey: "Vierzehn Tage Heimathluft" (Link)
1858
- "Jedenfalls ist der deutsche Arbeiter zu gut für Brasilien, wo [...] 'Arbeit das Symbol des Sclaven', Unthätigkeit und Wohlleben das Merkmal des Freien ist und 'Arbeit schändet!' "
"Brasilianische Menschenjagd in Deutschland" (Link)
1862
Der Roman "Arbetet adlar mannen" (1859) der schwedischen Autorin Marie Sophie Schwartz erschien 1862 mit dem Titel "Die Arbeit adelt. Ein Bild aus der Wirklichkeit" (Erster Theil) in der Übersetzung von August Kretzschmar.
In diesem Roman nimmt sich ein verleumdeter Mann vor, durch ehrliche Arbeit die Achtung seiner Mitmenschen zurückzugewinnen (Link).
1864
erschien dieser Roman "Arbetet adlar mannen" von Marie Sophie Schwartz unter
dem Titel "Arbeit adelt den Mann" in der deutschen Übersetzung von C. Büchele (Link).
1864
"(Arbeit schändet, betteln nicht.) Der Vicomte de Terves wurde kürzlich wegen Bettelei in Sens verhaftet. Vor dem Zuchtpolizeigerichte führte er zu seiner Vertheidigung an, 'die Achtung vor seinem adeligen Wappen verbiete ihm, sein Brot mit der Arbeit seiner Hände zu verdienen.' "
Klagenfurter Zeitung (Link)
1867
In Karl Friedrich Wilhelm Wanders fünfbändigem Standarwerk "Deutsches Sprichwörter-Lexikon", das ab 1867 erschienen ist, findet man hunderte Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten zu den Begriffen Arbeit, Faulheit oder Müßiggang, aber die Wendung "Arbeit adelt" fehlt, wobei Anspielungen wie "Faulheit adelt nicht" oder "Faulheit und Schlafen machen keine Grafen" (Link) aufgenommen wurden.1885
"Jeder fleißige Arbeiter, und wenn er auch die allergeringste Arbeit verrichtet, ist in Wahrheit ein Edelmann; denn ehrliche Arbeit adelt den Menschen."
Henry Liebhart: "Im Jugendkreis." (Link)
1887
erschien Detlef von Liliencrons kurze Komödie "Arbeit adelt" und bald galt die Redensart auch schon in Amerika als altés deutsches Motto:
1909
- "An old German Motto runs 'Arbeit edelt' — Work ennobles. We all need to recall this fact at times."
A.W. Ferris: "Standards in Nursing the Insane" (Link)
1914
"Daß 'Arbeit edelt', wird nicht nur von denen, die bloß den irdischen Genüssen leben, nicht geglaubt, selbst jener Teil der Menschheit, welcher von der Arbeit lebt, bestreitet, verleugnet diese alte, goldene Lebensregel."
Anton Hövényes, Eos 1914, S. 61 (Link)
In dem Roman mit dem Titel "Arbeit adelt" von Hedwig Courths-Mahler musste ein Freiherr Austräger einer Wäscherin werden. Da ihm diese niedere Arbeit peinllich war, erklärte ihm die Wäscherin, auch durch Arbeit würde er geadelt:
1921
"Dann sagte sie mit fester Stimme: 'Arbeit ist keine Schande – ehrliche Arbeit adelt jeden Menschen, wer er auch sei.' Ich habe mir dieses Wort damals fest eingeprägt und danach gehandelt."
Hedwig Courths-Mahler: "Arbeit adelt", spätere Auflagen mit dem Titel: "Die Tochter der Wäscherin" (Link)
1923
"Wir schmeicheln ihnen also [...] Wir sagen ihnen, dass ehrliche Arbeit adelt und etwas Großartiges ist – was nicht stimmt: sie ist nur langweilig und wirkt verblödend."
Aldous Huxley: Narrenreigen. Roman (Link)
"'We flatter them,' went on Mr. Boldero. 'We say that honest work is glorious and ennobling — which it isn’t; it’s merely dull and cretinizing. And then we go on to suggest that it would be finer still, more ennobling, because less uncomfortable, if they wore Gumbril’s Patent Small-Clothes. You see the line?'"
Aldous Huxley: "Antic Hay" (Link)
Aldous Huxley hat in seinem Roman "Antic Hay" den Spruch "Arbeit adelt" als kapitalistische Propagandalüge präsentiert, während in Deutschland der Spruch zum Wahlspruch des 1923 gegründeten Artamanenbundes geworden ist, in dem viele prominente spätere Schreibtischmassenmörder mit Heinrich Himmler ihre Karriere begannen (Link).
1926
" 'Arbeit adelt', das ist der Wahlspruch der Artamanen, nicht geboren aus einem platten amerikanischen Geschäftigkeitssinn, sondern aus einem tiefen, deutschen Gefühl, das im Werte der menschlichen Tätigkeit und nicht im Nutzen das Wesentliche sieht. [..] neue Aristokratie [..] "
"Der Jungdeutsche" (Tageszeitung des Jungdeutschen Ordens) 26. August 1926 (Link)
Das Erziehungsideal der Nationalsozialisten war bekanntlich, die Jugendlichen durch Sport, Arbeitsdienst und militärischen Drill so lange zu schleifen, bis ihnen die Lust auf Freiheit vergangen ist und sie die Losung "Du bist nichts, dein Volk ist alles" verinnerlicht haben.
Der Spruch "Arbeit adelt" sollte helfen, diesen "neuen Menschen", den gehorsamen Nationalsozialisten ohne eigenen Willen, zu erziehen.
1933
"Arbeit adelt"-Postkarte zum 1. Mai 1933 (ma-shops.de). |