Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat. |
Deswegen wird diesem ehemaligen Lehrer und späterem Professor Hermann Glaser manchmal der Aphorismus zugeschrieben. Doch nach einer Anfrage von Dominik Lagushkin teilte Hermann Glaser mit, dass er diesen Aphorismus nicht geprägt habe, und 50 Jahre danach nicht mehr feststellen könne, woher er das Zitat damals hatte (Link).
Seit 2012, seit eine rechtsextreme Webseite damit begann, wird das Zitat auf Facebook, in der Kronen Zeitung und in anderen unseriösen Medien meistens Johann Wolfgang Goethe untergeschoben, vereinzelt auch Shakespeare, Kurt Tucholksy oder Immanuel Kant.
In den Schriften und dazugehörigen Nachschlagwerken Goethes, Kants und Tucholskys ist dieses Zitat, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts als politische Parole entstanden sein könnte, nicht zu finden.
Entwicklung des Zitats
1998, unbekannt
- "In unseren Tagen kursiert ein Satz, der Aichers Philosophie vorwegzunehmen scheint: „Wer in der Demokratie schläft, wacht auf in der Diktatur.“ Oder schlagender: „Schlaf in der Demokratie, wach auf in der Diktatur!“ Dieser Erkenntnis der jüngsten Vergangenheit diente seine Art der Prophylaxe."
Joerg Crone, Dissertation (pdf)
2007, unbekannt
- "Wählen tut Not! Denn wer in der Demokratie pennt, der wacht in der Dikatur auf. "
groups.google
-
„Wer in der Demokratie schläft, erwacht in der Diktatur“.
Dieses hochaktuelle Zitat stammt vom Nürnberger Professor und
Publizisten Hermann Glaser".
amadeu-antonio-stiftung.de
2012, Goethe
- "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." J W Goethe
dasgelbeforum
- "Liebe Landratsmitglieder, wachen Sie endlich auf. Sie haben einen Auftrag vom Volk! Nehmen Sie sowohl Ihre Pflichten wie auch Ihre Rechte wahr. Erinnern Sie sich an Shakespeare, der sagte:
'Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.'"
etwasanderekritik.wordpress.com/2012
- Da fällt mir ein Satz Goethes ein: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“.
Tassilo Wallentin: "Der große Coup", Kronen Zeitung, 27/3 2016 (Link)
- "Wer in der Demokratie schläft, wird im Faschismus aufwachen."
arbeiterfotografie
Johann Wolfgang von Goethe ist übrigens nie als Verteidiger der Demokratie aufgefallen. Im Gegenteil:
Goethe, 1792
- "Was
mir aber noch mehr auffiel, war, daß ein gewisser Freiheitssinn, ein
Streben nach Demokratie sich in die hohen Stände verbreitet hatte; man
schien nicht zu fühlen, was alles erst zu verlieren sei, um zu
irgendeiner Art zweideutigen Gewinnes zu gelangen."
Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 1792 (Link)
Goethe, 1827
- "Man
spricht immer viel von Aristokratie und Demokratie, die Sache ist ganz
einfach diese: In der Jugend, wo wir nichts besitzen oder doch den
ruhigen Besitz nicht zu schätzen wissen, sind wir Demokraten; sind wir
aber in einem langen Leben zu Eigenthum gekommen, so wünschen wir dieses
nicht allein gesichert, sondern wir wünschen auch, daß unsere Kinder
und Enkel das Erworbene ruhig genießen mögen. Deshalb sind wir im Alter
immer Aristokraten ohne Ausnahme, wenn wir auch in der Jugend uns zu
andern Gesinnungen hinneigten."
Gespräche mit Eckerman, 15. Juli 1827 (Link)
Quellen:
"Lexikon der Goethe-Zitate". Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991, Stichwort "Demokratie", S. 110
Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 1792 (Link)
Gespräche mit Eckerman, 15. Juli 1827 (Link)
Immanuel Kant: Gesammelte Werke, Akademieausgabe. Elektronische Edition: Universität Duisburg
Altes Sprichwort: "Wer mit Hunden schläft, wacht mit Flöhen auf."
Joerg Crone: "Die visuelle Kommunikation der Gesinnung - Zu den grafischen Arbeiten von Otl Aicher und der Entwicklungsgruppe 5 für die Deutsche Lufthansa 1962", Dissertation, Freiburg, 1998, S. 46 (pdf)
Edwin Baumgartner: "Retten wir Goethes Karriere!", Wiener Zeitung, 3. Dezember 2015 wienerzeitung.at
Dominik Lagushkin: "Über adoptierte Zitate", 2013 (Link)
Frühe falsche Zuschreibung an Goethe:
2012: dasgelbeforum
Beispiel für falsche Zuschreibung:
Tassilo Wallentin: "Der große Coup", Kronen Zeitung, 27. März 2016 (Link)
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Dank
Ich danke Dominik Lagushkin für seine informative Dokumentation aus dem Jahr 2013 (Link).
Artikel in Arbeit.