Dienstag, 8. Mai 2018

"Der Zweck heiligt die Mittel." Niccolò Machiavelli (angeblich)

Pseudo-Machiavelli-Zitat.

Diese prägnante Wendung (Italienisch: "Lo scopo santifica i mezzi"), mit der man Verbrechen in der Politik rechtfertigt, kam Ende des 18. Jahrhunderts auf und galt lange als geheime Maxime der Jesuiten. 

Heute wird sie oft Niccolò Machiavelli zugeschrieben, obwohl sie in seinen Schriften in diesem Wortlaut so wenig zu finden ist wie in jesuitischen Texten.

Da Machiavelli Politik ohne idealistische Zielvorstellungen beschreibt, für bestimmte Konflikte sogar politische Morde  empfiehlt, passt dieses Sprichwort zu seinen politischen Analysen und Ratschlägen und in seinem Werk "Discorsi" bekennt sich Machiavelli ausdrücklich zu jener Einstellung, die das Sprichwort ausdrückt:

  • "... ein weiser Mann wird niemals jemanden tadeln wegen einer ungewöhnlichen Tat, wenn sie dazu dient, ein Reich in Ordnung zu bringen oder eine Republik zu gründen. Wenn ihn auch die Tat anklagt, so muss ihn der Erfolg doch entschuldigen".
    'Conviene bene, che, accusandolo il fatto, lo effetto lo scusi'
    Niccolò Machiavelli, "Discorsi", 1531 (Link)
Vorläufer dieses Spruchs findet man außer bei Machiavelli in den Schriften von Demosthenes, Ovid, Baltasar Gracián, Blaise Pascal und in jesuitischen Texten.

Heute bekennen sich Vertreter des Konsequentionalismus mehr oder weniger offen zu diesem Spruch, Gegner von Gewaltpolitik - wie Martin Luther King - und Kantianer lehnen ihn ab.


Demosthenes

  • "So auch im Staatsleben: wer eine günstige Gelegenheit nicht gehörig genutzt hat, der denkt nicht an das Gute, das ihm doch die Götter gewährten; den nach dem Erfolg am Ende beurteilt er alles, was ihm zu Gebote stand."
  • πρὸς γὰρ τὸ τελευταῖον ἐκβὰν ἕκαστον τῶν πρὶν ὑπαρξάντων κρίνεται.
    prós gár tó teleftaíon ekván ékaston tón prín yparxánton krínetai.
    Demosthenes, Erste Olynthische Rede, 11 gottwein.de/

Ovid

  • "Exitus acta probat."
    Übersetzungen:
    Nur Erfolg gibt uns recht./ Der Ausgang wird's lehren./ Man wird's beim Auskehren finden./ Ende gut, Alles gut./ The result justifies the deed.
    Ovid: "Heroiden", 2, 85 Phyllis an Demophoon  (Link)

1647: Baltasar Gracián, Handorakel

  • "                 66
    Den glücklichen Ausgang im Auge behalten 

    Manche setzen sich mehr die strenge Richtigkeit der Maaßregeln zum Ziel, als das glückliche Erreichen des Zwecks: allein stets wird, in der öffentlichen Meinung, die Schmach des Mißlingens die Anerkennung ihrer sorgfältigen Mühe überwiegen. Wer gesiegt hat, braucht keine Rechenschaft abzulegen. Die genaue Beschaffenheit der Umstände können die Meisten nicht sehn, sondern bloß den guten oder schlechten Erfolg: daher wird man nie in der Meinung verlieren, wenn man seinen Zweck erreicht. Ein gutes Ende übergoldet Alles, wie sehr auch immer das Unpassende der Mittel dagegen sprechen mag. Denn zu Zeiten besteht die Kunst darin, daß man gegen die Regeln der Kunst verfährt, wann ein glücklicher Ausgang anders nicht zu erreichen steht."
    Baltasar Gracián: Handorakel,
    übersetzt von Arthur Schopenhauer, S. 41 (Link)




1652: Hermann Busenbaum, Jesuit

  • "Wenn der Zweck erlaubt ist, sind auch die Mittel erlaubt."
    "Cum finis est licitus, etiam media sunt licita."
    Hermann Busenbaum SJ: "Medulla Theologiae moralis" 1652 ("Kern der Moraltheologie") 4,3,7 Art. 2 § 3
    (Laut Büchmann erlaubt Busenbaum allerdings nicht jedes Mittel: Gewalt zum Beispiel bleibe verboten. Allerdings gab es nicht nur Verschwörungstheorien über die geheime Macht der Jesuiten, sondern zum Beispiel in Polen tatsächlich jesuitische Prediger, die zur Gewalt gegen Protestanten hetzten.)


1656: Blaise Pascal zitiert einen fiktiven jesuitischen Pater:

  • "wir verbessern die Lasterhaftigkeit des Mittels durch die Reinheit des Zwecks".
  • "so verbessern wir das Sündliche des Mittels durch die Reinheit des Zwecks".
    "nous corrigeons le vice du moyen par la pureté de la fin".
    Blaise Pascal: "Briefe an einen Freund in der Provinz", Siebenter Brief, Paris den 25. April 1656. Von der Methode der Jesuiten die Absicht zu lenken und von ihrer Erlaubnis zu tödten. S. 120 (Link);    (Link) (Blaise Pascal war einer der schärfsten katholischen Kritiker des Jesuitenordens, der zwischen 1773 und 1814 päpstlich aufgehoben war.)

1786

  • "Unter allen bösen Grundsätzen aber, scheint mir doch der gefährlichste zu seyn: Zweck heiligt die Mittel."
    Anonym: "Drey Aussagen die innere Einrichtung des Illuminatenorden in Baiern betreffend", S. 33 (Link)
Wer das Sprichwort "Der Zweck heiligt die Mittel" in diesem Wortlaut geprägt hat, ist unbekannt.
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Quellen:
Ovid: "Liebesbriefe / Heroides": Lateinisch - Deutsch, herausgegeben und übersetzt von Bruno W. Häutptli, Artemis und Winkler,  Sammlung Tusculum, Düsseldorf/ Zürich: 2001, S. 20f.  (Link)
"Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes", gesammelt und erläutert von Georg Büchmann, fortgesetzt von Walter Robert-tornow, 22. vermehrte und verbesserte Auflage, bearbeitet von Eduard Ippel, Verlag der Haude u. Spenerschen Buchhandlung, Berlin: 1905,  S. 523f. (Link)
"Balthazar Gracian's Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit", übersetzt von Arthur Schopenhauer (Nachgelassenes Manuscript), Brockhaus, Leipzig: 1877,  S. 41 (Link)
Hermann Busenbaum SJ: "Medulla Theologiae moralis" 1652 ("Kern der Moraltheologie") 4,3,7 Art. 2 § 3 (vorerst zitiert nach Büchmann)
Blaise Pascal: "Briefe an einen Freund in der Provinz", Siebenter Brief, Paris den 25. April 1656. Von der Methode der Jesuiten die Absicht zu lenken und von ihrer Erlaubnis zu tödten. S. 120 (Link)
Paul Rée: "Der Ursprung der moralischen Empfindungen." Verlag von Ernst Schmeitzner, Chemnitz 1877, S. 52-65  (Link)
Jennifer Speake: Oxford Dictionary of Proverbs, sixth edition, Oxford University Press, Oxford: 2015,   S. 91
Wolfgang Mieder: "The Politics of Proverbs: From Traditional Wisdom to Proverbial Stereotypes", The University of Wisconsin Press, Madison/ London: 1995, S. 90 (Truman)
Wolfgang Mieder: "'Making a Way Out of No Way': Martin Luther King's Sermonic Proverbial Rhetoric", Peter Lang, New York etc, Oxford: 2010,  S. 123f., 277ff.  (Link)
Wikiquote: misquoted and misattributed
Römische Sprichwörter (Link)
Redensarten-index.de
Frühe Erwähnung des Sprichworts: 
Anonym: "Drey Aussagen die innere Einrichtung des Illuminatenorden in Baiern betreffend." Neueste Sammlung jener Schriften, die von einigen Jahren her über verschiedene wichtigste Gegenstände zur Steuer der Wahrheit im Drucke erschienen sind. Band 28, Augsburg: 1786, S. 33 (Link)




Artikel in Arbeit.

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Kap 18
Ognuno vede quel che tu pari; pochi sentono quel che tu sei, e quelli pochi non ardiscono opporsi alla opinione de’ molti, che abbiano la maesta dello stato che gli difende; e nelle azioni di tutti gli uomini, e massime de’ Principi, dove non è giudizio a chi reclamare, si guarda al fine. (Link)


 Kap 19
Però, uno prudente ordinatore d'una republica, e che abbia questo animo, di volere giovare non a sé ma al bene ...

    [M]en judge generally more by the eye than by the hand, because it belongs to everybody to see you, to few to come in touch with you. Every one sees what you appear to be, few really know what you are, and those few dare not oppose themselves to the opinion of the many, who have the majesty of the state to defend them; and in the actions of all men, and especially of princes, which it is not prudent to challenge, one judges by the result.      For that reason, let a prince have the credit of conquering and holding his state, the means will always be considered honest, and he will be praised by everybody because the vulgar are always taken by what a thing seems to be and by what comes of it; and in the world there are only the vulgar, for the few find a place there only when the many have no ground to rest on.