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Dienstag, 18. Mai 2021

20 Goethe-Zitate, die sicher nicht von Goethe sind. Link-Sammlung.

 Links zu den Artikeln über folgende Pseudo-Goethe-Zitate:


  1. "Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen."

  2. "Bei Fünfzig ist man für sein Gesicht verantwortlich".

  3. "Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken."

  4. "Der denkende Mensch ändert seine Meinung." 

  5. "Die Wahrheit enthält immer auch Lüge."

  6. "Eines Morgens wachst Du nicht mehr auf, die Vögel aber singen, wie sie gestern sangen. Nichts ändert diesen Tagesablauf. Nur Du bist fortgegangen. Du bist nun frei, und unsere Tränen wünschen Dir Glück."

  7. "Eines Tages klopfte die Angst an die Tür. Der Mut stand auf und öffnete, aber da war niemand draußen."

  8. "Erfolg hat 3 Buchstaben: TUN!"

  9. "Erfolgreich zu sein setzt zwei Dinge voraus: Klare Ziele und den brennenden Wunsch, sie zu erreichen."

  10. "Für ein zufriedenes Leben braucht man neun Dinge: genügend Gesundheit ..."

  11. "Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht." 

  12. "Lieber Freund, entschuldige meinen langen Brief, für einen kurzen hatte ich keine Zeit."

  13. "Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen."

  14. "Reden ist uns ein Bedürfnis, Zuhören ist eine Kunst."

  15. "Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man nicht durch den Tod verlieren."

  16. "Wer Bücher liest, schaut in die Welt und nicht nur bis zum Zaune." 

  17. "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf."

  18. "Wer nicht genießt, wird ungenießbar." 

  19. "Werde der, der du bist."

  20. "Wir haben genug Zeit, wenn wir sie nur richtig verwenden." 

  21.  "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht."

 

 Entstellte Goethe-Zitate:

 

"In Bibliotheken fühlt man sich wie in der Gegenwart eines großen Kapitals, das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet." 

"Was immer du tun kannst oder erträumst zu können, beginne es."

 

 

Samstag, 20. Februar 2021

"Der niederträchtigste aller Schurken ist der Heuchler, der dafür sorgt, daß er in dem Augenblick, wo er sich am fiesesten benimmt, am tugendhaftesten auftritt.“ Marcus Tullius Cicero (angeblich)

Paraphrase eines Cicero-Zitats.
 

Dieses angebliche Cicero-Zitat ist keine wortgetreue Übersetzung, sondern eine vor kaum fünf Jahren entstandende Paraphrase des folgenden Satzes aus Ciceros Werk "De officiis" ("Vom rechten Handeln"):

 

M. Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln" 1,41,4; 44 v. Chr.:

  • "Totius autem iniustitiae nulla capitalior quam eorum, qui tum, cum maxime fallunt, id agunt, ut viri boni esse videantur."    (Link)
  • "Von aller Ungerechtigkeit aber ist keine todeswürdiger als die derjenigen, die dann, wenn sie besonders täuschen, darauf aus sind, gute Männer zu scheinen." 
    Übersetzung:
    Karl Büchner.

    Marcus Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln." Lateinisch und deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Karl Büchner. Artemis u. Winkler (Sammlung Tusculum),
    4. Auflage, München, Zürich: 1994, 1,41,4, S. 39f. (Link)

  • "Von allem Unrecht aber ist keines sträflicher als das derjenigen, die sich mühen, während sie die ärgsten Betrüger sind, den Anschein ehrlicher Männer zu geben."
    Übersetzung: gottwein.de

  • "But of all forms of  injustice, none is more flagrant than that of the hypocrite who, at the very moment when he is most false, makes it his business to appear virtuous."
    Übersetzung: Walter Miller (perseus.tufts.edu)

_____________ 

Quellen:

Marcus Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln." Lateinisch und deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Karl Büchner. Artemis u. Winkler (Sammlung Tusculum), 4. Auflage, München, Zürich: 1994, 1,41,4, S. 39f. (Link)

 ________
Dank:

Ich danke Rainer Venino für seine Frage zu diesem Zitat und für seine Entdeckung des lateinischen Originals.

 


 

 

Dienstag, 16. Februar 2021

"Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere ." Arthur Schopenhauer (angeblich)

Dieses ursprünglich französische Aperçu ist seit dem 19. Jahrhundert in vielen Sprachen und mehreren Varianten als Grabsteinspruch für Hunde, als Kalenderspruch in Amtszimmern, als Meme oder als Lebensmotto weit verbreitet und wird oft berühmten Personen untergeschoben, die für ihre Liebe zu Hunden bekannt sind.

Die beliebtesten Zuschreibungen (Schopenhauer, Friedrich d. Gr., Mark Twain) sind Erfindungen des 20. Jahrhunderts und konnten von der Zitatforschung in zeitgenössischen Quellen nicht nachgewiesen werden.

1) Von dem preußischen König Friedrich II. weiss man, dass er seine Hunde mehr als die Menschen mochte und dass er sein Grabmal auf der Terasse des Schlosses Sanssouci neben den Gräbern seiner Lieblingshunde anlegen ließ (Link)

Pseudo-Friedrich-II.-Zitat.

Wohl deswegen schien es mehr als 120 Jahre nach seinem Tod plausibel, der Ausspruch stamme von ihm. Aber es gibt keinerlei Belege dafür. 

Begonnen hat die falsche Zuschreibung an Friedrich II. um 1927 (Link), also ungefähr 140 Jahre nach seinem Tod, und auch der Anführer der Nationalsozialisten war der festen Überzeugung, das Zitat stamme von dem verehrten preußischen König:

  • "Von Zeit zu Zeit hob er [Hitler] seinen Blick zu dem Bildnis Friedrichs des Großen auf, das über seinem Schreibtisch hing, und wiederholte dessen Ausspruch: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde .'"
    Albert Zoller: "Hitler privat: Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin", Droste Verlag 1949, S. 230  (Link)

2) Ebenso bekannt ist die Zuneigung des Philosophen Arthur Schopenhauer zu seinen Pudeln, die er seit seiner Studienzeit bei sich hatte, und die er dem Umgang mit Menschen vorzog, doch er hat nie geschrieben, seit er die Menschen kenne, liebe er seine Hunde oder etwas Ähnliches.

Wilhelm Busch: "Schopenhauer" (Wikimedia).

Der Aphorismus wird ihm seit den 1930er Jahren in verschiedenen Varianten unterschoben und ist weder in seinen Texten noch in zeitgenössischen Quellen zu finden.


Pseudo-Arthur-Schopenhauer-Zitat.

3) In der englischsprachigen Welt wird das Zitat meistens Mark Twain zugeschrieben.

Pseudo-Mark-Twain-Zitat.

Aber wie der amerikanische Zitatforscher Garson O'Toole in seiner gründlichen Recherche zum Ursprung des Zitats herausgefunden hat, wurde es auch Mark Twain erst nach seinem Tod zugeschrieben und ist in seinen Texten, Briefen und Interviews unauffindbar (quoteinvestigator).
 

Pseudo-Vladimir-Putin-Zitat.


4) Entstanden ist der Aphorismus vor dem 19. Jahrhundert in Frankreich und bis zum Ersten Weltkrieg wurde er auch im deutschen Sprachraum durchwegs französischen Autorinnen und Autoren zugeschrieben.

Laut Recherchen des Technikhistorikers Ralf Bülow könnte der im Jahr 1762 verstorbene Dramatiker Crébillon einer der Ersten gewesen sein, der eine Variante dieses misanthropischen Aphorismus geprägt hat.

Im April 1780 erinnert sich der umgängliche französiche Revolutionär Mirabeau in einem Brief an seine Freundin Sophie an diesen Ausspruch Crébillons mit folgenden Worten:

  • "Ach. Dein Landsmann Crébillon hatte nicht so Unrecht. Als man ihn fragte, warum er beständig von Hunden umgeben sei, antwortete er: 'ich thue das, seit ich die Menschen kenne.'"
    Mirabeau, April 1780, S. 447  (books.google)
    "Hélas! ton compatriote Crébillon n'avait pas tort de répondre à ceux qui lui demandaient pourquoi il était toujours entouré de chiens: c'est depuis que je connais les hommes."


    Honoré-Gabriel Riqueti Mirabeau: Lettres originales de Mirabeau, écrites du donjon de Vincennes,1777-1780, Chez Rarnery, Paris: 1792, S. 256 (Link)

Eine frühe Variante des Zitats taucht im Jahr 1822 in den digitalisierten Texten auf, wie Garson O'Toole herausgefunden hat. Eine Frau habe kürzlich - zum Mißvergnügen des Redakteurs - gesagt:

1822

  • "Je mehr ich die Männer kenne, desto mehr mag ich die Hunde."
  • "Nous venons de recevoir le Miroir de la Somme, il contient les niaiseries suivantes: Une dame disait l’autre jour: plus je connais les hommes, mieux j’aime les chiens." (zitiert nach quoteinvestigator).

Jahrzehnte später wird dieser Ausspruch Madame de Madame de Staël, die im Jahr 1817 gestorben ist, zugeschrieben.

 1878

  •  "Plus je connais les hommes, plus j'admire les chiens. MADAME DE STAEL." (Link)

Ob Madame de Staël wirklich die unbekannte Dame war, von der in dem Artikel 1822 die Rede ist, ist ungewiss. 

1848 wird der Aphorismus einem "modernen Philosophen" zugeschrieben:

  • "Je m'éloignai, triste, et en murmurant cette pensée d'un philosophe moderne: Plus je connais les hommes , plus j'estime les chiens." (Link)  (archive.org)

In der Mitte des 19. Jahrhunderts haben die französischen Autoren Alphonse Toussenel und Alphonse de Lamartine unabhängig von einander den Aphorismus verwendet und dadurch zu dessen weiterer Verbreitung beigetragen, aber sie haben ihn so wenig geprägt wie Charles de Gaulle, der ihn 100 Jahre später zitiert hat.

 Ich folge hier der Einschätzung von Garson O'Toole, dessen 2018 publizierten Artikel mit den sorgfältigen Quellenangaben zu diesem Zitat ich nur empfehlen kann (quoteinvestigator).

Die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt schreibt das Zitat in ihren Erinnerungen einer "berühmten Landsmännin", vielleicht also Madame de Staël oder Madame de Sévigné zu, und nicht Friedrich II., Schopenhauer oder Mark Twain.

1895

  • Sarah Bernhardt:
    "Was habe ich Menschen kennen gelernt in diesem alternden Jahrhundert! Aber,  weiß Gott, ich kann nur mit meiner berühmten Landsmännin sagen: 'Je mehr ich die Menschen kennen lerne, umsomehr liebe ich die Hunde.'"
    Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 5. August 1895, S. 2, Übersetzung: G. Engelsmann (Link)

 Ein Zoologe hält George Sand für die Urheberin des Zitats:

1898

  • "Seit ich die Menschen kenne , liebe ich die Hunde , war ein geflügeltes Wort von George Sand." (Link)

Um 1900 wurde der Aphorismus schon als Grabsteinspruch auf dem neuen Pariser Hundefriedhof gesehen:

1903 

  • [Grabsteinspruch :] "Je mehr ich die Menschen sehe, je mehr liebe ich meinen Hund."  (anno) 

 1922

  • Leo Slezak: "Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere."  
    Leo Slezak: "Meine sämtlichen Werke." Ernst Rowohlt Verlag, Berlin: 1922, S. 186 (Link); 1926: (Link)

Erst nachdem der österreichische Tenor Leo Slezak  das französische Bonmot in seinen Memoiren und in einigen Zeitungsartikeln als sein Motto verkündet hat, wurde es erstmals Friedrich II. zugeschrieben:

1927

  • "Friedrich der Große hat einmal gesagt, seit er die Menschen kenne, liebe er die Hunde."
    Adolf Stein: "Berliner Funken", Brunnen Verlag / Karl Winckler, Berlin: 1927, S. 183 (Link)

1928

  • "Friedrich II. [...] seinem Ausspruch: 'Je näher ich die Menschen kennenlerne, desto mehr liebe ich dieHunde!'" (Link)

1930

  • "Ein altes Wahrwort sagt: 'Seitdem ich die Menschen kenne, habe ich die Hunde lieben gelernt.'" (Link)

 1931 wird ein alter arabischer Philosoph als Urheber des Zitats vermutet (Link).

Die meines Wissens erste irrtümliche Zuschreibung an Arthur Schopenhauer stammt vom damaligen Vizepräsidenten des Wiener Patentamts und stand in der katholischen Wiener Tageszeitung "Reichspost":

1932

  • "Von Schopenhauer soll der Ausspruch stammen: 'Ich kenne die Menschen, drum liebe ich die Hunde'".
    Reichspost, 3. Juli 1932, S. 16
      (Link)

 1949

  • "Diese Geraunze und Geraune erinnert an die alten Dichterworte: 'Je mehr ich die Menschen kennenlerne, desto mehr liebe ich die Tiere.'" (Link)

1949

  • "Von Zeit zu Zeit hob er [Hitler] seinen Blick zu dem Bildnis Friedrichs des Großen auf, das über seinem Schreibtisch hing, und wiederholte dessen Ausspruch : 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde .'"
    Albert Zoller: "Hitler privat: Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin", Droste Verlag 1949, S. 230  (Link)

1951

  • "Der alte Fritz hat einmal gesagt: 'Seitdem ich den Menschen kenne, liebe ich die Hunde'."  (Link)

 1954

  • "Das vielzitierte, Friedrich dem Großen in den Mund gelegte Wort: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde,' stellt einen Gegensatz auf, der gar nicht besteht."  (Link)

1957

  • "Ein großer Tierfreund sagte einmal: 'Seitdem ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.'"  (Link)

1963

  • Konrad Lorenz:  "Ein sentimentaler Menschenhasser hat den oft nachgeplapperten Aphorismus geprägt: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere '. Ich behaupte umgekehrt ..."
    Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse, 1963, S. 344 (archive.org)

1964

  • "Damit deckt er Pseudowahrheiten sentimentaler Nörgler auf, die es sich mit Schopenhauers Wort 'Seitdem ich die Menschen kenne , liebe ich die Tiere' sehr leicht machen."
    Forum, 1964, S. 155 (Link)

 

1965

  • So daherreden heißt den Standpunkt des Spießers einnehmen, der da der Meinung ist: Seit ich die Menschen kenne , liebe ich die Tiere . (Link)

 

1967

  • "Ich darf in diesem Zusammenhang an einen Ausspruch Friedrich d. Gr. erinnern, der einmal gesagt hat: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere!'" 

1969

  • "Einen Ausspruch Friedrichs des Großen mißbrauchend, zu dessen Bild er bis zuletzt aufschaute, resignierte er völlig : 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde.'" (Link)

1971

  • "Jetzt brauchte ich nur mit dem albernen pseudophilosophischen Satz zu schließen: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.' Mein Ansehen bei allen Tierfreunden wäre gerettet." (Link)

1975

  • "Tiere körnen aber auch als Ersatz für gestörte zwischenmenschliche Beziehungen gesucht werden, etwa nach der Devise 'Weil ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere ', die übrigens von Friedrich II. stammen soll." (Link)

 1974

  • "Dolittle hat sich von den undankbaren Menschen ab und den dankbaren Tieren zugewandt, nach dem schönen Motto: seit ich die Menschen kenn, liebe ich die Tiere, das in vielen Amtsstuben neben dem Schäferhundsporträt hängt. (Link)

1978

  • "Oder von welch geheimnisvoller Häuslichkeit plaudert doch das Sprichwort: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Türe!' "  (google.books)

1978

  • "'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde'  Stammt das von Schopenhauer? Oder war es Friedrich der Große?   'Keine Ahnung ...'"  (Link)

 

1981

  • "Die in ihrer Verabsolutierung zweifelhafte These Nitzsches [!]: ' Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere !', wird hier – auf den Faschismus bezogen – zur überzeugenden Bildformulierung gehöht . "  (Link)
 
1981
  • "'Seit ich die Menschen kenne , liebe ich die Tiere', sagte Friedrich der Große, und es ist der innigste Wunsch der Deutschen, nicht mehr ohne die Gesellschaft von Schildkröten und Papageien, von Wildkatzen und Pavianen leben ..." (Link)
 
1982
  • "Was hat schon Schopenhauer gesagt: 'Seit ich Menschen kenne, liebe ich Tiere .'"  (Link)
 
1985
  • "Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere “ ist ja der berühmte Plüschsofa-Spruch der Unpolitischen ."  (Link)
 
1987
  • "unterscheidet sie sich nicht prinzipiell von dem alten Spruch: Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere." (Link)
1989 
  •  "(kalauer: seit ich die menschen kenne, liebe ich die türe.)  ( Reinhard Priessnitz )" (Link)   (Link)
1990
  • "Das offenkundige Ranggefälle zwischen Mensch und Tier erhielt einen neuen unaufkündbaren Verbindlichkeitscharakter, der selbst in Friedrichs des Großen Diktum, Seit ich die Menschen kenne , liebe ich die Tiere!' nicht annuliert wird." (Link)
1996
  • "An den Wänden hingen abgesägte Baumscheiben (vorwiegend Birke ?), in die Sprüche eingebrannt waren: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.'"  (Link)
 1998
  •  "Friedrich der Große hatte es in seinem gelegentlich zitierten Wort in Umlauf gesetzt: Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde; und neben seinen Lieblingshunden wurde er bekanntlich auf der Terrasse von Sanssouci beigesetzt." (Link)
2000
  •  "in seinem Zimmer hingen nicht weniger als sechzehn Kupferstiche von Hunden. 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich meine Hunde', bekannte Friedrich II." (Link)
 2019
  • "Ich zitiere Mark Twains Ausspruch 'Seitdem ich Menschen kenne, liebe ich Hunde' gerne und wiederholt in der Variation 'Seitdem ich Menschen kenne, liebe ich Pferde'".  (Link)
 
Erstaunlich ist, wie seit dem Ersten Weltkrieg bis heute der eindeutig französische Ursprung des Zitats im deutschen Sprachraum fast völlig verdrängt wurde.
 
 


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Quellen: 
Google  Zitat plus 'Schopenhauer': "Ungefähr 5 980 Ergebnisse"
Ralph Keyes: "The Quote Verifier: Who Said What, Where, and When." St. Martin's Griffin, New York: 2006, S. 47f. (Link)
Garson O'Toole: "The More I Know About People, the Better I Like Dogs: Mark Twain? Madame de Sévigné? Madame Roland? Alphonse de Lamartine? Alphonse Toussenel? Louise de la Rameé? Alfred D’Orsay? Thomas Carlyle? Anonymous?" 2018 (quoteinvestigator)
Wolfgang Grittner: "Der Preußenkönig Friedrich II. und die Tiere. Eine historische Betrachtung."  Deutsches Ärzteblatt 3/2013, S. 316f.  (Link) [Keine Erwähnung des Zitats.] 
Albert Zoller: "Hitler privat: Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin", Droste Verlag 1949, S. 230  (Link)
Honoré-Gabriel Riqueti Mirabeau: Lettres originales de Mirabeau, écrites du donjon de Vincennes,1777-1780, Chez Rarnery, Paris: 1792, S. 256 (Link) 
Friedrich Lewitz: "Mirabeau: Ein Bild seines Lebens, seines Wirkens, seiner Zeit." In zwei Bänden. Ferdinand Hirt's Verlag, Breslau: 1852, S. 447 (Link)
Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 5. August 1995, S. 2, Übersetzung: G. Engelsmann (Link) 
Leo Slezak: "Meine sämtlichen Werke." Ernst Rowohlt Verlag, Berlin: 1922, S. 186 (Link); 1926: (Link) 
Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse, 1963, S. 344 (archive.org) 
Forum, 1964, S. 155 (Link)
 
Früheste falsche Zuschreibung an Mark Twain:
1918: The National Drug Clerk, Vol. 6, Nr. 4, "Some Everyday Incidents in the Life of a Pharmacist" by Zeb W. Rike, Ph. G., S. 286
(Link) (zitiert nach 
quoteinvestigator)
 
Früheste falsche Zuschreibung an Friedrich II.:
1927: Adolf Stein: "Berliner Funken", Brunnen Verlag / Karl Winckler, Berlin: 1927, S. 183 (Link)
 
Früheste falsche Zuschreibung an Arthur Schopenhauer:
1932: Reichspost, 3. Juli 1932, S. 16  (Link) 
 
 
Artikel in Arbeit. Weitere Funde zum Ursprung des Zitats und der Kuckuckszitate sind nicht ausgeschlossen. 
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Dank:
Ich danke Moritz Jacob für den Hinweis auf dieses Zitat, Ralf Bülow für seine Mirabeau-Recherche und natürlich muss man auch den amerikanischen Zitatforschern Ralf Keyes und Garson O'Toole für ihre gründliche Arbeit dankbar sein. 
 
 
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ANHANG

Screenshot 16/2 2021; Pseudo-Arthur-Schopenhauer-Zitat.


 

Samstag, 10. Februar 2018

"Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren." Bertolt Brecht (angeblich)

Wandtattoo; Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat.
Dieses heutzutage bei Sportlern und Aktivisten beliebte Sprichwort stammt nicht von Bertolt Brecht, sondern entstand anscheinend in den 1970er Jahren als Sponti-Spruch. (Link) 
Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat.
Das Zitat wird seit etwa 1993  Bertolt Brecht und später auch anderen Autorinnen und Autoren irrtümlich zugeschrieben; es wurde von einer unbekannten Person in den 1970er Jahren geprägt.

Von Bertolt Brecht stammt der Satz: "Wer den Kampf nicht geteilt hat/ Der wird teilen die Niederlage."

"WER ZU HAUSE BLEIBT, WENN DER KAMPF BEGINNT
Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und läßt andere kämpfen für seine Sache
Der muß sich vorsehen: denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal den Kampf vermeidet
Wer den Kampf vermeiden will: denn
Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat."
Bertolt Brecht, Kolomann Wallisch Kantate (Link) (Link)

 

Entwicklung des Zitats


1706
  • "denn wer nicht kämpft, trägt auch die Cron des ew'gen Lebens nicht davon."  (Link)
1970er Jahre, Sponti-Spruch

  • "Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren. "
  • "Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, kann nicht gewinnen." (Link) 

1984, Buchtitel
  • "Hans Ziegenfuß ua.: »Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren« VSA Verlag, Hamburg: 1984 (Link)

1985, Filmtitel
  • "Wie leicht das schief gehen kann, weiß Kluge: Es gibt einen Filmtitel von Günther Hörmann: 'Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren'. Wenn wir 's probieren, kann es sein, daß wir scheitern, und zwar aufgrund der Widersprüche unserer Produktionsstruktur." (Link)

1986, Buchtitel
  • "Anke Martiny: Wer nicht kämpft, hat schon verloren: Frauen und der Mut zur Macht Cover  Rowohlt, 1986" - (Link) 

1986, Kluge (angeblich)
  • "Wie sagt Alexander Kluge? Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Die SPD wird kämpfen. Die werden sich noch wundern." (Link)

1993, Bertolt Brecht (angeblich)
  • "Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren", hat Bertolt Brecht gesagt." (Link) 

2004
  • "Auf seinem hellblauen T-Shirt steht: 'Wer kämpft, kann verlieren! Wer nicht kämpft, hat schon verloren!'" 

2004
  • "Bestätigt hat sich die alte Weisheit: Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren. Ich möchte hinzufügen: Wer kämpft, kann auch gewinnen!" (Link)  

2009
  • "Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Zitat wird mehreren erfolgreichen Menschen zugeschrieben". (Link)
2011 Bertolt Brecht, englisch


 2012 Brecht (angeblich)
  • "Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. - Berthold Brecht" 

2017, Rosa Luxemburg (angeblich)
  • "Doch bei der Verhandlung hatte er gesagt, dass ihm die offizielle Feststellung, dass man ihm Unrecht getan habe, genüge, und dass er damit seinem Wahlspruch: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, tatsächlich gefolgt sei. Der Wahlspruch wird oft Bertolt Brecht zugewiesen, stammt jedoch von Rosa Luxemburg." (Link) 
2018, Brecht (angeblich)




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Quellen:
Das Zitat wird in vielen Online-Zitatsammlungen fälschlich und immer ohne Quellengabe Bertolt Brecht zugeschrieben: Google 
Wikipedia 
Hans Ziegenfuß ua.: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. VSA Verlag, Hamburg: 1984 (Link)
Anke Martiny: Wer nicht kämpft, hat schon verloren: Frauen und der Mut zur Macht Cover.  Rowohlt, Reinbek: 1986 (Link)

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Artikel in Arbeit. 

Samstag, 3. Februar 2018

"Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott ..." Theodor Körner (angeblich)

Deutsche Neonazis haben dieses Drohgedicht vor kaum 20 Jahren dem deutschen Dichter Theodor Körner unterschoben, der im Sommer 1813 im Kampf gegen napoleonische Truppen im 21. Lebensjahr gefallen ist.


Theodor Körner

  • Aufruf / 1813

    F
    risch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
    Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
    Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen,
    Frisch auf, mein Volk! — Die Flammenzeichen rauchen,
    Die Saat ist reif, ihr Schnitter, zaudert nicht!
    Das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerdte!
    ...

    Theodor Körner: "Leyer und Schwerdt." Berlin, 1814, S. 37 (Link)
     
Kriegsverherrlichende Verse ("das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerte!")  machten den Dichter Teodor Körner bei deutschen Miltitaristen und Nationalsozialisten beliebt. Allerdings enthält das Werk Theodor Körners keine Verse gegen die eigene Regierung, gegen die eigenen Fürsten.

Das Falschzitat "Noch sitzt ihr da oben ..." wurde laut Recherchen des Literaturwissenschaftlers  Erhard Jöst am 21. (!) April 1990 bei einer Neonazi-Großveranstaltung im Münchner Löwenbräukeller erstmals vorgetragen:

  • "Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
    vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
    Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
    dann richtet das Volk und es gnade euch Gott."

    Unbekannte Autorin, um 1990, später fälschlich Theodor Körner zugeschrieben.

Diese Verse sind ein in Reimen versteckter Mordwunsch voller Anspielungen auf nationalsozialistisches Vokabular.

Die Wendung, "vom Feinde bezahlt", gehört zur typischen Verschwörerweltsicht von Rechtsextremen, wobei als Feind entweder "die Amerikaner", "die Linken", "die Juden" oder heutzutage George Soros imaginiert wird, der in der Phantasie dieser Leute die CDU/SPD-Regierungen durch Bestechung gefügig macht.

Bei der Floskel, einst werde "wieder Gerechtigkeit walten", kann sich das Wort "wieder" in diesem Zusammenhang nur auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Hitler-Deutschland beziehen.

Und wenn "das Volk" richten soll, träumt man wohl von einem Volksgerichtshof, wahrscheinlich wie einst mit "volkshygienischen Aufgaben", in dem "das Volk" die Bundesregierung Angela Merkels (offenbar zum Tod) verurteilen wird.

Das Gedicht endet mit der Redensart, dann "gnade Euch Gott". Mit eben diesen Worten hat Adolf Hitler 1922 in München der damaligen Regierung und den Juden, wenn er einmal an der Macht sei, gedroht; und für die sozialdemokratische Führung gäbe es dann nur noch eine Strafe: "den Strick".

In den Schriften Theodor Körners ist keine einzige Zeile dieses Neonazi-Drohgedichts, das eine strafrechtliche Verurteilung der deutschen Bundesregierung durch einen Volksgerichtshof herbeiwünscht, enthalten.

 
Pseudo-Theodor-Körner-Zitat.


Verbreitet wird dieses auf  Facebook und Twitter im rechtsextrem Milieu beliebte Neonazi-Zitat unter dem Namen Theodor Körners seit etwa 2008 zum Beispiel von H. C. Strache, FPÖ (Link), Jürgen Pohl, AfD (Link), von rechten Webseiten wie unzensuriert.at (Link), sowie auf PEGIDA-Demonstrationen.

-
Facebook, 18. Januar 2012:



-

Twitter, 21. Januar 2018:
-
Pseudo-Theodor-Körner-Zitat.
Neonazi-Zitat. Theodor Körner unterschoben.

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Quellen:
Google:  "Ungefähr 4 850 Ergebnisse"
Theodor Körner: "Leyer und Schwerdt." Berlin: 1814, S. 37. In: Deutsches Textarchiv , abgerufen am 26. September 2018 (Link)
Erhard Jöst: "Opfertod fürs Vaterland. Der literarische Agitator Theodor Körner", in: Clauda Glunz, Thomas F. Schneider (Hrsg.): "Dichtung und Wahrheit: Literarische Kriegsverarbeitung vom 17. bis zum 20. Jahrhundert", Erich Maria Remarque-Friedenszentrum, Osnabrück: 2015, S. 29f. (Link) (via Wikipedia)
Wikipedia:  "Am 23. September 2016 publizierte die AfD-nahe Gruppierung Björn HöckesDer Flügel“ Körners Satz „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ mit dem obigen Spruch."
Andreas Kemper: "Wieder reinste Nazi-Propaganda vom 'Flügel'", Facebook, 26. September 2016 (Link)
Einige von Körners Versen wurden auch von Nazigegnerinnen wie Marlene Dietrich und Widerstandskämpfern der "Weißen Rose" gerne zitiert.
pronoever.com/fpoe-unzensuriert-wirbt-fuer-bewegung-theodor-koerner-1813-mitglieder-an
Theodor Körner: "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los –", Zeno.org   (Link)
stopptdierechten.at/2018/09/13/die-feigen-gestalten-da-oben/ 
 
Beispiele für falsche Zuschreibungen:
Twitter
Usenet (seit 2008)
Rainer Kahni (Monsieur Rainer): "Die Totengräber der Demokratie: Ein Wut-Buch",  Books on Demand, Norderstedt: 2011, S. 476 (Link)
Rainer Kahni (Monsieur Rainer): "Wehrt Euch! Eine Streitschrift gegen Willkür und Unrecht ..." Edition BOD, herausgegeben von Vito von Eichborn, Books on Demand, Norderstedt: 2013, S. 43 (Link)
Jürgen Pohl, AfD, 20. September 2017, Spiegel Online Fotostrecke (Link)
H. C. Strache,  Facebook, 18. Januar 2012
Anonym: "Der Widerstand formiert sich: 'Bewegung Theodor Körner, 1813'", unzensuriert.at, 12. September 2015, (Link) Nachtrag August 2018: Diese Seite ist inzwischen gelöscht.
2005:  viermalvier.de (inzwischen gelöscht) 
2007:  forum.wildundhund.de (inzwischen gelöscht)
2010:  querdenkerforum.de
2012:  thule-gesellschaft.org  
2015:  hart-brasilientexte.de
2016:  lupocattivoblog.com
2017:  sezession.de

Eine Fassung von Theodor Körners verändertem Gedicht "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los": Youtube, 13. Dezember 2015  (Link);  das Original-Gedicht Theodor Körners: (Link)
"Wahrheit macht frei - Dokumentation 1991", (Neonazi-Löwenbräukeller-Veranstaltung: 24:10) Youtube (Link)
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Ich danke Erhard Jöst und den MitarbeiterInnen von Wikipedia sehr für ihre Recherchen, sowie Letnapark für seinen Hinweis.

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Artikel in Arbeit.
Letzte Änderung: 26/9 2018 


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Ursprünglich enthielt der Artikel noch folgende Zeilen, die inzwischen obsolet sind, da sich die  "Bewegung Theodor Körner, 1813" - wohl weil sie keine Mitglieder fand - weitgehend selbst gelöscht hat:

Die "Bewegung Theodor Körner, 1813" zum Beispiel sagt "den linken Volksverhetzern den Kampf an",  liest man auf unzensuriert.at, einer FPÖ-nahen Seite, und diese Körner-Bewegung mit der Devise, "Sachlichkeit hat bei uns oberste Priorität", zitiert in ihrem Werbetext  dieses um 1990 erfundene Theodor-Körner-Gedicht.
Unzensuriert.at, 2015; inzwischen gelöschte Seite.

Samstag, 2. Dezember 2017

"Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls." August Bebel (angeblich)

Pseudo-August-Bebel-Zitat.
Dieses Zitat wird seit etwa siebzig Jahren irrtümlich dem deutschen Sozialdemokraten August Bebel zugeschrieben. 

Als August Bebel 1894 in einem Gespräch mit Hermann Bahr den Spruch Ferdinand Kronawetters zitiert, distanziert er sich gleichzeitig davon.


August Bebel, 1894:

  • "Bei Ihnen hat man einmal gesagt — ich glaube, es war Kronawetter —: 'Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls.'  

    Das ist ein hübscher Einfall, aber er trifft doch die Sache nicht. Die eigentlichen Träger des Antisemitismus, das kleine Gewerbe und der kleine Grundbesitz, haben von ihrem Standpunkte aus nicht so Unrecht. ..."
  • In: Hermann Bahr: "Der Antisemitismus. Ein internationales Interview", 1894  (Archive.org)

Ferdinand Kronawetter, 1889: 

  • "Als Verräther, als Juden und Judenknecht werden wir Demokraten bezeichnet. Das sind wir nicht, aber wir sind auch keine Stiefelputzer der Liechtenstein, wir sind keine Pfaffenknechte, keine Heuchler, welche als Demokraten den telegraphischen Segen des Papstes kniend und augendrehend in Empfang nehmen. (Stürmischer Beifall) Der Antisemitismus ist nichts als der Socialismus des dummen Kerls von Wien (schallende Heiterkeit), denn welcher vernünftige Mensch kann glauben, daß die Zukunft besser wird, wenn man das Volk in das finstere Mittelalter zurückführt?"
  • Ferdinand Kronawetter, bei der Generalversammlung des Margaretner Wählervereins, in den "Drei Engel"-Sälen, am 23. April 1889, Neue Freie Presse (Link)
 Der Wiener Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter, der sich von Karl Lueger trennte, als der sich antisemitischen Strömungen anbiederte, hat am 23. April 1889 dieses Zitat geprägt. 

Kronawetter  war eine Hassfigur der Wiener Antisemiten, aber ein hochgeschätzter politischer Partner der Sozialdemokraten. Die Stadt Wien verdankt ihm gute Initiativen; er stritt mit liberalen Grundsätzen gegen die Liberalen und gegen die Christlich-Sozialen.

Ferdinand Kronawetter ist heute vergessen, aber sein Aphorismus lebt auf der ganzen Welt weiter, allerdings wird er oft August Bebel, in Italien Lenin, in Spanien Karl Marx und hie und da auch den österreichischen Sozialdemokraten Victor Adler oder Engelbert Pernerstorfer unterschoben.

Varianten:


1890:  "wie Abgeordneter Kronawetter einst richtig bemerkte: der Antisemitismus ist
            der Socialismus des 'dummen Kerls von Wien'."
1893:   "'Der Antisemitismus', sagte Dr. Kronawetter in Bezug auf die Wiener Bewegung
             derb, 'ist der Socialismus der dummen Kerls.'" 
1893:   "Ausspruch Kronawetter's, daß der Antisemitsmus der Socialismus der dummen Kerle ist".    
1894:   "Wobei das bekannte Wort des österreichschen Reichsrathsabgeordneten Dr. Kronawetter
             citiert wurde: Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls.'"

             citiert wurde: Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls.'"
1895:   Als die antisemitische Partei in Wien auftauchte, das sagte Kronawetter in seiner
            drastischen Weise: 'Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls von Wien.'"

            drastischen Weise: 'Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls von Wien.'"
1897:  "Der Antisemitismus ist die Politik des dummen Kerls von Wien!" 
1919: "Viktor Adler war es wohl, der einmal sagte, daß der Wiener Antisemitismus der
            Sozialismus der dummen Wiener Jugend ist."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls von Wien."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen Kerle."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen  Mannes."
  • "Der Antisemitismus ist der  Sozialismus der Dummen." 
  • "Anti-Semitism is the socialism of fools."
  • "Anti-Semitism is the socialism of imbeciles."
  • "L'antisémitisme est le socialisme des imbéciles."
  • "L’antisemitismo è il socialismo degli imbecilli." 
  • "El antisemitismo es el socialismo de los tontos." 
 
Pseudo-Pernerstorfer-Zitat.
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Anmerkung:
 "Der dumme Kerl von Wien" war seit den 1860er Jahren ein Typus und eine satirische Figur in humoristischen Zeitschriften (Google Books); auch in der antisemitischen Satire-Zeitschrift "Kikeriki", die die schweinische Ironie des "Stürmers" vorwegnahm.
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— Leigh Hunt (@jhleighhunt) 1. Mai 2017

 


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Quellen:
Hermann Bahr: Der Antisemitismus. Ein internationales Interview. S. Fischer Verlag, Berlin: 1894, S. 21 (Link) 
1889: Neue Freie Presse, 24. April 1889, Abendblatt, S. 2
1890: Bukowiner Rundschau, 16. Januar 1890, S. 3
1893: Tages-Post, 26. Oktober 1893, S. 2
1893: Neue Freie Presse, 26. Juni 1893, S. 5
1894: Freies Blatt, 10. Juni 1894, S. 6
1895: Tages-Post, 5. Februar 1895, S. 1
1897: Badener Zeitung, 27. Oktober 1897, S. 3
1919: Jüdische Korrespondenz, 21. November 1919, S. 3
Wikiquote 
Google Books 
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Dank:
Ich danke Justus Radmacher für seine Recherchen.