Dieses ursprünglich französische Aperçu ist seit dem 19. Jahrhundert in vielen Sprachen und mehreren Varianten als Grabsteinspruch für Hunde, als Kalenderspruch in Amtszimmern, als Meme oder als Lebensmotto weit verbreitet und wird oft berühmten Personen untergeschoben, die für ihre Liebe zu Hunden bekannt sind.
Die beliebtesten Zuschreibungen (Schopenhauer, Friedrich d. Gr., Mark Twain) sind Erfindungen des 20. Jahrhunderts und konnten von der Zitatforschung in zeitgenössischen Quellen nicht nachgewiesen werden.
1) Von dem preußischen König Friedrich II. weiss man, dass er seine Hunde mehr als die Menschen mochte und dass er sein Grabmal auf der Terasse des Schlosses Sanssouci neben den Gräbern seiner Lieblingshunde anlegen ließ (Link).
Pseudo-Friedrich-II.-Zitat. |
Begonnen hat die falsche Zuschreibung an Friedrich II. um 1927 (Link), also ungefähr 140 Jahre nach seinem Tod, und auch der Anführer der Nationalsozialisten war der festen Überzeugung, das Zitat stamme von dem verehrten preußischen König:
- "Von Zeit zu Zeit hob er [Hitler] seinen Blick zu dem Bildnis
Friedrichs des Großen auf, das über seinem Schreibtisch hing, und
wiederholte dessen Ausspruch: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde .'"
Albert Zoller: "Hitler privat: Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin", Droste Verlag 1949, S. 230 (Link)
2) Ebenso bekannt ist die Zuneigung des Philosophen Arthur Schopenhauer zu seinen Pudeln, die er seit seiner Studienzeit bei sich hatte, und die er dem Umgang mit Menschen vorzog, doch er hat nie geschrieben, seit er die Menschen kenne, liebe er seine Hunde oder etwas Ähnliches.
Wilhelm Busch: "Schopenhauer" (Wikimedia). |
Der Aphorismus wird ihm seit den 1930er Jahren in verschiedenen Varianten unterschoben und ist weder in seinen Texten noch in zeitgenössischen Quellen zu finden.
Pseudo-Arthur-Schopenhauer-Zitat. |
Pseudo-Mark-Twain-Zitat. |
Pseudo-Vladimir-Putin-Zitat. |
4) Entstanden ist der Aphorismus vor dem 19. Jahrhundert in Frankreich und bis zum Ersten Weltkrieg wurde er auch im deutschen Sprachraum durchwegs französischen Autorinnen und Autoren zugeschrieben.
Laut Recherchen des Technikhistorikers Ralf Bülow könnte der im Jahr 1762 verstorbene Dramatiker Crébillon einer der Ersten gewesen sein, der eine Variante dieses misanthropischen Aphorismus geprägt hat.
Im April 1780 erinnert sich der umgängliche französiche Revolutionär Mirabeau in einem Brief an seine Freundin Sophie an diesen Ausspruch Crébillons mit folgenden Worten:
- "Ach.
Dein Landsmann Crébillon hatte nicht so Unrecht. Als man ihn fragte,
warum er beständig von Hunden umgeben sei, antwortete er: 'ich thue das,
seit ich die Menschen kenne.'"
Mirabeau, April 1780, S. 447 (books.google)
"Hélas! ton compatriote Crébillon n'avait pas tort de répondre à ceux qui lui demandaient pourquoi il était toujours entouré de chiens: c'est depuis que je connais les hommes."
Honoré-Gabriel Riqueti Mirabeau: Lettres originales de Mirabeau, écrites du donjon de Vincennes,1777-1780, Chez Rarnery, Paris: 1792, S. 256 (Link)
Eine frühe Variante des Zitats taucht im Jahr 1822 in den digitalisierten Texten auf, wie Garson O'Toole herausgefunden hat. Eine Frau habe kürzlich - zum Mißvergnügen des Redakteurs - gesagt:
1822
- "Je mehr ich die Männer kenne, desto mehr mag ich die Hunde."
- "Nous venons de recevoir le Miroir de la Somme, il contient les niaiseries suivantes: Une dame disait l’autre jour: plus je connais les hommes, mieux j’aime les chiens." (zitiert nach quoteinvestigator).
Jahrzehnte später wird dieser Ausspruch Madame de Madame de Staël, die im Jahr 1817 gestorben ist, zugeschrieben.
1878
- "Plus je connais les hommes, plus j'admire les chiens. MADAME DE STAEL." (Link)
Ob Madame de Staël wirklich die unbekannte Dame war, von der in dem Artikel 1822 die Rede ist, ist ungewiss.
1848 wird der Aphorismus einem "modernen Philosophen" zugeschrieben:
- "Je m'éloignai, triste, et en murmurant cette pensée d'un philosophe moderne: Plus je connais les hommes , plus j'estime les chiens." (Link) (archive.org)
In der Mitte des 19. Jahrhunderts haben die französischen Autoren Alphonse Toussenel und Alphonse de Lamartine unabhängig von einander den Aphorismus verwendet und dadurch zu dessen weiterer Verbreitung beigetragen, aber sie haben ihn so wenig geprägt wie Charles de Gaulle, der ihn 100 Jahre später zitiert hat.
Ich folge hier der Einschätzung von Garson O'Toole, dessen 2018 publizierten Artikel mit den sorgfältigen Quellenangaben zu diesem Zitat ich nur empfehlen kann (quoteinvestigator).
Die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt schreibt das Zitat in ihren Erinnerungen einer "berühmten Landsmännin", vielleicht also Madame de Staël oder Madame de Sévigné zu, und nicht Friedrich II., Schopenhauer oder Mark Twain.
1895
- Sarah Bernhardt:
"Was habe ich Menschen kennen gelernt in diesem alternden Jahrhundert! Aber, weiß Gott, ich kann nur mit meiner berühmten Landsmännin sagen: 'Je mehr ich die Menschen kennen lerne, umsomehr liebe ich die Hunde.'"
Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 5. August 1895, S. 2, Übersetzung: G. Engelsmann (Link)
Ein Zoologe hält George Sand für die Urheberin des Zitats:
1898
- "Seit ich die Menschen kenne , liebe ich die Hunde , war ein geflügeltes Wort von George Sand." (Link)
Um 1900 wurde der Aphorismus schon als Grabsteinspruch auf dem neuen Pariser Hundefriedhof gesehen:
1903
- [Grabsteinspruch :] "Je mehr ich die Menschen sehe, je mehr liebe ich meinen Hund." (anno)
1922
- Leo Slezak: "Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere."
Leo Slezak: "Meine sämtlichen Werke." Ernst Rowohlt Verlag, Berlin: 1922, S. 186 (Link); 1926: (Link)
Erst nachdem der österreichische Tenor Leo Slezak das französische Bonmot in seinen Memoiren und in einigen Zeitungsartikeln als sein Motto verkündet hat, wurde es erstmals Friedrich II. zugeschrieben:
1927
- "Friedrich der Große hat einmal gesagt, seit er die Menschen kenne, liebe er die Hunde."
Adolf Stein: "Berliner Funken", Brunnen Verlag / Karl Winckler, Berlin: 1927, S. 183 (Link)
1928
- "Friedrich II. [...] seinem Ausspruch: 'Je näher ich die Menschen kennenlerne, desto mehr liebe ich die — Hunde!'" (Link)
1930
- "Ein altes Wahrwort sagt: 'Seitdem ich die Menschen kenne, habe ich die Hunde lieben gelernt.'" (Link)
1931 wird ein alter arabischer Philosoph als Urheber des Zitats vermutet (Link).
Die meines Wissens erste irrtümliche Zuschreibung an Arthur Schopenhauer stammt vom damaligen Vizepräsidenten des Wiener Patentamts und stand in der katholischen Wiener Tageszeitung "Reichspost":
1932
- "Von Schopenhauer soll der Ausspruch stammen: 'Ich kenne die Menschen, drum liebe ich die Hunde'".
Reichspost, 3. Juli 1932, S. 16 (Link)
1949
- "Diese Geraunze und Geraune erinnert an die alten Dichterworte: 'Je mehr ich die Menschen kennenlerne, desto mehr liebe ich die Tiere.'" (Link)
1949
- "Von Zeit zu Zeit hob er [Hitler] seinen Blick zu dem Bildnis
Friedrichs des Großen auf, das über seinem Schreibtisch hing, und
wiederholte dessen Ausspruch : 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde .'"
Albert Zoller: "Hitler privat: Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin", Droste Verlag 1949, S. 230 (Link)
1951
- "Der alte Fritz hat einmal gesagt: 'Seitdem ich den Menschen kenne, liebe ich die Hunde'." (Link)
1954
- "Das vielzitierte, Friedrich dem Großen in den Mund gelegte Wort: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde,' stellt einen Gegensatz auf, der gar nicht besteht." (Link)
1957
- "Ein großer Tierfreund sagte einmal: 'Seitdem ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.'" (Link)
1963
- Konrad Lorenz: "Ein sentimentaler Menschenhasser hat den oft nachgeplapperten Aphorismus geprägt: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere '. Ich behaupte umgekehrt ..."
Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse, 1963, S. 344 (archive.org)
1964
- "Damit deckt er Pseudowahrheiten sentimentaler Nörgler auf, die es sich mit Schopenhauers Wort 'Seitdem ich die Menschen kenne , liebe ich die Tiere' sehr leicht machen."
Forum, 1964, S. 155 (Link)
1965
- So daherreden heißt den Standpunkt des Spießers einnehmen, der da der Meinung ist: Seit ich die Menschen kenne , liebe ich die Tiere . (Link)
1967
- "Ich darf in diesem Zusammenhang an einen Ausspruch Friedrich d. Gr. erinnern, der einmal gesagt hat: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere!'"
1969
- "Einen Ausspruch Friedrichs des Großen mißbrauchend, zu
dessen Bild er bis zuletzt aufschaute, resignierte er völlig : 'Seit
ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde.'" (Link)
1971
- "Jetzt brauchte ich nur mit dem albernen pseudophilosophischen Satz zu schließen: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.' Mein Ansehen bei allen Tierfreunden wäre gerettet." (Link)
1975
- "Tiere körnen aber auch als Ersatz für gestörte
zwischenmenschliche Beziehungen gesucht werden, etwa nach der Devise 'Weil ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere ', die übrigens von Friedrich II. stammen soll." (Link)
1974
- "Dolittle hat sich von den undankbaren Menschen ab und den dankbaren Tieren zugewandt, nach dem schönen Motto: seit ich die Menschen kenn, liebe ich die Tiere, das in vielen Amtsstuben neben dem Schäferhundsporträt hängt. (Link)
1978
- "Oder von welch geheimnisvoller Häuslichkeit plaudert doch das Sprichwort: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Türe!' " (google.books)
1978
- "'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde' Stammt das von Schopenhauer? Oder war es Friedrich der Große? 'Keine Ahnung ...'" (Link)
1981
- "Die in ihrer Verabsolutierung zweifelhafte These Nitzsches [!]: ' Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere !', wird hier – auf den Faschismus bezogen – zur überzeugenden Bildformulierung gehöht . " (Link)
- "'Seit ich die Menschen kenne , liebe ich die Tiere', sagte Friedrich der Große, und es ist der innigste Wunsch der Deutschen, nicht mehr ohne die Gesellschaft von Schildkröten und Papageien, von Wildkatzen und Pavianen leben ..." (Link)
- "Was hat schon Schopenhauer gesagt: 'Seit ich Menschen kenne, liebe ich Tiere .'" (Link)
- "Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere “ ist ja der berühmte Plüschsofa-Spruch der Unpolitischen ." (Link)
- "unterscheidet sie sich nicht prinzipiell von dem alten Spruch: Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere." (Link)
- "Das offenkundige Ranggefälle zwischen Mensch und Tier erhielt einen neuen unaufkündbaren Verbindlichkeitscharakter, der selbst in Friedrichs des Großen Diktum, Seit ich die Menschen kenne , liebe ich die Tiere!' nicht annuliert wird." (Link)
- "An den Wänden hingen abgesägte Baumscheiben (vorwiegend Birke ?), in die Sprüche eingebrannt waren: 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.'" (Link)
- "Friedrich der Große hatte es in seinem gelegentlich zitierten Wort in Umlauf gesetzt: Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Hunde; und neben seinen Lieblingshunden wurde er bekanntlich auf der Terrasse von Sanssouci beigesetzt." (Link)
- "in seinem Zimmer hingen nicht weniger als sechzehn Kupferstiche von Hunden. 'Seit ich die Menschen kenne, liebe ich meine Hunde', bekannte Friedrich II." (Link)
- "Ich zitiere Mark Twains Ausspruch 'Seitdem ich Menschen kenne, liebe ich Hunde' gerne und wiederholt in der Variation 'Seitdem ich Menschen kenne, liebe ich Pferde'". (Link)
1918: The National Drug Clerk, Vol. 6, Nr. 4, "Some Everyday Incidents in the Life of a Pharmacist" by Zeb W. Rike, Ph. G., S. 286 (Link) (zitiert nach quoteinvestigator)