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Dienstag, 2. Mai 2017

"Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht." Bertolt Brecht (angeblich)


Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat.
Dieser Slogan ist um 1974 von Atomkraftgegnern geprägt worden. Er fand in den Versionen: "Wo RECHT zu Unrecht, wird Widerstand zur Pflicht" sowie: "Wo UNRECHT zu Recht, wird Widerstand zur Pflicht", bald große Verbreitung.

Erst im 21. Jahrhundert wird der Slogan diversen berühmten Autoren, die alle mit diesem Zitat nichts zu tun hatten, unterschoben.

Varianten des Kuckuckszitats:

  • "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht."  Bertolt Brecht 
  • "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht."  Bertolt Brecht
  • "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht." Johann Wolfgang von Goethe
  • "Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht."  Wladimir Iljitsch Lenin
  • "Wenn Recht Unrecht wird, wird Widerstand Pflicht."  Günther Nenning
  • "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam aber Verbrechen!"  Papst Leo XIII., 1891

Pseudo-Goethe-Zitat
Die ursprüngliche Autorin des Spruchs ist noch unbekannt; es könnte die damalige Führungsfigur der Grünen, Petra Kelly, gewesen sein.

Sie bezieht sich in einer Bundestagssrede einmal auf ein katholische  Widerstandspflicht, die Papst Leo XIII. in der Enzyklika "Sapientiae christianae", gefordert hat.


Petra Kelly (GRÜNE), 1983

  • "Wir berufen uns auch auf die Worte Papst Leo XIII. - ich zitiere -: 'Wenn aber die Staatsgesetze sich offen gegen das göttliche Recht auflehnen ... dann ist Widerstand Pflicht, Gehorsam aber Verbrechen.' ...."

    Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht,10. Wahlperiode, 13. Sitzung, 15. Juni 1983, S. 768 (archive.org)


Deutscher Bundestag, 15. Juni 1983, S.768 (archive.org)

Papst Leo XIII.: "Enzyklika Sapientiae christianae", 10. Januar 1890:


  • "10 Wenn aber die Gesetze des Staates mit dem göttlichen Recht in offenbarem Widerspruch stehen, wenn sie der Kirche Unrecht zufügen oder den religiösen Verpflichtungen widerstreiten oder die Autorität Jesu Christi in seinem Hohenpriester verletzen, dann ist Widerstand Pflicht und Gehorsam Frevel, und das selbst im Interesse des Staates, zu dessen Nachteil alles ausschlägt, was der Religion Abbruch tut. -

    Hieraus ergibt sich aber auch, mit welchem Unrecht diese Anschauung der Auflehnung beschuldigt wird, da man doch keiner staatlichen Obrigkeit und keinem Gesetzgeber den schuldigen Gehorsam verweigert, sondern nur jene Vorschriften unbeachtet lässt, zu deren Erlass es keine Gewalt gibt; denn da sie unter Verletzung des göttlichen Rechts erteilt wurden, sind sie ungerecht und eher alles andere als Gesetze."

    Papst Leo XIII.: "Enzyklika Sapientiae christianae", 10. Januar 1890 (Link)

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Schmariator
: Richtig heißt es "Wo Unbrecht zu Brecht wird, wird Zitatforschung zur Pflicht" (
) (Twitter)

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(Dieser Artikel ist noch in Bearbeitung.)
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Quellen:
Papst Leo XIII.: "Enzyklika Sapientiae christianae", 10. Januar 1890 (Link); bibliographische Angaben dazu: kathpedia.com
Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht,10. Wahlperiode, 13. Sitzung, 15. Juni 1983, S. 768 (archive.org) 
Worte gegen den Wind ... "Die Seite mit kritischer Lyrik und Satire"
Petra Kelly
Constantin von Dietze: "Volkswirtschaftspolitik", 1936 
Franz Klüber: "Katholische Gesellschaftslehre", 1968 
Der Sprachdienst, 1985: Vermutung, der Slogan sei 1974 bei Demonstrationen Gegen das AKW Whyl entstanden 
Wikiquote: "Dieser Satz wird seit Jahrzehnten Bertolt Brecht zugeschrieben - ist vielleicht sogar sein bekanntestes "Zitat"" - (Seit Jahrzehnten? Wirklich?)


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Ich danke Markus Pirchner für den Hinweis auf diese Pseudo-Brecht-Zitate und Ralf Bülow für seine Recherchen.

Letzte Änderung: 22/6 2020 

Donnerstag, 16. November 2023

"Manchmal muss man töten, um das Morden zu verhindern." Pseudo-Albert-Camus-Zitat

Der Historiker Michael Wolffsohn sagte am 31. Oktober 2023 bei Markus Lanz im ZDF: 

  • "Manchmal muss man töten, um das Morden zu verhindern. Das ist kein Satz, den ich erfunden habe, sondern der große Menschenfreund, wirklicher Dichter und Denker Albert Camus,  Literatur- und Nobelpreisträger, und der bezog das nicht zuletzt in Bezug auf den Kampf gegen Hitler-Deutschland."
Dieses angebliche Albert-Camus-Zitat wurde schon am nächsten Tag das erste Mal auf Twitter wiederholt:

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Das Zitat könnte aus einer Fehlerinnerung an einen Satz des Arztes Diego in Albert Camus' Theaterstück "L’état de siège" (Der Belagerungszustand) entstanden sein:

Der Arzt Diego, der sich nicht den Despoten in dem Stück "Der Belagerungszustand" unterwerfen will, sagt zu der allegorischen Figur "Die Pest":

  • "Man muss töten, um den Mord zu beseitigen, muss Gewalt üben, um das Unrecht abzuschaffen." (Link)
  • "Il faut tuer pour supprimer le meurtre, violenter pour guérir l’injustice." (Link)
Aber wie aus dem Kontext klar wird, identifiziert sich die Bühnenfigur Diego nicht mit der Aussage dieses Satzes. Im Gegenteil. 

Der Arzt Diego findet diese immer wieder vorgebrachte Rechtfertigung für Kriege lächerlich: "So geht es seit Jahrhunderten", sagt er im nächsten Satz.

Er spricht die alte Maxime "Man muss töten, um .." nur aus, um sich von ihr zu distanzieren.


Albert Camus: "Der Belagerungszustand" (Link)

Es wäre falsch, das Zitat "Manchmal muss man töten, um das Morden zu verhindern" der Bühnenfigur Diego zuzuschreiben, ohne daran zu erinnern, dass Diego dieser Aussage widerspricht.

Schon gar nicht kann man diesen verkürzten Text der Rollenprosa aus einem Theaterstück dem Autor Albert Camus unterjubeln.
 
Auch bei einem korrekten Wortlaut des Zitats müsste der Kontext erwähnt und nicht als Meinung des Autors verbreitet werden.



Artikel in Arbeit.
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Quellen:
ZDF, Markus Lanz vom 31. Oktober 2023: "Darf man töten um das Morden zu beenden?" 
Zu Gast: FDP-Vize Johannes Vogel, Publizist Michael Wolffsohn und Iran-Expertin Gilda Sahebi; 06:20
Ausschnitt der ZDF-Sendung vom 31. Oktober 2023
Albert Camus: L'état de siège - spectacle en trois parties, Gallimard, Paris: 1948, S. 212 (Link)
Albert Camus: Der Belagerungszustand. Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel, in: Alber Camus: Sämtliche Dramen, Rowohlt Verlag ebook (Link)
Michael Wolffsohn: Tacheles: Im Kampf um die Fakten in Geschichte und Politik. Verlag Herder, Feiburg im Breisgau: 2020 ebook (ohne Seitenzahlen) (Link)


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Dank:

Ich danke Arno Tator (@Arnotationen) für den Hinweis auf Albert Camus' Stück "L’état de siège" (Der Belagerungszustand).



Nachtrag 20/11 2023
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ANHANG

Schon in seinem 2020 erschienenen Buch "Tacheles: Im Kampf um die Fakten in Geschichte und Politik" zitierte Michael Wolffsohn drei Mal in unterschiedlichen Varianten den Satz aus "Der Belagerungszustand" und präsentierte ihn jedesmal ohne den notwendigen Kontext als Meinung des Autors Albert Camus:

  1. "'Man muss töten, um den Mord abzuschaffen. Gewalt tun, um das Unrecht zu beseitigen', lässt der große Schriftsteller und Menschenfreund Albert Camus einen der Akteure im 'Belagerungszustand' (Teil3 ) sagen."
  2. "oder, wie bei Camus: 'Manchmal muß man töten, um den Mord abzuschaffen.'"
  3. "Töten ist eben nicht Morden, oder, mit Albert Camus (in 'Der Belagerungszustand'): 'Man muss [manchmal; M.W.] töten, um den Mord abzuschaffen. Gewalt tun, um das Unrecht zu beseitigen.'"
Michael Wolffsohn: Tacheles: Im Kampf um die Fakten in Geschichte und Politik. Verlag Herder, Feiburg im Breisgau: 2020 ebook (ohne Seitenzahlen) (Link)













Samstag, 3. Februar 2018

"Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott ..." Theodor Körner (angeblich)

Deutsche Neonazis haben dieses Drohgedicht vor kaum 20 Jahren dem deutschen Dichter Theodor Körner unterschoben, der im Sommer 1813 im Kampf gegen napoleonische Truppen im 21. Lebensjahr gefallen ist.


Theodor Körner

  • Aufruf / 1813

    F
    risch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
    Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
    Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen,
    Frisch auf, mein Volk! — Die Flammenzeichen rauchen,
    Die Saat ist reif, ihr Schnitter, zaudert nicht!
    Das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerdte!
    ...

    Theodor Körner: "Leyer und Schwerdt." Berlin, 1814, S. 37 (Link)
     
Kriegsverherrlichende Verse ("das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerte!")  machten den Dichter Teodor Körner bei deutschen Miltitaristen und Nationalsozialisten beliebt. Allerdings enthält das Werk Theodor Körners keine Verse gegen die eigene Regierung, gegen die eigenen Fürsten.

Das Falschzitat "Noch sitzt ihr da oben ..." wurde laut Recherchen des Literaturwissenschaftlers  Erhard Jöst am 21. (!) April 1990 bei einer Neonazi-Großveranstaltung im Münchner Löwenbräukeller erstmals vorgetragen:

  • "Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
    vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
    Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
    dann richtet das Volk und es gnade euch Gott."

    Unbekannte Autorin, um 1990, später fälschlich Theodor Körner zugeschrieben.

Diese Verse sind ein in Reimen versteckter Mordwunsch voller Anspielungen auf nationalsozialistisches Vokabular.

Die Wendung, "vom Feinde bezahlt", gehört zur typischen Verschwörerweltsicht von Rechtsextremen, wobei als Feind entweder "die Amerikaner", "die Linken", "die Juden" oder heutzutage George Soros imaginiert wird, der in der Phantasie dieser Leute die CDU/SPD-Regierungen durch Bestechung gefügig macht.

Bei der Floskel, einst werde "wieder Gerechtigkeit walten", kann sich das Wort "wieder" in diesem Zusammenhang nur auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Hitler-Deutschland beziehen.

Und wenn "das Volk" richten soll, träumt man wohl von einem Volksgerichtshof, wahrscheinlich wie einst mit "volkshygienischen Aufgaben", in dem "das Volk" die Bundesregierung Angela Merkels (offenbar zum Tod) verurteilen wird.

Das Gedicht endet mit der Redensart, dann "gnade Euch Gott". Mit eben diesen Worten hat Adolf Hitler 1922 in München der damaligen Regierung und den Juden, wenn er einmal an der Macht sei, gedroht; und für die sozialdemokratische Führung gäbe es dann nur noch eine Strafe: "den Strick".

In den Schriften Theodor Körners ist keine einzige Zeile dieses Neonazi-Drohgedichts, das eine strafrechtliche Verurteilung der deutschen Bundesregierung durch einen Volksgerichtshof herbeiwünscht, enthalten.

 
Pseudo-Theodor-Körner-Zitat.


Verbreitet wird dieses auf  Facebook und Twitter im rechtsextrem Milieu beliebte Neonazi-Zitat unter dem Namen Theodor Körners seit etwa 2008 zum Beispiel von H. C. Strache, FPÖ (Link), Jürgen Pohl, AfD (Link), von rechten Webseiten wie unzensuriert.at (Link), sowie auf PEGIDA-Demonstrationen.

-
Facebook, 18. Januar 2012:



-

Twitter, 21. Januar 2018:
-
Pseudo-Theodor-Körner-Zitat.
Neonazi-Zitat. Theodor Körner unterschoben.

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Quellen:
Google:  "Ungefähr 4 850 Ergebnisse"
Theodor Körner: "Leyer und Schwerdt." Berlin: 1814, S. 37. In: Deutsches Textarchiv , abgerufen am 26. September 2018 (Link)
Erhard Jöst: "Opfertod fürs Vaterland. Der literarische Agitator Theodor Körner", in: Clauda Glunz, Thomas F. Schneider (Hrsg.): "Dichtung und Wahrheit: Literarische Kriegsverarbeitung vom 17. bis zum 20. Jahrhundert", Erich Maria Remarque-Friedenszentrum, Osnabrück: 2015, S. 29f. (Link) (via Wikipedia)
Wikipedia:  "Am 23. September 2016 publizierte die AfD-nahe Gruppierung Björn HöckesDer Flügel“ Körners Satz „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ mit dem obigen Spruch."
Andreas Kemper: "Wieder reinste Nazi-Propaganda vom 'Flügel'", Facebook, 26. September 2016 (Link)
Einige von Körners Versen wurden auch von Nazigegnerinnen wie Marlene Dietrich und Widerstandskämpfern der "Weißen Rose" gerne zitiert.
pronoever.com/fpoe-unzensuriert-wirbt-fuer-bewegung-theodor-koerner-1813-mitglieder-an
Theodor Körner: "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los –", Zeno.org   (Link)
stopptdierechten.at/2018/09/13/die-feigen-gestalten-da-oben/ 
 
Beispiele für falsche Zuschreibungen:
Twitter
Usenet (seit 2008)
Rainer Kahni (Monsieur Rainer): "Die Totengräber der Demokratie: Ein Wut-Buch",  Books on Demand, Norderstedt: 2011, S. 476 (Link)
Rainer Kahni (Monsieur Rainer): "Wehrt Euch! Eine Streitschrift gegen Willkür und Unrecht ..." Edition BOD, herausgegeben von Vito von Eichborn, Books on Demand, Norderstedt: 2013, S. 43 (Link)
Jürgen Pohl, AfD, 20. September 2017, Spiegel Online Fotostrecke (Link)
H. C. Strache,  Facebook, 18. Januar 2012
Anonym: "Der Widerstand formiert sich: 'Bewegung Theodor Körner, 1813'", unzensuriert.at, 12. September 2015, (Link) Nachtrag August 2018: Diese Seite ist inzwischen gelöscht.
2005:  viermalvier.de (inzwischen gelöscht) 
2007:  forum.wildundhund.de (inzwischen gelöscht)
2010:  querdenkerforum.de
2012:  thule-gesellschaft.org  
2015:  hart-brasilientexte.de
2016:  lupocattivoblog.com
2017:  sezession.de

Eine Fassung von Theodor Körners verändertem Gedicht "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los": Youtube, 13. Dezember 2015  (Link);  das Original-Gedicht Theodor Körners: (Link)
"Wahrheit macht frei - Dokumentation 1991", (Neonazi-Löwenbräukeller-Veranstaltung: 24:10) Youtube (Link)
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Ich danke Erhard Jöst und den MitarbeiterInnen von Wikipedia sehr für ihre Recherchen, sowie Letnapark für seinen Hinweis.

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Artikel in Arbeit.
Letzte Änderung: 26/9 2018 


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Ursprünglich enthielt der Artikel noch folgende Zeilen, die inzwischen obsolet sind, da sich die  "Bewegung Theodor Körner, 1813" - wohl weil sie keine Mitglieder fand - weitgehend selbst gelöscht hat:

Die "Bewegung Theodor Körner, 1813" zum Beispiel sagt "den linken Volksverhetzern den Kampf an",  liest man auf unzensuriert.at, einer FPÖ-nahen Seite, und diese Körner-Bewegung mit der Devise, "Sachlichkeit hat bei uns oberste Priorität", zitiert in ihrem Werbetext  dieses um 1990 erfundene Theodor-Körner-Gedicht.
Unzensuriert.at, 2015; inzwischen gelöschte Seite.

Samstag, 10. Februar 2018

"Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren." Bertolt Brecht (angeblich)

Wandtattoo; Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat.
Dieses heutzutage bei Sportlern und Aktivisten beliebte Sprichwort stammt nicht von Bertolt Brecht, sondern entstand anscheinend in den 1970er Jahren als Sponti-Spruch. (Link) 
Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat.
Das Zitat wird seit etwa 1993  Bertolt Brecht und später auch anderen Autorinnen und Autoren irrtümlich zugeschrieben; es wurde von einer unbekannten Person in den 1970er Jahren geprägt.

Von Bertolt Brecht stammt der Satz: "Wer den Kampf nicht geteilt hat/ Der wird teilen die Niederlage."

"WER ZU HAUSE BLEIBT, WENN DER KAMPF BEGINNT
Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und läßt andere kämpfen für seine Sache
Der muß sich vorsehen: denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal den Kampf vermeidet
Wer den Kampf vermeiden will: denn
Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat."
Bertolt Brecht, Kolomann Wallisch Kantate (Link) (Link)

 

Entwicklung des Zitats


1706
  • "denn wer nicht kämpft, trägt auch die Cron des ew'gen Lebens nicht davon."  (Link)
1970er Jahre, Sponti-Spruch

  • "Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren. "
  • "Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, kann nicht gewinnen." (Link) 

1984, Buchtitel
  • "Hans Ziegenfuß ua.: »Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren« VSA Verlag, Hamburg: 1984 (Link)

1985, Filmtitel
  • "Wie leicht das schief gehen kann, weiß Kluge: Es gibt einen Filmtitel von Günther Hörmann: 'Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren'. Wenn wir 's probieren, kann es sein, daß wir scheitern, und zwar aufgrund der Widersprüche unserer Produktionsstruktur." (Link)

1986, Buchtitel
  • "Anke Martiny: Wer nicht kämpft, hat schon verloren: Frauen und der Mut zur Macht Cover  Rowohlt, 1986" - (Link) 

1986, Kluge (angeblich)
  • "Wie sagt Alexander Kluge? Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Die SPD wird kämpfen. Die werden sich noch wundern." (Link)

1993, Bertolt Brecht (angeblich)
  • "Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren", hat Bertolt Brecht gesagt." (Link) 

2004
  • "Auf seinem hellblauen T-Shirt steht: 'Wer kämpft, kann verlieren! Wer nicht kämpft, hat schon verloren!'" 

2004
  • "Bestätigt hat sich die alte Weisheit: Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren. Ich möchte hinzufügen: Wer kämpft, kann auch gewinnen!" (Link)  

2009
  • "Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Zitat wird mehreren erfolgreichen Menschen zugeschrieben". (Link)
2011 Bertolt Brecht, englisch


 2012 Brecht (angeblich)
  • "Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. - Berthold Brecht" 

2017, Rosa Luxemburg (angeblich)
  • "Doch bei der Verhandlung hatte er gesagt, dass ihm die offizielle Feststellung, dass man ihm Unrecht getan habe, genüge, und dass er damit seinem Wahlspruch: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, tatsächlich gefolgt sei. Der Wahlspruch wird oft Bertolt Brecht zugewiesen, stammt jedoch von Rosa Luxemburg." (Link) 
2018, Brecht (angeblich)




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Quellen:
Das Zitat wird in vielen Online-Zitatsammlungen fälschlich und immer ohne Quellengabe Bertolt Brecht zugeschrieben: Google 
Wikipedia 
Hans Ziegenfuß ua.: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. VSA Verlag, Hamburg: 1984 (Link)
Anke Martiny: Wer nicht kämpft, hat schon verloren: Frauen und der Mut zur Macht Cover.  Rowohlt, Reinbek: 1986 (Link)

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Artikel in Arbeit. 

Dienstag, 18. Mai 2021

20 Goethe-Zitate, die sicher nicht von Goethe sind. Link-Sammlung.

 Links zu den Artikeln über folgende Pseudo-Goethe-Zitate:


  1. "Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen."

  2. "Bei Fünfzig ist man für sein Gesicht verantwortlich".

  3. "Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken."

  4. "Der denkende Mensch ändert seine Meinung." 

  5. "Die Wahrheit enthält immer auch Lüge."

  6. "Eines Morgens wachst Du nicht mehr auf, die Vögel aber singen, wie sie gestern sangen. Nichts ändert diesen Tagesablauf. Nur Du bist fortgegangen. Du bist nun frei, und unsere Tränen wünschen Dir Glück."

  7. "Eines Tages klopfte die Angst an die Tür. Der Mut stand auf und öffnete, aber da war niemand draußen."

  8. "Erfolg hat 3 Buchstaben: TUN!"

  9. "Erfolgreich zu sein setzt zwei Dinge voraus: Klare Ziele und den brennenden Wunsch, sie zu erreichen."

  10. "Für ein zufriedenes Leben braucht man neun Dinge: genügend Gesundheit ..."

  11. "Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht." 

  12. "Lieber Freund, entschuldige meinen langen Brief, für einen kurzen hatte ich keine Zeit."

  13. "Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen."

  14. "Reden ist uns ein Bedürfnis, Zuhören ist eine Kunst."

  15. "Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man nicht durch den Tod verlieren."

  16. "Wer Bücher liest, schaut in die Welt und nicht nur bis zum Zaune." 

  17. "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf."

  18. "Wer nicht genießt, wird ungenießbar." 

  19. "Werde der, der du bist."

  20. "Wir haben genug Zeit, wenn wir sie nur richtig verwenden." 

  21.  "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht."

 

 Entstellte Goethe-Zitate:

 

"In Bibliotheken fühlt man sich wie in der Gegenwart eines großen Kapitals, das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet." 

"Was immer du tun kannst oder erträumst zu können, beginne es."

 

 

Samstag, 20. Februar 2021

"Der niederträchtigste aller Schurken ist der Heuchler, der dafür sorgt, daß er in dem Augenblick, wo er sich am fiesesten benimmt, am tugendhaftesten auftritt.“ Marcus Tullius Cicero (angeblich)

Paraphrase eines Cicero-Zitats.
 

Dieses angebliche Cicero-Zitat ist keine wortgetreue Übersetzung, sondern eine vor kaum fünf Jahren entstandende Paraphrase des folgenden Satzes aus Ciceros Werk "De officiis" ("Vom rechten Handeln"):

 

M. Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln" 1,41,4; 44 v. Chr.:

  • "Totius autem iniustitiae nulla capitalior quam eorum, qui tum, cum maxime fallunt, id agunt, ut viri boni esse videantur."    (Link)
  • "Von aller Ungerechtigkeit aber ist keine todeswürdiger als die derjenigen, die dann, wenn sie besonders täuschen, darauf aus sind, gute Männer zu scheinen." 
    Übersetzung:
    Karl Büchner.

    Marcus Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln." Lateinisch und deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Karl Büchner. Artemis u. Winkler (Sammlung Tusculum),
    4. Auflage, München, Zürich: 1994, 1,41,4, S. 39f. (Link)

  • "Von allem Unrecht aber ist keines sträflicher als das derjenigen, die sich mühen, während sie die ärgsten Betrüger sind, den Anschein ehrlicher Männer zu geben."
    Übersetzung: gottwein.de

  • "But of all forms of  injustice, none is more flagrant than that of the hypocrite who, at the very moment when he is most false, makes it his business to appear virtuous."
    Übersetzung: Walter Miller (perseus.tufts.edu)

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Quellen:

Marcus Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln." Lateinisch und deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Karl Büchner. Artemis u. Winkler (Sammlung Tusculum), 4. Auflage, München, Zürich: 1994, 1,41,4, S. 39f. (Link)

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Dank:

Ich danke Rainer Venino für seine Frage zu diesem Zitat und für seine Entdeckung des lateinischen Originals.

 


 

 

Samstag, 2. Dezember 2017

"Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls." August Bebel (angeblich)

Pseudo-August-Bebel-Zitat.
Dieses Zitat wird seit etwa siebzig Jahren irrtümlich dem deutschen Sozialdemokraten August Bebel zugeschrieben. 

Als August Bebel 1894 in einem Gespräch mit Hermann Bahr den Spruch Ferdinand Kronawetters zitiert, distanziert er sich gleichzeitig davon.


August Bebel, 1894:

  • "Bei Ihnen hat man einmal gesagt — ich glaube, es war Kronawetter —: 'Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls.'  

    Das ist ein hübscher Einfall, aber er trifft doch die Sache nicht. Die eigentlichen Träger des Antisemitismus, das kleine Gewerbe und der kleine Grundbesitz, haben von ihrem Standpunkte aus nicht so Unrecht. ..."
  • In: Hermann Bahr: "Der Antisemitismus. Ein internationales Interview", 1894  (Archive.org)

Ferdinand Kronawetter, 1889: 

  • "Als Verräther, als Juden und Judenknecht werden wir Demokraten bezeichnet. Das sind wir nicht, aber wir sind auch keine Stiefelputzer der Liechtenstein, wir sind keine Pfaffenknechte, keine Heuchler, welche als Demokraten den telegraphischen Segen des Papstes kniend und augendrehend in Empfang nehmen. (Stürmischer Beifall) Der Antisemitismus ist nichts als der Socialismus des dummen Kerls von Wien (schallende Heiterkeit), denn welcher vernünftige Mensch kann glauben, daß die Zukunft besser wird, wenn man das Volk in das finstere Mittelalter zurückführt?"
  • Ferdinand Kronawetter, bei der Generalversammlung des Margaretner Wählervereins, in den "Drei Engel"-Sälen, am 23. April 1889, Neue Freie Presse (Link)
 Der Wiener Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter, der sich von Karl Lueger trennte, als der sich antisemitischen Strömungen anbiederte, hat am 23. April 1889 dieses Zitat geprägt. 

Kronawetter  war eine Hassfigur der Wiener Antisemiten, aber ein hochgeschätzter politischer Partner der Sozialdemokraten. Die Stadt Wien verdankt ihm gute Initiativen; er stritt mit liberalen Grundsätzen gegen die Liberalen und gegen die Christlich-Sozialen.

Ferdinand Kronawetter ist heute vergessen, aber sein Aphorismus lebt auf der ganzen Welt weiter, allerdings wird er oft August Bebel, in Italien Lenin, in Spanien Karl Marx und hie und da auch den österreichischen Sozialdemokraten Victor Adler oder Engelbert Pernerstorfer unterschoben.

Varianten:


1890:  "wie Abgeordneter Kronawetter einst richtig bemerkte: der Antisemitismus ist
            der Socialismus des 'dummen Kerls von Wien'."
1893:   "'Der Antisemitismus', sagte Dr. Kronawetter in Bezug auf die Wiener Bewegung
             derb, 'ist der Socialismus der dummen Kerls.'" 
1893:   "Ausspruch Kronawetter's, daß der Antisemitsmus der Socialismus der dummen Kerle ist".    
1894:   "Wobei das bekannte Wort des österreichschen Reichsrathsabgeordneten Dr. Kronawetter
             citiert wurde: Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls.'"

             citiert wurde: Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls.'"
1895:   Als die antisemitische Partei in Wien auftauchte, das sagte Kronawetter in seiner
            drastischen Weise: 'Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls von Wien.'"

            drastischen Weise: 'Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls von Wien.'"
1897:  "Der Antisemitismus ist die Politik des dummen Kerls von Wien!" 
1919: "Viktor Adler war es wohl, der einmal sagte, daß der Wiener Antisemitismus der
            Sozialismus der dummen Wiener Jugend ist."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls von Wien."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen Kerle."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen  Mannes."
  • "Der Antisemitismus ist der  Sozialismus der Dummen." 
  • "Anti-Semitism is the socialism of fools."
  • "Anti-Semitism is the socialism of imbeciles."
  • "L'antisémitisme est le socialisme des imbéciles."
  • "L’antisemitismo è il socialismo degli imbecilli." 
  • "El antisemitismo es el socialismo de los tontos." 
 
Pseudo-Pernerstorfer-Zitat.
  _______
Anmerkung:
 "Der dumme Kerl von Wien" war seit den 1860er Jahren ein Typus und eine satirische Figur in humoristischen Zeitschriften (Google Books); auch in der antisemitischen Satire-Zeitschrift "Kikeriki", die die schweinische Ironie des "Stürmers" vorwegnahm.
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— Leigh Hunt (@jhleighhunt) 1. Mai 2017

 


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Quellen:
Hermann Bahr: Der Antisemitismus. Ein internationales Interview. S. Fischer Verlag, Berlin: 1894, S. 21 (Link) 
1889: Neue Freie Presse, 24. April 1889, Abendblatt, S. 2
1890: Bukowiner Rundschau, 16. Januar 1890, S. 3
1893: Tages-Post, 26. Oktober 1893, S. 2
1893: Neue Freie Presse, 26. Juni 1893, S. 5
1894: Freies Blatt, 10. Juni 1894, S. 6
1895: Tages-Post, 5. Februar 1895, S. 1
1897: Badener Zeitung, 27. Oktober 1897, S. 3
1919: Jüdische Korrespondenz, 21. November 1919, S. 3
Wikiquote 
Google Books 
_______ 
Dank:
Ich danke Justus Radmacher für seine Recherchen.