Mittwoch, 5. August 2020

"Jeden Kummer kann man durch Schlaf, ein Bad und ein Glas Wein lindern." - Thomas von Aquin (angeblich)

Pseudo-Thomas-von-Aquin-Zitat.
Dieses Pseudo-Thomas-von-Aquin-Zitat wurde auf Englisch geprägt ("Sorrow can be alleviated by good sleep, a bath and a glass of wine") und ist auf Englisch seit 25 Jahren weit verbreitet.

Thomas von Aquin analysierte in seiner "Summe der Theologie" fünf Heilmittel  gegen Trauer und Schmerz, darunter auch den Schlaf und ein Bad, aber ein Glas Wein als Heilmittel hat der Heilige Thomas weder ausdrücklich erwähnt noch empfohlen.

Ich folge hier dem Urteil der amerikanischen Priester und katholischen Theologen "Fatherhorton" (Link) und Thomas Petri.

 

Twitter:




Thomas von Aquin empfiehlt den Trauernden in der Quaestio 38 seiner "Summe der Theologie" (I, II) zu weinen, und nicht Wein ("Weinen mildert die Trauer")

Die fünf Heilmittel gegen die Traurigkeit sind: 1. Sich etwas Gutes gönnen, 2. Weinen, 3. Freunde, 4. Wahrheit betrachten, 5. Baden und Schlafen, wobei ein Glas Wein bei Punkt 1 ja erlaubt wäre.

Die langen Sätze mit den differenzierten Argumenten Thomas von Aquins eignen sich nicht für moderne Wohlfühl- und Ratgeber-Sprüche.

Pseudo-Thomas-Aquinas quote.





 Artikel in Arbeit.
 _________
Quellen:
Google
 fatherhorton: "St. Thomas Aquinas and remedies for sorrow" January 28, 2015 ~ fauxtations Blog (Link)
Thomas von Aquin: "Summe der Theologie", Prima Pars Secundae Partis, Quaestio 38, Articulus 1-5, Lateinisch / Deutsch  (unifr.ch/bkv/summa);  (Englisch: newadvent.org
Carlo de Marchi: "Fünf Heilmittel gegen Traurigkeit nach Thomas von Aquin", Florenz 2016, Übersetzung: 17. Februar 2019 kath.net
Beispiele für falsche Zuschreibungen:
Annette Sandoval: "The Directory of Saints: A concise guide to patron saints." Dutton, New York 1996, S. 203 (archive.org)
Mitch Finley: "The saints speak to you today : 365 daily reminders." Charis Books, Servant Publications, Ann Arbor:  1999, 319 (archive.org)
myzitate.de/thomas-von-aquin/

_____
Dank:
Ich danke Eduard Habsburg für den Hinweis auf dieses Falschzitat.

"Geniale Menschen sind selten ordentlich, ordentliche selten genial." Albert Einstein (angeblich)

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.
Dieser Wohlfühlspruch für unordentliche Leute wird dem Physiker Albert Einstein erst im 21. Jahrhundert  also mehr als vierzig Jahre nach seinem Tod  erstmals zugeschrieben und ist weder in seinen digitalisierten Werken, noch in seriösen Nachschlagwerken auf Deutsch oder Englisch zu finden.

Wer dieses Zitat geprägt und erstmals Albert Einstein untergeschoben hat, ist noch unbekannt. Eine frühe falsche Zuschreibung findet man zum Beispiel in der Frankfurter Neuen Presse am  20. September 2000.

Weil dieses Zitat Albert Einstein erst so spät und immer ohne Quellenangabe zugeschrieben wird und in der Fachliteratur nicht zu finden ist, ist es aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kuckuckszitat, das nie in einem Text oder Interview Albert Einsteins entdeckt werden wird.


Pseudo-Albert-Einstein-Zitat (wandtattoo.com).
  • "Wenn Albert Einstein es sagt, wird es schon stimmen: 'Geniale Menschen sind selten ordentlich. Ordentliche selten genial.'

    Dieser Wandtattoo-Spruch ist eine Wohltat und Bestätigung für alle, die es mit der Ordnung nicht immer so streng halten."
    Annonce
    wandtattoo.com
Inzwischen ist dieses Pseudo-Einstein-Zitat auf Deutsch in der Meme-Welt sehr beliebt und wird auch auf T-Shirts und Wandtattoos, auf Twitter und Facebook sowie durch Zeitungen  verbreitet. Vereinzelt findet man das Zitat seit ein paar Jahren auch auf Englisch.


  • "Ingenious people are rarely tidy, ordinary seldom ingenious."
  • "Geniale Menschen sind selten ordentlich, ordentliche selten genial." (Link)




***

ZITATFORSCHUNG unterstützen.

 ***

Artikel in Arbeit.
__________
Quellen:
Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011
Einstein Archives Online  alberteinstein.info 
Einstein Archives Online Database (Link) 

Beispiele für falsche Zuschreibungen an Albert Einstein:

 Frankfurter Neue Presse, 20. September 2000 (genios.de)
 kurier (Link)

 ____
Dank:
Ich danke Martin Anton Müller, der den Spruch auf einem Küchenfoto entdeckt hat, für seinen Hinweis auf dieses Kuckuckszitat. 



 __________________________________

 

Anhang

 

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat. Screenshot August 2020.

"Geniale Menschen beginnen große Werke, fleissige Menschen vollenden sie." Leonardo da Vinci (angeblich)

Pseudo-Leonardo-da-Vinci-Zitat.
Dieses beliebte da-Vinci-Zitat wurde Leonardo da Vinci fünf Jahrhunderte nach seinem Tod erstmals auf Deutsch untergeschoben und ist in seinen digitalisierten Texten sowie in seriösen Zitat-Lexika nicht zu finden.

 Entstanden ist dieses Kuckuckszitat wahrscheinlich durch die Variation eines Gedankens des französischen Moralisten Joseph Joubert, der 1824 in Paris gestorben ist, mit Denis Diderot bekannt war, aber zeit seines Lebens nie selbst einen seiner vielen Briefe oder Aphorismen publiziert hat.

Wer das Zitat erstmals irrtümlich Leonardo da Vinci zugeschrieben hat, ist noch unbekannt.

Joseph Joubert, "Pensées, essais et maximes: suivis des lettres à ses amis":

  • "Le génie commence les beaux ouvrages, mais le travail seul les achève." (Link)
  • "Das Genie beginnt die großen Werke; doch Arbeit allein vollendet sie."

    Joseph Joubert: Gedanken, Versuche u. Maximen: Uebersetzt von Franz Graf Pocci, Buchhandlung von Christian Kaiser, München: 1851,  S. 447 (books.google)
  • "Genius begins beautiful works, but only labor finishes them."
    Übersetzer: George H. Calvert, William V. Spencer, Boston: 1867 (Link)

Artikel in Arbeit.

_________
Quellen:
Google
2008 leo.org/forum, 13 Jun. 08, 14:19 [frühe Erwähnung des Falschzitats]
aphorismen.de - 96002
wikiquote.org - Diskussion

Joseph Joubert: "Gedanken, Versuche u. Maximen." Uebersetzt von Franz Graf Pocci, Buchhandlung von Christian Kaiser, München: 1851,  S. 447 (books.google)
 Joseph Joubert: "Pensées, essais et maximes: suivis des lettres à ses ami." Librairie des Charles Gosselin, Paris: 1842, S. 111 (Link)

_______
Dank:
Dank an das Diskussionsforum von wikiquote für den Hinweis auf Jourbet.


Mittwoch, 22. Juli 2020

"Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der Welt) sind." Joschka Fischer (angeblich)


Pseudo-Joschka-Fischer-Zitat.
Dieses Zitat wird seit dem April 2011 Joschka Fischer untergeschoben und stammt aus dem rechtsextremen Milieu, in dem aus Hass, Dummheit oder Bosheit viele Pseudo-Zitate verbreitet werden.

Bei einer chronologischen Durchsuchung der digitalisierten Texte taucht das Falschzitat  auf dem rechtsextremen Blog pi-news, von dem viele Falschzitate ausgehen, am 5. April 2011 das erste Mal  auf.

Am selben Tag soll das Zitat in einem nicht mehr auffindbaren Artikel auf dem inzwischen gelöschten Blog paukenschlag-blog.org erwähnt worden sein.

Wer das in den sozialen Medien bei Rechtsextremen inzwischen beliebte Falschzitat, mit dem der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer als "Volksverräter" hingestellt wird, geprägt hat, ist unbekannt.

Die Usernamen der ersten Verbreiter des Falschzitats auf pi-news lauten "Elisa38" und "deltagolf".

In den folgenden Jahren wird das Zitat in Postings unter Zeitungsartikeln (ab 2012), auf Amazon (Pupsi, 10/10 2013) sowie in den sozialen Medien verbreitet und dabei findet man manchmal die Behauptung, das Zitat stamme aus dem Jahr 2008 und vereinzelt wird auch das Jahr 1993 als Ursprung des Zitats ohne näheren Hinweis angegeben.

Es fällt schwer, diese vagen Quellenangaben von unbekannten Personen ernst zu nehmen, auch weil Nachfragen nach genaueren Quellennachweisen unbeantwortet bleiben.

Dass dieses Zitat in den Reden, Interviews und Texten Joschka Fischers nicht zu finden ist, ergaben auch die Recherchen von Alice Echtermann  (correctiv.org, 11/2019), die in ihrem Artikel "Erneut falsche Zitate von Joschka Fischer im Umlauf" aktuellere Erwähnungen des Falschzitats belegt.



Pseudo-Joschka-Fischer-Zitat:


2011 - Erste Erwähnungen auf dem Blog pi-news:

  • "Josef Martin Fischer hatte das ziel schon mal auf den punkt gebracht:

    Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der Welt) sind. Das wird immer wieder zu ‚Ungleichgewichten‘ führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland herausgeleitet wird. Es ist vollkommen egal wofür, es kann auch radikal verschwendet werden – Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet."

    Elisa38 pi-News, 


Falschzitate auf pi-news.net/2011/07/

2012 - Erste Erwähnung auf Twitter:






2015 - Frühe Erwähnung auf Youtube (Link)


  • "Hier nochmal das Fischerzitat aus 2008 zur damals schon geplanten Dauerzahlerei der Deutschen: Joshua Fishman alias Joschka Fischer alias Joseph Martin Fischer, Atlantiker, CFR-Komplize, ehem. “Die Grünen”: „Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas sind. Das wird immer wieder zu ‘Ungleichgewichten’ führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland herausgeleitet wird. Es ist vollkommen egal, wofür. Es kann auch radikal verschwendet werden – Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet. (Fischer 2008 in den USA)" 


Artikel in Arbeit.

***

ZITATFORSCHUNG unterstützen.

 ***
________
Quellen:
Google
Twitter 
Alice Echtermann: "Erneut falsche Zitate von Joschka Fischer im Umlauf",  29. November 2019 (correctiv.org)
Gelöscht: "Die Gesinnung der linken Rassisten in Deutschland!" (paukenschlag-blog.org vom  5. April 2011, de.metapedia.org)
pi-news.net/2011/07/ deltagolf
 Elisa38 pi-news, 
01.08.12, 12:15 | Johannes-Georg Glunk
Wie sagte Joschka Fischer 2008 ?
Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der Welt) sind. Das wird immer wieder zu Ungleichgewichten führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland herausgeleitet wird. Es ist vollkommen egal wofür, es kann auch radikal verschwendet werden Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet. (Fischer 2008 in den USA) Alles klar ???
01.08.12, 12:15 | Johannes-Georg Glunk
Wie sagte Joschka Fischer 2008 ?
Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der Welt) sind. Das wird immer wieder zu Ungleichgewichten führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland herausgeleitet wird. Es ist vollkommen egal wofür, es kann auch radikal verschwendet werden Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet. (Fischer 2008 in den USA) Alles klar ???
01.08.12, 12:15 | Johannes-Georg Glunk
Wie sagte Joschka Fischer 2008 ?
Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der Welt) sind. Das wird immer wieder zu Ungleichgewichten führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland herausgeleitet wird. Es ist vollkommen egal wofür, es kann auch radikal verschwendet werden Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet. (Fischer 2008 in den USA) Alles klar ???
2012: Leserkommentar https://www.focus.de/politik/deutschland/euro-krise-in-berlin-waechst-der-unmut-ueber-die-kritik-an-deutschland_aid_790918.html
Amazon Pupsi, 10/10 2013







Freitag, 10. Juli 2020

"Die Regeln des Glücks: Tu etwas, liebe jemanden, hoffe auf etwas." Immanuel Kant (angeblich)


Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
Diese beliebten Regeln des Glücks stammen von dem amerikanischen Geistlichen George Washington Burnap und werden Immanuel Kant seit ungefähr 40 Jahren auf Englisch und seit kaum 10 Jahren auf Deutsch untergeschoben, wie man durch chronologisches Suchen in den digitalisierten Texten leicht überprüfen kann.

Da Immanuel Kants sämtliche Schriften mehrfach digitalisiert sind und man dieses Glücksregeln weder dort noch in seriösen Kant-Lexika findet, kann man sich sicher sein, dass Immanuel Kant diese Regeln nur unterschoben wurden.


"Rules for happiness: something to do etc.": Pseudo-Immanuel-Kant quote.
In Amerika hat die falsche Zuschreibung an Immanuel Kant anscheinend in einem Eltern-Ratgeberbuch aus dem Jahr 1982 begonnen:

Sherri Nance: "Premature babies: a handbook for parents" 1982, S. 89 (archive.org)
Erstmals in einem seriösen deutschsprachigen Verlag taucht dieses Pseudo-Kant-Zitat im Jahr 2018 auf:

  • "Das Handeln kann positiv gesehen werden, wie die vielzitierten Regeln des Glücks nach Kant, »Tu etwas, liebe jemanden, hoffe auf etwas« zeigen, die Poesiealben, Hochzeitskarten und Geburtsanzeigen gleichermaßen schmücken."

    Barbara Streidl: "Langeweile." Reclam 100 Seiten, Reclam jun. Verlag, Ditzingen: 2018 ebook [ohne Seitenangaben] (Link)

Eine Variante dieser beliebten Glücksregel hat die feministische amerikanische Autorin Rita Mae Brown in ihrem im Jahr 2011 erschienem Roman "Hiss of Death" erwähnt:

Rita Mae Brown: "Hiss of Death: A Mrs. Murphy Mystery", 2011, S. 27 (Link).
  • "Happiness is pretty simple: someone to love, something to do, something to look forward to. That's what Alicia's grandmother used to say ..."

    Rita Mae Brown: "Hiss of Death: A Mrs. Murphy Mystery", Bantam Books, New York: 2011, S. 27
    (Link)


Rita Mae Brown schreibt diese Regel in dem Roman der Großmutter der fiktiven Figur Alicia zu.

Geprägt hat die Glücksformel aber im 19. Jahrhundert der religiöse Autor George Washington Burnap in seinem Ratgeberbuch für Frauen: "The Sphere and Duties of Woman: A Course of Lectures":
  • "The grand essentials to happiness in this life are something to do, something to love, and something to hope for. We all must have something to love."

    George Washington Burnap: "The Sphere and Duties of Woman: A Course of Lectures" John Murphy, Pittsburg: 1848, S. 99 (Link)

Diese Glücksformel aus dem Jahr 1848 wird heute Elvis Presley, Alexander Chalmers, Allan K Chalmers, Rita Mae Brown,  Joseph Addison und Immanuel Kant zugeschrieben.

In den Schriften von Joseph Addison und Immanuel Kant hat diese Glücksformel noch niemand entdecken können.


Versionen des Pseudo-Immanuel-Kant-Zitats:

 

  • "Die Regeln des Glücks: Tu etwas, liebe jemanden, hoffe auf etwas." 
  • "Regeln für das Glück: etwas zu tun, jemanden zu lieben, etwas zu hoffen."
  • "Rules for happiness: something to do, someone to love, something to hope for."
  • "Rules for happiness: something to do; something to love; something to hope for."
  • "Las reglas de la felicidad: Algo que hacer, alguien a quien amar, algo que esperar."
  • "Las reglas de la felicidad: tener algo que hacer, tener alguien a quien amar, tener algo por lo cual esperar."
  • "Regole per essere felici: qualcosa da fare, qualcuno da amare, qualcosa in cui sperare."
  • "Règles pour être heureux: faire quelque chose, aimer quelqu’un, espérer quelque chose."
  

 
Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.

Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.

Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.



  • Artikel in Arbeit.
***

ZITATFORSCHUNG unterstützen.

 ***


  ______________
Quellen:
Google
Twitter 
"Kant’s Gesammelte Schriften", Akademieausgabe, Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften, Reimer, ab 1922 de Gruyter, Berlin: 1900ff.  Elektronische Edition: Universität Duisburg
textlog.de/kant-logik 
Rudolf Eisler: "Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Kants sämtlichen Schriften, Briefen und handschriftlichen Nachlaß" 1930 (textlog.de) 
George Washington Burnap: "The Sphere and Duties of Woman: A Course of Lectures" John Murphy, Pittsburg: 1848, S. 99 (Link)
Rita Mae Brown a. Sneaky Pie Brown: "Hiss of Death: A Mrs. Murphy Mystery", Bantam Books, New York: 2011, S. 27 (Link)
whosaidthatreally.tumblr.com/ 
Wikiquote

 
Beispiele für falsche Zuschreibungen an Kant:
1982: Sherri Nance, Sharon Timmons:  "Premature babies: a handbook for parents" Arbor House, New York: 1982, S. 89 (archive.org)
2011: twitter
2014: (Link)
2018: Barbara Streidl: "Langeweile." Reclam 100 Seiten, Reclam ju. Verlag, Ditzingen: 2018 ebook [ohne Seitenangaben] (Link) 
aphorismen.de - 172919
gutezitate.com - 149310
goodreads.com - 7287764



 _______-
Dank:
Ich danke Friedhelm Greis für die Weiterleitung der Frage zu diesem Kuckuckszitat und den Hinweis auf George Washington Burnap. Günther Schmigalle hat auf das Falschzitat aufmerksam gemacht und besonders danke ich wieder Ralf Bülow, der das Zitat in dem Roman von Rita Mae Brown entdeckt hat.





______________________________________________

 

ANHANG

 

Immanuel Kant: "Logik"

 

"Philosophie nach dem Schulbegriffe und nach dem Weltbegriffe betrachtet"



"Das Feld der Philosophie in dieser weltbürgerlichen Bedeutung läßt sich auf folgende Fragen bringen:

1) Was kann ich wissen? —
2) Was soll ich tun?
3) Was darf ich hoffen?
4) Was ist der Mensch?

Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte die Religion, und die vierte die Anthropologie. Im Grunde könnte man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich die drei ersten Fragen auf die letzte beziehen.

Der Philosoph muß also bestimmen können
1) die Quellen des menschlichen Wissens,
2) den Umfang des möglichen und nützlichen Gebrauchs alles Wissens, und endlich
3) Die Grenzen der Vernunft. —"

Das letztere ist das Nötigste, aber auch das Schwerste, um das sich aber der Philodox nicht bekümmert."

Immanuel Kant: "Logik", AA IX, S. 25   (Link); (textlog.de/kant-logik) 

-

Screenshot, Juli 2020:



Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
_

Twitter:

"Don't talk of peace and love when you have a dead animal on your plate." Socrates (angeblich)



Pseudo-Sokrates-Zitat.
Dieses angebliche Sokrates-Zitat ist noch kaum fünf Jahre alt, existiert hauptsächlich in der Meme-Welt und ist bei einigen veganen und vegetarischen Aktivistinnen und Aktivisten sehr beliebt.

Der Slogan ist im 21. Jahrhundert von einer unbekannten Person geprägt worden und die Zuschreibung an den Athener Philosophen soll dem Satz wohl moralische Autorität verleihen.

Vor dem Jahr 2016 finden man diese Aufforderung auch ohne Zuschreibung an Sokrates.

Im klassischen Athen hat niemand von "peace and love" geredet und dieses Sokrates-Kuckuckszitat ist weder so noch so ähnlich in Texten aus dem klassischen Athen zu finden.

Sokrates wird in letzter Zeit öfters als Vegetarier bezeichnet. Dafür gibt es keinerlei Nachweis, während  Pythagoras und seine Schüler bekanntlich wirklich auf Fleischnahrung verzichteten.


Twitter 2015 ohne, 2016 mit Zuschreibung an Sokrates:




Artikel in Arbeit.
____________
Quellen:
Google
 Facebook
Twitter

__________
Dank:
Ich danke Hannes Schrader für den Hinweis auf dieses frische Kuckuckszitat.

Donnerstag, 9. Juli 2020

"Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen." Immanuel Kant (angeblich)

 Dieses Zitat hat der französische Botaniker und Geograph Georges-Louis Leclerc de Buffon geprägt.

Es steht ohne Hinweis auf Buffon im zweiten Band der 1802 erstmals publizierten "Physischen Geographie" Immanuel Kants, die der Herausgeber Theodor Rink aus heute zum Teil verschollenen handschriftlichen Vorlesungsunterlagen, Vorlesungsmitschriften und Notizen Kants aus vier Jahrzehnten (1757-1795) zusammengestellt hat.

  • "Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Race der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind weit tiefer, und am tiefsten steht ein Theil der amerikanischen Völkerschaften."

    Immanuel Kant: "Physische Geographie."Auf Verlangen des Verfassers, aus seiner Handschrift herausgegebgen und zum Theil bearbeitet von D. Friedrich Theodor Rink. Zweyter Band, Göb'bels und Unzer, Königsberg: 1802, S. 10 (books.google); (Link) 
 Da Immanuel Kant im Fach Geographie auf keine eigenen Forschungsarbeiten zurückgreifen konnte, bestanden seine Vorlesungsunterlagen zum großen Teil aus Exzerpten, Zitaten und Paraphrasierungen von Stellen aus Fachbüchern. Diese Zitate wurden in der von Theodor Rink herausgegebenen "Physischen Geographie" Kants nicht als Zitate gekennzeichnet.

Michael Wolff hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung darauf hingewiesen, dass  diese  unausgewiesenen Exzerpte Kants nicht einfach als Kant-Zitate behandelt werden sollten, noch dazu, da wir nicht wissen, wie Kant diese Zitate in seinen Vorlesungen kommentiert hat.

Zum Beispiel stammt Kants Zitat von der "größten Vollkommenheit" der weissen Rasse nachweislich von Georges-Louis Leclerc de Buffon:

Georges-Louis Leclerc de Buffon, 1752

  • "Die Natur hat in ihrer größten Vollkommenheit weiße Menschen gebildet, und die auf das höchste veränderte Natur bildet sie gleichfalls weiß."

    Georges-Louis Leclerc de Buffon: "Allgemeine Historie der Natur nach allen ihren besondern Theilen abgehandelt; nebst einer Beschreibung der Naturalienkammer Sr. Majestät des Königs von Frankreich. Zweyter Teil. Übersetzung und Vorrede: Albrecht von Haller, bey Georg Christian Grund und Adam Heinrich Holle, Hamburg und Leipzig: 1752, S. 300 (Link)
Nach Michael Wolff hat sich Immanuel Kant nach 1775 explizit gegen die "frechen Meinungen" Buffons und anderer gewandt und es sei wahrscheinlich, dass Kant diese Stellen während der Vorlesungen kritisch kommentiert habe.

Bei allen lächerlich dummen Aussagen Immanuel Kants über Afrikaner, Chinesen und amerikanische Ureinwohner, die er aus Reiseberichten und Abhandlungen in seinen anthropologischen und geographischen Vorlesungen wiederholt hat, sei nicht vergessen, dass Immanuel Kant als einer der wenigen philosophischen Autoritäten seiner Zeit explizit gegen die kolonialistischen Praktiken der Europäer aufgetreten ist. In diesem Sinn war Immanuel Kant Anti-Rassist.

 Immanuel Kant: "Die Metaphsyik der Sitten" 1797,


  • "Zuletzt  kann noch  gefragt werden: ob, wenn uns weder die Natur noch der Zufall, sondern  bloß  unser eigener Wille in Nachbarschaft mit einem Volk bringt, welches keine Aussicht zu einer bürgerlichen Verbindung mit ihm verspricht, wir nicht in Absicht diese zu stiften und diese  Menschen  (Wilde) in einen  rechtlichen  Zustand zu versetzen  (wie etwa die amerikanischen Wilden, die Hottentotten, die Neuholländer) befugt sein sollten, allenfalls mit Gewalt oder (welches nicht viel besser ist) durch betrügerischen Kauf Colonien zu errichten und so Eigenthümer ihres Bodens zu werden und ohne Rücksicht auf ihren ersten Besitz Gebrauch von unserer Überlegenheit zu machen; zumal es die Natur selbst (als die das Leere verabscheuet) so zu fordern scheint, und große Landstriche in anderen Welttheilen als gesitteten Einwohnern sonst menschenleer geblieben wären, die jetzt herrlich bevölkert sind, oder gar auf immer bleiben müßten, und so der Zweck der Schöpfung vereitelt werden würde. Allein man sieht durch diesen Schleier der Ungerechtigkeit (Jesuitism), alle Mittel zu guten Zwecken zu billigen, leicht durch; diese Art der Erwerbung des Bodens ist also verwerflich."

Immanuel Kant: "Die Metaphsyik der Sitten." 1797, AA VI, S. 266, 10-27 (korpora.zim.uni-duisburg-essen.de)


Michael Wolff, 9. Juni 2020:


Michael Wolff: "Prüfung eines Zitats. Kant war ein Anti-Rassist" FAZ, 9. Juni 2020 (faz.net)





Artikel in Arbeit.


***

ZITATFORSCHUNG unterstützen.

 ***

_________________
Quellen:
Immanuel Kant: "Physische Geographie."Auf Verlangen des Verfassers aus seiner Handschrift herausgegeben und zum Theil bearbeitet von D. Friedrich Theodor Rink. Zweyter Band, Göb'bels und Unzer, Königsberg: 1802, S. 10 (books.google); (Link)  
Immanuel Kant: "Die Metaphsyik der Sitten." 1797, in: "Kant’s Gesammelte Schriften",  Akademieausgabe, Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften, Reimer, ab 1922 de Gruyter, Berlin: 1900ff.  Elektronische Edition: Universität Duisburg AA VI, S. 266, 10-27 (korpora.zim.uni-duisburg-essen.de)
Georges-Louis Leclerc de Buffon: "Allgemeine Historie der Natur nach allen ihren besondern Theilen abgehandelt; nebst einer Beschreibung der Naturalienkammer Sr. Majestät des Königs von Frankreich. Zweyter Teil. Übersetzung und Vorrede: Albrecht von Haller, bey Georg Christian Grund und Adam Heinrich Holle, Hamburg und Leipzig: 1752, S. 300 (Link)
Reinhard Brandt: "Kant und Europa", in: LOGOS n.s. 6-7, ScriptaWeb, Napoli: 2010, S. 9-36 (Link)
[Die folgenden vier Artikel der Kant-Debatte sind nur Abonnenten zugänglich]
Volker Gerhardt: "Kant ein Rassist? Lest ihn bitte genau", Die WELT, 17. Juni 2020 (welt.de)
Patrick Bahners: "Kant und die Stammtischwahrheiten" FAZ, 20. Juni 2020 (faz.net)
Marcus Willaschek: "Kants Rassismus. Ein Kind seiner Zeit" FAZ, 24. Juni 2020 (faz.net)  
Michael Wolff: "Prüfung eines Zitats. Kant war ein Anti-Rassist" FAZ, 9. Juni 2020 (faz.net)



 ________________
 Dank:
Dank an Michael Wolff, dessen Argumenten ich hier folge.




______________________________________ 

ANHANG 


Kant hat von ungefähr  1757 bis 1795 vier Jahrzehnte lang populäre Vorlesungen zur "Physischen Geographie" gehalten, und damit nicht nur Philosophie-Studenten, sondern auch Handlungsreisende und Kaufleute angesprochen. (Link) 


  • "Wenn man die (noch nicht edierten) Nachschriften der Geographie-Vorlesung aus der Frühzeit bis in die frühen siebziger Jahre verfolgt, kommt man zu einer überraschenden  Feststellung:  Wären die Hefte nicht in deutscher Sprache überliefert, wäre man auf den ersten  Blick kaum in der Lage, auf den Ort oder auch das Land zu schließen, aus dem der  Autor stammt.  Die Theorie der Winde und  der Quellen,  die Beschreibung der Einwohner Japans  und Amerikas, Mitteleuropas und Madagaskars, alles wird, so scheint es, ohne jeden  Eurozentrismus eingeordnet und dargestellt. Die Weltgeographie wird von einem Weltbürger verfasst – das ist eine Neuerung, die Kant hier gegen frühere Autoren einführt, die die physische Geographie unter einem vorwiegend an Europas Geopolitik orientierten Interesse  behandelten."

    Reinhard Brandt: "Kant und Europa", in: LOGOS  n.s. 6-7, ScriptaWeb, Napoli: 2010, S. 9-36, S. 11 (Link)