Freitag, 10. Juli 2020

"Die Regeln des Glücks: Tu etwas, liebe jemanden, hoffe auf etwas." Immanuel Kant (angeblich)


Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
Diese beliebten Regeln des Glücks stammen von dem amerikanischen Geistlichen George Washington Burnap und werden Immanuel Kant seit ungefähr 40 Jahren auf Englisch und seit kaum 10 Jahren auf Deutsch untergeschoben, wie man durch chronologisches Suchen in den digitalisierten Texten leicht überprüfen kann.

Da Immanuel Kants sämtliche Schriften mehrfach digitalisiert sind und man dieses Glücksregeln weder dort noch in seriösen Kant-Lexika findet, kann man sich sicher sein, dass Immanuel Kant diese Regeln nur unterschoben wurden.


"Rules for happiness: something to do etc.": Pseudo-Immanuel-Kant quote.
In Amerika hat die falsche Zuschreibung an Immanuel Kant anscheinend in einem Eltern-Ratgeberbuch aus dem Jahr 1982 begonnen:

Sherri Nance: "Premature babies: a handbook for parents" 1982, S. 89 (archive.org)
Erstmals in einem seriösen deutschsprachigen Verlag taucht dieses Pseudo-Kant-Zitat im Jahr 2018 auf:

  • "Das Handeln kann positiv gesehen werden, wie die vielzitierten Regeln des Glücks nach Kant, »Tu etwas, liebe jemanden, hoffe auf etwas« zeigen, die Poesiealben, Hochzeitskarten und Geburtsanzeigen gleichermaßen schmücken."

    Barbara Streidl: "Langeweile." Reclam 100 Seiten, Reclam jun. Verlag, Ditzingen: 2018 ebook [ohne Seitenangaben] (Link)

Eine Variante dieser beliebten Glücksregel hat die feministische amerikanische Autorin Rita Mae Brown in ihrem im Jahr 2011 erschienem Roman "Hiss of Death" erwähnt:

Rita Mae Brown: "Hiss of Death: A Mrs. Murphy Mystery", 2011, S. 27 (Link).
  • "Happiness is pretty simple: someone to love, something to do, something to look forward to. That's what Alicia's grandmother used to say ..."

    Rita Mae Brown: "Hiss of Death: A Mrs. Murphy Mystery", Bantam Books, New York: 2011, S. 27
    (Link)


Rita Mae Brown schreibt diese Regel in dem Roman der Großmutter der fiktiven Figur Alicia zu.

Geprägt hat die Glücksformel aber im 19. Jahrhundert der religiöse Autor George Washington Burnap in seinem Ratgeberbuch für Frauen: "The Sphere and Duties of Woman: A Course of Lectures":
  • "The grand essentials to happiness in this life are something to do, something to love, and something to hope for. We all must have something to love."

    George Washington Burnap: "The Sphere and Duties of Woman: A Course of Lectures" John Murphy, Pittsburg: 1848, S. 99 (Link)

Diese Glücksformel aus dem Jahr 1848 wird heute Elvis Presley, Alexander Chalmers, Allan K Chalmers, Rita Mae Brown,  Joseph Addison und Immanuel Kant zugeschrieben.

In den Schriften von Joseph Addison und Immanuel Kant hat diese Glücksformel noch niemand entdecken können.


Versionen des Pseudo-Immanuel-Kant-Zitats:

 

  • "Die Regeln des Glücks: Tu etwas, liebe jemanden, hoffe auf etwas." 
  • "Regeln für das Glück: etwas zu tun, jemanden zu lieben, etwas zu hoffen."
  • "Rules for happiness: something to do, someone to love, something to hope for."
  • "Rules for happiness: something to do; something to love; something to hope for."
  • "Las reglas de la felicidad: Algo que hacer, alguien a quien amar, algo que esperar."
  • "Las reglas de la felicidad: tener algo que hacer, tener alguien a quien amar, tener algo por lo cual esperar."
  • "Regole per essere felici: qualcosa da fare, qualcuno da amare, qualcosa in cui sperare."
  • "Règles pour être heureux: faire quelque chose, aimer quelqu’un, espérer quelque chose."
  

 
Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.

Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.

Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.



  • Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Google
Twitter 
"Kant’s Gesammelte Schriften", Akademieausgabe, Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften, Reimer, ab 1922 de Gruyter, Berlin: 1900ff.  Elektronische Edition: Universität Duisburg
textlog.de/kant-logik 
Rudolf Eisler: "Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Kants sämtlichen Schriften, Briefen und handschriftlichen Nachlaß" 1930 (textlog.de) 
George Washington Burnap: "The Sphere and Duties of Woman: A Course of Lectures" John Murphy, Pittsburg: 1848, S. 99 (Link)
Rita Mae Brown a. Sneaky Pie Brown: "Hiss of Death: A Mrs. Murphy Mystery", Bantam Books, New York: 2011, S. 27 (Link)
whosaidthatreally.tumblr.com/ 
Wikiquote

 
Beispiele für falsche Zuschreibungen an Kant:
1982: Sherri Nance, Sharon Timmons:  "Premature babies: a handbook for parents" Arbor House, New York: 1982, S. 89 (archive.org)
2011: twitter
2014: (Link)
2018: Barbara Streidl: "Langeweile." Reclam 100 Seiten, Reclam ju. Verlag, Ditzingen: 2018 ebook [ohne Seitenangaben] (Link) 
aphorismen.de - 172919
gutezitate.com - 149310
goodreads.com - 7287764



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Dank:
Ich danke Friedhelm Greis für die Weiterleitung der Frage zu diesem Kuckuckszitat und den Hinweis auf George Washington Burnap. Günther Schmigalle hat auf das Falschzitat aufmerksam gemacht und besonders danke ich wieder Ralf Bülow, der das Zitat in dem Roman von Rita Mae Brown entdeckt hat.





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ANHANG

 

Immanuel Kant: "Logik"

 

"Philosophie nach dem Schulbegriffe und nach dem Weltbegriffe betrachtet"



"Das Feld der Philosophie in dieser weltbürgerlichen Bedeutung läßt sich auf folgende Fragen bringen:

1) Was kann ich wissen? —
2) Was soll ich tun?
3) Was darf ich hoffen?
4) Was ist der Mensch?

Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral, die dritte die Religion, und die vierte die Anthropologie. Im Grunde könnte man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich die drei ersten Fragen auf die letzte beziehen.

Der Philosoph muß also bestimmen können
1) die Quellen des menschlichen Wissens,
2) den Umfang des möglichen und nützlichen Gebrauchs alles Wissens, und endlich
3) Die Grenzen der Vernunft. —"

Das letztere ist das Nötigste, aber auch das Schwerste, um das sich aber der Philodox nicht bekümmert."

Immanuel Kant: "Logik", AA IX, S. 25   (Link); (textlog.de/kant-logik) 

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Screenshot, Juli 2020:



Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
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