Posts mit dem Label Goethe werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Goethe werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 4. November 2019

"Nichts ist schwerer zu ertragen, wie eine Reihe von guten Tagen." Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Kurt-Tucholsky-Zitat.
 

Dieses aus einem Gedicht Goethes entstandende Sprichwort wird manchmal irrtümlich Kurt Tucholsky zugeschrieben. In den digitalisierten Schriften Tucholskys kommt es nicht vor.


Johann Wolfgang Goethe, 1815:

  • "Alles in der Welt läßt sich ertragen,
    Nur nicht eine Reihe von schönen Tagen."
    (Link)
 Schon im 19. Jahrhundert wurde dieses Gedicht Goethes etwas verändert zitiert:
  • "Es ist nichts schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen." 1839 (Link);
  • "Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen." 1856 (Link); Fontane, 1890 (Link)
  • "Alles in der Welt läßt sich ertragen, Nur nicht eine Reihe von glüklichen Tagen."
 
 Georg Büchmann hat darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Gedanke ähnlich schon in Martin Luthers Tischreden vorkommt:


Martin Luther, Tischreden, 1570:

  • "Gute Tage können wir nicht ertragen, böse können wir nicht leiden! Gibt er uns Reichtum, so sind wir stolz, gibt er Armut, so verzagen wir." books.google.


__________
Quellen:
Büchmann
Goethe
Martin Luther
Fontane
Universallexikon
(Bibliographische Angaben folgen. )


zitate.eu/autor/kurt-tucholsky-zitate/1280
universal_lexikon.
Artikel in Arbeit.

Dienstag, 27. August 2019

"Erfolgreich zu sein setzt zwei Dinge voraus: Klare Ziele und den brennenden Wunsch, sie zu erreichen.“ Johann Wolfgang Goethe (angeblich)

Pseudo-Johann-Wolfgang-von-Goethe-Zitat.
Dieses in den sozialen Medien, bei Managmentberatern und Motivationstrainerinnen beliebte Goethe-Zitat ist in Goethes Werken so wenig wie in seriösen Nachschlagwerken zu finden.

Wer diesen Motivationsspruch geprägt hat, ist unbekannt; Johann Wolfgang Goethe wird er erst im 21. Jahrhundert unterschoben.

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
2006: forum.stuttgarter-kickers.de
2007: bidok.uibk.ac.at/library/boban-moderation.html
2013: Hans-Georg Schumacher, Dieter F. Kindermann: Strategisches und qualifiziertes Empfehlungsmanagement: Leitfaden für Verkäufer und Vertriebsführungskräfte in der Versicherungsbranche, Springer Gabler, Wiesbaden: 2013 ebook, Anhang (ohne Seitenzahlen) books.google.

 uni-stuttgart.de.pdf

Artikel in Arbeit.

______

Twitter:


"Wir haben genug Zeit, wenn wir sie nur richtig verwenden." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

Pseudo-Goethe-Zitat zu Goethes Geburtstag am 28. August 2019 auf Twitter.


 Dieses angebliche Goethe-Zitat gibt es auf Englisch seit etwa 60 Jahren und auf Deutsch taucht es in den digitalisierten Texten erst vor etwa 20 Jahren auf.

Ich konnte das Zitat bisher in keinem Text Goethes und in keinem seriösen Nachschlagwerk finden, habe allerdings noch nicht gründlich gesucht.



Das Zitat wurde Goethe anscheinend 1963 erstmals zugeschrieben:

  • "We always have time enough, if we but use it right." books.google

Pseudo-Goethe-Zitat?

 Artikel in Arbeit.

Montag, 26. August 2019

"Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.


Dieses bei Weinverkäufern und auf Twitter beliebte Pseudo-Goethe-Zitat wurde anscheinend erst im 21. Jahrhundert Johann Wolfgang Goethe unterschoben, und ist so oder so ähnlich weder in seinen digitalisierten Werken, noch in seriösen Nachschlagwerken zu finden.

Ohne Zuschreibung an Goethe ist das Zitat auf Deutsch seit den 1950er Jahren bekannt und wird zum Beispiel im Jahr 1969 als Devise bei einer Weinprobe in Baden-Württemberg verwendet (Link). 

Auf Englisch ist das Bonmot in der Variante: "Life Is Too Short To Drink Cheap Beer!" seit 1880 nachweisbar (Link).

Im Jahr 1963 wird das Zitat einmal Ilse Steinbrinck zugeschrieben (Link)


Varianten des Pseudo-Goethe-Zitats:

  • " Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken."
  • " Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken." 
  • "Das Leben ist zu kurz, um schlechte Weine zu trinken."
  • "Life is too short to drink bad wine."
  • "Life is too short to drink cheap wine."
  • "Life is too short to drink mediocre wines."  
  • "La vita è troppo breve per bere vini mediocri."
  • "La vie est trop courte pour boire du mauvais vin."  
  • "La vida es demasiado corta  para beber mal  vino."  




Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.


Bei einer chronologischen Google-Suche nach diesem Zitat findet man den ersten Eintrag im Jahr 2001 im Usenet :


Entwicklung des Pseudo-Goethe-Zitats:


2001
  • "Gerade habe ich es wieder gelesen:  'Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken'.  Der Spruch wurde Goethe zugeschrieben.  Sollte der das wirklich so formuliert haben?"
    de.etc.sprache.deutsch ›3. Mai 2001, Joachim Pense (Link)

 Zwei Jahre später taucht das angebliche Goethe-Zitat schon in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf:

2003

  • " 'Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken', wußte schon Goethe."
    "Das große Wein-Spezial", von Ronny Porsch, F.A.Z.-Archiv, 29. Juli 2003  (faz.net/)
10 Jahre nach der ersten falschen Zuschreibung hat auch der als "Edelfeder" bezeichnete österreichische Journalist Helmut A. Gansterer das Falschzitat verbreitet:

2011
  • " ... hatte ich den Satz geschrieben: 'Das Leben ist zu kurz, um nicht die besten Weine zu trinken.' Die Tinte war noch nicht trocken, als ich in Goethes Werken heimtückisch den Satz eingeschoben fand: 'Das Leben ist zu kurz, um schlechte Weine zu trinken.' Das ist zwar blasser und wirklich nicht das Gleiche, aber ärgerlich war es doch."
    Helmut A. Gansterer: Was zuverlässig glücklich macht, Kleine Zeitung, 21. Jänner 2011 (Link)

Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.


Inzwischen wird dieses Wein-Zitat auch in vielen Online-Zitat-Sammlungen Johann Wolfgang von Goethe unterschoben (Google). Auch auf Englisch, Italienisch, Französisch und Spanisch.

Pseudo-Goethe quote.

________
Quellen:
Google
Twitter
"Lexikon der Goethe-Zitate". Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991
de.etc.sprache.deutsch ›3. Mai 2001, Joachim Pense (Link)
"Das große Wein-Spezial", von Ronny Porsch, F.A.Z.-Archiv, 29. Juli 2003  (faz.net/)
Helmut A. Gansterer: Was zuverlässig glücklich macht, Kleine Zeitung, 21. Jänner 2011 (Link)
1880: "Life Is Too Short To Drink Cheap Beer !" (Link)
Englisch:
(Link)
 



In Arbeit.

Montag, 17. Dezember 2018

"Behandelt die Frauen mit Nachsicht! Aus krummer Rippe ward sie erschaffen; Gott konnte sie nicht ganz grade machen ...." Johann Wolfgang Goethe

    Dieser Vers aus Johann Wolfgang Goethes Gedichtsammlung "West-östliche Divan" stammt aus den mündlich überlieferten Worten Mohammeds, den sogenannten Hadithe, die Goethe durch die Übersetzung des Wiener Orientalisten Josef Hammer-Purgstalls kennen gelernt hat.

    Hammer-Purgstalls Auswahl der Hadithe erschien 1809, und Goethe hat das Buch "Fundgruben des Orients" nachweislich mehrmals aus der Weimarer Bibliothek ausgeliehen.

    Mohammed, übersetzt von Hammer-Purgstall, 1809

     

    • Behandelt die Frauen mit Nachsicht,
      denn das Weib ward erschaffen aus einer krummen Ribbe,
      und die beste von ihnen tragt die Spuren der krummen Ribbe.

      Wenn du sie gerade machen willst so brichst du sie,
      und wenn du sie ruhig läßt,
      so hört sie nicht auf krumm zu sein.
      Behandelt mit Nachsicht die Frauen.

      Josef von Hammer-Purgstall (Hammer): "Auszüge aus der mündlichen Überlieferung Mohammeds", Nr. 389, S. 278f.  "Fundgruben des Orients"

    Doch Goethe hat diesen Absatz nicht einfach übernommen, sondern einen Satz gestrichen und zwei ergänzt, wodurch der Stelle der ernste Tonfall genommen wurde. (Die hier fettgedruckten Wörter markieren die unterschiedlichen Fassungen.)

    Goethe, 1815 

     

    •  Behandelt die Frauen mit Nachsicht!
      Aus krummer  Rippe ward sie erschaffen,
      Gott konnte sie nicht ganz grade machen.
      Willst du sie biegen, sie bricht. 
      Lässt du sie ruhig, sie wird noch krümmer
      Du guter Adam, was ist denn schlimmer? 
      Behandelt die Frauen mit Nachsicht: 
      Es ist nicht gut daß euch eine Rippe bricht.
      Johann Wolfgang Goethe: West-östlicher Divan (Link)
    Ein der Allmacht Gottes Vertrauender könnte nicht wie Goethe sagen: "Gott konnte (die Frau) nicht  ganz grade machen". Die Literaturwissenschaftlerin Katharina Mommsen hat auf diese humoristische Transformation von Mohammeds Worten aufmerksam gemacht. Auch die augenzwinkernde  rhetorische Frage an den "guten Adam" stammt von Goethe und nicht aus der muslimischen Tradition.

    Johann Wolfgang Goethe gehörte zu der Minderheit der Klassiker, die Frauen nicht als Menschen zweiter Ordnung beschrieb und hat die biblische Unterwerfungsforderung an die Frau, "Er soll dein Herr sein", als "Formel einer barbarischen Zeit" abgetan.

     

     Goethe: "Die guten Frauen", 1800 

     

    • ".. ich behaupte, daß es durchaus jetzt schwerer sei ein vollendeter Mann zu werden, als ein vollendetes Weib; der Ausspruch:  'Er soll dein Herr sein", ist die Formel einer barbarischen  Zeit, die lange vorüber ist. Die Männer konnten sich nicht völlig ausbilden, ohne den Frauen gleiche Rechte zuzugestehen; indem die Frauen sich ausbildeten, stand die Wageschale inne, und indem sie bildungsfähiger sind, neigt sich in der Erfahrung die Wageschale zu ihren Gunsten."
      Johann Wolfgang Goethe: Die guten Weiber, 1800 (Link); (zitiert nach K. Mommsen)

     Artikel in Arbeit.
     _______
    Quellen:
     Josef von Hammer-Prugstall (Hammer): "Auszüge aus der Sura (Sunna) oder der mündlichen Ueberlieferung Mohammeds", in: "Fundgruben des Orients". Bearbeitet durch eine Gesellschaft von Liebhabern. Druckerei Anton Schmid, K.K. Privil. Buchdrucker, Wien: 1809, S. 278f., Nr. 389 (Link)
    Katharina  Mommsen:  "Behandelt  die  Frauen  mit  Nachsicht!",  'Die Rolle der Frau in der deutschen Literatur und Sprache'. Neunte Folge, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik, 122.  Jahrgang,  XXIII  Heft 1, S. 122-127 (Pdf)
    Johann Wolfgang Goethe: West-östlicher Divan. Eigenhändige Niederschriften. Herausgegeben und kommentiert von Katharina Mommsen. Insel Verlag, Leipzig: 1996, 2. Band, S. 60; 228
    Johann Wolfgang Goethe: Die guten Weiber


    _________
    Dank:
    Ich danke Xof da Prof für die Frage, Sociopathblog für seinen Hinweis auf Katharina Mommsen und Katharina Mommsen für ihre Analysen.



     ----- -----
    1815 (Link)
    1820:
    Hammer Purgstall (Link)




    Abu Hurairah (May Allah be pleased with him) reported:
    Messenger of Allah (ﷺ) said: "Take my advice with regard to women: Act kindly towards women, for they were created from a rib, and the most crooked part of a rib is its uppermost. If you attempt to straighten it; you will break it, and if you leave it alone it will remain crooked; so act kindly toward women".

    [Al-Bukhari and Muslim].

    In another narration of Al-Bukhari and Muslim, Messenger of Allah (ﷺ) said: "A woman is like a rib, if you attempt to straighten it, you will break it; and if you benefit from her, you will do so while crookedness remains in her".

    In another narration of Muslim, Messenger of Allah (ﷺ) said: 'Woman has been created from a rib and will in no way be straightened for you; so if you want to benefit from her, you will benefit from her while crookedness remains in her. If you attempt to straighten her, you will break her, and breaking her is divorcing her".
    و عن أبي هريرة رضي الله عنه قال‏:‏ قال رسول الله صلى الله عليه وسلم ‏:‏ ‏"‏استوصوا بالنساء خيرًا، فإن المرأة خلقت من ضلع، وإن أعوج ما في الضلع أعلاه، فإن ذهبت تقيمه كسرته، وإن تركته، لم يزل أعوج، فاستوصوا بالنساء‏"‏ ‏(‏‏(‏متفق عليه‏)‏‏)‏‏.‏
    وفي رواية في ‏(‏‏(‏الصحيحين‏)‏‏)‏ ‏:‏ ‏"‏المرأة كالضلع إن أقمتها كسرتها، وإن استمتعت بها، استمتعت وفيها عوج‏"‏‏.‏
    وفي رواية لمسلم‏:‏ ‏"‏إن المرأة خلقت من ضلع ، لن تستقيم لك على طريقة، فإن استمعت بها وفيها عوج، وإن ذهبت تقيمها كسرتها ، وكسرها طلاقها‏"‏‏.
    Arabic/English book reference : Book 1, Hadith 273

    Montag, 5. November 2018

    "Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

    Dieses alte deutsche Sprichwort wird auf Deutsch oft Johann Wolfgang von Goethe unterschoben und auf Englisch oft Franz Kafka.

    Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.
         
    Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.

    Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.


    Goethe scheint dieses alte Sprichwort gefallen zu haben, denn er trägt es einmal in ein Stammbuch ein:


    Johann Wolfgang Goethe, 1811:

    • "'Gott giebt die Nüsse, aber er bricht sie nicht auf.' Dies altdeutsche Wort zu freundlichem Andenken.
      Goethe Weimar d. 9. Oct. 1811"
      Stammbuchblatt  books.google

     Dieses Sprichwort anonymen Ursprungs ist in einigen Varianten überliefert:

    • Gott gibt die Nüsse, aber er knackt sie nicht auf.
    • Gott gibt uns wol die Nüsse, aber er knackt sie nicht auf. 
    • Gott gibt uns wol die Nüsse, aber in der Schale.
    • Unser Herrgott gibt die Nüsse, aber er beisst sie nicht auf.
    • God gives the nuts, but he does not crack them.

    Beispiele für falsche Zuschreibungen an Franz Kafka:


    Pseudo-Franz-Kafka-Zitat.


    Twitter:

    Pseudo-Franz-Kafka quote.
    ________
    Quellen:
    Google
    Karl Friedrich Wilhelm Wander: "Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz für das deutsche Volk." Zweiter Band, Gott bis Lehren, F. A. Brockaus, Leipzig: 1870,  S. 25, Nr. 531, 532  (Link)
    Stammbuchblatt mit Goethes Eintrag: books.google

     books.google.at
     books.google

    _______
    Dank:
    Ich danke  Michael Gunczy für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.

    Artikel in Arbeit.

    Mittwoch, 3. Oktober 2018

    "Wir sind alle Ausländer — fast überall!" Unbekannt


    Dieser von einer unbekannten Person geprägte Slogan ist in den 1980er Jahren in Deutschland als Antwort auf rechte "Ausländer raus!"-Parolen entstanden.
    Klaus Staeck, Plakat 1986, Galerie für Moderne Kunst und Plakatkunst.

    Der Spruch "Wir sind alle Ausländer ..." wurde vor dem Aufkommen des Internets auf Hauswänden, Plakaten, Stickers, Transparenten und schon 1992 kommerziell auch auf T-Shirts verbreitet. 1988 erschien das erste Buch mit diesem Graffiti-Spruch als Titel.

    Um 2007 beklagt man sich, dass dieser Spruch Goethe, Tucholsky und anderen berühmten Schriftstellern unterschoben wird.

    Doch im Jahr 2018 sind diese falschen Zuschreibungen fast gänzlich wieder aus der digitalen Öffentlichkeit verschwunden.

    Viele Kuckuckszitate halten sich über Jahrzehnte; diese Kuckuckszitate hatten interessanter Weise anscheinend nur eine kurze Lebenszeit.

    Nur noch sehr vereinzelt findet man falsche Zuschreibungen an Bertolt Brecht oder Karl Valentin.

    Varianten



    Friedhelm Greis hat in seinem  Tucholsky-Sudelblog auf einen ähnlichen Gedanken bei Kurt Tucholksy hingewiesen:


    Kurt Tucholsky: "Nationales"

    • "Man ist in Europa ein Mal Staatsbürger und zweiundzwanzig Mal Ausländer. Wer weise ist: dreiundzwanzig Mal."
      Peter Panter, "Die Weltbühne", 25. November 1924 (Link)

    Ralf Bülow verdanke ich den Hinweis auf Karl Valentins wunderbares Dramolett "Die Fremden", in dem Valentin das Thema "Wir sind alle Ausländer" im Jahr 1940 mit seinem unvergleichlichen Wortwitz umkreist:

    Karl Valentin: "Die Fremden"

    • "Valentin: Nein! – Ein Fremder bleibt nicht immer ein Fremder.
      Professor:
      Wieso?
      Valentin:
      Fremd ist der Fremde nur in der Fremde."
      Karl Valentin, 1940 (Link)
        
    ________
    Quellen:
    1988: Manfred Budzinski (Hg.) "Alle Menschen sind Ausländer. Fast überall." Ein Aktionshandbuch Mit Beiträgen von Peter Bick, Manfred Budzinski etc., Lamuv-Verlag, Göttingen: 1988
    Kurt Tucholksy (Peter Panter): "Nationales", Die Weltbühne, XX. Jahrgang, 25. November 1924, Nr. 48, S. 804 (Link)
    Karl Valentin: "Sämtliche Werke". Band 4, Piper Verlag, München 1994; hier zitiert nach dem Nachdruck in der TAZ, 9. April 2015, S. 5 (Link) 
    Friedhelm Greis: "Wir sind alle Zitatgeber", 2007, Sudelblog, (Link);  Angebliche Tucholsky-Zitate
    geschichtsforum.de/

    Beispiele für falsche Zuschreibungen:
    Karl Valentin: "Handbuch der Ausländer- und Zuwanderungspolitik: von Afghanistan bis Zypern" Hrsg. von von Wolfgang Gieler, LIT Verlag, Münster Hamburg London: 2003, S. 17 books.google
    Bertolt Brecht: meinbezirk.at/tag/aai-wien

    ....

    _______
    Dank:
    Ich danke Ralf Bülow sehr für den wichtigen Hinweis auf Karl Valentin.

    Sonntag, 23. September 2018

    "Was immer du tun kannst oder erträumst zu können, beginne es." Johann Wolfgang Goethe (angeblich)

    Völlig entstelltes Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.

    Dieses angebliche Goethe-Zitat ist eine Rückübersetzung aus dem Englischen, und dermaßen entstellt, dass man den Ursprung des Zitats im "Vorspiel auf dem Theater" von Goethes "Faust" kaum mehr erraten kann.

    Zur Erinnerung: Im "Vorspiel auf dem Theater", der vor dem "Prolog im Himmel" im ersten Teil der Tragödie "Faust" steht, diskutieren ein Theaterdirektor mit einem Theaterdichter und einem Schauspieler (Lustige  Person) über ihre verschiedenen Erwartungen von einer Theateraufführung. 

    Am Ende des Gesprächs sagt der Theaterdirektor: "Der Worte sind genug gewechselt, / Laßt mich auch endlich Taten sehn", und danach: 


    Wie der amerikanische Zitatforscher Garson O'Toole herausgefunden hat, wurde dieses Stelle von dem irischen Dichter John Anster 1835 in folgenden Worten sehr, sehr frei ins Englische übertragen:


    Ich empfehle, andere englische Übersetzungen dieser Goethe-Stelle auf Garson O'Tooles unterhaltsamer, seriöser und informativer Webseite (quoteinvestigator.com) nachzulesen.

    Vor etwa 20 Jahren wurde die freie englische Nachdichtung John Ansters ins Deutsche übersetzt und diese Übersetzung Johann Wolfgang von Goethe unterschoben:

    • "Whatever you can do or dream you can, begin it. Boldness has genius, power and magic in it. Begin it now." (Englische Variante nach John Ansters Nachdichtung Goethes)

    • "Was immer du tun kannst oder erträumst zu können, beginne es. Kühnheit besitzt Genie, Macht und magische Kraft. Beginne es jetzt."
    • "Was immer Du tun und erträumen kannst, du kannst damit beginnen. Im Mut liegen Schöpferkraft, Stärke und Zauber."
       

    Zitat von John Anster; angeregt von Goethe.

    Quote by John Anster; inspired by Goethe.
     


    Johann Wolfgang Goethe:
    Faust. Eine Tragödie. Erster Teil, Vorspiel auf dem Theater


    Direktor:  
    • Der Worte sind genug gewechselt,
      Laßt mich auch endlich Taten sehn;
      Indes ihr Komplimente drechselt,
      Kann etwas Nützliches geschehn.
      Was hilft es, viel von Stimmung reden?
      Dem Zaudernden erscheint sie nie.
      Gebt ihr euch einmal für Poeten,
      So kommandiert die Poesie.
      Euch ist bekannt, was wir bedürfen,
      Wir wollen stark Getränke schlürfen;
      Nun braut mir unverzüglich dran!
      Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan,
      Und keinen Tag soll man verpassen,
      Das Mögliche soll der Entschluß
      Beherzt sogleich beim Schopfe fassen,

      Er will es dann nicht fahren lassen
      Und wirket weiter, weil er muß. 

      Ihr wißt, auf unsern deutschen Bühnen
      Probiert ein jeder, was er mag;
      Drum schonet mir an diesem Tag
      Prospekte nicht und nicht Maschinen.
      Gebraucht das groß' und kleine Himmelslicht,
      Die Sterne dürfet ihr verschwenden;
      An Wasser, Feuer, Felsenwänden,
      An Tier und Vögeln fehlt es nicht.
      So schreitet in dem engen Bretterhaus
      Den ganzen Kreis der Schöpfung aus,
      Und wandelt mit bedächt'ger Schnelle
      Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.


      Johann Wolfgang Goethe: "Faust", 
      Vorspiel auf dem Theater, Direktor,
      Z 214-242; (Link)

    _______
    Quellen: 
    Johann Wolfgang Goethe: "Faust". Herausgegeben von Albrecht Schöne. J.W. Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. Vierzig Bände, I. Abteilung: Band 7/1, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main: 1993, Vorspiel auf dem Theater, Direktor, S. 20f., Z 214-242; 225
    J.W. Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. Vierzig Bände, I. Abteilung: Band 7/2, Johann Wolfgang Goethe: "Faust": Kommentare von Albrecht Schöne, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main: 1994, S. 155-162
     Garson O'Toole: "What You Can Do, or Dream You Can, Begin It; Boldness Has Genius, Power, and Magic in It -  Johann Wolfgang von Goethe? John Anster? William Hutchison Murray? Apocryphal?" 2016 (Link)
    "Faustus", A Dramatic Mystery; The Bride of Corinth; The First Walpurgis Night, Translated from the German of Goethe, and Illustrated with Notes by John Anster, Printed for Longman, Rees, Orme, Brown, Green, & Longman, London: 1836, S. 15 (zitiert nach Garson O'Toole) (Link)

    Das falsche Goethe-Zitat ist als Motivationsspruch in Ratgeberbüchern für Manager sehr beliebt:
    Google books

    Frühe falsche Zuschreibung auf Deutsch:
    1999: Paul R. Scheele: "Das Gesetz der natürlichen Brillanz. Ein schöpferisches Modell für Lernprozesse und Persönlichkeitsentwicklung", Junfermann Verlag, Paderborn: 1999, S. 239 (Link)

    _______
    Dank:
    Ich danke holio und  zeichenriss für den Hinweis auf dieses Falschzitat und Garson O'Toole für die schöne Dokumentation der Entwicklung dieses Pseudo-Goethe-Zitats im englischen Sprachraum.

    Letzte Änderung: 02/02/2020

    Mittwoch, 12. September 2018

    "Werde der, der du bist." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

    Diese Maxime des griechischen Dichters Pindar wird Johann Wolfgang von Goethe fälschlich zugeschrieben und ist weder in seinen digitalisierten Schriften noch in Goethe-Lexika zu finden.

    Pindars Maxime stammt in diesem Wortlaut von Friedrich Nietzsche, in dessen Schriften und Briefen sie fünfmal in leicht verschiedenen Versionen vorkommt. Auch der Untertitel von Nietzsches letztem Werk, "Ecce homo. Wie man wird was man ist", spielt auf diesen Pindarschen Aphorismus an.


    Friedrich Nietzsche:

    Von diesem Satz Pindars gibt es viele verschiedene Übersetzungen, aber keine von Goethe.

    Pindar, Zweite Pythische Ode:

    • "γένοι' οἷος ἐσσὶ μαθών"
    • "Werde welcher du bist erfahren". Übersetzt von Friedrich Hölderlin.
    • "Werde der, der du bist!" Übersetzt von Friedrich Nietzsche.
    • "Komm zur Kenntnis, von welcher Art du bist!" Übersetzt von Dieter Bremer.
    • "Beginne zu erkennen, wer du bist." Übersetzt von Eugen Dönt.
    • Become such as you are, having learned what that is.
    • Be what you know you are.
    •  Become the one thou art. 
      Become who you are!
    • Be true to thyself now that thou hast learnt what manner of man thou art.
    • Having learned, become who you are.
    • Deviens celui que tu es!
    _______
    Quellen:
    "Lexikon der Goethe-Zitate". Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991
    Pindar: "Siegeslieder" Griechisch - Deutsch,  Übers.: Dieter Bremer, Sammlung Tusculum, Patmos Verlag, Düsseldorf/Zürich: 2003, Zweite Pytische Ode, S. 124/72; 125 (Link)
    Pindar: "Oden", übersetzt und hrsg. von Eugen Dönt, Reclam, Stuttgart: 1986, S. 99
    Friedrich Hölderlin: Pindar, in: Friedrich Hölderlin: Sämmtliche Werke,  Band 15, hrsg. von D. E. Sattler, Stroemfeld/Stern, Frankfurt am Main: 1987, S. 219, Z. 131 (Link)
    Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Oktober–Dezember 1876
     Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Frühjahr–Herbst 1881
    Friedrich Nietzsche: Brief an Lou von Salomé: vermutlich 10. Juni 1882
    Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft: § 270. Erste Veröff. 1882
    Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra IV: Das Honig-Opfer. 1885  
    Timo Hoyer: "Nietzsche und die Pädagogik: Werk, Biografie und Rezeption", Königshausen u. Neumann, Würzburg: 2002, S. 418  (Link) 
    Andreas Urs Sommer: "Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben, Nietzsche contra Wagner",  Nietzsche-Kommentar 6/2, De Gruyter, Berlin/ Boston: 2013, S.  354 (Link)

    Beispiele für falsche Zuschreibung an Goethe:
    1985 books.google
    facebook
    twitter 

    _________
    Ich danke Frank Richter für den Hinweis auf dieses Falschzitat.



    Artikel in Arbeit.


    (Link)



    Johann Wolfgang von Goethe

    • Mephistopheles:
      "Du bist am Ende - was du bist.
      Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
      Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
      Du bleibst doch immer, was du bist."
      Faust I, 1806-10 (Link)

    Urworte, orphisch

    ΔΑΙΜΩΝ, Dämon

            Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
    Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
    Bist alsobald und fort und fort gediehen
    Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
    So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
    So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
    Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
    Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

    Dienstag, 28. August 2018

    "Erfolg hat 3 Buchstaben: TUN!" Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

    Pseudo-Johann-Wolfgang-von-Goethe-Zitat.

     Dieses angebliche Goethe-Zitat wurde Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 2005 - also mehr als 170 Jahre nach seinem Tod - erstmals unterschoben.


    Entstanden ist dieser Motivationsspruch einer unbekannten Autorin anscheinend ein paar Jahre davor ohne Zuschreibung an Goethe.

    In den digitalisierten Werken Goethes ist dieses Kuckuckszitat so wenig zu finden wie in seriösen Nachschlagwerken.

    Das Wort "tun"  hatte übrigens zur Zeit Goethes vier Buchstaben. Bis zum Beginn des 20 Jahrhunderts schrieb man "thun": ich thue, du thust, er thut. 

    Erst im Juni 1901 bei der Berliner Orthographischen Konferenz wurde der generelle Wegfall der th- Schreibung in deutschen Wörtern beschlossen.

    Hätte Johann Wolfgang Goethe den Slogan geprägt, hätte er geschrieben: Erfolg hat vier Buchstaben: THUN!

     

    Pseudo-Johann-Wolfgang-von-Goethe-Zitat.



    Die englische Version des Zitats, "Success has 2 Letters - DO", ist kaum 10 Jahre alt und wird selten Goethe unterschoben.  

     

    Vielleicht ist das angebliche Goethe-Zitat aus folgendem Satz eines unbekannten Autors oder einer Autorin mit den Siglen A. M. aus dem Jahr 1924 entstanden:

     

    1924

    • "Your religion has two letters — d-o; mine has four — d-o-n-e." (books.google)

     


    Varianten:


    • "Das Gesetz hat drei Buchstaben: TUN." (1994)
    • "Jemand  hat  einmal gesagt: 'Religion  besteht grundsätzlich aus drei Buchstaben: t u n – tun, tun, tun!'"
    • "Erfolg hat drei Buchstaben: TUN!"  
    • "Erfolg hat 3 Buchstaben: TUN!"
    Pseudo-Johann-Wolfgang-von-Goethe-Zitat.



     

    _______
    Quellen:
    "Lexikon der Goethe-Zitate" Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991
    simonsegur: "Warum wir das Zitieren wieder lernen müssen!", 2017 (einbuchwiekingsturm)
    1994: "Das Gesetz hat drei Buchstaben: TUN" pdf 
    2000: Andreas Ackermann: "Easy zum Ziel: Wie man zum mentalen Gewinner wird", CH-Anwil: 2000, S. 3 (bislang früheste Erwähnung; ohne Zuschreibung an Goethe) pdf
    2005: forum.oeh-wu.at  (ohne Zuschreibung an Goethe)
    2006: Religion, S. 60 pdf

    Beispiele für falsche Zuschreibungen an J.W. v. Goethe 
    2005: montignac-forum.com
    2006: books.google 
    2008: sprueche-und-zitate.blogspot.com/2008
    2012:  kurier.at
    2014: books.google

      ____

    Dank:

    Ich danke John Reddick für den Hinweis auf die alte Rechtschreibung.

    1924
    "Your religion has two letters — d-o; mine has four — d-o-n-e." The "two-letter" religion is the religion of the day. It is the religion of the multitudes. Do, work, pray, strive, give, resolve, renounce are the keywords of the two- letter religion."
    books.google

    Mittwoch, 22. August 2018

    "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

    Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.
    Diesen politischen Aphorismus einer unbekannten Autorin schrieb ein Lehrer beim Geschichtsunterricht um 1960 auf eine Schultafel. Der Lehrer wurde mit diesem Zitat auf der Tafel photographiert und das Foto in den "Nürnberger Nachrichten" veröffentlicht.

    Deswegen wird diesem ehemaligen Lehrer und späterem Professor Hermann Glaser manchmal der Aphorismus zugeschrieben. Doch nach einer Anfrage von Dominik Lagushkin teilte Hermann Glaser mit, dass er diesen Aphorismus nicht geprägt habe, und 50 Jahre danach nicht mehr feststellen könne, woher er das Zitat damals hatte (Link).

    Seit 2012, seit eine rechtsextreme Webseite damit begann, wird das Zitat auf Facebook, in der Kronen Zeitung und in anderen unseriösen Medien meistens Johann Wolfgang Goethe untergeschoben, vereinzelt auch Shakespeare, Kurt Tucholksy oder Immanuel Kant.

    In den Schriften und dazugehörigen Nachschlagwerken Goethes, Kants und Tucholskys ist dieses Zitat, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts als politische Parole entstanden sein könnte, nicht zu finden.


     Entwicklung des Zitats



    1998, unbekannt
    • "In unseren Tagen kursiert ein Satz, der Aichers Philosophie vorwegzunehmen scheint: „Wer in der Demokratie schläft, wacht auf in der Diktatur.“ Oder schlagender: „Schlaf in der Demokratie, wach auf in der Diktatur!“ Dieser Erkenntnis der jüngsten Vergangenheit diente seine Art der Prophylaxe." 
      Joerg Crone, Dissertation (pdf)

    2007, unbekannt
    • "Wählen tut Not! Denn wer in der Demokratie pennt, der wacht in der Dikatur auf. "
      groups.google
    2011?, Glaser
    • „Wer in der Demokratie schläft, erwacht in der Diktatur“. Dieses hochaktuelle Zitat stammt vom Nürnberger Professor und Publizisten Hermann Glaser".
      amadeu-antonio-stiftung.de

    2012, Goethe
    •  "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." J W Goethe
      dasgelbeforum
    2012, Shakespeare
    • "Liebe Landratsmitglieder, wachen Sie endlich auf. Sie haben einen Auftrag vom Volk! Nehmen Sie sowohl Ihre Pflichten wie auch Ihre Rechte wahr. Erinnern Sie sich an Shakespeare, der sagte:
      'Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.'"
      etwasanderekritik.wordpress.com/2012
    2016, Goethe
    • Da fällt mir ein Satz Goethes ein: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“.
      Tassilo Wallentin: "Der große Coup", Kronen Zeitung, 27/3 2016 (Link)
      2017
    -
    Johann Wolfgang von Goethe ist übrigens nie als Verteidiger der Demokratie aufgefallen. Im Gegenteil:

    Goethe, 1792

    • "Was mir aber noch mehr auffiel, war, daß ein gewisser Freiheitssinn, ein Streben nach Demokratie sich in die hohen Stände verbreitet hatte; man schien nicht zu fühlen, was alles erst zu verlieren sei, um zu irgendeiner Art zweideutigen Gewinnes zu gelangen."
      Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 1792 (Link)

    Goethe, 1827

    • "Man spricht immer viel von Aristokratie und Demokratie, die Sache ist ganz einfach diese: In der Jugend, wo wir nichts besitzen oder doch den ruhigen Besitz nicht zu schätzen wissen, sind wir Demokraten; sind wir aber in einem langen Leben zu Eigenthum gekommen, so wünschen wir dieses nicht allein gesichert, sondern wir wünschen auch, daß unsere Kinder und Enkel das Erworbene ruhig genießen mögen. Deshalb sind wir im Alter immer Aristokraten ohne Ausnahme, wenn wir auch in der Jugend uns zu andern Gesinnungen hinneigten."
      Gespräche mit Eckerman, 15. Juli 1827 (Link)
    ________
    Quellen:
    "Lexikon der Goethe-Zitate". Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991, Stichwort "Demokratie", S. 110
    Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 1792 (Link)
    Gespräche mit Eckerman, 15. Juli 1827 (Link)
    Immanuel Kant: Gesammelte Werke, Akademieausgabe. Elektronische Edition: Universität Duisburg  
    Altes Sprichwort: "Wer mit Hunden schläft, wacht mit Flöhen auf."
    Joerg Crone: "Die visuelle Kommunikation der Gesinnung - Zu den grafischen Arbeiten von Otl Aicher und der Entwicklungsgruppe 5 für die Deutsche Lufthansa 1962", Dissertation, Freiburg, 1998, S. 46 (pdf)
    Edwin Baumgartner: "Retten wir Goethes Karriere!", Wiener Zeitung, 3. Dezember 2015 wienerzeitung.at
    Dominik Lagushkin: "Über adoptierte Zitate", 2013 (Link)

    Frühe falsche Zuschreibung an Goethe: 
    2012:  dasgelbeforum
    Beispiel für falsche Zuschreibung:
    Tassilo Wallentin: "Der große Coup", Kronen Zeitung, 27. März 2016 (Link)

     ______
    Dank
    Ich danke Dominik Lagushkin für seine informative Dokumentation aus dem Jahr 2013 (Link).

    Artikel in Arbeit. 

    Donnerstag, 16. August 2018

    "Eines Morgens wachst Du nicht mehr auf, die Vögel aber singen, wie sie gestern sangen. Nichts ändert diesen Tagesablauf. Nur Du bist fortgegangen. Du bist nun frei, und unsere Tränen wünschen Dir Glück." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

    Pseudo-Goethe-Zitat.
    Dieses angebliche Goethe-Zitat ist fast zur Gänze eine Erfindung des 21. Jahrhunderts und taucht um 2007 das erste Mal in den digitalisierten Texten auf.  Es ist anonymen Ursprungs und wird seit ein paar Jahren auf vielen Traueranzeigen und in einigen Anthologien fälschlich Johann Wolfgang von Goethe zugeschrieben.

    In Goethes Schriften ist dieses Zitat nicht zu finden, worauf auch der Literaturwissenschaftler Ulrich Seelbach in seiner verdienstvollen Sammlung moderner Trauer- und Trostsprüchen hinwies (Link).

    Nur der letzte Satz im Pseudo-Goethe-Gedicht stammt aus einem Trostbrief, den der 21jährige Goethe an seine Großmutter schrieb, als er im Februar 1771 in Straßburg vom Tod seines Großvaters erfuhr:

    Johann Wolfgang von Goethe an seine Großmutter Anna Margaretha Textor, 1771:

    • " ... Er ist nun frey und unsre Tränen wünschen ihm Glück und unsre Traurigkeit versammelt uns um Sie liebe Mama, uns mit Ihnen zu trösten, lauter Hertzen voll Liebe! Sie haben viel verlohren, aber es bleibt Ihnen viel übrig. Sehen Sie uns, lieben Sie uns und seyn Sie glücklich.

      Genießen Sie noch lange auch der zeitlichen Belohnung, die Sie so reichlich an unserm krancken Vater verdient haben, der hingegangen ist es an dem Ort der Vergeltung zu rühmen, und der uns als Denckmale seiner Liebe zurückgelassen hat, Denckmale der vergangnen Zeit, zur traurigen aber doch angenehmen Erinnerung.

      Und so bleibe Ihre Liebe für uns wie sie war, und wo viel Liebe ist, ist viel Glückseeligkeit. Ich bin mit recht warmem Herzen
      Ihr zärtlicher Enckel / J. W. Goethe" (Link)
    Aus: "Er ist nun frey und unsre Tränen wünschen ihm Glück", wurde in dem Pseudo-Goethe-Gedicht: "Du bist nun frei, und unsere Tränen (Variante: Träume) wünschen Dir Glück", aus "Er" wurde "Du" und aus "Tränen" wurden in einigen Versionen des Trauerspruchs "Träume".


    ________
    Quellen:
    Google
    Arbeitsgruppe von Ulrich Seelbach von der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld: "Trauersprüche", 2009
    Lexikon der Goethe-Zitate. Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991
    Goethes Werke. Herausgegeben im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen. IV. Abteilung: Goethes Briefe, Bd. 1–50, Weimar: 1887–1912. Band 1, S. 255 (Link);   (Link)
    wer-weiss-was.de/t/traueranzeigen-psdeudogoethe

    Beispiele für falsche Zuschreibungen an Johann Wolfgang von Goethe:
    Michael George: "Worte und Briefe der Anteilnahme: Musterreden für Trauerfeiern - Textvorlagen für Karten und Briefe - Zitate und Aphorismen", Südwest Verlag, München: 2009 ebook
    Frühe Zuschreibung 2008: wer-weiss-was.de
    _____
    Dank:
    Ich danke Ulrich Seelbach und der unbekannten Kreszenz, die auf Goethes Brief aufmerksam machte.

    Artikel in Arbeit.