Samstag, 20. März 2021

"Glück besteht aus einem hübschen Bankkonto, einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung." Jean-Jacques Rousseau (angeblich)


Pseudo-Jean-Jacques-Rousseau-Zitat.

Dieses Bonmot wird dem 1712 in Genf geborenen Philosophen Jean-Jacques Rousseau auf Englisch seit über 100 Jahren unterschoben und auf Deutsch seit etwa 60 Jahren.

In Rousseaus Werken ("Menschen, seid menschlich, das ist eure vornehmste Aufgabe") ist das humoristische Biedermeier-Bonmot, das Rousseaus Vorstellungen von einem glücklichen Leben fernab der besseren Gesellschaft völlig widerspricht, nicht zu finden.

Entstanden ist das Kuckuckszitat offensichtlich durch eine Verwechslung.

In einem amerikanischen Zeitschriften-Artikel mit mehreren Aphorismen zum Begriff "Happiness" taucht das Zitat 1882 das erste Mal auf und wird - direkt nach einem Rousseau-Zitat - dem französischen Autor Edmond About zugeschrieben:


 1882

  • "Freedom from the tyranny of kings and vices: J. J. Rousseau. — A good bank-account, a good cook, and a good digestion: Edmond About."
Happiness, Popular science monthly, 1882, S. 403  (archive.org)

Vier Jahre danach wird dasselbe Zitat in einer anderen amerikanischen Aphorismus-Sammlung nicht mehr Edmond About zugeschrieben, sondern Rousseau, dessen Namen direkt vor dem Zitat stand. Eine Verwechslung.

1886

 
"Tools Of Speech", 1886, S. 203 (archive.org)
 Und seit dieser offenbar irrtümlich falschen Zuschreibung ohne Quellennachweis gilt das Zitat in vielen amerikanischen Zitatesammlungen als Rousseau-Zitat.

Jahrzehnte danach taucht das Kuckuckszitat auch in deutschsprachigen Zitatesammlungen auf und im 21. Jahrhundert sogar in französischen, inzwischen auch in italienischen und spanischen, allerdings nirgendwo in seriösen.


Varianten des falschen Rousseau-Zitats: 

 

  • "Happiness: a good bank-account, a good cook, and a good digestion."
  • "Glück: ein gutes Bankkonto, eine gute Köchin und eine gute Verdauung."
  • "Glück: ein volles Bankkonto, eine hervorragende Köchin und eine gute Verdauung." 
  • "Glück besteht aus einem soliden Bankkonto, einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung."
  • "Glück besteht aus einem hübschen Bankkonto, einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung." 
  • "Le bonheur c'est un bon compte en banque, une bonne cuisinière et une bonne digestion." 
  • "La felicità: un bel conto in banca, un bravo cuoco e una buona digestione. "
  • "Felicidad: una buena cuenta bancaria, un buen cocinero y una buena digestión."
  1. Pseudo-Jean-Jacques-Rousseau-Zitat.

     
    Pseudo-Jean-Jacques-Rousseau-Zitat.


    Pseudo-Jean-Jacques-Rousseau-Zitat.

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Quellen:
 

Popular science monthly, D. Aplleton an Company, New York: 1882, Vol. XXI, May to October 1882, S. 403  (archive.org) 
Isabella Seiger: "J. -J. Rousseau auf der Suche nach dem Glück", Diplomarbeit, Graz: 2009 (pdf) 
 
Beispiele für falsche Zuschreibungen:
Maturin M. Ballou: "Tools Of Speech", Ticknor and Company, Boston: 1886, S. 203 (archive.org)
Egon Jameson: "ABC der klügsten Sätze" Rowohlt, Reinbek bei Hamburg: 1963, S. 80 (books.google) 
Welttag des Glücks: Die Welt, 20. März 2017 (welt.de)
Welttag des Glücks: ZDF, 20. März 2019 (zdf.de)
Weltglückstag: Deutsche Welle, 20. März 2021 (dw.com)


Artikel in Arbeit.

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Dank:

Ich danke Oliver Weber für seinen Hinweis auf das Falschzitat.

Dienstag, 16. März 2021

"Das Leben hat an und für sich nur Nachteile." Thomas Bernhard (angeblich)

Thomas Bernhard hat in einem Gespräch mit dem ORF-Redakteur Kurt Hofmann nicht gesagt, das Leben habe "nur" Nachteile, sondern das Leben an und für sich habe "lauter" Nachteile, was nicht dasselbe ist.  

 

Thomas Bernhard:

  •  "Ich mein', das Leben hat an und für sich lauter Nachteile. Weil in der Jugend ist es scheußlich, und man ist angegriffen, überall, und man hat keinen Halt, und wenn man einen hat, wird einem die Hand sofort abgehackt."

    Kurt Hofmann: "Aus Gesprächen mit Thomas Bernhard", mit Fotos von Sepp Dreissinger und Emil Fabjan (EA: Löcker Verlag: 1988), Erweiterte Ausgabe,  Deutscher Taschenbuch Verlag, München: 1991, S. 40   (Snippet-Link) ; pdf  S. 13 (Link)

 

 

Artikel in Arbeit.

Sonntag, 14. März 2021

"Der Sturm wird immer stärker. Das macht nichts, ich auch!" Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgren (angeblich)

 

Pseudo-Astrid-Lindgren-Zitat?

 

Dieses angebliche Pippi-Langstrumpf-Zitat ist anscheinend erst ein paar Jahre alt und vor dem Jahr 2015 in keinem digitalisierten Text zu finden.

Bei einer chronologischen Suche durch die Digitalisate taucht das Zitat im Jahr 2016 erstmals in den sozialen Medien auf, zwei Jahre später auch in Zeitungen und erst seit dem Jahr 2020 auch in Büchern  (Link).


Pseudo-Astrid-Lindgren-Zitat.

Da das Zitat in den digitalisierten Werken Astrid Lindgrens weder auf Deutsch, noch auf Schwedisch oder Englisch zu finden ist und von Beginn an ohne seriösen Quellenangabe verbreitet wurde, ist dieses Zitat mit großer Wahrscheinlichkeit ein Kuckuckszitat. Wer es geprägt hat, ist unbekannt.


Artikel in Arbeit.

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Quellen:

23. November 2016 (Twitter) [Früheste Erwähnung des Zitats auf Twitter.]
Lisa Harmann, Katharina Nachtsheim: "WOW MOM: Der Mama-Mutmacher für mehr Ich in all dem Wir"  Fischer ebook, Frankfurt o.J. (2020) (Link) 

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Dank:

Ich danke Martin Anton Müller für die Aufdeckung dieses Kuckuckszitats.

Samstag, 13. März 2021

"Ich glaube jedem, der die Wahrheit sucht. Ich glaube keinem der sie gefunden hat." Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Kurt-Tucholsky-Zitat.
 

Dieses Pseudo-Kurt-Tucholsky-Zitat ist wohl aus einem berühmten Satz des französischen Autors André Gide entstanden, den zum Beispiel auch der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky gerne zitierte:


  • "Glaube denen, die die Wahrheit suchen und zweifle an denen, die sie gefunden haben."
    "Croyez ceux qui cherchent la vérité, doutez de ceux qui la trouvent."

Erstausgabe: 1952.

Der weise Ratschlag steht in André Gides autobiographischem Essay "Ainsi soit-il ou Les jeux sont faits", den er in seinen letzten zwei Lebensjahren verfasst hat und der kurz nach seinem Tod erstmals im Jahr 1952 und später als Anhang zu seinen Tagebüchern publiziert wurde.
 
  • André Gide: " Journal 1939-1949. Souvenirs." Librairie Gallimard, Paris: 1954, S. 1233
    (archive.org).

  • "Ich bringe keine Lehre; ich lehne es ab, Ratschläge zu geben, und in einer Diskussion ziehe ich mich schnell zurück. Aber ich weiß, dass heute viele zaghaft ihren Weg suchen und nicht wissen, wem sie vertrauen sollen. Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben; zweifle an allem, aber zweifle nicht an dir. In den Worten Christi ist mehr Licht als in jedem anderen menschlichen Wort. Dies scheint nicht genug zu sein, um ein Christ zu sein: darüber hinaus muss man glauben. Nun, ich glaube nicht. Nachdem ich das gesagt habe, bin ich dein Bruder."
    André Gide; "Ainsi soit-il ou Les jeux sont faits " (1952) "So Sei Es oder Die Würfel sind gefallen." (1953)

 

Varianten des André Gide-Zitats:

 
  • "Vertrauen Sie denen, die nach der Wahrheit suchen, und misstrauen sie denen, die sie gefunden haben.
  • "Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben."
  • "vertraue (nur) denen die nach der wahrheit suchen"
  • "Man soll denen vertrauen, die Wahrheit suchen,  aber denen misstrauen, die sie gefunden haben."
  • "Traue jedem, der die Wahrheit sucht. Mißtraue jedem, der die Wahrheit gefunden hat!"
  • "Believe those who are seeking the truth; doubt those who find it."  

 

Kurt Tucholsky wurde der Satz etwas verändert erst im 21. Jahrhundert untergeschoben und ist in seinen Werken nicht zu finden, worauf  Friedhelm Greis, ein anerkannter Kenner von Tucholskys Werken, in seinem Sudelblog aufmerksam gemacht hat.

 Das Kuckuckszitat taucht in diesem Wortlaut erstmals 2006 als Motto in einem Buch über die "Optimale Besteuerung riskanter Einkünfte" (Link) auf und wird seit 2009 in den sozialen Medien und seit 2010 in Zeitungen  verbreitet.

Inzwischen gilt der Satz in einigen Online-Zitate-Sammlungen als Kurt-Tucholsky-Zitat und wird auch in Texten gegen Fake-News, also in Texten, die wissenschaftliche Redlichkeit verteidigen wollen, Kurt Tucholsky unterschoben (Link).

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Dass die Suche nach der Wahrheit mehr wert ist als ihr Besitz, hat Gotthold Ephraim Lessing einmal postuliert, und Albert Einstein, Goethe, Kierkegaard sowie Hannah Arendt haben ihm zugestimmt.


Gotthold Ephraim Lessing: "Eine Duplik", 1778

  •  "Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgendein Mensch ist oder zu sein vermeinet, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Werth des Menschen. Denn nicht durch den Besitz, sondern durch die Nachforschung der Wahrheit erweitern sich seine Kräfte, worin allein seine immer wachsende Vollkommenheit bestehet. Der Besitz macht ruhig, träge, stolz –.

    Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir: 'Wähle!' ich fiele ihm mit Demuth in seine Linke und sagte: 'Vater gieb! die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein!'"

    G. E. Lessing: "Über die Wahrheit" (Gutenberg)

 

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Quellen: 

Google  

(archive.org) 

André Gide: "Ainsi soit-il ou Les jeux sont faits " (1952) in:  André Gide: "Journal 1939-1949. Souvenirs." Librairie Gallimard, Paris: 1954, S. 1233 (archive.org).
Friedhelm Greis: "Angebliche Tucholsky-Zitate"  (Sudelblog)
Garson O'Toole: "Believe Those Who Are Seeking the Truth; Doubt Those Who Find It: Václav Havel? André Gide? François Truffaut? Marcel Proust? John Dingell Sr.? Luis Buñuel? Amanda Palmer? Voltaire? Anonymous?", 2013 (quoteinvestigator.com)
Gotthold E. Lessing: "Eine Duplik." (Erstdruck 1778) In: Lessing's sämmtliche Werke, herausgegeben von Richard Gosche, G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, Berlin: 1882, Siebenter Band, S. 286f.
G. E. Lessing: "Über die Wahrheit"(Gutenberg) 
G.K.:  "Die Suche nach Wahrheit ist köstlicher als deren gesicherter Besitz." 2013 (Link)
.wikiquote.org/wiki/Diskussion  [Noch keine Quelle für das Gide-Zitat gefunden.]
 
Beispiele für falsche Zuschreibungen: 

2006: Dirk Schindler: "Optimale Besteuerung riskanter Einkünfte: Das Konzept der Triple Income Tax" Mohr Siebeck, Tübingen 2006, S. 1 (Link) [Das ist die früheste falsche Zuschreibung laut chronologischen Suchen in den digitalisierten Texten. Wie der Autor auf dieses Kuckuckszitat gekommen ist, weiss ich nicht.]
2009: Twitter, 6. Mai 2009 7:30 nachm. (Link)
2010: Kölner Stadt-Anzeiger, Leserforum, 23. Juni 2010 (Link)
2020: Peter Johannes Meier: "Verschwörungsmythen: Das Denken der Anderen", Beobachter, 5. Juni 2020 (beobachter.ch)
 
 
 
 Artikel in Arbeit.
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Dank:
Ich danke Friedhelm Greis für seine Dokumenation falscher Kurt-Tucholsky-Zitate auf seinem auch sonst lesenswerten Sudelblog, Garson O'Toole für seinen gründlichen Artikel zu diesem Zitat und Ralf Bülow für seine Recherchen und seinen Hinweis auf Lessing.
 

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Anhang


  • "Der Umgang mit Wahrheit und Verschwörung reisst offenbar Gräben durch die Gesellschaft. Dagegen hilft vielleicht der Rat des Schriftstellers Kurt Tucholsky (1890–1935): «Ich glaube jedem, der die Wahrheit sucht. Ich glaube keinem, der sie gefunden hat.»"
    Peter Johannes Meier: "Verschwörungsmythen: Das Denken der Anderen" (beobachter.ch)

Dienstag, 23. Februar 2021

"Was nicht trifft, trifft auch nicht zu." Elazar Benyoëtz (Fälschlich oft Karl Kraus zugeschrieben.)

Der Aphorismus "Was nicht trifft, trifft auch nicht zu" stammt von dem österreichisch-israelischen Lyriker und Aphoristiker Elazar Benyoëtz, wie Bernd-Christoph Kämper und M. Wollmann herausgefunden haben.

Mit der falschen Zuschreibung an Karl Kraus hat anscheinend Sozialwissenschaftler  Oskar Negt begonnendie Journalisten Henryk M. Broder und Jan Fleischhauer bevorzugen eine krassere Fassung des falschen Karl-Kraus-Zitats: "Was trifft, trifft auch zu"

Das inzwischen beliebte angebliche Karl-Kraus-Zitat ist weder so noch so ähnlich in den Schriften von Karl Kraus zu finden.

 

Kurze Geschichte des Kuckuckszitats:

Elazar Benyoëtz hat das Zitat in seinem Buch "Worthaltung. Sätze und Gegensätze" 1977 im Münchner Carl Hanser Verlag veröffentlicht: 

1977
  • "Was nicht trifft, trifft auch nicht zu." 
    Elazar Benyoëtz: "Worthaltung. Sätze und Gegensätze." 
    Hanser, München: 1977, S. 9 (Link)
Hans Weigel rezensierte dieses Buch Elazar Benyoëtzs in der FAZ
1977 mit einem Hinweis auf Karl Kraus:
  • "Von naheliegender Beeinflussung durch Karl Kraus (den er gewiß kennt) hält er sich weitgehend fern. Nur ganz wenige seiner Sätze könnten von Kraus sein ('Was nicht trifft, trifft auch nicht zu')." (Link)
Die Feststellung von Hans Weigel in der FAZ, der Aphorismus könnte von Karl Kraus sein, hat vielleicht dazu geführt, dass Oskar Negt und einige andere später irrtümlich meinten, der Aphorismus sei tatsächlich von Karl Kraus. 

Schon ein Jahr nach der Publikation des Aphorismus wird er fälschlich Karl Kraus zugeschrieben:

1978

  • "Karl Kraus hat einmal gesagt: 'Was nicht trifft, trifft auch nicht zu.' Die polemische Schärfe der Kritik ist es nicht, die mich bedrückt."
    "Arbeiterbildung: soziologische Phantasie u. exemplarisches Lernen in Theorie, Kritik u. Praxis." Hrsg. von Oskar Negt, Hans-Dieter Müller und Adolf Brock, Rowohlt, rororo Sachbuch, Reinbek bei Hamburg: 1978, S. 84  (Link)

1984

  • "Wenn Karl Kraus sagt: 'Was nicht trifft, trifft auch nicht zu', dann meint er genau diese durch parteilichen Eingriff in die Verhältnisse vermittelte Wahrheitsfindung."
    Oskar Negt: "Lebendige Arbeit, enteignete Zeit: politische und kulturelle Dimensionen des Kampfes um die Arbeitszeit" Campus Verlag, Frankfurt /New York: 1984, S. 14 (Link)

1987

  • "Dem Satz von Karl Kraus: 'Was nicht trifft , trifft auch nicht zu', gebe ich einen hohen Erkenntniswert."
    Das Argument, Band 29, 1987, Nr. 164-166, S. 495 (Link)

1993 behauptete Oskar Negt in einer Laudatio im SPIEGEL, Rudolf Augstein sei ein "Geistesverwandter" von Karl Kraus und beiden gemeinsam sei das von Kraus formulierte Prinzip: "Was nicht trifft, trifft auch nicht zu". (Link)

 1995

  • "Karl Krauss (!), gewiß einer der schärfsten Zuspitzer und galligsten Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft , hat einmal gesagt: 'Was nicht trifft , trifft auch nicht zu.'" S. 134 (Link)

2007 verteidigt Henryk M. Broder mit diesem Pseudo-Karl-Kraus-Zitat die Moderatorin Eva Herman, allerdings in der Variante: "Was trifft, trifft auch zu" -, und 2010 verteidigt er damit Thilo Sarrazin im SPIEGEL gegen den Vorwurf, rassistisch zu argumentieren.

Den Angestellten des vielgerühmten SPIEGEL-Archivs fällt weder auf, dass der SPIEGEL im Abstand von 14 Jahren zwei verschiedene Versionen des angeblichen Kraus-Zitats druckte, noch, dass beide Versionen in den Schriften von Karl Kraus nicht zu finden sind.

Pseudo-Karl-Kraus-Zitat.

 


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Quellen:
Elazar Benyoëtz: "Worthaltung. Sätze und Gegensätze." Hanser, München: 1977 (Link)
Markus M. Ronner: "Neue treffende Pointen. Ott Verlag, Thun: 1978, S. 272  (Link) [zitiert nach M. Wollmann]
Arbeiterbildung: soziologische Phantasie u. exemplarisches Lernen in Theorie, Kritik u. Praxis. Hrsg. von Oskar Negt, Hans-Dieter Müller und Adolf Brock, Rowohlt, rororo Sachbuch, Reinbek bei Hamburg: 1978, S. 84  (Link)
Oskar Negt: "Lebendige Arbeit, enteignete Zeit: politische und kulturelle Dimensionen des Kampfes um die Arbeitszeit" Campus Verlag, Frankfurt /New York: 1984, S. 14 (Link) 
Das Argument, Band 29, 1987, Nr. 164-166, S. 495 (Link)
Oskar Negt: "Von Menschen und Nachrichten" Der Spiegel 6/1993,  1. November 1993  (Link)
Henryk M. Broder: "Alvin Rosenfeld: Aus kritischer Distanz" 3. März 2007 (henryk-broder.com)
Henryk M. Broder: "Thilo und die Gene. Streitfall Sarrazin: Haben eigentlich alle dasselbe Zeug gekifft?" Der Spiegel, 36/2010, 6. September 2010 (SPIEGEL)
Jan Fleischhauer: "Der Schwarze Kanal: Was Sie schon immer von Linken ahnten, aber nicht zu sagen wagten." Rowohlt, Reinbek bei Hamburg: 2012, digitalbuch (Link)
Henryk M. Broder: "Nehmt Euch in Acht vor den Propagandamedien!"  4. Mai 2016  (achgut.com) 

WikiMANNia



 

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Dank:

Tobias Blanken und Michael Gunzcy verdanke ich den Twitter-Hinweis auf dieses Falschzitat, M. Wollmann und Bernd-Christoph Kämper den Hinweis auf Elazar Benyoëtz.

 

Artikel in Arbeit. Geändert:  15/3 2021; 15/12/2022 (Zusatz Benyoëtz).

Sonntag, 21. Februar 2021

"Das Schöne am Frühling ist, dass er immer dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht." Jean Paul (angeblich)


Pseudo-Jean-Paul-Zitat.

 Das Bonmot "The best thing about spring — it comes when it is most needed" wurde vor mehr als 100 Jahren von einer unbekannten Person in Amerika geprägt und erst im 21. Jahrhundert dem geistreichen deutschen Autor Jean Paul zugeschrieben. In seinen Werken ist der Witz weder so noch so ähnlich zu finden.

Moritz Jacob hat den allerersten Nachweis dieses in vielen amerikanischen Zeitschriften verbreiteten  Witzes auf der Humorseite der Krankenhauszeitschrift "The Edsan Optimist"  gefunden, einer kleinen Zeitschrift für die Patienten eines Sanatoriums in Illinois.

 

"The Edsan Optimist", Vol. 1, Dezember 1918, S. 8 (Link)
 

Die Zuschreibung des Witzes an "Trotty Veck", einer Figur aus Charles Dickens' Gespenstergeschichte "The Chimes"  ("Die Silvesterglocken"), kann nicht ernst gemeint sein. 

(pinterest)
Auf Deutsch taucht der Witz bei einer chronologischen Google-books-Suche das erste Mal - noch ohne Zuschreibung an Jean Paul - im Jahr 1981 auf: .
  • "Das Schöne am Frühling ist, dass er immer dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht."  (Link)

Jean Paul wurde - laut einer  Suche mit der Zeitungssuchmaschine genios.de  - das Zitat das erste Mal  im Jahr 2003 untergeschoben, und diese falsche Zuschreibung wurde ein paar Jahre später auch von anderen deutschen Zeitungen und Online-Zitatesammlungen übernommen.


Pseudo-Jean-Paul-Zitat.

 

Vereinzelt wird das Zitat auch fälschlich Achim von Arnim zugeschrieben (Link).

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Quellen:

Google
archive.org
"The Edsan Optimist", Edward Sanatorium  (Naperville, Illinois) Vol. 1 Dezember 1918, S. 8 (Link)

1926: (Link)
1981: (Link)
 
Frühe falsche Zuschreibungen an Jean Paul:
2003: Trierischer Volksfreund, 22.03.2003  SPRUCH ZUM TAG... genios.de  (kostenpflichtig; die Suchwörter werden leider nicht gespeichert.) 
2004: Berliner Morgenpost, 18.03.2004 genios.de  (kostenpflichtig)
2013: TAZ 02.03.2013 genios.de  (kostenpflichtig) 

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Dank:

Ich danke Zenon für seine Frage zu diesem Kuckuckszitat und Moritz Jacob für seine Recherchen. 


Artikel in Arbeit.

 

Samstag, 20. Februar 2021

"Der niederträchtigste aller Schurken ist der Heuchler, der dafür sorgt, daß er in dem Augenblick, wo er sich am fiesesten benimmt, am tugendhaftesten auftritt.“ Marcus Tullius Cicero (angeblich)

Paraphrase eines Cicero-Zitats.
 

Dieses angebliche Cicero-Zitat ist keine wortgetreue Übersetzung, sondern eine vor kaum fünf Jahren entstandende Paraphrase des folgenden Satzes aus Ciceros Werk "De officiis" ("Vom rechten Handeln"):

 

M. Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln" 1,41,4; 44 v. Chr.:

  • "Totius autem iniustitiae nulla capitalior quam eorum, qui tum, cum maxime fallunt, id agunt, ut viri boni esse videantur."    (Link)
  • "Von aller Ungerechtigkeit aber ist keine todeswürdiger als die derjenigen, die dann, wenn sie besonders täuschen, darauf aus sind, gute Männer zu scheinen." 
    Übersetzung:
    Karl Büchner.

    Marcus Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln." Lateinisch und deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Karl Büchner. Artemis u. Winkler (Sammlung Tusculum),
    4. Auflage, München, Zürich: 1994, 1,41,4, S. 39f. (Link)

  • "Von allem Unrecht aber ist keines sträflicher als das derjenigen, die sich mühen, während sie die ärgsten Betrüger sind, den Anschein ehrlicher Männer zu geben."
    Übersetzung: gottwein.de

  • "But of all forms of  injustice, none is more flagrant than that of the hypocrite who, at the very moment when he is most false, makes it his business to appear virtuous."
    Übersetzung: Walter Miller (perseus.tufts.edu)

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Quellen:

Marcus Tullius Cicero: "Vom rechten Handeln." Lateinisch und deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Karl Büchner. Artemis u. Winkler (Sammlung Tusculum), 4. Auflage, München, Zürich: 1994, 1,41,4, S. 39f. (Link)

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Dank:

Ich danke Rainer Venino für seine Frage zu diesem Zitat und für seine Entdeckung des lateinischen Originals.