Dienstag, 11. September 2018

"Auschwitz beginnt da, wo einer im Schlachthaus steht und denkt, es sind ja nur Tiere." Theodor W. Adorno (angeblich)

Pseudo-Theodor-W.-Adorno-Zitat.

Dieses durch PETA-Kampagnen für Tierrechte inzwischen in vielen Sprachen weltweit verbreitete Zitat wurde anscheinend erstmals 1992 von der damals noch grünen Abgeordneten Vera Lengsfeld im Deutschen Bundestag dem Philosophen Theodor W. Adorno unterschoben:


Vera Wollenberger / Lengsfeld (Bündnis 90/GRÜNE), Deutscher Bundestag, 8. Mai 1992; Pseudo-Adorno-Zitat.

 

Man sucht seit mehr als 15 Jahren vergeblich nach einer seriösen Quelle für das Zitat, und Kennerinnen und Kenner der Schriften Adornos haben es weder in seinen Werken noch in seinen Briefen oder Interviews gefunden (Link).

Das Zitat ist also ein Falschzitat, aber es ist doch nicht völlig "frei erfunden" , da es als verkürzende Paraphrase einiger Gedanken Theodor W. Adornos zum Verhältnis von Tier und Mensch verstanden werden kann.

Adorno analysiert in seiner "Minima Moralia" unter dem Titel "Menschen sehen dich an" die Verwendung der Floskel, "es ist ja bloß ein Tier", mit der die Schmerzen von Tieren bagatellisiert und Tiere unter die gefühllosen Sachen eingereiht werden.

Diese Floskel wurde im Falschzitat mit dem berühmten Grundsatz der "Erziehung nach Auschwitz" Adornos, "daß Auschwitz nicht noch einmal sei", in Zusammenhang gebracht.

In den Kommentaren der "Süddeutschen Zeitung" (Link) und des "Spiegel" (Link) zum angeblichen Adorno-Zitat auf den Peta-Plakaten wurde - so wie in anderen Zeitungsberichten - nicht darauf hingewiesen, dass es Theodor W. Adorno nur unterschoben wurde.

Theodor W. Adorno

 1951
  •  "Menschen sehen dich an. Die Entrüstung über begangene Grausamkeiten wird um so geringer, je unähnlicher die Betroffenen den normalen Lesern sind, je brunetter, ‹schmutziger›, dagohafter. Das besagt über die  Greuel selbst nicht weniger als über die Betrachter. Vielleicht ist der gesellschaftliche Schematismus bei der Wahrnehmung bei den Antisemiten so geartet, daß sie die Juden überhaupt nicht als Menschen sehen. Die stets wieder begegnende Aussage, Wilde, Schwarze, Japaner glichen Tieren, etwa Affen, enthält bereits den Schlüssel zum Pogrom.

    Über dessen Möglichkeit wird entschieden  in dem Augenblick, in dem das Auge eines tödlich verwundeten Tiers den Menschen trifft. Der Trotz, mit dem er dieses Bild von sich schiebt – ‹es ist ja bloß ein Tier› –, wiederholt sich unauf­haltsam in den Grausamkeiten an Menschen, in denen die Täter das ‹Nur ein Tier› immer wieder  sich bestätigen müssen, weil sie es schon am Tier nie ganz glauben konnten.

    In der repressiven  Gesellschaft ist der Begriff des Menschen selber eine Parodie der Ebenbildlichkeit. Es liegt im Mechanismus der ‹pathischen Projektion›, daß die Gewalthaber als Menschen nur ihr eigenes  Spiegelbild wahrnehmen, anstatt das Menschliche gerade als das Verschiedene zurückzuspiegeln.

    Der Mord ist dann der Versuch, den Wahnsinn solcher falschen Wahrnehmung durch größeren Wahnsinn immer wieder in Vernunft zu verstellen: was nicht als Mensch gesehen wurde und doch  Mensch ist, wird zum Ding gemacht, damit es durch keine Regung den manischen Blick mehr widerlegen kann."

    Theodor W. Adorno: Minima Moralia, 1951, 2004 S. 118 f.

1965

1966
  • "Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen. Ich kann nicht verstehen, daß man mit ihr bis heute so wenig sich abgegeben hat."
     
    Theodor W. Adorno: "Erziehung nach Auschwitz", 1966, 1993 (Link)
 1967?
  • "Die ethi­sche Würde bei Kant ist eine Differenzbestimmung. Sie richtet sich gegen die Tiere. Sie nimmt tendenziell den Menschen von der Schöpfung aus und damit droht ihre Humanität un­ablässig in Inhumanität umzuschlagen.

    Fürs Mitleid läßt sie keinen Raum. Nichts ist dem Kantianer verhaßter als die Erinnerung an die Tierähnlichkeit des Menschen. Deren Tabuierung ist allemal im Spiel, wenn der Idealist auf den Materialisten schimpft. Die Tiere spielen fürs idealistische System virtuell die gleiche Rolle wie die Juden fürs faschistische."

    Theodor W. Adorno: "Ad Beethoven", 1967?, 1993, S. 123-124 (fragment 202)

 Varianten des Pseudo-Adorno-Zitats:

  • "Auschwitz beginnt, wenn wir sagen: es sind ja nur Tiere."
  • "Auschwitz fängt da an, wo einer steht und denkt, es sind ja nur Tiere.  
  • "Auschwitz beginnt da, wo einer im Schlachthaus steht und denkt, es sind ja nur Tiere."
  • "Auschwitz fängt da an, wo einer im Schlachthof steht und sagt, es sind ja nur Tiere"
  • "Auschwitz begins wherever someone looks at a slaughterhouse and thinks: they're only animals."
  • "Auschwitz begins whenever someone looks at a slaughterhouse and thinks: They are only animals."
  • « Auschwitz commence quand quelqu'un regarde un abattoir et pense : ce ne sont que des animaux. "
  • "Auschwitz comienza cuando alguien mira un matadero y piensa: son sólo animales."
  • "Auschwitz, bir insan mezbahaya bakıp "ama onlar hayvan" dediği zaman başlar." 
Pseudo-Adorno-Zitat.

Pseudo-Adorno-Zitat.
 
Pseudo-Adorno-Zitat.


 

 

 

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Quellen:

Theodor W. Adorno: "Beethoven, Philosophie der Musik, Fragmente und Texte", hrsg. von Rolf Tiedemann, Suhrkamp, Frankfurt am Main: 1993, S. 123-124 (fragment 202)
Theodor W. Adorno: Minima Moralia, 1951, 2004 S. 118 f. 
Theodor W. Adorno: Offener Geburtstagsbrief an Horkheimer, 1965 zeit.de/1965/07/offener-brief-an-max-horkheimer
Theodor W. Adorno: "Erziehung nach Auschwitz", 1966, 1993 (Link)
 Abgeordnete Vera Wollenberger (Bündnis 90/GRÜNE), Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll - 12. Wahlperiode - 92. Sitzung, 8. Mai 1992, Bonn: 1992,  S. 7553 (Link)
Marcel Sebastian, Julia Gutjahr: "Das Mensch-Tier-Verhältnis der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule" in: Gesellschaft und Tiere: Soziologische Analysen zu einem ambivalenten Verhältnis herausgegeben von Birgit Pfau-Effinger, Sonja Buschka, S. 97ff.; S. 104 Anmerkung (Link)
Spiegelredaktion: "Kampagnen - Ein Krieg für Tiere", DER SPIEGEL 12/2004, 15. März 2004 (Link)
Gustav Seibt: "Die Holocaust-Plakate von Peta  - Vegetarische Moral", Süddeutsche Zeitung, 19. Mai 2010 (Link)
Frederik van Gelder, Institut für Sozialforschung, J.W.-Goethe-Universität, 10. Juli 2003: " I can say with certainty that there is no such quote in Adorno. Not in the Gesammelte Schriften, not in the Nachlassbaende, not in the 'Adorno-Blaetter'. What you've got here is simply apocryphal." h-net.msu.edu
Wikipedia Talk
Horkheimer: books.google

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Dank:
Ich danke Julia Gutjahr und Marcel Sebastian für ihre profunde Analyse: "Das Mensch-Tier-Verhältnis der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule".
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Artikel in Arbeit.
  • "Das Vivisektionslabor ist ein Übungsfeld für die Todeslager. Der Impuls totalitärer Sadisten, ihre künftigen Opfer als Mitglieder fremder Rassen zu etikettieren, war dadurch motiviert, daß Rasse als eine natürliche statt soziale Kategorie galt."
    Horkheimer an Red N. Healey 22. Mär
    z 1945

Sonntag, 9. September 2018

"Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen.“ Platon (angeblich)

Pseudo-Platon-Zitat.
Dieses Pseudo-Platon-Zitat, das als Motto in der Eingangssequenz des amerikanischen Kriegsfilms "Black Hawk Down" (2001) weltweit verbreitet wurde, hat der amerikanische Philosoph George Santayana ohne Zuschreibung an Platon im Jahr 1922 geprägt (Link).

In einem Text aus dem klassischen Athen ist das Zitat weder so noch so ähnlich gefunden worden, wie zum Beispiel auch Bernard Suzanne in seinem informativen Blog "Plato dialogues" bestätigt.

Der hochdekorierte Fünfsternegeneral Douglas MacArthur war einer der Ersten, oder der Erste, der diesen Aphorismus George Santayanas im Jahr 1962 bei seiner in Amerika berühmten Abschiedsrede in West Point dem griechischen Philosophen Platon unterschob (Link)

Vielleicht wurde das Zitat aber erstmals im Londoner "Imperial War Museums" irrtümlich Plato zugeschrieben (Link), und General Douglas MacArthur hat das Pseudo-Platon-Zitat von dort übernommen.

Der 1863 in Spanien geborene amerikanische Philosoph George Santayana ist im deutschen Sprachraum kaum bekannt, war aber in England und Amerika als "katholischer Atheist" sehr einflussreich, wie man in den Biographien von Bertrand Russell, Gertrude Stein, T. S. Eliot und Robert Frost nachlesen kann.

In seinem Buch "Selbstgespräche in England .." (Soliloquies in England ..) denkt Santayana in einem irischen Pub in Tipperary über die fröhlichen Männer um ihn herum nach, die nach dem Ersten Weltkrieg glauben, dieser Krieg sei der letzte Krieg gewesen und alles sei vorüber.

Santayana, 1922:

  • "Doch die armen Kerle glauben, sie seien sicher! Sie denken, dass der Krieg - vielleicht der letzte von allen - vorbei ist!

    Nur die Toten sind sicher; nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen."
  • "Yet the poor fellows think they are safe! They think that the war - perhaps the last of all - is over!

    Only the dead are safe; only the dead have seen the end of war."


    George Santayana, "Soliloquies in England and Later Soliloquies", 25. Tipperary, 1922 (Link)

MacArthur, 1962:

  • "This does not mean that you are warmongers. On the contrary, the soldier above all other people prays for peace, for he must suffer and bear the deepest wounds and scars of war. But always in our ears ring the ominous words of Plato, that wisest of all philosophers: "Only the dead have seen the end of war."
    Douglas MacArthur: Farewell to West Point, 12. Mai 1962 (Link);  (Link)

Pseudo-Plato quote.
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Quellen:
George Santayana: "Soliloquies in England and Later Soliloquies", Charles Scribner's sons, New York: 1922, (25. Tipperary) S. 102 (Link)
Bernard Suzanne: "Did Plato write 'Only the dead have seen the end of war'?", 2002 Plato dialogues
Wikiquote

Beispiele für falsche Zuschreibungen an Platon:
1962: General Douglas MacArthur's Farewell Speech. Given to the Corps of Cadets at West Point,  May 12, 1962   (Link)
Imperial War Museums
2001:  Eingangssequenz des  Films "Black Hawk Down" Youtube
Diverse Online-Zitatsammlungen.

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Ich danke Ralf Bülow für den Hinweis auf das Foto vom "Imperial War Museum".

Montag, 3. September 2018

"Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete; er kennt weder Gründe noch Gegengründe und glaubt sich immer im Recht." Ludwig Feuerbach (angeblich)


Pseudo-Ludwig-Feuerbach-Zitat.
Dieser Aphorismus des Malers Anselm Feuerbach wird seit Jahrzehnten öfters seinem Onkel, dem Philosophen Ludwig Feuerbach, gegen den die "Thesen über Feuerbach" von Karl Marx (mit der berühmten 11. These) gerichtet waren, unterschoben.



Anselm Feuerbach, 1878


  • "Ein gutes Wort wirkt schöpferisch und erweckt neue Ideen. Eine alberne Bemerkung kann eine ganze Saat verwüsten.

    Tadeln ist leicht, deshalb versuchen sich so viele darin. Mit Verstand loben ist schwer, darum tun es so wenige.

    Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete; er kennt weder Gründe noch Gegengründe und glaubt sich immer im Recht.

    Das echte Kunstwerk bedarf keiner Vermittlung. Es spricht oder schweigt, je nach der Natur des Beschauers."

    Anselm Feuerbach: "Kunstkritik" (Link)

Unvollständiges Anselm-Feuerbach-Zitat.
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Quellen:
Anselm Friedrich Feuerbach: "Ein Vermächtnis von Anselm Feuerbach." Herausgegeben von Henriette Feuerbach, Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin: 1878, S. 271 (Link); Kurt Wolff Verlag, Leipzig: 1920 (Link)
Marx-Engels Werke, Band 3,  Dietz Verlag, Berlin: 1969, Seite 5ff. (Link)


Beispiele für falsche Zuschreibungen an Ludwig Feuerbach:
1968: "Die besten Regeln der Rhetorik aus zwei Jahrtausenden: Aussprüche zur Redekunde in der systematischen Anordnung eines Lehrbuchs", Econ Verlag, Düsseldorf/ Wien: 1969, S. 168  (Link)
2009: Stefan Knischek: "Lebensweisheiten berühmter Philosophen: 4000 Zitate von Aristoteles bis Wittgenstein", Humboldt, 8. Auflage, Hannover: 2009, S. 104 (Link)
gutzitiert.de
zitate.eu



Donnerstag, 30. August 2018

"Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!" Theodor Körner (angeblich)

Broschüre, hrsg. von Joseph Goebbels, 1943, © Deutsches Historisches Museum, Berlin.

Der Wortlaut dieses Appells stammt von Joseph Goebbels, dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, und war der Titel und der Schlußsatz seiner sogenannten Sportpalastrede, mit der er - kurz nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Stalingrad - in dem mit Nazi-Parolen und Nazi-Symbolen geschmückten Berliner Sportpalast den baldigen deutschen Sieg verkündete und phrasenreich für den "totalen Krieg" warb.
  • "Die Nation ist zu allem bereit. Der Führer hat befohlen, wir werden ihm folgen. Wenn wir je treu und unverbrüchlich an den Sieg geglaubt haben, dann in dieser Stunde der nationalen Besinnung und der inneren Aufrichtung. Wir sehen ihn greifbar nahe vor uns liegen; wir müssen nur zufassen. Wir müssen nur die Entschlusskraft aufbringen, alles seinem Dienst unterzuordnen. Das ist das Gebot der Stunde. Und darum lautet von jetzt ab die Parole: Nun, Volk, steh auf und Sturm brich los!"

    J. Goebbels, Berlin, Sportpalast, 18. Februar 1943 (Link)

Goebbels' Imperativ geht auf die erste Zeile des 1813 entstandenen patriotischen Gedichts "Männer und Buben" Theodor Körners zurück, die im Indikativ steht: "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los".

Am Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurde diese Zeile oft in der Nazi-Propaganda verwendet, auch zum Beispiel in dem teuersten und aufwendigsten Nazi-Propagandafilm "Kolberg", der erst 1945 in die deutschen Kinos kam.

Die Goebbels-Parole, "Nun, Volk, steh auf und Sturm, brich los!", mit der Goebbels versuchte die deutsche Bevölkerung zu überreden, die in Stalingrad geschlagene Wehrmacht noch mehr zu unterstützen, wird heute gerne von rechtsextremen und AfD/FPÖ-nahen AktivistInnen auf Facebook und Twitter verbreitet und manchmal fälschlich Theodor Körner zugeschrieben.



 Theodor Körner, 1813, "Männer und Buben", 1. Strophe


"Das Volk steht auf, der Sturm bricht los;
Wer legt noch die Hände feig in den Schoß?
Pfui über dich Buben hinter dem Ofen,
Unter den Schranzen und unter den Zofen!

Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;
Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,
Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,
Und deutscher Wein erquickt dich nicht.
   Stoßt mit an,
   Mann für Mann,
   Wer den Flamberg schwingen kann!"
(gutenberg.spiegel.de)

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Quellen:
Deutsches Historisches Museum, Berlin: "Nun, Volk, steh auf und Sturm brich los"  dhm.de
"Kolberg", Film von Veit Harlan im Auftrag von J. Goebbels, 1945, Ausschnitt  youtube.com/
Spiegelredaktion: "Nun Volk",  SPIEGEL 46/1967, 16. November 1967 (spiegel.de)
Peter Longerich:  "Goebbels' Sportpalastrede - Stiller Staatsstreich", 2011  (Link)
Joseph Goebbels: "Der steile Aufstieg. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1942/43" Hrsg. von M.A. v. Schirmeister, Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München: 1944, 167-204 (Mit fehlenden Kommata im Zitat.) (Link)
Theodor Körner: "Männer und Buben", 1813 
Wikipedia
Facebook; Twitter 
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Dank an die Wikipedia-MitarbeiterInnen für ihren ausführlichen Artikel zur Sportpalastrede.

Dienstag, 28. August 2018

"Erfolg hat 3 Buchstaben: TUN!" Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

Pseudo-Johann-Wolfgang-von-Goethe-Zitat.

 Dieses angebliche Goethe-Zitat wurde Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 2005 - also mehr als 170 Jahre nach seinem Tod - erstmals unterschoben.


Entstanden ist dieser Motivationsspruch einer unbekannten Autorin anscheinend ein paar Jahre davor ohne Zuschreibung an Goethe.

In den digitalisierten Werken Goethes ist dieses Kuckuckszitat so wenig zu finden wie in seriösen Nachschlagwerken.

Das Wort "tun"  hatte übrigens zur Zeit Goethes vier Buchstaben. Bis zum Beginn des 20 Jahrhunderts schrieb man "thun": ich thue, du thust, er thut. 

Erst im Juni 1901 bei der Berliner Orthographischen Konferenz wurde der generelle Wegfall der th- Schreibung in deutschen Wörtern beschlossen.

Hätte Johann Wolfgang Goethe den Slogan geprägt, hätte er geschrieben: Erfolg hat vier Buchstaben: THUN!

 

Pseudo-Johann-Wolfgang-von-Goethe-Zitat.



Die englische Version des Zitats, "Success has 2 Letters - DO", ist kaum 10 Jahre alt und wird selten Goethe unterschoben.  

 

Vielleicht ist das angebliche Goethe-Zitat aus folgendem Satz eines unbekannten Autors oder einer Autorin mit den Siglen A. M. aus dem Jahr 1924 entstanden:

 

1924

  • "Your religion has two letters — d-o; mine has four — d-o-n-e." (books.google)

 


Varianten:


  • "Das Gesetz hat drei Buchstaben: TUN." (1994)
  • "Jemand  hat  einmal gesagt: 'Religion  besteht grundsätzlich aus drei Buchstaben: t u n – tun, tun, tun!'"
  • "Erfolg hat drei Buchstaben: TUN!"  
  • "Erfolg hat 3 Buchstaben: TUN!"
Pseudo-Johann-Wolfgang-von-Goethe-Zitat.



 

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Quellen:
"Lexikon der Goethe-Zitate" Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991
simonsegur: "Warum wir das Zitieren wieder lernen müssen!", 2017 (einbuchwiekingsturm)
1994: "Das Gesetz hat drei Buchstaben: TUN" pdf 
2000: Andreas Ackermann: "Easy zum Ziel: Wie man zum mentalen Gewinner wird", CH-Anwil: 2000, S. 3 (bislang früheste Erwähnung; ohne Zuschreibung an Goethe) pdf
2005: forum.oeh-wu.at  (ohne Zuschreibung an Goethe)
2006: Religion, S. 60 pdf

Beispiele für falsche Zuschreibungen an J.W. v. Goethe 
2005: montignac-forum.com
2006: books.google 
2008: sprueche-und-zitate.blogspot.com/2008
2012:  kurier.at
2014: books.google

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Dank:

Ich danke John Reddick für den Hinweis auf die alte Rechtschreibung.

1924
"Your religion has two letters — d-o; mine has four — d-o-n-e." The "two-letter" religion is the religion of the day. It is the religion of the multitudes. Do, work, pray, strive, give, resolve, renounce are the keywords of the two- letter religion."
books.google