Mittwoch, 19. September 2018

"Wenn die Fakten nicht zur Theorie passen, ändere die Fakten." Albert Einstein (angeblich)

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.
Dieses Pseudo-Einstein-Zitat taucht erstmals vor etwa 25 Jahren im Usenet auf und wurde durch einen Tweet von Ivanka Trump berühmt und oft verspottet, da das Zitat wie eine geheimes Prinzip von Donald Trumps Präsidentschaftswahlkampf klingt.


Entstanden ist dieses Pseudo-Einstein-Zitat, das in zeitgenössischen  Quellen Einsteins nicht zu finden ist, wahrscheinlich als Variante eines Satzes, der dem Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel oft unterschoben wird:

Vielleicht hat sich aber das Pseudo-Einstein-Zitat aus Maier's zynischem "Law" entwickelt:
  • "Wenn die Fakten nicht zur Theorie passen, müssen sie entsorgt werden."
  • "If the facts do not conform to the theory, they must be disposed of."
    Maier's Law, 1960 (Danke, Ralf Bülow, für diesen Hinweis).

Von Albert Einstein ist eine nicht ganz ernst gemeinte Bemerkung über das Verhältnis von Theorie und beobachtbaren Tatsachen durch seine langjährige Briefpartnerin llse Rosenthal-Schneider überliefert.

Im November 1919 wird Albert Einstein von der jungen Philosophin llse Rosenthal-Schneider gefragt, was er gemacht hätte, wenn Astronomen seine Theorie der Lichtbrechung durch die Gravitation der Sonne nicht bestätigt hätten. Albert Einstein antwortet:   
  • "Da könnt’ mir halt der Liebe Gott leid tun. Die Theorie stimmt doch."
    Albert Einstein, 1919
    (Link)

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.
Pseudo-Albert-Einstein quote.

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Twitter:




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Quellen:
Google
llse Rosenthal-Schneider:  "Begegnungen mit Einstein, von Laue und Planck: Realität und wissenschaftliche Arbeit", EA: 1980,  übersetzt von Helmut Kühnelt, Vieweg, Braunschweig/ Wiesbaden: 1988, S. 60 books.google.
Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011, Rubrik: "Probably not by Einstein", S. 483 (Link)
"Gaither's Dictionary of Scientific Quotations", herausgegeben von Carl C. Gaither und Alma E. Cavazos-Gaither, Springer, New York etc.: 2012, second edition, S. 788 (Link) 
Google
quora.com
1996: groups.google (ohne Zuschreibung an Einstein)
Falsche Zuschreibungen an Albert Einstein: 
1992: groups.google Zuschreibung an Einstein

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Artikel in Arbeit. Letzte Änderung 20/12 2020.


Sonntag, 16. September 2018

„Es gibt Leute, die gut zahlen, die schlecht zahlen, Leute, die prompt zahlen, die nie zahlen, Leute, die schleppend zahlen, die bar zahlen, abzahlen, draufzahlen, heimzahlen – nur Leute, die gern zahlen, die gibt es nicht." Georg Christoph Lichtenberg (angeblich)

Pseudo-Lichtenberg-Ziat.

Dieses angebliche Lichtenberg-Zitat scheint im Jahr 2003 für das Buch "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte" erfunden worden zu sein, und wird seitdem auch durch andere Management-Ratgeberbücher und Online-Zitatsammlungen verbreitet.

Das dem Göttinger Physiker und Mathematiker Georg Christoph Lichtenberg unterschobene Zitat ist - wie die Göttinger Lichtenberg-Gesellschaft mitteilt - in keiner seiner Schriften zu finden (pdf) .

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Quellen:
Lichtenberg-Gesellschaft: "'Lichtenbergs Enten.' Fälschlich Georg Christoph Lichtenberg zugeschriebene Zitate." pdf

Beispiele für falsche Zuschreibungen:

Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 43 (Link)
Bert Forschelen: "Kompendium der Zitate für Unternehmer und Führungskräfte: Über 5000 Aphorismen für Reden und Texte im Management.", Springer Gabler, Wiesbaden: 2017, S. 496 (Link)
Lexikus.de
Zitate.net
 

Samstag, 15. September 2018

"Im Grunde kehrt alles Große in der Welt auch im Kleinen wieder, wenn man es nur erkennen will." Alexander von Humboldt (angeblich)

Dieser Satz aus einem Brief des deutschen Gelehrten, Diplomaten und Bildungsreformers Wilhelm von Humboldt an seine Frau wird manchmal irrtümlich seinem Bruder, dem Naturforscher Alexander von Humboldt zugeschrieben.


 Wilhelm von Humboldt an Caroline von Humboldt,
Tegel, 12. Dezember 1820

  • " ... Es war im Walde unendlich melancholisch. Außer dem Hämmern eines Spechts hört man nichts Lebendiges. Nur das Rauschen in den Wipfeln. Aber der See ist dagegen viel lebhafter. Er stürmt ordentlich, und der Kontrast der überschwemmten und ruhigen Wiesen erinnert einen an die Lagunen. Im Grunde kehrt alles Große in der Welt auch im Kleinen wieder, wenn man es nur erkennen will."

    Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Band 7,  S. 76 (Link)
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Quellen:
Google
Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Band 7,  Mittler und Sohn, Berlin: 1905; 1916, S. 76 (Link) 
 Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, digitalisiert von Christian Mittag: m-tag.de


Freitag, 14. September 2018

"Alter bringt nicht immer Weisheit mit sich. Manchmal kommt es auch allein." Mark Twain (angeblich)

Pseudo-Mark-Twain-Zitat.
Dieser Aphorismus wird auf Deutsch im 21. Jahrhundert Mark Twain unterschoben, auf Englisch wird er seit dem Jahr 1995 dem amerikanischen Comedian und Schauspieler Tom Wilson zugeschrieben, und nicht Mark Twain.



Das anonyme Sprichwort, "Wisdom does'nt necessarily come with age", ist schon viele Jahrzehnte länger nachweisbar, die Pointe des zweiten Satzes, "Sometimes age just shows up all by itself", erst seit 1995.

Auch deswegen kann das Zitat nicht von Mark Twain, dem in den letzten Jahrzehnten hunderte Witze unterschoben wurden, stammen.

  • "Wisdom doesn't necessarily come with age. Sometimes age just shows up all by itself."
    Tom Wilson (erstmals zugeschrieben: 1995, Readers Digest)

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Quellen:
"The Quotable Mark Twain: His Essential Aphorisms, Witticisms a. Concise Opinions", hrsg. von R. Kent Rasmussen,  McGraw-Hill Education, New York etc.: 1998, ebook, "age" (Link) (Keine Erwähnung des Zitats.)
1944: books.google
1995: Readers Digest Google (Readers Digest ist eine problematische Quelle, die auch Falschzitate verbreitet.)
1997: Readers Digest, "Quotable Quotes", S. 30 (Link)
2008: John Lloyd, John Mitchinson: "If Ignorance Is Bliss, Why Aren't There More Happy People? Smart Quotes for Dumb Times." Harmony Books, New York: 2008, S. 342, 399

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
aphorismen.de/zitat/10877
gutezitate.com/zitat/242465
1000-zitate.de


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Dank:
Ich danke Ralf Bülow sehr für seinen Tom-Wilson-Fund und für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat. 

Donnerstag, 13. September 2018

"In dem Augenblick, in dem ein Mensch den Sinn und den Wert des Lebens bezweifelt, ist er krank." Sigmund Freud (angeblich)

Etwas entstelltes Sigmund-Freud-Zitat.
Dieses verkürzte und etwas entstellte Zitat (zum Beispiel: Augenblick statt: Moment, Mensch statt: man, bezweifelt statt: fragt) stammt aus einem Brief des 81jährigen Sigmund Freud an seine zur Freundin gewordenen ehemaligen Patientin Marie Bonaparte, deren Buch "Topsy - Der goldhaarige Chow", Freud bald gemeinsam mit seiner Tochter Anna übersetzen wird.

In diesem Buch für Hundefreunde beschreibt Marie Bonaparte, wie ihr Lieblingshund Topsy wegen einer lebensbedrohenden Geschwulst am Maul erfolgreich bestrahlt und wieder gesund wird.

Der Gaumenkrebs Sigmund Freuds wurde trotz Operationen und Bestrahlungen nicht mehr besser. Freud starb 2 Jahre später in London. Der Begründer der Psychoanalyse hat seine Schmerzen gerne klein geredet und auch in diesem Brief redet er von den "kleinen Leiden", die "man am besten im freundschaftlichen Gedankenaustausch" vergessen kann.

Der berühmte Brief des ironischen Skeptikers scheint eine Antwort auf die Frage Marie Bonapartes nach dem Sinn des Lebens zu sein ("Großartig sind meine Aufklärungen gewiß nicht"), und sollte inklusive der Frage, 'Why live, if you can be buried for ten Dollars?', vollständig und korrekt zitiert werden:


Sigmund Freud

  • "Im Moment, da man nach Sinn und Wert des Lebens fragt, ist man krank, denn beides gibt es ja in objektiver Weise nicht; man hat nur eingestanden, daß man einen Vorrat von unbefriedigter Libido hat, und irgend etwas anderes muß damit vorgefallen sein, eine Art Gärung, die zur Trauer und Depression führt. Großartig sind meine Aufklärungen gewiß nicht. Vielleicht weil ich selbst zu pessimistisch bin. Mir geht ein 'advertisement' im Kopf herum, das ich für das kühnste und gelungenste Stück amerikanischer Reklame halte:
    'Why live, if you can be buried for ten Dollars?'"

    Sigmund Freud an Marie Bonaparte, 13. August 1937


Sigmund Freud, Briefe 1873-1939, S. 452


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Anmerkungen:
Lün und Topsy sind Hunde (Chows).
Die Reklame, "Why live ...", könnte Sigmund Freud 1930 in der "Weltbühne" (Nr.3, S. 114) gelesen haben.
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Quellen:
Sigmund Freud: "Briefe 1873-1939", herausgegeben von Ernst und Lucie Freud, S. Fischer, Frankfurt am Main: 1960, 3. korr. Auflage, S. 452 
Marie Bonaparte: "Topsy - Der goldhaarige Cow", übersetzt von Anna und Sigmund Freud, Allert de Lange, Amsterdam: 1939  (archive.org)
"Die Weltbühne", XXVI. Jahrgang, Nr 3., 14. Januar 1930, Band 26, 1. Halbjahr, Verlag der Weltbühne: Berlin: 1930, S. 114  (books.google)


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Artikel in Arbeit.








(Link)

Sigmund Freud: Werke Freud-online.de/Texte/PDF

Brief-Zitate pdf 

"In der Gefahr wächst das Rettende auch." Friedrich Hölderlin (angeblich)

Die berühmten Zeilen Hölderlins, "Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch", aus der ersten Strophe seiner 15strophigen Hymne "Patmos", wird von Leuten ohne Sinn für Sprachrhythmus leider oft entstellt wiedergegeben:

Beispiele für Verunstaltungen:

  • "In der Gefahr wächst das Rettende auch."
  • "Mit der Gefahr wächst das Rettende auch."
  • "Denn mit der Gefahr wächst das Rettende auch."  
  • "Da, wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch".
  • "In der Not wächst das Retttende auch." 
  • "Und wo die Not am größten, wächst das Rettende doch".
  • "Aber wo die Not am größten ist, sagt Hölderlin, da wächst das Errettende auch." 

Friedrich Hölderlin,  1803/1808:

                  Patmos


  • "Nah ist
    Und schwer zu fassen der Gott.

    Wo aber Gefahr ist, wächst

    Das Rettende auch."


Friedrich Hölderlin: Patmos / Dem Landgrafen von Homburg, Manuskript 1803, Stroemfeld,  S. 427 (Link)


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Quellen:
Google
Twitter  
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke, Frankfurter Ausgabe, hrsg. von D.E. Sattler, Band 7, Gesänge, Stroemfeld/Roter Stern, Frankfurt am Main / Basel: 2000; Patmos, Manuskript 1803,  S. 427 (Link)
Friedrich Hölderlin: Patmos zeno.org
Friedrich Hölderlin: Pathmos. Erstdruck in: Musenalmanach für das Jahr 1808. Herausgegeben von Leo Freiherrn von Seckendorf. Regensburg, in der Montag- und Weißischen Buchhandlung, S. 78-87 (hoelderlin.de)
Wikipedia

Letzte Änderung: 2/4 2020

 

Mittwoch, 12. September 2018

"Werde der, der du bist." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

Diese Maxime des griechischen Dichters Pindar wird Johann Wolfgang von Goethe fälschlich zugeschrieben und ist weder in seinen digitalisierten Schriften noch in Goethe-Lexika zu finden.

Pindars Maxime stammt in diesem Wortlaut von Friedrich Nietzsche, in dessen Schriften und Briefen sie fünfmal in leicht verschiedenen Versionen vorkommt. Auch der Untertitel von Nietzsches letztem Werk, "Ecce homo. Wie man wird was man ist", spielt auf diesen Pindarschen Aphorismus an.


Friedrich Nietzsche:

Von diesem Satz Pindars gibt es viele verschiedene Übersetzungen, aber keine von Goethe.

Pindar, Zweite Pythische Ode:

  • "γένοι' οἷος ἐσσὶ μαθών"
  • "Werde welcher du bist erfahren". Übersetzt von Friedrich Hölderlin.
  • "Werde der, der du bist!" Übersetzt von Friedrich Nietzsche.
  • "Komm zur Kenntnis, von welcher Art du bist!" Übersetzt von Dieter Bremer.
  • "Beginne zu erkennen, wer du bist." Übersetzt von Eugen Dönt.
  • Become such as you are, having learned what that is.
  • Be what you know you are.
  •  Become the one thou art. 
    Become who you are!
  • Be true to thyself now that thou hast learnt what manner of man thou art.
  • Having learned, become who you are.
  • Deviens celui que tu es!
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Quellen:
"Lexikon der Goethe-Zitate". Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991
Pindar: "Siegeslieder" Griechisch - Deutsch,  Übers.: Dieter Bremer, Sammlung Tusculum, Patmos Verlag, Düsseldorf/Zürich: 2003, Zweite Pytische Ode, S. 124/72; 125 (Link)
Pindar: "Oden", übersetzt und hrsg. von Eugen Dönt, Reclam, Stuttgart: 1986, S. 99
Friedrich Hölderlin: Pindar, in: Friedrich Hölderlin: Sämmtliche Werke,  Band 15, hrsg. von D. E. Sattler, Stroemfeld/Stern, Frankfurt am Main: 1987, S. 219, Z. 131 (Link)
Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Oktober–Dezember 1876
 Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Frühjahr–Herbst 1881
Friedrich Nietzsche: Brief an Lou von Salomé: vermutlich 10. Juni 1882
Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft: § 270. Erste Veröff. 1882
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra IV: Das Honig-Opfer. 1885  
Timo Hoyer: "Nietzsche und die Pädagogik: Werk, Biografie und Rezeption", Königshausen u. Neumann, Würzburg: 2002, S. 418  (Link) 
Andreas Urs Sommer: "Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben, Nietzsche contra Wagner",  Nietzsche-Kommentar 6/2, De Gruyter, Berlin/ Boston: 2013, S.  354 (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibung an Goethe:
1985 books.google
facebook
twitter 

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Ich danke Frank Richter für den Hinweis auf dieses Falschzitat.



Artikel in Arbeit.


(Link)



Johann Wolfgang von Goethe

  • Mephistopheles:
    "Du bist am Ende - was du bist.
    Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
    Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
    Du bleibst doch immer, was du bist."
    Faust I, 1806-10 (Link)

Urworte, orphisch

ΔΑΙΜΩΝ, Dämon

        Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.