Der erste Satz dieses Zitats ("Natura enim non nisi parendo vincitur") stammt aus dem im Jahr 1620 publizierten Neuen Organon von Francis Bacon (Link), der zweite Satz ("Wissen ist Macht") geht auf eine Stelle aus den 1597 erschienen Meditationes Sacrae von Francis Bacon zurück.
In dieser Stelle der im deutschen Sprachraum kaum rezipierten Schrift Meditationes Sacrae (Religiöse Betrachtungen) redet Bacon allerdings nicht von Naturgesetzen, sondern von dem Willen und der Macht Gottes, der Notwendigkeit, die Bibel zu lesen und Gottes Schöpfungen zu verstehen, sowie von Häresien.
Das Kapitel "Häresien" steht unter dem Motto "You err, not knowing the Scriptures nor the power of God", "Ihr irrt, weil ihr weder die Schriften noch die Macht Gottes kennt" (Matthäus 22,29) (Link).
In einen längeren Satz über das Wissen von der Macht Gottes fügte der Philosoph Bacon, der später als Staatsmann und Lord High Chancellor of England wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste, auf Latein folgende Paranthese ein:
- "(nam et ipsa scientia potestas est)" (Link)
Es gibt verschiedene englische Übersetzungen dieser Stelle, die alle
nicht von Francis Bacon stammen.
- "for knowledge itself is a power whereby he knoweth" 1597 (Link); (Link)
- "because Knowledge is Power" Übersetzung von Peter Shaw, 1733 (Link)
- "for knowledge itself is power"
Auch auf Deutsch findet man unterschiedliche mehr oder
weniger gelungene Übersetzungen; hier die Übersetzung von
Hubertus Kudla:- "denn das Wissen selbst ist eine Macht". (Link)
Der englische Wortlaut "(because) Knowledge is Power" stammt also aus der 1733 erschienenen Übersetzung von Peter Shaw (Link).
Der exakte lateinische Wortlaut "Scientia potentia est" in der Bedeutung "Wissenschaft ist Macht" ist das erste Mal in Thomas Hobbes' staatstheoretischer Schrift "Leviathan" in dem Kapitel über Macht, Würde und Ehre zu finden (Link).
Die lateinische Übersetzung des Leviathan erschien 1668, 17 Jahre nach der englischen Originalausgabe von 1651, und in diesem Werk ist die Wissenschaft im Vergleich zu Reichtum, großem Freundeskreis, Eloquenz nach Hobbes nur ein kleinerer Machtfaktor.
Thomas Hobbes, der als junger Mann Sekretär von Francis Bacon war, könnte in der lateinischen Fassung von Francis Bacons Text angeregt worden sein.
1651
- "The sciences are small powers; because not eminent, and therefore, not
acknowledged in any man; nor are at all, but in a few, and in them, but
of a few things. For science is of that nature, as none can understand
it to be, but such as in a good measure have attained it."
1668
- "Scientia potentia est, sed
parva; quia scientia egregia rara est, nec proinde apparens nisi
paucissimis, et in paucis rebus. Scientiae enim ea natura est, ut esse
intelligi non possit, nisi ab illis qui sunt scientia praediti". (Zitiert nach Wikipedia)
Schon Georg Büchmann hat in seinen 'Geflügelten Worten' darauf hingewiesen, dass der Gedanke hinter dem Spruch viel älter ist und zum Beispiel auch in der Bibel vorkommt:
Sprüche 24, 5 (Link)
- "Ein weiser Mann ist mehr als ein starker, und ein Mann von Erkenntnis ist besser als ein kraftvoller. "
- "Ein weiser Mann ist stark, und ein Mann der Erkenntnis wird kräftig."
- "A wise man is strong; yea, a man of knowledge increaseth strength."
- "Der Weise ist dem
Starken überlegen, / ein verständiger Mensch dem
robusten." (Spr 24,5)
Die Formel "Wissen ist Macht" oder "Wissenschaft ist Macht" kam Anfang des 19. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum auf, wurde bald populär und von österreichischen und deutschen Politikern, Soldaten, Lehrern, Autor:innen und Verlegern oft verwendet.
Nur Arthur Schopenhauer wollte oder konnte den Spruch in seiner allgemeinen Bedeutung nicht verstehen und nahm ihn in seine Sammlung alter Irrtümer auf.
- "Knowledge is power. Den Teufel auch! Einer kann sehr viel Kenntniß
haben, ohne darum die mindeste Macht zu besitzen, während ein Anderer
die höchste Gewalt hat, bei blutwenigen Kenntnissen. "
- "Daß hin und wieder Einem seine Kenntnisse Gewalt über Andere geben,
z. B. wenn er ihr Geheimniß weiß, oder sie nicht hinter das seinige
kommen können u. s. w., berechtigt noch nicht zu jenem Ausspruch."
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Der Aphorismus Herodots (IX, 16), auf den sich Schopenhauer beruft, lautet in einer Übersetzung von August Horneffer:
- "Das ist das Bitterste für einen Menschen: bei allem Wissen doch keine Macht zu haben." (Link)
Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Nachweise folgen.
Hubertus Kudla: "Lexikon der lateinischen Zitate - 3500 Originale mit
Übersetzungen und Belegstellen", C.H. Beck Verlag, München: 1999, Nr. 1716
(Link)"Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes", gesammelt
und erläutert von Georg Büchmann, fortgesetzt von Walter Robert-tornow,
22. vermehrte und verbesserte Auflage, bearbeitet von Eduard Ippel,
Verlag der Haude u. Spenerschen Buchhandlung, Berlin: 1905, S. 868
(Link) [In früheren Ausgaben wurde das Zitat irrtümlich Roger Bacon zugeschrieben.]
Herodots (IX, 16)
Spr 24,5
Arthur Schopenhauer: Parerga und Paralipomena
Ralf Bönt: "Die Wahrheit ist nicht relativ", DIE ZEIT, 2. Mai 2021 (Link) Das zusammengesetzte Zitat taucht erstmals in diesem sonst lesenswerten Artikel auf, und wurde bald in der falschen Zusammensetzung in den Sozialen Medien weiter verbreitet.
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(Link)
Wissen und Können fällt bei dem Menschen in Eins, weil die Unkenntniss
der Ursache die Wirkung verfehlen lässt. Die Natur wird nur durch
Gehorsam besiegt; was bei der Betrachtung als Ursache gilt, das gilt bei der Ausführung als Regel.
Franz Bacon's Neues Organon. Übersetzt, erläutert und mit einer
Lebensbeschreibung des Verfassers versehen von J. H. von Kirchmann,
Berlin: L. Heimann, 1870 (Philosophische Bibliothek, Bd. 32).