Freitag, 15. Mai 2020

"Das Gegenmittel für fünfzig Feinde ist ein Freund." Aristoteles (angeblich)


Pseudo-Aristoteles-Zitat.
Dieses Pseudo-Aristoteles-Zitat ist auf Englisch ("The antidote for fifty enemies is one friend") seit Jahrzehnten weit verbreitet; auf Deutsch erst seit ein paar Jahren im Internet.

Dass dieses Zitat in den Schriften von Aristoteles weder so noch so ähnlich zu finden ist, sagen auch die Altphilologen der unterhaltsamen Webseite "SENTENTIAE ANTIQUAE - ΕΥΔΟΞΑ ΑΓΝΩΣΤΑ ΚΑΤΑΓΕΛΑΣΤΑ" (Link).


Das erste Mal Aristoteles unterschoben wurde das Kuckuckszitat anscheind in einem amerikanischen Ratgeberbuch für Lehrerinnen und Lehrer im Jahr 1989 (books.google).


Pseudo-Aristotle quote.
Aristoteles' immer noch lesenswerten Analysen der verschiedenen Arten der Freundschaft sowie sein Lob der sehr seltenen, vollkommenen Freundschaft stehen in den Büchern VIII und IX seiner Nikomachischen Ethik (Link).
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Quellen:
Google Deutsch
Google English
Aristoteles: Werke Online de.wikisource  
Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt von Eugen Rolfes, Verlag Felix Meiner, Leipzig: 1911 (Link) 
"Meme Police: A Collection of things Aristotle Did Not Say", 23. September 2018, sententiaeantiquae

Erste Erwähnung des Falschzitats:
1989: "Esteem builders: a K-8 self-esteem curriculum for improving student achievement, behavior, and school climate" Herausgeber: Michele Borba und Binah Taylor-McMillan, Jalmar Press, Rolling Hills Estates: 1989,  S. 31 (Link); archive.org

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Dank:
Ich danke den Altphilologen der Webseite sententiaeantiquae für ihre Sammlung von falschen Aristoteles-Zitaten.


"Freundschaft ist eine Seele in zwei Körpern." Aristoteles

Diese Metapher wurde so nicht in einem Text von Aristoteles überliefert, sondern durch den antiken Philosophiehistoriker Diogenes Laertios, der sechs Jahrhunderte nach Aristoteles an einem unbekannten Ort gelebt hat.


Aristoteles, nach Diogenes Laertius:

 

  •  " Ἐρωτηθεὶς τί ἐστι φίλος, ἔφη, 'Μία ψυχὴ δύο σώμασιν ἐνοικοῦσα.' " 

    V/ 20 (wikisource)

  • "Die Frage: Was ist ein Freund? beantwortete er mit der Erklärung: 'Eine Seele, die in zwei Leibern wohnt.' "

    Diogenes Laertius: "Leben und Meinungen berühmter Philosophen." Übersetzt von Otto Apelt, Band 1, Verlag von Felix Meiner, Leipzig: 1921 V, Aristoteles, 20, S. 215 (Link)

  • 20. To the query, "What is a friend?" his reply was, "A single soul dwelling in two bodies." Mankind, he used to say, were divided into those who were as thrifty as if they would live for ever, and those who were as extravagant as if they were going to die the next day. When some one inquired why we spend much time with the beautiful, "That," he said, "is a blind man's question." When asked what advantage he had ever gained from philosophy, he replied, "This, that I do without being ordered what some are constrained to do by their fear of the law.

    Diogenes Laërtius: "Lives of the Eminent Philosophers", translated by Robert Drew Hicks, Book V, Aristotle 20  (Link)

Mittwoch, 13. Mai 2020

"In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen." Loriot (angeblich)

Pseudo-Loriot-Zitat.
Dieses Zitat wurde dem deutschen Humoristen Loriot Anfang Mai 2020 das erste Mal unterschoben und schon ein paar Tage später als eines der beliebtesten Zitate in die Reihe der "Twitterperlen des Tages" aufgenommen.

Fünf Tage nach der Erfindung dieses Pseudo-Loriot-Zitats auf Facebook wurde es bereits von Universitätsprofessoren, Journalisten, Zahnärzten und Politikern verbreitet und in Zeitungen erwähnt.

Dieses innerhalb einer Woche schon zehntausendfach geteilte und kopierte Kuckuckszitat wäre wohl noch erfolgreicher geworden, wenn nicht der Stuttgarter Bibliothekar Bernd-Christoph Kämper von Anfang an gegen die Verbreitung des Falschzitats auf Twitter vorgegangen wäre.

Kämpers  amüsanten Thread zu der Sache kann man hier unter seinem Twitternamen Basso Continuo nachlesen:







Entstehung des Kuckuckszitats:


Dass es konstruktiver ist, bei Problemen statt nach Schuldigen nach Lösungen zu suchen, steht seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Formulierungen in englischen und deutschen Ratgeberbüchern.

Die Formulierung, die Loriot unterschoben wird, ist anscheinend auf Spanisch entstanden und wurde im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in den letzten Wochen in spanischen Medien tausendfach zitiert.
"In Zeiten der Krise ..."

Wer das Sprichwort in dieser prägnanten Form mit den Wörtern "Intelligenten" und "Idioten" geprägt hat, ist noch unbekannt.

In Spanien wird das Zitat als anonymes Sprichwort verbreitet und als anonymes Sprichwort zuerst auch in Italien und Deutschland übernommen.

31. März 2020, Facebook


Facebbook, 31. März 2020.
Seit Anfang Mai wird das Bonmot in Italien dem Schauspieler und Komiker Totò unterschoben und in Deutschland Loriot.

Pseudo-Totò-Zitat.


Jemand hat sich am 23. April 2020 den Spaß gemacht, das spanische Zitat auch dem griechischen Astronomen Hipparchos von Nicäa zu unterschieben, was aber längst nicht so gut ankam wie die genau so unbegründete Zuschreibung an Loriot.

Pseudo-Hipparchos-von-Nicäa-Zitat. (Link)



Chronologie



Die früheste Formulierung des angeblichen Loriot-Zitats findet man auf Twitter am 25. März auf Spanisch:


25. März 2020


  • En los momentos difíciles, las personas inteligentes buscan soluciones, mientras los inútiles buscan culpables. (Twitter)

26. März 2020


  • "En los momentos de crisis las personas inteligentes buscan soluciones, los incompetentes buscan culpables"

Auf Facebook wird das Zitat ursprünglich auch auf Deutsch noch ohne Zuschreibung an Loriot zitiert.  Die Übernahme des deutschen Facebook-Zitats aus einem spanischen Facebook-Zitat ist mehr als wahrscheinlich.
31. März
Ohne Zuschreibung an Loriot war dieses Zitat im deutschen Sprachraum allerdings nicht sehr erfolgreich.


7. April 2020
  • " En época de crisis los inteligentes buscan soluciones y los tontos buscan culpables"


9. April
  • En los momentos de crisis los inteligentes buscan soluciones y los inútiles culpables.
  • En tiempos de crisis por causas incontrolables, los inteligentes buscan soluciones, los imbéciles buscan culpables.
Auch in Italien wird das Zitat  ursprünglich ohne Zuschreibung an einen Autor verbreitet:

11. April


Durch ein Youtube-Video der spanischen Ökonomin und Schauspielerin Marta Flich ist das Zitat noch populärer geworden.

18. April 2020


  • "En los tiempos de crisis los inteligentes buscan soluciones y los inútiles, culpables".
    • Marta Flich, 18. 04. 2020  youtube

Jemand hat dieses Zitat ohne Begründung dem 120 v. Chr verstorbenen Astronomen  Hipparchos von Nicäa zugeschrieben.



23. April 2020
Pseudo-Hipparchos-von-Nicäa-Zitat. (Link)


Vor dem Mai 2020 findet man keine Zuschreibungen des Zitats an Loriot und Totò in den digitalisierten Texten.


5. Mai: Erste Zuschreibung an Loriot auf Facebook.




6. Mai
  • "il grande Totò disse: In tempo di crisi, gli intelligenti cercano soluzioni. gli imbecilli cercano colpevoli" Twitter

Twitter, 10. Mai 2020:




Dieser Tweet des angesehenen "Deutschen Instituts der Aufsichtsräte" wurde über 2000 Mal retweetet, darunter auch von Accounts mit über 100.000 Followern, und ist dadurch so etwas wie ein "Hotspot" für die Verbreitung des Pseudo-Loriot-Zitats geworden.

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Inzwischen haben schon viele Leute vergeblich nach einer Quelle in einem Text Loriots gesucht und manche von ihnen haben ihren Tweet mit dem falschen Zitat wieder gelöscht.

Nach der internationalen Geschichte und Vorgeschichte dieses Aphorismus zu schließen wird man das Zitat so wenig in einem Text Loriots wie in einem Text des italienischen Komikers  Totò oder des griechischen Astronomen Hipparchos von Nicäa finden.

Geprägt wurde der Aphorismus anscheinend am Beginn der europäischen Corona-Katastrophe von einer unbekannten Person in Spanien.





Artikel in Arbeit. Es wird von mehreren Personen weiter recherchiert.

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Quellen:
Google Spanisch
Google Italienisch 
Google Deutsch
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Marlene Mengue, Bayern 2 Digitalredaktion: "Loriot, haben Sie das wirklich gesagt?! Wie das Internet mit Zitaten umgeht", 12. Mai 2020 (Link)
Mareen Linnartz: "Falsche Zitate: 'Das Wort Idiot hätte Loriot nie verwendet'" Interview mit Gerald Krieghofer,  Süddeutsche Zeitung,  26. Mai 2020 (sueddeutsche.de)


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Dank:
Ich danke Bernd-Christoph Kämper (Twittername: Basso Continuo) für die Aufdeckung dieses Kuckuckzitats und seine Recherchen zu dessen Ursprung. Dank auch an Wolfgang Gruber, Ralf Bülow und RadlerAndi.




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Anhang

 

Twitter, 11. Mai 2020,
nachdem das falsche Loriot-Zitat in zwei Tagen tausende Male gepostet wurde: 


 

 

Letzte Änderung: 13/10 2022

Screenshot, 14. Mai 2020.

Samstag, 9. Mai 2020

"Hüten wir uns davor, aus Schaden dumm zu werden." Karl Kraus (angeblich)

Pseudo-Karl-Kraus-Zitat.
Karl Kraus hat in den 36 Jahrgängen der 'Fackel' das alte Sprichwort "durch Schaden wird man klug" oft verwendet und oft variiert, aber die Maxime "Hüten wir uns, aus Schaden dumm zu werden"  stammt in diesem Wortlaut nicht von ihm, sondern aus einer Interpretation seiner Gedanken.

Entstanden ist das Falschzitat vielleicht aus folgenden Sätzen:


1998
  • "Andererseits dürfen wir nicht, wie Karl Kraus formulierte, 'aus Schaden dumm werden'."

    Herbert A. Henzler, Lothar Späth: "Die Zweite Wende: Wie Deutschland es schaffen wird."  (Link)
 2002
  • "Wir sollten uns deshalb davor hüten, 'aus Schaden dumm zu werden', wie es Karl Kraus einmal formulierte."

    Dirk Maxeiner, Michael Miersch: "Die Zukunft und ihre Feinde
    : wie Fortschrittspessimisten unsere Gesellschaft lähmen" (Link)
Die von Karl Kraus geprägte Wendung 'aus Schaden dumm zu werden'  wurde mit einem Ratschlag verknüpft, der in dieser Form nicht von Karl Kraus stammt.

Vor dem Jahr 1998 ist das angebliche Karl-Kraus-Zitat in den digitalisierten Texten von Google Books oder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unauffindbar.


Frühe Beispiele für das Falschzitat:


2007
  • "Hier gilt, was Karl Kraus zum Thema auf den Punkt brachte: 'Hüten wir uns davor, aus Schaden dumm zu werden.' "
    Wolf Lotter: "Fehlanzeige", brand eins, 2007 (Link)  
2007

  -

2017

  •  "Die Welt braucht gerade nicht die Verspannten, sondern die Lockeren. Dazu muss man vielleicht über seinen Schatten springen, auch wenn der rechteckig ist. Vielleicht hilft ein echter Karl Kraus dabei: 'Hüten wir uns, aus Schaden dumm zu bleiben.'"

    Wolf Lotter, Wiener Zeitung, 2017 (Link)

Artikel in Arbeit.

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Quellen:

Google
fackel.oeaw.ac.at
Wolf Lotter: "Fehlanzeige", brand eins, 2007 (Link)
Wolf Lotter: "Die Zweifelsfreien", Wiener Zeitung, 21. September 2017 (Link)
derstandard.at/  13/09 2007 
yearofplanetearth.org . Pressrelease , rondo 14/09 2007, S. 6
Dirk Maxeiner, Michael Miersch: "Die Zukunft und ihre Feinde: wie Fortschrittspessimisten unsere Gesellschaft lähmen", Eichborn: Frankfurt: 2002, S. 189  (Link)
Herbert A. Henzler, Lothar Späth: "Die Zweite Wende: Wie Deutschland es schaffen wird." Beltz Quadriga, Weinheim und Berlin: 1998, S. 75 (Link)
G.K.: "Österreich ist das einzige Land, das aus Erfahrung dümmer wird." 



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 Dank:

Ich danke Georg Koder für seine Frage zu diesem Falschzitat.



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Anhang

Karl Kraus, "Die Fackel", 1901-1936


  • 1901
    "dass Herr Salten selbst durch Schaden nicht klug geworden ist."
    fackel.oeaw.ac.at/F/086,020
  • 1908
    "Der Klügere gibt nach, aber nur einer von jenen, die durch Schaden klug geworden sind."
    https://fackel.oeaw.ac.at/index.html?q=267,043
  • 1919
    "Die einzige Konsequenz, deren der hiesige Menschenschlag, geschaffen, durch Schaden dumm zu werden, doch fähig ist, ist die, ihn noch einmal zu erfahren. Hat er stets über dem Heute das Morgen vergessen, so vergißt er nun das Gestern fürs Vorgestern." https://fackel.oeaw.ac.at/F/514,023
  • 1919 
    "Aber die uns in den Abgrund geführt haben, sind uns dennoch zu früh entrückt: sie hätten uns, als die unverkennbaren Exponenten des Jammers, noch ein Weilchen, noch bis in die unterste Tiefe begleitenund dann erst verlassen sollen, damit eine Welt, die durch Schaden dumm wird, ohne Sehnsucht nach ihnen hinsterbe und ohne den Drang, sie noch einmal zu erleben."     https://fackel.oeaw.ac.at/F/519,031  
  • 1920
    "Es ist wohl ein physikalisches Gesetz dieser unrettbaren, durch Schaden noch verdummenden Menschheit, daß, wer jeweils obenauf ist, den jeweils Unterlegenen treten muß. Optimisten mögen es Übergangserscheinung nennen — ein Nörgler erkennt es als die des Untergangs. Nur Österreich erscheint ihm nach manchem, was er in acht hiesigen Tagen erfahren hat, nicht untergegangen und er fühlt sich wie einst, wie den ganzen Krieg hindurch, in Österreich als lästigen Ausländer. Er fürchtet vor allem, die Welt werde bald in allen Sprachen deutsch gelernt haben. Nein, preußisch."
     https://fackel.oeaw.ac.at/F/546,022 
  • 1920
    "Ist es nicht die hoffnungsloseste und toteste aller Gewißheiten, unter einer Nation zu leben, die durch Schaden dümmer wird?"
      https://fackel.oeaw.ac.at/F/554,002

  • 1921
    "Verflucht, durch Schaden dumm zu werden, / büßt er nun erst die alten Sünden./ Das dümmste aber ist auf Erden:/ Mit Trotteln Republiken gründen." (Die Republik ist schuld) 
    https://fackel.oeaw.ac.at/F/557,026
  •  1921
    "Kann ihr Geschäft nicht mehr die Einfalt der Untertanen sein, so machts eben die Phantasiearmut, der eine Erfahrung zwar im Augenblick des Erleidens eingeht, die sie aber, durch Schaden verdummend, zweimal zu machen begehrt, um sie auch zu behalten."
    https://fackel.oeaw.ac.at/F/568,006
  • 1924
    "Denn ihre [der Menschheit] Verdummung durch Schaden, die in dem Riesenmaß der Entfernung technischer Errungenschaften von den Ornamenten zunimmt, ist eine so sinnfällige Tatsache, daß es geradezu rätselhaft scheint, wie diese Erfahrung noch kein Sprichwort absetzen mochte; und die gebrannten Kinder stürzen sich in das Feuer nicht anders, als vor dem Automobil die Hühner, in die Gefahr flüchtend, vom sichern Port noch rasch hinüberzukommen suchen."
    https://fackel.oeaw.ac.at/F/657,003
  • 1925
    "Durch Schaden werd’n s’ dumm, können vom Krieg nicht g’nugkriegen; / Und das Volk, sagt der Nestroy, is ein Ries’ in der Wieg’n. / Und der braucht einen Knirps halt zu seinem Herrn. / Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch da wer’n!"
    https://fackel.oeaw.ac.at/F/679,044
  • 1930
    "Nun ist es ja schon eine alte Erfahrung, daß überall dort, wo sich die Betriebswelt der schönen Künste, durch Schaden unbelehrt, irgendwie mit mir einlassen will, unfehlbar entweder eine Schweinerei oder eine Dummheit herauskommt."
    https://fackel.oeaw.ac.at/F/827,080
  • 1932
    "Während hüben ein gutartiges Volk das Übermaß der Buße trägt für die Ergebung, mit der es sich von den verbrecherischen Halbkretins einer Doppelmonarchie auf den Kriegspfad führen ließ, hat man drüben — wo man im Stechschritt durchs Leben geht und lieber tot ist als nicht Sklave! — nichts und alles vergessen, verlangt man die Legionen zurück, um sie noch einmal zu verlieren, schwoll der Drang, durch Schaden dümmer zu werden, empor zu der größten nationalen Bewegung, die diese blutige Erde erlebt hat. "
    https://fackel.oeaw.ac.at/F/876,021
  • 1934
    "Denn dieser au fond harmlose, aber eben einer Partei hörige Jahrgang, die durch Schaden frech wird, ..."
    https://fackel.oeaw.ac.at/F/890,286
  • 1936
    "Größer als der Schmerz, den Anhang verloren zu haben, ist die Scham, ihn besessen zu haben! Nicht weil sie frecher geworden sind als sie von Natur waren, sondern weil sie durch Schaden dümmer geworden sind, als von linkswegen erlaubt ist."
    : https://fackel.oeaw.ac.at/F/917,096


(Noch unkorrigiert)

Donnerstag, 7. Mai 2020

"Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen." Sigmund Freud (angeblich)

Pseudo-Sigmund-Freud-Zitat.

Dieses angebliche Sigmund-Freud-Zitat taucht bei chronologischen Suchen erst im Jahr 2001 in den digitalisierten Texten auf, aber nicht in einem Fachbuch mit Quellenangabe, sondern in der Signatur eines Postings in einem Science Fiction Forum.

 2001
  • "Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden als Freude zu gewinnen. (Sigmund Freud)" .scifi-forum.de,


Jahrzehnte nach dem Tod einer Autorität tauchen im Usenet und in Foren auf diese Art viele Kuckuckszitate auf und es gibt nach dieser Quellenlage keinen vernünftigen Grund, dieses Zitat im Ernst dem Gründer der Psychoanalyse zuzuschreiben, auch wenn es seit 10 Jahren  auch in Zeitungen und  Büchern Sigmund Freud unterschoben wird.

Entstanden könnte das Sigmund Freud unterschobene Zitat durch  die Verallgemeinerung einer oft zitierten aristotelischen  Maxime aus der Nikomachischen Ethik sein:


Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1152b


  •  ἔτι ὁ φρόνιμος τὸ ἄλυπον διώκει, οὐ τὸ ἡδύ.
    eti ho phronimos to alupon diōkei, ou to hēdu.

  • Ferner, der Kluge trachte nach Schmerzlosigkeit, nicht nach Lust. (Link)
  • Ferner, der Kluge trachte nach Schmerzlosigkeit, nicht nach Ergötzung.
  • The prudent man pursues freedom from pain, not pleasure. (Link)

In den 17 Bänden der gesammelten Werke Sigmund Freuds ist das im Internet durch Online-Zitatsammlungen weit verbreitete Zitat nicht enthalten. Da die Briefe von Sigmund Freud noch nicht vollständig digitalisiert sind, kann man nicht gänzlich auschließen, dass das Kuckuckszitat doch  noch in einem Brief Sigmunds Freud gefunden werden wird, auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist.

Twitter, 2020:


  
 


Artikel in Arbeit.


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Quellen:
Google
Sigmund Freud: Studienausgabe, 10 Bände, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main: 1982 
Sigmund Freud: Gesammelte Werke in siebzehn Bänden. Hrsg. von Anna Freud,  Imago Publishing, London: 1941ff.
 freud-edition.net
 freud-edition.net/ueber-projekt
freud-online.de/ 
freud-online.de/Texte/PDF/freud_werke_alle_bd.pdf
Andreas Woyke: Eudämonistik und Willensverneinung: Zwei Seiten der Ethik Arthur Schopenhauers. recenseo, Texte zu Kunst und Philosophie  (Link)
Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1152b (Link)
projekt-gutenberg.org/aristote/nikomach/
perseus.tufts.edu


Beispiele für falsche Zuschreibungen:
scifi-forum.de, 14.12.2001, 17:53, Akira (frühe falsche Zuschreibung)
zeit.de/2011/47/C-Coach
zitate.eu - 29490

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Dank:
Ich danke Wolfgang Gruber für die Aufdeckung des Kuckuckszitats, Marius Fränzel für den Hinweis auf das Aristoteles-Zitat und auch Ralf Bülow für seine Recherchen.

Mittwoch, 6. Mai 2020

"Impfen ist die beste Art der Bevölkerungsreduktion." Bill Gates (angeblich)

Bill Gates werden seit Jahren Sätze unterschoben oder verdreht, und manchmal sogar massenmörderische Motive unterstellt.

Die vielen Richtigstellungen, die man in seriösen Zeitungen und auf Faktencheckerseiten nachlesen kann, scheinen bei einem Teil der Bevölkerung kaum zu wirken. 

Twittter:



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Der Rufmord durch die böswilligen oder paranoiden Unterstellungen wird von naiven und schlecht informierten Leuten anscheinend nicht als Rufmord erkannt.

Informationen zu dem Falschzitat:


Claudia Spiess: "Was Bill Gates bei Ted zur Bevölkerungsreduktion sagt", 15/4 2020, mimikama.at (Link) 

Alex Kasprak: "Did Bill Gates ‘Admit’ Vaccinations Are Designed So Governments Can ‘Depopulate’ the World? , 10/3 2017 Snopes  (Link)