Donnerstag, 13. Dezember 2018

"Der Hauptgrund für Stress ist der tägliche Kontakt mit Idioten." Albert Einstein (angeblich)

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Dieses Pseudo-Albert-Einstein-Zitat ist noch keine zehn Jahre alt und nicht nur auf Facebook und Twitter inzwischen ziemlich beliebt

Der "lustige Spruch" wurde von einer unbekannten Person geprägt und auf Twitter das erste Mal Albert Einstein am 5. September 2016  zugeschrieben, in Zeitungen am 5. Oktober 2016 (laut genios.de).

In Büchern wird dieses Zitat laut einer Google-Books-Suche erst seit dem Jahr  2018 Albert Einstein untergeschoben.

Wer den Spruch (etwa auf Facebook) als Erster Albert Einstein zugeschrieben hat, ist unbekannt. 

 Auf Twitter war das Zitat als "lustiger Spruch" schon Monate vor der falschen Zuschreibung an Albert Einstein beliebt.

 

Beispiele für Tweets mit dem Spruch ohne Zuschreibung an Albert Einstein: 

 2. April 2016:


Twitter, 2. April 2016; ohne Zuschreibung an Einstein.
5. September 2016:
Twitter, 5. September 2016 (Link); ohne Zuschreibung an Einstein.  

Da der Spruch Albert Einstein ohne ersichtlichen Grund erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod zugeschrieben wurde, immer ohne Quellenangabe zitiert wird, weder in den digitalisierten Texten Albert Einsteins noch in seriösen Nachschlagwerken zu finden ist, ist dieses Zitat ein typisches Kuckuckszitat des 21. Jahrhunderts.

 

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.


Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass dieser Satz, der auf Englisch nahezu unbekannt ist, jemals in einem Text oder Interview Albert Einsteins gefunden werden wird.

 

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Quellen:

Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011 (Das Zitat wird weder so noch so ähnlich erwähnt.)
 Alice Calaprice: "Einstein sagt: Zitate, Einfälle, Gedanken", Vorwort von Freeman Dyson; übersetzt von Anita Ehlers, Piper Verlag, München / Berlin: 2015 (Das Zitat wird weder so noch so ähnlich erwähnt.)
Arsenal of Wisdom:  "Falsche Zitate: Einstein und die Idioten", Blog-Artikel, 1. Dezember 2016 (arsenal-of-wisdom)
 
Beispiele für falsche Zuschreibungen des Witzes an Albert Einstein: 

Twitter:  5. September 2016; (Der Link zu der Quelle auf Facebook funktioniert nicht mehr.)
Mitteldeutsche Zeitung, 5. Oktober 2016 (genios.de, kostenpflichtig)
Hans-Erich Kirsch: "Das kleine Dorf und sein Schriftsteller", edition-winterwork, Borsdorf: 2018 ebook (Link) 
Alexander Paufler: "Führung - Kreativität - Innovation: Ein Leitfaden mit Denkstrategien und Denktaktiken für innovative Köpfe. SpringerGabler, Wiesbaden: 2019 S. 104 (Link)




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Dank:
Ich danke Eduard Habsburg für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.

Letzte Änderungen: 14/9 2019; 4/10 2021 (Schwerpunkt auf Twitter; Streichung aller Nachweise in Foren, da deren Datierungen unsicher sind.).

Mittwoch, 12. Dezember 2018

"Die Frage heute ist, wie man die Menschheit überreden kann, in ihr eigenes Überleben einzuwilligen." Bertrand Russell

Dieser Satz wird auf Deutsch seit den 1980er Jahren Bertrand Russell zugeschrieben und ist, wie der Quote Investigator herausgefunden hat, die Übersetzung eines Gedankens von Bertrand Russell aus dem Jahr 1946:

Bertrand Russell, 1946

  • "The issue is the most momentous with which mankind has ever been faced. If it is not solved, war will exterminate the civilized portion of mankind, except for such remnants as may have been engaged in exploring the Antarctic Continent or investigating the theology of Tibetan Lamas. These will be too few to reestablish civilized communities. If mankind, in the course of a millenium or two, slowly climbs back to its present intellectual level, it is to be presumed that it will again inflict a similar catastrophe upon itself. If any of the things that we value are to survive, the problem must be solved. How it can be solved is clear; the difficulty is to persuade the human race to acquiesce in its own survival. I cannot believe that this task is impossible."

    Bertrand Russell: "The Atomic Bomb and the Prevention of War", Bulletin of the Atomic Scientists, October 1, 1946  (Link); (pdf)

1964 kommt der damals 92jährige englische Philosoph Russell in dem Essay "The Duty of a Philosopher in This Age" noch einmal auf dieses Thema zurück und denkt darüber nach, welche Pflichten ein Philosoph hat, der mit seiner Ausbildung fertig ist und jetzt, da er sich nicht mehr hauptsächlich mit begrifflichen und technischen Problemen der modernen Philosophie beschäftigen muss, sich den wichtigsten Problemen der Welt widmen kann.

Das wichtigste Problem der Welt ist die Gefahr, dass das menschliche Leben durch eigene Schuld wieder aus der Welt verschwinden kann.

Für Bertrand Russell war auch 1964 die Möglichkeit eines Atomkriegs die größte Gefahr für die Menschheit und die Pflicht Aller (und speziell von Philosophinnen) sei es, jenen Kräften entgegenzutreten, die einen Atomkrieg riskierten.

Seit John Locke, dem englischen Vordenker der Aufklärung und "Vater des Liberalismus", sei es eine Aufgabe von Philosophen, gegen die Dummheit von Fanatikern aller Art vorzugehen.


 Bertrand Russell, 1964

  • "Die Menschheit befindet sich in einem Wettlauf, bei dem auf der einen Seite brutale und dumme Leute stehen, auf der anderen Seite diejenigen, die zu menschlichem Mitgefühl fähig sind und sich eine Welt ohne bewaffnete Auseinandersetzungen vorstellen können. Philosophen sollten zu dieser zweiten Gruppe gehören. "
  • "There is, perhaps, one duty which falls specially within the province of philosophy, and that  is to persuade mankind that human life is worth preserving and that an opposite view is only open to fanatics. That human life is worth preserving would have seemed at most times a truism, but in our day it is possible to doubt it. I think, however, that such doubt springs from a partial and biassed survey."
  • "Let us consider the probable biography of a philosopher, now young, who has imbibed the timeless lesson of philosophy and wishes to apply this lesson in his own life. Let us, first, look upon the gloomy view. I shall suppose that, until his education was finished, he was too much absorbed in the technicalities of modern philosophy to concern himself with the political problems of his own time. I shall suppose that these problems come to him with an impact of novelty at a time when he is seeking a post as teacher of philosophy. He will find that there is grave danger of the destruction of the human species and that any pupils whom he is likely to teach will probably perish before they have had time to profit by his instruction. He will find that the same thing applies to everything else, both good and bad, that is taught in schools and universities. He will be overcome by the futility of an existence devoted to fitting men for a life which they will not have time to live. The contemplation of a lifeless world will make his hitherto preoccupations seem futile. His duty will be clear. He must devote himself before all else to combatting the danger of human extinction."
  • "Mankind is engaged in a race in which the brutal and stupid are on one side, while, on the other side, are those who are capable of human sympathy and of imagining a world without armed strife. Philosophers should belong to this second group."

    Bertrand Russell: "The Duty of a Philosopher in This Age", 1964 (pdf)



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Quellen:
Bertrand Russell: "The Atomic Bomb and the Prevention of War", Bulletin of the Atomic Scientists, Vol2, Nr 7-8, 1. Oktober 1946, Chicago: 1946, S. 19-21; S. 21  (Link); (pdf)
Bertrand Russell: "The Duty of a Philosopher in This Age"  [1964], in: "Essays in Honor of Paul  Arthur Schilpp. The  Abdication of Philosophy:  Philosophy and the Public Good", edited by Eugene Freeman, Open Court, La Salle, Illinois:1976, S. 15 – 22; S. 18 (Link); (pdf)
Google (Link)
Garson O'Toole, 12. Dezember 2018 Twitter; Twitter
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Dank:
Ich danke "Weltgeist is a bitch" für die Frage nach dem Ursprung des Zitats und Garson O'Toole für den Hinweis auf Russels Artikel "The Atomic Bomb and the Prevention of War".

Montag, 3. Dezember 2018

"Alle menschlichen Einrichtungen sind unvollkommen - am allermeisten staatliche." Otto von Bismarck (angeblich)

Sinnentstellend verkürztes Otto-von-Bismarck-Zitat.
Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck erwähnte diesen Spruch 1884 im deutschen Reichstag, aber er distanzierte sich gleichzeitig davon.

Deswegen ist dieses Kurz-Zitat ohne Kontext ein typisches Beispiel für ein sinnentstellend verkürztes Zitat, weil es den Eindruck erweckt, Bismarck habe sich mit der Aussage dieses Satzes identifiziert, obwohl das Gegenteil der Fall ist.

Mit dieser verdrehten Form des Bismarck-Satzes wurde öfters die Flüchtlingspolitik Angela Merkels kommentiert, konstatierten die Autoren der Studie "Ankommen in der deutschen Lebenswelt. Migranten-Enkulturation und regionale Resilienz in der Einen Welt" (Link), denen ich auch den Hinweis auf den Ursprung des Zitats verdanke.


Otto von Bismarck, 26. November 1884 

  • "Es ist gar leicht zu sagen: Alle menschlichen Einrichtungen sind unvollkommen, im höchsten Maße und am allermeisten die staatlichen Einrichtungen. Ja, weil so viele Leute mitzuarbeiten haben, so kommen auch die Unvollkommenheiten der vielen Urheber dabei mit zur Geltung.

    Also die Kritik ist außerordentlich leicht; aber das Bessermachen!

    Wenn ich doch endlich einmal eine Verfassung, eine solche Gesetzgebung sehen könnte, wie die Herren Führer der Sozialdemokraten sie sich denken." 

    Alfred Dove: "Fürst Bismarck als Redner. Die Reichstagssession von 1884/85",  Berlin: 1891 (Link) 
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Quellen:
Alfred Dove: Fürst Bismarck als Redner. Die Reichstagssession von 1884/85,  Berlin: 1891, S. 16., (Link) Reprint, 2017 (Link)
Matthias Theodor Vogt, Erik Fritzsche, Christoph Meißelbach: "Ankommen in der deutschen Lebenswelt. Migranten-Enkulturation und regionale Resilienz in der Einen Welt", unter Mitarbeit von Sebastian Trept etc.,  Geleitwort von Rita Süssmuth, Nachwort von Olaf  Zimmermann, Europäisches Journal für Minderheitenfragen Vol 9, No 1-2, 2016,  BWV, Berlin: 2016, S. 31 (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
sueddeutsche.de/politik/zitate
gutezitate.com/zitat/100881
tagesrandbemerkung.at/2016/10/21/
.nyaryum.de/18137-Bismarck: "Seine schönsten Sprüche"

Sonntag, 2. Dezember 2018

"Ich denke 99 Mal nach und finde nichts. Ich höre auf zu denken, schwimme in der Stille und die Wahrheit kommt zu mir." Albert Einstein (angeblich)


Pseudo-Albert-Einstein quote.
Dieses auf Englisch beliebte Zitat stammt aus dem Roman "Einstein, Picasso, Agatha E Chaplin" der brasilianischen Mathematikerin und Informatikerin Regina Gonçalves und ist in den digitalisierten Texten Albert Einsteins und in dem Standardwerk "The Ultimate Quotable Einstein" nicht zu finden.

In diesem Roman für Jugendliche und junge Erwachsene trifft der 15jährige Time Traveller Caio Zip im Jahr 1905 in Paris den 25jährigen Albert Einstein sowie Pablo Picasso, Agatha Christie und Charlie Chaplin in einer Pension. Sie lösen zusammen einen Kriminalfall und Albert Einstein erklärt der Gruppe physikalische Theorien.

Die 25jährige Romanfigur Albert Einstein sagt in dem Bildungsroman zu der rothaarigen Schülerin Mary Miller:

  • "Ich denke 99 mal und entdecke nichts.  –   Albert setzt die Diskussion fort. –  Wenn ich aufhöre zu denken, tauche ich in die große Stille und die Wahrheit wird mir offenbart."
  •  "Eu penso 99 vezes e nada descubro. – voltou Albert a discussão. – Deixo de pensar, mergulho em um grande silêncio e a verdade me é revelada."
    Regina Gonçalves: "Einstein, Picasso, Agatha E Chaplin", Caio Zip, Editora Viajante do Tempo, Rio de Janeiro: 2008, S. 86 (Link)
Seit im Jahr 2008 dieser (bald viel übersetzte) Roman erschienen ist, wird dieser fiktive Dialog in vielen Sprachen der historischen Person Albert Einstein unterschoben. Vor diesem Roman ist dieses Zitat weder so noch so ähnlich zu finden.

Varianten des Pseudo-Albert-Einstein-Zitats:

 



Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.


Pseudo-Albert-Einstein quote.


Pseudo-Albert-Einstein quote.

Pseudo-Albert-Einstein quote.



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Quellen:
Google
Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011
Regina Gonçalves: "Einstein, Picasso, Agatha E Chaplin", Caio Zip, Editora Viajante do Tempo, Rio de Janeiro:  2008, S. 86 (Link); französische Übersetzung, 2008, S. 81 f. (Link); englische Übersetzung des Romans, 2008, S. 85 (Link)
pt.wikipedia.org/wiki/Caio_Zip 
wikiquote.org/wiki/Talk:Albert_Einstein: Rubrik "Unsourced and dubious/overly modern sources"

Frühe falsche Zuschreibung auf Deutsch:
2009: Youtube (Link)
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Dank:
Ich danke Hersch Fischler für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.

In Arbeit.

Dienstag, 27. November 2018

"Wenn irgendwo zwischen zwei Mächten ein noch so harmlos aussehender Pakt geschlossen wird, muss man sich sofort fragen, wer hier umgebracht werden soll." Otto von Bismarck (angeblich)


Pseudo-Otto-von-Bismarck-Zitat.

Dieser Satz wurde Otto von Bismarck  anscheinend das erste Mal 1986 in einer Aphorismensammlung untergeschoben, wie M. Wollmann herausgefunden hat (Link).

Inzwischen ist dieses Kuckuckszitat besonders im rechtsextremen Spektrum beliebt (Link). 

Der AfD-Politiker Alexander Gauland, der gerne Bismarck zitiert, hat am 8. November 2018 im Deutschen Bundestag sich mit diesem Falschzitat auf Bismarck berufen, so als wäre auch dieser deutsche Reichskanzler gegen den UN-Migrationspakt gewesen.

Die Berufung auf eine Autorität mit einem Kuckuckszitat ist ein Täuschungsversuch, um der eigenen Meinung Autorität zu verleihen.

 

Alexander Gauland, 8. November 2018, Deutscher Bundestag


Alexander Gauland, Deutscher Bundestag, 8. November 2018, S. 6806 (pdf)

 

Da dieses in rechten Kreisen beliebte Zitat erst seit kaum 40 Jahren Bismarck zugeschrieben wird, in den digitalisierten Texten Bismarcks so wenig zu finden ist wie in seriösen Nachschlagwerken, und da auch Experten der Otto-von-Bismarck-Stiftung dieses Zitat in seinen Briefen, Reden und Schriften nicht gefunden haben, ist dieses Zitat ein Kuckuckszitat.

Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass dieses Zitat jemals in einem Text Otto von Bismarcks gefunden werden wird.

[Ist Ihnen ZITATFORSCHUNG zur Eindämmung falscher Zitate etwas wert? (Link)]

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Quellen:
Google
E-Mail von Prof. Dr. Ulrich Lappenküper, Geschäftsführer und Vorstand der Otto-von-Bismarck-Stiftung, vom 27. November 2018
quotez.net/german/otto_von_bismarck.htm

Frühe Erwähnungen des Falschzitats:

1986: P. P. Furton: "Der Kern der Dinge. Kleines Lexikon der Aphorismen" Praesens Verlag, Gütersloh: 1986, S. 108 (zitiert nach M. Wollmann)
2005: 28. März politikforen.net, "Was wäre passiert wenn Hitler nicht an die Macht gekommen wäre?"
2005: 25. Juni /community.eintracht.de/forum/diskussionen/99004

Beispiele für falsche Zuschreibungen an Bismarck: 
2018: Alexander Gauland: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 19/61, Stenografischer Bericht,  – 19 . Wahlperiode – 61 . Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8 . November 2018, S. 6806 (pdf) twitter

2009: Monika Mörtenhummer, Harald Mörtenhummer: Zitate im Management: Das Beste von Top-Performern und Genies aus 2000 Jahren Weltwirtschaft. 2. Auflage, Linde, Wien: 2009, Ebook (Link)
zitate.net/otto-von-bismarck-zitate 
bk-luebeck.eu/zitate-bismarck.html 
muster.daszitat.de
gutezitate.com/zitat/196358 

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Dank:
Ich danke Ulrich Lappenküper, Geschäftsführer und Vorstand der Otto-von-Bismarck-Stiftung, für seine Auskunft und M. Wollmann für seinen Hinweis auf Furtons Aphorismensammlung.

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Korrigierte Fassung dank Wollmanns Hinweis: 7/4 2021.








"Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum." Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Dieses Bonmot hat der Schweizer liberale Publizist Robert Nef  im Jahr 1973 geprägt und 1975 in seine Aphorismensammlung "Sprüche und Widersprüche zur Planung. Zitatenschatz für Planer und Verplante" aufgenommen: 

Robert Nef:

  • "Planung ist die Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum. Dem Zufall sind wir aber schutzlos ausgeliefert, während wir als Planende immerhin die Möglichkeit haben, vom grösseren zum kleineren Irrtum fortzuschreiten."

    Robert Nef, Institut für Orts-, Regional- und Landesplanung, Zürich 1973 (Link)

Der prägnante, witzige Satz wurde in den 1970er Jahren oft zitiert, und anfangs auch korrekt Robert Nef zugeschrieben, doch bald hat sich das Bonmot wie ein anonymes Sprichwort verbreitet und der Urheber wurde vergessen.

Im 21. Jahrhundert allerdings wird Robert Nefs Aphorismus meistens Albert Einstein untergeschoben, manchmal auch Peter Ustinov oder Werner Kirsch. 

Robert Nef schrieb über seine 1975 erschiene Zitatensammlung, die er inzwischen auch auf seiner Webseite präsentiert:

Robert Nef:

  • "Insgesamt stammen nur zwei Zitate von mir, aber eines davon ist beinahe sprichwörtlich geworden. Die ironisch aufgeladene Definition der Planung als Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum ist inzwischen zum viel zitierten Bonmot geworden, das vielerorts fälschlicherweise Albert Einstein, Absolvent der ETH, zugeschrieben wird. Was kann einem eigentlich Besseres passieren, als dass eine eigene Formulierung letztlich einem Nobelpreisträger in den Mund gelegt wird?"  (Link)

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

 Da dieses Zitat von Robert Nef in Albert Einsteins digitalisierten Texten nicht zu finden ist und ihm erst mehr als 50 Jahre nach seinem Tod erstmals untergeschoben wurde, ist es ohne Zweifel ein Kuckuckszitat.

Evolution des Pseudo-Albert-Einstein-Zitats: 


1975

1977

  • "Planung ist Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum. Dem Zufall sind wir schutzlos ausgeliefert, während wir als Planende immerhin die Möglichkeit haben, vom größeren zum kleineren Irrtum fortzuschreiten “ ( Robert Nef ) S. 314 (Link)

1978

  • "In diesem Zusammenhang kann auch auf das bekannte Wort von Robert Nef verwiesen werden: 'Planung ist die Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum.'"
    Ernst Alois Brugger, Georg Häberling: "Abbau regionaler Ungleichgewichte" 1978, S. 819 (Link)

1978

  • "'Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum', hat kürzlich ein kluger Mann formuliert, dem dafür der kleine Nobelpreis gebührt. Es muß etwas Faszinierendes sein, den blinden Zufall durch kurzsichtige Planung zu ersetzen."
    Pofil, Band 9, 1978 (Link)

1979

  • Wir wissen heute um die Grenzen der Planung. Etwas feuilletonisch formuliert kann man sagen, daß Planung nichts anderes bedeutet, als den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen .
     "Vermessungswesen und Raumordnung" Jg. 1979, [Band 41], S. 57 (Link)

1983

  • "'Planung ersetzt den Zufall durch Irrtum.' So lautet eine ironische Behauptung der Kritiker einer Bildungsplanung oder Schulentwicklungsplanung. Sie bezweifeln, ob eine Entwicklung im Bildungswesen überhaupt planbar sei."


Früheste Zuschreibung an Albert Einstein in einem digitalisierten Buch:

 2007

  • "Auch wenn bei sorgfältiger Planung ein Risiko der Fehleinschätzung bleibt, ist sie doch keinesfalls entbehrlich, wie ein Bonmot Albert Einsteins belegt: 'Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum'."
    "BWL für Juristen." 2007, S. 243  (Link)

2008

Frühe Zuschreibung an Albert Einstein auf Twitter.
2009
  • "Planung ersetzt den Zufall durch den lrrtum. Nur aus lrrtümern kann man lernen, nicht jedoch aus Zufällen." (Werner Kirsch, LMU München)  (Link) 
Zitat von Robert Nef.
  2009

Eine frühe Zuschreibung an Albert Einstein wird im Forum von dict.leo.org erwähnt und der Satz anscheinend erstmals ins Englische übersetzt
  • "Planning Replaces Coincidence with Error."

2010
  • "Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. Albert Einstein bringt es auf den Punkt. Was zunächst spöttisch klingt, vielleicht sogar spöttisch gemeint war, fördert das Dilemma beherrschbarer Projektplanung zu Tage."  (Link)
2016
  • "Ein schöner Ausspruch von Sir Peter Ustinov trifft eigentlich die Entwicklung der gesamten Technikgeschichte: »Planung bedeutet den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.«"
    (Link)

Zitat von Robert Nef.

2022

  • "Bankers seem to be unaware of what Albert Einstein had to say about planning: 'planning replaces coincidence by error.'" (Link)

 Meistens entstehen die falschen Albert-Einstein-Zitate auf Englisch und tauchen nach ein paar Jahren auf Deutsch auf. Hier ist es einmal umgekehrt.

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Quellen:

"Sprüche und Widersprüche zur Planung. Zitatenschatz für Planer und Verplante", ausgewählt und zusammengestellt von Robert Nef, Institut für Orts- Regional- und Landesplanung an der ETH Zürich, Zürich: 1975, auf der Webseite von Robert Nef: (Link)
Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011

Ernst Alois Brugger, Georg Häberling: "Abbau regionaler Ungleichgewichte: föderalistischer Ausgleich durch Raumordnungspolitik: Ansprüche und konkrete Möglichkeiten im Kanton Zürich", Tyska, Zürich: 1978, S. 819 (Link)

 "Vermessungswesen und Raumordnung" Jg. 1979, [Band 41], S. 57 (Link) 


1983: books.google.
Google books
2002: dungeonsiege.de/forum/ (Zuschreibung an Kafka)
2003: auto-treff.com/bmw (ohne Zuschreibung an einen Autor) 
2005: .touareg-freunde (ohne Zuschreibung an einen Autor)

Frühe Zuschreibung an Albert Einstein:

Andreas Daum, Jürgen Petzold und Matthias Pletke: "BWL für Juristen." Eine praxisnahe Einführung in die betriebswirtschaftlichen Grundlagen, Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden: 2007, S. 243  (Link)
2008: Twitter
2009: dict.leo.org/forum (Zuschreibung an Einstein und Übersetzung des angeblichen Einstein-Zitat ins Englische)

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Dank:
Ich danke Markus Haberstock für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.

Artikel in Arbeit. 

Letzte Änderung: 31/3 2023 (Zusatz Nef)

 

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Anhang:
Gelöschte Sätze aus der ersten Fassung des Artikels:

Dieser ironische Spruch aus den 1970er Jahren wird Albert Einstein seit ungefähr 2007 zuerst auf Deutsch, später auf Englisch untergeschoben. In Alice Calaprices Standardwerk "The Ultimate Quotable Einstein" wird dieses Zitat nicht erwähnt.

 

Der humorige Aphorismus wird in Publikationen, die mir philologisch nicht vertrauenswürdig vorkommen,  im 21. Jahrhundert auch dem Schauspieler Peter Ustinov und dem Münchner Universitätsprofessor Werner Kirsch zugeschrieben.

Meinen Recherchen nach ist der Spruch anonymen Ursprungs aus den 1970er Jahren, aber vielleicht gelingt in Zukunft jemandem der Nachweis, wann und wo Peter Ustinov oder Werner Kirsch vor 1978 den Witz geprägt haben.