Donnerstag, 31. Mai 2018

"Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt." Georg Christoph Lichtenberg

Dieser Aphorismus des Mathematikers und Physikers Georg Christoph Lichtenberg aus seinen Sudelbüchern wird paradoxer Weise oft entstellt zitiert.

Manchmal wird ein Beistrich oder ein Artikel hinzugefügt, manchmal wird das Wort "Unwahrheiten" durch das Wort "Lüge" ersetzt und manchmal wird das entstellte Zitat sogar Kurt Tucholsky unterschoben.


Georg Christoph Lichtenberg

  • "Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt." Sudelbücher, H 24 (Link)

Entstellte Zitate:

  1. "Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt."
  2. "Die gefährlichsten Unwahrheiten sind die Wahrheiten, mäßig entstellt." (Duden)
  3. "Die gefährlichste Unwahrheit ist die Wahrheit mäßig entstellt."
  4. "Die gefährlichste Lüge ist die Wahrheit, mäßig entstellt".  
  5. "Keine Lüge ist gefährlicher als die Wahrheit 'mäßig' entstellt."
  6. "Keine Lüge ist gefährlicher als die Wahrheit, mäßig entstellt".
  7. "Die schlimmste Form der Lüge ist die Wahrheit, mäßig entstellt." 
  8. "Die gefährlichste Form der Lüge ist die mäßig entstellte Wahrheit." 
  9. "ein System, das Kurt Tucholsky charakterisiert: 'Die schlimmste Lüge ist die Wahrheit – mäßig entstellt.'" (Link) 
  10. "hat schon Kurt Tucholsky in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts treffend beschrieben: Die schlimmste Lüge ist die Wahrheit, mäßig entstellt."

Übersetzungen:


  • "The most dangerous untruths are truths slightly distorted."
  • "The most dangerous of all falsehoods is a slightly distorted truth."
  • "The most dangerous untruths are truths moderately distorted." 
  • "The most dangerous of lies is a truth moderately distorted." 

Twitter:



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Quellen:
Georg Christoph Lichtenberg: "Schriften und Briefe." 2. Band. Herausgegeben von Wolfgang Promies, (1971 Hanser Verlag), Zweitausendeins, Frankfurt: 1994, Sudelbücher II, 1784 – 1788, H  24, S. 181 (Link)
Google
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https://twitter.com/krieghofer/status/1002251507255992320

Mittwoch, 30. Mai 2018

"Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen." Georg Christoph Lichtenberg (angeblich)

Bildspruch Spruchbild www.spireo.de
Pseudo-Lichtenberg quote.

Dieses durch unseriöse Zitatsammlungen weit verbreitete Zitat wird dem 1799 verstorbenen Mathematiker, Physiker und Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg seit 40 Jahren unterschoben.

Noch niemand hat dieses Kuckuckszitat in einer Schrift des Göttinger Gelehrten entdecken können, weswegen es von der Göttinger Lichtenberg-Gesellschaft in ihre Liste der fälschlich Georg Christoph Lichtenberg zugeschriebenen Zitate aufgenommen wurde (pdf ).

Pseudo-Lichtenberg quote.


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Quellen:
Google
Lichtenberg-Gesellschaft: "'Lichtenbergs Enten.' Fälschlich Georg Christoph Lichtenberg zugeschriebene Zitate." pdf 
Beispiele für falsche Zuschreibungen an Georg Christoph Lichtenberg:
1978 (erstmals): Industrie-Anzeiger, Band 100, Ausgaben 61-78, Girardet: 1978, S. 52 (Link)
2003: Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 42 (Link)
2010: "Zitate für Manager: Immer die richtigen Worte schnell zur Hand", Gabler, Wiesbaden: (2000) 2. Auflage 2010, S. 110 (Link)
2010: Hans Werner Wüst: "Zitate u. Sprichwörter", Bassermann, München: 2010 ebook  (Link)
spireo.de/spruchbild/spruchbild-gif-animation 

"Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.“ Georg Christoph Lichtenberg (angeblich)


Pseudo-Lichtenberg quote.
Dieses Kuckuckszitat taucht  in den digitalisierten Texten erstmals im Jahr 2002 auf (Link), und wird seither (immer ohne Quellennachweis) durch diverse unseriöse Zitatsammlungen weiterverbreitet.

Es ist ein Kuckuckszitat, weil es in keiner Schrift des Göttinger Physikers Georg Christoph Lichtenberg und in keiner seriösen Zitatsammlung zu finden ist.

Die Göttinger Lichtenberg-Gesellschaft hat es in ihre Liste der fälschlich zugeschriebenen Lichtenberg-Zitate aufgenommen (Link).

Vielleicht hat der Tiroler Schriftsteller Raoul Schrott diesen Spruch Georg Christoph Lichtenberg als Erster unterschoben (Link).
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Quellen:
Google Statistik: "Ungefähr 2 510 Ergebnisse"
Lichtenberg-Gesellschaft: "'Lichtenbergs Enten.' Fälschlich Georg Christoph Lichtenberg zugeschriebene Zitate." pdf 
Der Spruch wird auch Jerry Lewis (Link) zugeschrieben.
aphorismen.de/zitat/14405
Beispiele für falsche Zuschreibungen an Lichtenberg:
Raoul Schrott:  "Von Schutzengeln und ihren Menschen: Geschichten und Bilder. " Sanssouci im Verlag Nagel u. Kimche, Zürich: 2002, S. 5  (Link)
Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 157 (Link) 
Gutezitate.com
Zitate.net

Donnerstag, 24. Mai 2018

"Gott sei's gedankt, in der nächsten Welt wird es keinen Kaffee geben. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als auf Kaffee zu warten, wenn er noch nicht da ist." Immanuel Kant (angeblich)


Entstelltes Immanuel-Kant-Zitat.
In seinen letzten Lebensjahren war der Königsberger Philosoph Immanuel Kant verwirrt, er sprach manchmal nur mehr undeutlich und aus dieser Zeit sind einige Aussprüche Kants über das  Kaffeetrinken überliefert, die später etwas verändert zitiert wurden.

  • 1804: "Nun, darüber kann ich sterben; und in jener Welt will ich keinen Kaffee trinken." 
  • 1827: "Well, one can die after all: it is but dying; and in the next world, thank God! there is no drinking of coffee, and consequently no — waiting for it."
  • 2015: "Gott sei's gedankt, in der nächsten Welt wird es keinen Kaffee geben. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als auf Kaffee zu warten, wenn er noch nicht da ist."

Immanuel Kant konnte in den letzten Jahren seines Lebens nicht mehr klar denken; er hat 1799 - fünf Jahre vor seinem Tod - seine Freunde gebeten, ihn nunmehr wie ein Kind zu behandeln.

Nach einem Sturz verzichtete er auch auf seine täglichen Spaziergänge und gestattete es sich in seinem letzten Lebensjahr Kaffee zu trinken, den er angeblich sein Leben lang schätzte, aber nie trank, da er das "Öl des Kaffees" für schädlich hielt.


Wie sein Schüler und Freund Wasianski berichtete, blieb auch der alte  Immanuel Kant weiter höflich und freundlich, aber er wurde extrem ungeduldig und jede Bitte sollte "auf der Stelle" erledigt werden. Eine Minute zu warten schien dem achtzigjährigen, altersdementen Kant wie eine Ewigkeit und es war nicht leicht für ihn, die Zeit zu ertragen, die vom Moment der Kaffeebestellung verging, bis der Kaffee endlich serviert und genug ausgekühlt war.

Aus diesem letzten Lebensjahr Kants sind einige seltsame Kaffee-Sprüche überliefert, die heute oft ohne den notwendigen Hinweis auf das problematisch gewordene Zeitgefühl des alten Philosophen zitiert werden.


Ehregott A. Ch. Wasianski: "Immanuel Kant in seinen letzten Lebensjahren", 1804:


  • "Pfeilschnell eilte der Bediente, den Kaffee in das schon kochende Wasser zu schütten, ihn aufsieden zu lassen und heraufzubringen; doch währte ihm diese kurze dazu erforderliche Zeit unausstehlich lange. Auf jede Vertröstung erwiderte er etwas anderes, und war wegen Abänderung der Formeln nie verlegen.

    Sagte man: Der Kaffee wird gleich gebracht werden, so erwiderte er: „Ja, wird; das ist der Knoten, daß er erst gebracht werden wird". Hieß es: Er kommt bald! so fügte er hinzu: „Ja! bald, eine Stunde ist auch bald, und so lange hat es schon nach der Zeit gedauert, als es auch bald hieß". Endlich sagte er mit stoischer Fassung: 'Nun, darüber kann ich sterben; und in jener Welt will ich keinen Kaffee trinken'.

    Er stand auch wohl vom Tische auf und rief zur Türe hinaus, und das ziemlich verständlich: 'Kaffee! Kaffee!' Hörte er endlich den Diener die Treppe heraufkommen, so rief er jauchzend: 'Ich sehe Land!' wie der Matrose vom Mastkorbe.

    Auch das Kaltwerden des Kaffees erforderte eine für ihn zu lange Zeit, ob er gleich in mehrere Tassen umgegossen wurde. War er endlich zum Genuß völlig fertig, so hörte man auch wohl ein 'Heisa Courage meine Herren!', bei dessen Aussprache, besonders des zweiten Wortes, er das r aus Freude außerordentlich schärfte, und wenn alles genossen war, ein: 'Und hiermit Basta!' welchen Ausdruck er mit einem Tempo, mit dem er die Tasse stark hinsetzte, gewöhnlich begleitete."
Der englische Schriftsteller Thomas De Quincey hat die deutschsprachigen Erinnerungen der Freunde und Schüler von Immanuel Kant zu dem Buch "The Last Days of Immanuel Kant" verarbeitet, das sich weitgehend an die Vorlagen hielt, aber manche Zitate mit kleinen Zusätzen ergänzte.

Thomas De Quincey: "The Last Days of Immanuel Kant" 1827:


  • "Sometimes it would happen, that the interest of conversation carried him past the time at which he felt the craving for it; and this I was not sorry to observe, as I feared that coffee, which he had never been accustomed to, might disturb his rest at night. But, if this did not happen, then commenced a scene of some interest. Coffee must be brought ‘upon the spot,’ (a word he had constantly in his mouth during his latter days,) ‘in a moment.’ And the expressions of his impatience, though from old habit still gentle, were so lively, and had so much of infantine naïveté about them, that none of us could forbear smiling.

    Knowing what would happen, I had taken care that all the preparations should be made beforehand; the coffee was ground; the water was boiling; and the very moment the word was given, his servant shot in like an arrow, and plunged the coffee into the water. All that remained, therefore, was to give it time to boil up. But this trifling delay seemed unendurable to Kant. All consolations were thrown away upon him: vary the formula as we might, he was never at a loss for a reply. If it was said—‘Dear Professor, the coffee will be brought up in a moment.’—’Will be!’ he would say, ‘but there’s the rub, that it only will be: Man never is, but always to be blest.’  



  • If another cried out—‘The coffee is coming immediately.’—‘Yes,’ he would retort, ‘and so is the next hour: and, by the way, it’s about that length of time that I have waited for it.’ Then he would collect himself with a stoical air, and say—‘Well, one can die after all: it is but dying; and in the next world, thank God! there is no drinking of coffee, and consequently no—waiting for it.’ Sometimes he would rise from his chair, open the door, and cry out with a feeble querulousness—‘Coffee! coffee!’ And when at length he heard the servant’s step upon the stairs, he would turn round to us, and, as joyfully as ever sailor from the mast-head, he would call out—‘Land, land! my dear friends, I see land.’"
    (Link)
Der Wortlaut des heute verbreiteten Kant-Kaffee-Zitats scheint eine Rückübersetzung von Thomas des Quinceys' englischer Version zu sein.
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Quellen:
Google
C. A. Ch. Wasianski: "Immanuel Kant in seinen letzten Lebensjahren. Ein Beitrag zur Kenntnis seines Charakters und seines häuslichen Lebens aus dem täglichen Umgange mit ihm." (1804) In:   "Immanuel Kant. Ein Lebensbild nach Darstellungen der Zeitgenossen Jachmann, Borowski, Wasianski." Hrsg. von Alfons Hoffmann, Hugo Pfeffer, Halle a. S.: 1902, S. 326f. (Link)
Thomas De Quincey: "The Last Days of Immanuel Kant."  1827, eBooks@Adelaide: 2015 (Link)
Immanuel Kant: "Kant’s Gesammelte Schriften",  Akademieausgabe, Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften, Berlin: 1900ff.  Reimer, ab 1922 de Gruyter; Elektronische Edition: Universität Duisburg 


2010: wachleute.de
2013:  leo.org/forum
(Korr. Fassung)

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Twitter Thread

Dienstag, 22. Mai 2018

"Ein Psychiater ist ein Mann, der sich keine Sorgen zu machen braucht, solange andere Menschen sich welche machen." Karl Kraus (angeblich)

Pseudo-Karl-Kraus-Zitat.

Dieses Kuckuckszitat wird Karl Kraus seit ungefähr 20 Jahren - immer ohne Quellenangabe - unterschoben und ist in seinen digitalisierten Texten weder so noch so ähnlich zu finden.

Das falsche Zitat wird auch durch Twitter-Bots verbreitet:




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Pseudo-Karl-Kraus-Zitat.

Entstanden  ist dieses Kuckuckszitat anscheinend im Usenet. Im Juni 1999 taucht in einer Diskussionsgruppe ohne Zuschreibung an Karl Kraus eine Wendung auf, die dem angeblichen Karl-Kraus-Zitat schon sehr ähnlich ist:
  • "aber es ist doch sinnlos dieses zum Diskussionsgegenstand zu machen; sollte man lieber dem Psychotherapeuten (einer der sich keine Sorgen zu machen braucht, solange andere sich noch welche machen) überlassen"
    Hans-Peter Popowsiki, 20. Juni 1999 de.etc.beruf.selbstaendig
Ein halbes Jahr später wird dann in einer anderen Diskussionsgruppe dieser Satz - leicht verändert - Karl Kraus unterschoben.

  • "-- Ein Psychiater ist ein Mann, der sich keine Sorgen zu machen braucht,
    -- solange andere Menschen sich welche machen.--
    (Karl Kraus, öst. Schriftsteller 1874-1936)"

    Heiko Bauke, 5. Mai 2000 de.comp.os.unix.linux.moderated
Ob Heiko Bauke wirklich der Erste war, der das Zitat Karl Kraus unterschoben hat, kann ich noch nicht sagen.
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Quellen:
Google
Twitter 
Österreichische Akademie der Wissenschaften, AAC: "DIE FACKEL" von Karl Kraus (digitale Edition)
Hans-Peter Popowsiki, 20. Juni 1999 de.etc.beruf.selbstaendig

Frühe falsche Zuschreibungen:
2000: Heiko Bauke, 5. Mai 2000 de.comp.os.unix.linux.moderated
2001: de.alt.arnooo - Schämen
2007: chefkoch.de/forum/
Der Jüdische Kalender, Ölbaum Verlag, Wien: 2007, S. 15 (Google)


Letzte Änderung: 1/10 2019

Montag, 21. Mai 2018

"Was kränkt, macht krank." Hildegard von Bingen (angeblich)

Der Wiener Internist Max Herz  hat dieses Sprichwort, das einen uralten Gedanken ausdrückt, um 1930  in Vorträgen populär gemacht; ob er es allerdings geprägt hat, ist ungewiss.

Eine Generation später zitiert es der Wiener Psychiater Erwin Ringel gerne, und weist zumindest einmal auf dessen Urspung bei dem Herzspezialisten Max Herz hin.

In den letzten Jahren erwähnt es der Gerichtspsychiater Reinhard Haller öfters, schreibt das geflügelte Wort allerdings Hildegard von Bingen zu. In Zusammenhang mit Hildegard von Bingen taucht das Sprichwort anscheinend 2006 im Klappentext zu einem Buch von ihr erstmals auf; in ihren Texten ist es meines Wissens weder so noch so ähnlich zufinden.


Der Frauenarzt und Sachbuchautor Josef Löbel, der, wie  Soma Morgenstern wusste, das Modell  für  den menschenfreundlichen, weisen, schachspielenden Doktor Skowronnek in Joseph Roths Roman "Radetzkymarsch" war, verwendet das Sprichwort in einem populärwissenschaftlichem Buch schon 1928  (Link), aber dieser belesene Dr. Löbel meint, es sei "ein altes Wort".  Er hat es also nicht geprägt (Link).

Bis jetzt konnte es vor dem Jahr 1928 weder in Sprichwortsammlungen noch in digitalisierten Texten  gefunden werden.


1928, anonym
  • "Was kränkt, macht krank."
    Josef Löbel, 1928 (Link)
1929, Max Herz
  • "Die Lebensführung eines Herzkranken muss sich nach dem Grundsatz richten: Was kränkt, macht krank; was Freude macht, ist gesund."
    Max Herz, 25. März 1929 (Link)
1985, Max Herz
  • "Kreuzer: 'Was kränkt, macht krank.'  Ringel: 'Was kränkt, macht krank', kann man mit Max Herz sagen."
    Erwin Ringel,  Franz Kreuzer, 1985 (Link) 
2006, anonym/ Bingen

2015, Hildegard von Bingen
  • "Was kränkt, macht krank, hat schon Hildegard von Bingen gesagt."
    Reinhard Haller, 7. Dezember 2015 (Link)
2017, Hildegard von Bingen
  • "Schon Hildegard von Bingen hat gesagt, ' Was kränkt, macht krank.'"
    Reinhard Haller: Kränkung - Der krankmachende Vertrauensverlust
     
    (Link)  

Pseudo-Augustinus quote.

Pseudo-Hildegard-von-Bingen quote.




Da das geflügelte Wort weder so noch so ähnlich in den digitalisierten Texten Hildegard von Bingens zu finden ist, wird es ihr - so wie Augustinus - höchstwahrscheinlich irrtümlich zugeschrieben. Vielleicht stellt sich einmal heraus, dass es wirklich der Internist Max Herz geprägt hat.
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Quellen:
Josef Löbel: "Haben sie keine Angst!: Vierzig Kapitel optimistischer Medizin", Grethlein und Company, Leipzig/ Zürich: 1928, S. 11 (Link)
Max Herz:  (Link),  (Link) 
Franz Kreuzer, Erwin Ringel: "Dürstende Knospen: Österreich: Brutstätte der Neurose, Heilstätte der Neurose", Deuticke, Wien: 1985, S. 35 (Link)
Soma Morgenstern: "Joseph Roths Flucht und Ende. Erinnerungen." Hrsg. von Ingolf Schulte, Aufbau Verlag, Berlin: 1994,  S. 169 (Link)
Reinhard Haller: Kränkung - Der krankmachende Vertrauensverlust, in:  Thorsten Adelt, Christian Metz: Im Sog der Angst – Wenn Vertrauen schwindet: Leidfaden 2017, Issue 3, S. 23 (Link) 
Laotse oder Hippokrates?
Hildegard von Bingen: "Heilkraft der Natur. 'Physica': Das Buch von dem inneren Wesen der verschiedenen Naturen der Geschöpfe", übersetzt von  Marie L Portmann, Nachwort: Caecilia Bonn, Vorwort: Cyrill Bürgel, 2009
(Link)

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Sprichwörtliche Verwendungen:
Lärm macht krank, Arbeitslosigkeit macht krank, Mangel an Liebe macht krank, Stadtluft macht krank,  zu viel essen macht krank, eine große Tafel macht krank, Faulheit macht krank, den Blick nach Innen wenden macht krank, Arbeitsstress macht krank, (Wagner macht krank).
 

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Dank:
Wikipedia-Mitarbeiterinnen bin ich für den Hinweis auf Soma Morgenstern dankbar.

(In Arbeit.)

"Nach einem guten Kaffee verzeiht man sogar den Eltern." Oscar Wilde (angeblich)

Pseudo-Oscar-Wilde quote.


Dieses Bonmot wird Oscar Wilde erst im 21. Jahrhundert unterschoben und ist die Variation eines Satzes von Lady Caroline aus Oscar Wildes Komödie "A Woman of No Importance".


Oscar Wilde

  • "HESTER. Lady Caroline, I had no idea it was your brother. I am sorry for the pain I must have caused you - I -
    LADY CAROLINE. My dear Miss Worsley, the only part of your little speech, if I may so term it, with which I thoroughly agreed, was the part about my brother. Nothing that you could possibly say could be too bad for him. I regard Henry as infamous, absolutely infamous. But I am bound to state, as you were remarking, Jane, that he is excellent company, and he has one of the best cooks in London, and after a good dinner one can forgive anybody, even one's own relations."

  • "Nach einem guten Dinner kann man jedem verzeihen, selbst seinen eigenen Verwandten."

    "Nach einem guten Mittagessen würde man allen verzeihen, selbst der eigenen Verwandtschaft."
    "Nach einem guten Diner kann man allen verzeihen, selbst seinen Verwandten. "
    Oscar Wilde: "Eine Frau ohne Bedeutung", II. Akt, 
    LADY CAROLINE
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Quellen:
Oscar Wilde: "A Woman of No Importance",  (1893) Toronto/ Boston: o.J., S. 75 (Link)
Oscar Wilde: "Eine Frau ohne Bedeutung"
Beispiele für falsche Zuschreibungen:

Sonntag, 20. Mai 2018

“You may have someone in your mind, someone in your heart, someone in your dreams, someone in your life, but I am your someone when you have no one.” Allah (angeblich)




Pseudo-Allah quote.


Dieser Satz wird im Internet seit etwa 10 Jahren oft Allah zugeschrieben und manchmal so ähnlich auch dem christlichen Gott oder Jesus.

Der Autor des Spruchs ist unbekannt und der Betreiber der Webseite "understandislam", der mit der muslimischen Tradition vertraut zu sein scheint, hält das Zitat für eine Lüge und bittet seine Leser, dieses falsche Allah-Zitat zu löschen.




  • "Assalamu alaykum, 
    This quote: 'Allah says: 'You may have someone in your mind, someone in your heart, someone in your dreams, someone in your life, but I am your someone when you have no one.'
    has no reference, and it is a lie upon Allah.
    I would like to ask anybody who reblogged this, to delete it. "

    understandislam.tumblr.com
    , 21. November 2010
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Tobias Hundt: "Teil von dir" 2012 (youtube)


Dieser tröstende Spruch für Einsame ist erst um das Jahr 2005 aufgekommen und wurde ursprünglich anscheinend nicht Allah unterschoben.


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Quellen:
Google
2010: understandislam.tumblr.com

Ohne Zuschreibung an Allah:
2006: textmates.blogspot.co.at/2006/07/
2012: idlehearts.com/3695/    unknown

2012: Tobias Hundt: "Teil von dir", 2012 (youtube):
"Der HERR sagte, du hast vielleicht jemanden in deinem Kopf, jemanden in deinem Herzen, jemanden in deinen Träumen, jemanden in deinem Leben. Aber ... ich bin dein 'Jemand', wenn du niemanden hast." 

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Dank:
Ich danke Eduard Habsburg für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.

Freitag, 18. Mai 2018

"Linke dürfen das." Anonym

Diese Wendung mit dem vorwurfsvollen Unterton ist anscheinend vor kaum 10 Jahren in FPÖ-nahen und rechtsextremen Gruppierungen entstanden und drückt die Klage darüber aus, dass Rechte in der Öffentlichkeit strenger beurteilt würden als Linke.



 2009
2011
2013
  • "Die haben noch NIE eine Anzeige erhalten, denn Linke dürfen das. Linke dürfen auch stören, pfeifen, lärmen, Passanten belästigen und sie auffordern ..."  pi-news.net
:
:
:  ...  Google
- Erster Tweet:
2012




2014






2015




2016








2017



Twitter

2018






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Quellen:
Google
Twitter


Mittwoch, 16. Mai 2018

"Alles, was man schreibt, ist auch eine Liebesgeschichte." Thomas Bernhard

Als ich dieses Thomas-Bernhard-Zitat zum ersten Mal auf Twitter sah und nicht gleich einen ernstzunehmenden Quellennachweis dafür fand, dachte ich mir, dies sei ein typisches Kuckuckszitat aus dem 21. Jahrhundert, auch weil in Thomas Bernhards Werken Liebesgeschichten bekanntlich nicht vorkommen.

Ich bin dem Literaturwissenschaftler Hanno Biber von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften dankbar, dass er meine falsche Vermutung nach einer Anfrage per E-Mail gleich korrigierte.

Thomas Bernhard hat diesen Satz 1978 zu dem Theaterkritiker Peter von Becker gesagt, nachdem Becker eine unausgesprochene Liebesgeschichte hinter Bernhards "Minetti"-Stück vermutete:

Peter von Becker, 1978

  • "Ich sage Bernhard, ich habe schon in 'Minetti', so wie das Stück Minetti und Therese Affolter vor zwei Jahren gespielt haben, eine unausgesprochen angedeutete Liebesgeschichte gesehen. Thomas Bernhard antwortet darauf, und das ist ganz zu Anfang unserer Unterhaltung der erste Satz über das Beiläufige, Höfliche hinaus: 'Alles, was man schreibt, ist auch eine Liebesgeschichte.' "
    Peter von Becker: "Bei Bernhard. Eine Geschichte in 15 Episoden", 1978

Hanno Biber hat mich auf noch einen Satz Thomas Bernhards in diesem Zusammenhang hingewiesen:

Thomas Bernhard

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Quellen:
Peter von Becker: "Bei Bernhard. Eine Geschichte in 15 Episoden",  in: "Theater 1978, Bilanz und Chronik eines Bühnenjahres'", Sonderheft von "Theater heute",  Berlin: 1978,  S. 80
Thomas Bernhard: "Die Autobiographie", Werke, Band 10, Suhrkamp Verlag,  Frankfurt am Main: 2004, S. 477
Twitter
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Dank:
Ich danke Hanno Biber (ACADEMIAE CORPORA, Österreichische Akademie der Wissenschaften) für seine Auskunft.

Sonntag, 13. Mai 2018

"Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie." Friedrich Nietzsche (angeblich)


Gekürztes Friedrich-Nietzsche-Zitat.


Dieses weit verbreitete Zitat ist eine nicht sinnentstellende, in den 1920er Jahren entstandene, gekürzte Version eines Satzes von Friedrich Nietzsche.

Diese gekürzte Version eines Nietzsche-Aphorismus wurde zum Leitsatz der Logotherapie des Psychiaters Viktor E. Frankl und auch Ingeborg Bachmann wurde von diesem Zitat "ein Leben lang begleitet", wie sie ihrem Verleger Siegfried Unseld erzählte.

 
Friedrich Nietzsche, 1888

  • "Hat man sein w a r u m? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem  w i e? — Der Mensch strebt  n i c h t  nach Glück; nur der Engländer thut das."

    Friedrich Nietzsche: "Götzen-Dämmerung: Sprüche und Pfeile", § 12., 1888 (Link)

  •  "Hat man sein Warum? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem Wie? Der Mensch strebt nicht nach Glück, wie die Engländer glauben. —"
    Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Frühjahr 1888, NF-1888, 15[118]
("Engländer" sind in diesem Zusammenhang Utilitaristen wie Jeremy Bentham oder John Stuart Mill, die sich zu dem Grundsatz bekennen: "The greatest happiness of the greatest number is the foundation of morals and legislation.")

Viktor E. Frankl


1946
  • "Die Devise nun, unter der alle psychotherapeutischen oder psychohygienischen Bemühungen den Häftlingen gegenüber stehen mußten, ist vielleicht am treffendsten ausgedrückt in den Worten von Nietzsche: 'Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie'".
    Viktor E. Frankl, 1946 
    (Link)
 1957
  • "Ein Wort von Nietzsche war es, das man als Motto über die ganze psychotherapeutische Arbeit im Konzentrationslager hätte setzen können: 'Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.'"
    Viktor E. Frankl, 1957 (Link)

1961
  • "There is much wisdom in the words of Nietzsche: 'He who has a why to live for can bear almost any how.'' I see in these words a motto which holds true for any psychotherapy'"
    Viktor E. Frankl, 1961 S. 101 (Link)

 

Ingeborg Bachmann, 1971

 

  • "Es kommt mir eine Ahnung, daß er aus dem braunen Schulheft ist, auf dessen erste Seite ich in der Neujahrsnacht geschrieben habe: Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie."Ingeborg Bachmann, Malina, 1971 (Link)


  • "Es [das Leben] ist auch ein Umhergehen in diesem Hohlraum, in dem das Ganze schon Platz hat, ein Weg zur Glan und die Wege entlang der Gail, auf die ganze Goria liege ich hingestreckt mit meinen Heften, ich kritzle sie wieder voll: Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie."
    Ingeborg Bachmann, Malina, 1971 (Link)

  • "... überhaupt Nietzsche. Sie [Ingeborg Bachmann] hat mir gesagt, daß sie ein Nietzsche-Wort ein Leben lang begleitet hätte; ja, sie hätte es für sich umformuliert: »Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.« Dies war ein Satz, den sie in ihr Tagebuch geschrieben hat. Jedes Neujahr gelesen und unter dem Christbaum gedacht. Auf das Nietzsche-Wort sei sie von einem Freund aufmerksam gemacht worden, und er hätte sie dann auch korrigiert."
    Siegfried Unseld über Ingeborg Bachmann, Chronik 1971
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1923  
  • "Nietzsche sagt: ,Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie'." (Link)


1985
  • "Das Wort stammt von Friedrich Nietzsche: „Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie". „Und wer kein Warum hat zu leben?" möchte man unwillkürlich nachfragen."
    (Link)
1991
  • Von Friedrich Nietzsche stammt das Wort: „Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie."(Link)
2003

  • "Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer."
 2018
  • "Wer ein Wozu zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie. (Nietzsche)"  (Link)
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Quellen:
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio, "Götzen-Dämmerung: Sprüche und Pfeile", § 12, 1888 (Link)
Friedrich Nietzsche: "Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt," Sprüche und Pfeile § 12,  Leipzig: 1889, in: Nietzsche Werke, Kritische Gesamtausgabe. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Sechste Abteilung, Dritter Band, Walter de Gruyter, Berlin: 1969, S. 54f. (Link)
Der Neue Merkur, Band 7, Ausgabe 1, Efraim Frisch, Wilhelm Hausenstein 1923, S. 205(Link)
Viktor E. Frankl: "Ein Psycholog erlebt das Konzentrationslager." Verlag für Jugend und Volk, Wien:  1946 (Seitenangabe fehlt noch)
Viktor E. Frankl: "... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager" (EA 1946) Vorwort von Hans Weigel 1977, Kösel, München: 2009, ebooks, o J  (Link)
Viktor E. Frankl: "Man's Search for Meaning. An Introduction to Logotherapy", Beacon Press 1959,  Vorwort: Gordon W. Allport, Pocket Books, Simon and Schuster,  New York: 1963,  19th priniting: 1971, S. 164 
Viktor E. Frankl: "Basic Concepts of Logotherapy", Confins de la psychiatrie, Band 4, S. Karger, Basel/ New York: 1961, S. 101 (Link)
Ingbeorg Bachmann: "Malina", Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main: 1971, 1974, S. 225 und S. 307 
Siegfried Unseld: "Chronik", Band 2 1971, Hrsg. von Ulrike Anders, Raimund Fellinger und Katharina Karduck, Suhrkamp Verlag, Berlin: 2014, S. 13f.
Joachim Eberhardt: "'Es gibt für mich keine Zitate'. Intertextualität im dichterischen Werk Ingeborg Bachmanns", Studien zur deutschen Literatur, Band 165, Max Niemeyer Verlag, Tübingen: 2002, S. 336ff. (Link)
wikiquote
Politische Studien, Band 36, Ausgaben 279-284, Isar-Verlag. 1985, S. 113
Universitas: Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur, Band 46, Ausgaben 1-6; 535-540 Hrsg. von Änne Bäumer-Schleinkofer,  Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1991, S. 247 (Link)
Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 68 (Link)
tagesrandbemerkung.at/2015/05/29
lexikus.de/bibliothek/Zitate-von-Friedrich-Nietzsche
zitate.de

Artikel in Arbeit.

Freitag, 11. Mai 2018

"Ein Mann kann Geschlechtsverkehr mit Tieren wie Schafen, Kühen, Kamelen haben. Jedoch sollte er das Tier töten, nachdem er seinen Orgasmus hatte." Ayatollah Khomeini (angeblich)


Pseudo-Ayatollah-Khomeini quote.

Dieses Zitat wird seit 16 Jahren von Pseudo-Islam-Experten verbreitet, die weder Arabisch noch korrekt zitieren können. Als Quelle wird der 4. Band eines Buches von Ayatollah Khomeini angegeben, das der Meinung mancher Kritiker nach nur 2 Bände hat. Wie üblich bei Falschzitaten wird immer auf die Angabe von Seitenzahlen verzichtet.

Der Satz taucht 2002 auf Englisch im Usenet auf, wird ab 2006 in islamkritischen Büchern zitiert und ist seit 2007 auch auf Deutsch nachweisbar. Von Anfang an wird das Werk von Khomeini "Tahrirolvasyleh" genannt, ein Werk, das in dieser Schreibweise Dutzende Male im Zusammenhang mit diesem Falschzitat zu finden ist, sonst aber nie. Die angebliche Quelle mit der eigenwilligen Rechtschreibung wurde offensichtlich immer nur kopiert und nie überprüft.

Pseudo-Ayatollah-Khomeini-Zitat:

2002
  •  "A man can have sex with animals such as sheep, cows, camels and so on. However he should kill the animal after he has his orgasm. He should not sell the meat to the people in his own village, however selling the meat to the next door village should be fine.
    From Khomeini's book, "Tahrirolvasyleh", fourth volume, Darol Elm, Gom, Iran, 1990"
    (Link)
 2007
  • "Ein Mann kann Geschlechtsverkehr mit Tieren wie Schafen, Kühen, Kamelen haben. Jedoch sollte er das Tier töten, nachdem er seinen Orgasmus hatte. Er sollte nicht das Fleisch an die Leute in seinem eigenen Dorf verkaufen; jedoch das Fleisch ins nächste Dorf zu verkaufen ist erlaubt.
    (Zitat aus Tahrirolvasyleh, von Ayatollah Ruhollah Khomeini; Band 4 Darol Elm, Ghom, Iran, 1990)"
    (Link)

Die Urheber des Faschzitats sind unbekannt; verdächtigt werden Wahhabiten oder amerikanische Islamhasser.

Das Zitat ist vielleicht als Persiflage eines Satzes entstanden, der wirklich von Ajatollah Khomeini stammen könnte und erstmals 1980 in einer unautoritisierten Sammlung von Fatwas und Aphorismen Khomeinis auf Englisch publiziert wurde:

1980
  • "Wenn jemand Sodomie mit einer Kuh, einem Schaf oder einem Kamel begeht, werden deren Urin und deren Exkremente unrein und sogar ihre Milch darf nicht mehr länger getrunken werden. Das Tier muss dann so schnell wie möglich getötet und verbrannt werden, und der Preis muss vom Täter an den Eigentümer bezahlt werden.

    If one commits an act of sodomy with a cow, a ewe, or a camel, their  urine and their excrements become impure, and even their milk may no longer be consumed. The animal must then be killed as quickly as  possible and burned, and the price of it paid to its owner by him who  sodomized it"
    Ayatollah Khomeini (unautorisierte Ausgabe): "THE LITTLE  GREEN BOOK". Selected Fatawah And Sayings of The  Ayatollah Mosavi Khomeini, translated into English (from French) by Harold Salemson, with a special introduction by Clive Irving, Bantam Books (EA 1980), New York: 1985,  S. 25 (pdf)
Ayatolla Khomeini spricht sich übrigens für Strafen bei erwiesenem Geschlechstverkehr mit Tieren aus, nach der vierten Verurteilung wegen Sodomie sogar für die Todesstrafe (Link). Auch deswegen ist das Zitat wahrscheinlich eine Erfindung und nicht nur, weil seit 16 Jahren trotz vieler Aufforderungen noch nie jemand einen seriösen Nachweis für die Quelle (mit Seitenangabe) nennen konnte.

Ich halte dieses Zitat für eine billigen Scherz (" ... jedoch das Fleisch ins nächste Dorf zu verkaufen ist erlaubt"), der von naiven und fanatischen Leuten ernst genommen wird.


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Quellen:
Imam Rouhollah Khomeini: "Tahir Al-Vasilah", Vol IV, translated into English by Sayyid Ali Reza Naqavi, Institute for Compilation and Publication of Imam Khomeini's (R.A.) Works, Tehran: 1390 A.H./ 2011 A.D., S. 258 f. (Link)
Ayatollah Khomeini: "THE LITTLE  GREEN BOOK" Selected Fatawah And Sayings of The  Ayatollah Mosavi Khomeini, translated into English (from French) by Harold Salemson, with a special introduction by Clive Irving, Bantam Books, (EA 1980), New York: 1985, (unautorisierte Ausgabe) S. 25 (pdf edition 2011)
Ernest Gellner: "Culture, Identity, and Politics", Cambridge University Press, New York: 1987, 1999, S. 134 (Link)
Anonym: "Sodomie (Zoophilie) im Islam", 16. Dezember 2017 (Link) (Hilfreiche Quelle)
Beispiele für das Falschzitat:
2002: puertorico.com/forums (Erstmals im Usenet; der Link zur angegebenen Quelle funktioniert nicht mehr. )
2003: shiachat.com/forum
2006: Marvin Yakos: "Jesus, Jews and Jihad," xulon press, revised 3rd printing: 2006, S. 117 (Link) (Ayatollah Khomeini: Tahrirolvasyleh, Vol. 4 (Darol Elm, Gom, Iran: 1990)
2007: politikforen.net/ (von politicallyincorrect.de)
2007: uni-protokolle.de/foren
2012: michael-mannheimer.net/2012/12
2015: reddit.com/r/iran/
2017: metapedia.org


2007: economist.com/blogs : "Is Iran suicidal or deterrable?  A fabricated quote in the service of bombing Iran"
islamWiki: "Legal status of bestiality in Islam" (Link)
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Diese Quelle kann ich nicht einordnen:

[2] The Shia's Promote beastility: "A man can have sex with animals such as sheep, cows,  camels and so on. However he should kill the animal after he has his orgasm. He should not sell  the meat to the people in his own village, however selling the meat to the next door village should  be fine.-Ayatollah Khomeini, Tahrirolvasyleh, fourth volume, Darol Elm, Gom, Iran, 1990. (From  Khomeini's book, "Tahrirolvasyleh" )" Undatiert; von Google auf 2001 datiert  (Link)


cg

"Der muslimische Mann muss ständig der Sexualität nachgehen. Er muss sich entleeren, heißt es, und wenn er keine Frau findet, dann eben ein Tier …" Necla Kelek (angeblich)

Dieser Satz wird der Soziologin Necla Kelek seit 2010 unterschoben –: Sie hat ihn nie gesagt.

  • "Lamya Kaddor hat die religionskritische Autorin Necla Kelek über Jahre mit einem verfälschten Zitat desavouiert. Eine ganze Kohorte bekannter Autoren und Autorinnen von Hilal Sezgin über Wolfgang Benz, Cem Özdemir, Klaus Jürgen Bade bis hin zu Jakob Augstein hat das Gerücht bis zum Überdruss wiederholt."
    Thierry Chervel, 18. Dezember 2017: perlentaucher.de (Link) 
Jörg Metes (Link) und Thierry Chervel (Link) haben die Entstehung und Verbreitung dieses rufschädigenden Falschzitats ausführlich analysiert und dokumentiert, Tobias Blanken (Link) hat den Fall zusammengefasst.
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Quellen:
Jörg Metes: "Lamya Kaddor stalkt Necla Kelek: Das Prinzip der gefühlten Wahrheit", 17. Dezember 2017: Ruhrbarone.de (Link)
Thierry Chervel: "Stakkato der Infamie", 18. Dezember 2017: perlentaucher.de (Link)
Tobias Blanken: "Die verlorene Ehre der Necla Kelek", 21. Dezember 2017: Salonkolumnisten.com  (Link)
Thomas Thiel: "Lamya Kaddor gegen Necla Kelek: Wen schert schon, ob das Zitat stimmt?", 21. Dezember 2017: Frankfurter Allgemeine, FAZ.net (Link)  
Thierry Chervel: "Menschenbilder", 11. Mai 2018:  perlentaucher.de (Link)

Dienstag, 8. Mai 2018

"Der Zweck heiligt die Mittel." Niccolò Machiavelli (angeblich)

Pseudo-Machiavelli-Zitat.

Diese prägnante Wendung (Italienisch: "Lo scopo santifica i mezzi"), mit der man Verbrechen in der Politik rechtfertigt, kam Ende des 18. Jahrhunderts auf und galt lange als geheime Maxime der Jesuiten. 

Heute wird sie oft Niccolò Machiavelli zugeschrieben, obwohl sie in seinen Schriften in diesem Wortlaut so wenig zu finden ist wie in jesuitischen Texten.

Da Machiavelli Politik ohne idealistische Zielvorstellungen beschreibt, für bestimmte Konflikte sogar politische Morde  empfiehlt, passt dieses Sprichwort zu seinen politischen Analysen und Ratschlägen und in seinem Werk "Discorsi" bekennt sich Machiavelli ausdrücklich zu jener Einstellung, die das Sprichwort ausdrückt:

  • "... ein weiser Mann wird niemals jemanden tadeln wegen einer ungewöhnlichen Tat, wenn sie dazu dient, ein Reich in Ordnung zu bringen oder eine Republik zu gründen. Wenn ihn auch die Tat anklagt, so muss ihn der Erfolg doch entschuldigen".
    'Conviene bene, che, accusandolo il fatto, lo effetto lo scusi'
    Niccolò Machiavelli, "Discorsi", 1531 (Link)
Vorläufer dieses Spruchs findet man außer bei Machiavelli in den Schriften von Demosthenes, Ovid, Baltasar Gracián, Blaise Pascal und in jesuitischen Texten.

Heute bekennen sich Vertreter des Konsequentionalismus mehr oder weniger offen zu diesem Spruch, Gegner von Gewaltpolitik - wie Martin Luther King - und Kantianer lehnen ihn ab.


Demosthenes

  • "So auch im Staatsleben: wer eine günstige Gelegenheit nicht gehörig genutzt hat, der denkt nicht an das Gute, das ihm doch die Götter gewährten; den nach dem Erfolg am Ende beurteilt er alles, was ihm zu Gebote stand."
  • πρὸς γὰρ τὸ τελευταῖον ἐκβὰν ἕκαστον τῶν πρὶν ὑπαρξάντων κρίνεται.
    prós gár tó teleftaíon ekván ékaston tón prín yparxánton krínetai.
    Demosthenes, Erste Olynthische Rede, 11 gottwein.de/

Ovid

  • "Exitus acta probat."
    Übersetzungen:
    Nur Erfolg gibt uns recht./ Der Ausgang wird's lehren./ Man wird's beim Auskehren finden./ Ende gut, Alles gut./ The result justifies the deed.
    Ovid: "Heroiden", 2, 85 Phyllis an Demophoon  (Link)

1647: Baltasar Gracián, Handorakel

  • "                 66
    Den glücklichen Ausgang im Auge behalten 

    Manche setzen sich mehr die strenge Richtigkeit der Maaßregeln zum Ziel, als das glückliche Erreichen des Zwecks: allein stets wird, in der öffentlichen Meinung, die Schmach des Mißlingens die Anerkennung ihrer sorgfältigen Mühe überwiegen. Wer gesiegt hat, braucht keine Rechenschaft abzulegen. Die genaue Beschaffenheit der Umstände können die Meisten nicht sehn, sondern bloß den guten oder schlechten Erfolg: daher wird man nie in der Meinung verlieren, wenn man seinen Zweck erreicht. Ein gutes Ende übergoldet Alles, wie sehr auch immer das Unpassende der Mittel dagegen sprechen mag. Denn zu Zeiten besteht die Kunst darin, daß man gegen die Regeln der Kunst verfährt, wann ein glücklicher Ausgang anders nicht zu erreichen steht."
    Baltasar Gracián: Handorakel,
    übersetzt von Arthur Schopenhauer, S. 41 (Link)




1652: Hermann Busenbaum, Jesuit

  • "Wenn der Zweck erlaubt ist, sind auch die Mittel erlaubt."
    "Cum finis est licitus, etiam media sunt licita."
    Hermann Busenbaum SJ: "Medulla Theologiae moralis" 1652 ("Kern der Moraltheologie") 4,3,7 Art. 2 § 3
    (Laut Büchmann erlaubt Busenbaum allerdings nicht jedes Mittel: Gewalt zum Beispiel bleibe verboten. Allerdings gab es nicht nur Verschwörungstheorien über die geheime Macht der Jesuiten, sondern zum Beispiel in Polen tatsächlich jesuitische Prediger, die zur Gewalt gegen Protestanten hetzten.)


1656: Blaise Pascal zitiert einen fiktiven jesuitischen Pater:

  • "wir verbessern die Lasterhaftigkeit des Mittels durch die Reinheit des Zwecks".
  • "so verbessern wir das Sündliche des Mittels durch die Reinheit des Zwecks".
    "nous corrigeons le vice du moyen par la pureté de la fin".
    Blaise Pascal: "Briefe an einen Freund in der Provinz", Siebenter Brief, Paris den 25. April 1656. Von der Methode der Jesuiten die Absicht zu lenken und von ihrer Erlaubnis zu tödten. S. 120 (Link);    (Link) (Blaise Pascal war einer der schärfsten katholischen Kritiker des Jesuitenordens, der zwischen 1773 und 1814 päpstlich aufgehoben war.)

1786

  • "Unter allen bösen Grundsätzen aber, scheint mir doch der gefährlichste zu seyn: Zweck heiligt die Mittel."
    Anonym: "Drey Aussagen die innere Einrichtung des Illuminatenorden in Baiern betreffend", S. 33 (Link)
Wer das Sprichwort "Der Zweck heiligt die Mittel" in diesem Wortlaut geprägt hat, ist unbekannt.
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Quellen:
Ovid: "Liebesbriefe / Heroides": Lateinisch - Deutsch, herausgegeben und übersetzt von Bruno W. Häutptli, Artemis und Winkler,  Sammlung Tusculum, Düsseldorf/ Zürich: 2001, S. 20f.  (Link)
"Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes", gesammelt und erläutert von Georg Büchmann, fortgesetzt von Walter Robert-tornow, 22. vermehrte und verbesserte Auflage, bearbeitet von Eduard Ippel, Verlag der Haude u. Spenerschen Buchhandlung, Berlin: 1905,  S. 523f. (Link)
"Balthazar Gracian's Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit", übersetzt von Arthur Schopenhauer (Nachgelassenes Manuscript), Brockhaus, Leipzig: 1877,  S. 41 (Link)
Hermann Busenbaum SJ: "Medulla Theologiae moralis" 1652 ("Kern der Moraltheologie") 4,3,7 Art. 2 § 3 (vorerst zitiert nach Büchmann)
Blaise Pascal: "Briefe an einen Freund in der Provinz", Siebenter Brief, Paris den 25. April 1656. Von der Methode der Jesuiten die Absicht zu lenken und von ihrer Erlaubnis zu tödten. S. 120 (Link)
Paul Rée: "Der Ursprung der moralischen Empfindungen." Verlag von Ernst Schmeitzner, Chemnitz 1877, S. 52-65  (Link)
Jennifer Speake: Oxford Dictionary of Proverbs, sixth edition, Oxford University Press, Oxford: 2015,   S. 91
Wolfgang Mieder: "The Politics of Proverbs: From Traditional Wisdom to Proverbial Stereotypes", The University of Wisconsin Press, Madison/ London: 1995, S. 90 (Truman)
Wolfgang Mieder: "'Making a Way Out of No Way': Martin Luther King's Sermonic Proverbial Rhetoric", Peter Lang, New York etc, Oxford: 2010,  S. 123f., 277ff.  (Link)
Wikiquote: misquoted and misattributed
Römische Sprichwörter (Link)
Redensarten-index.de
Frühe Erwähnung des Sprichworts: 
Anonym: "Drey Aussagen die innere Einrichtung des Illuminatenorden in Baiern betreffend." Neueste Sammlung jener Schriften, die von einigen Jahren her über verschiedene wichtigste Gegenstände zur Steuer der Wahrheit im Drucke erschienen sind. Band 28, Augsburg: 1786, S. 33 (Link)




Artikel in Arbeit.

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Kap 18
Ognuno vede quel che tu pari; pochi sentono quel che tu sei, e quelli pochi non ardiscono opporsi alla opinione de’ molti, che abbiano la maesta dello stato che gli difende; e nelle azioni di tutti gli uomini, e massime de’ Principi, dove non è giudizio a chi reclamare, si guarda al fine. (Link)


 Kap 19
Però, uno prudente ordinatore d'una republica, e che abbia questo animo, di volere giovare non a sé ma al bene ...

    [M]en judge generally more by the eye than by the hand, because it belongs to everybody to see you, to few to come in touch with you. Every one sees what you appear to be, few really know what you are, and those few dare not oppose themselves to the opinion of the many, who have the majesty of the state to defend them; and in the actions of all men, and especially of princes, which it is not prudent to challenge, one judges by the result.      For that reason, let a prince have the credit of conquering and holding his state, the means will always be considered honest, and he will be praised by everybody because the vulgar are always taken by what a thing seems to be and by what comes of it; and in the world there are only the vulgar, for the few find a place there only when the many have no ground to rest on.