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Montag, 4. November 2019

"Nichts ist schwerer zu ertragen, wie eine Reihe von guten Tagen." Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Kurt-Tucholsky-Zitat.
 

Dieses aus einem Gedicht Goethes entstandende Sprichwort wird manchmal irrtümlich Kurt Tucholsky zugeschrieben. In den digitalisierten Schriften Tucholskys kommt es nicht vor.


Johann Wolfgang Goethe, 1815:

  • "Alles in der Welt läßt sich ertragen,
    Nur nicht eine Reihe von schönen Tagen."
    (Link)
 Schon im 19. Jahrhundert wurde dieses Gedicht Goethes etwas verändert zitiert:
  • "Es ist nichts schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen." 1839 (Link);
  • "Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen." 1856 (Link); Fontane, 1890 (Link)
  • "Alles in der Welt läßt sich ertragen, Nur nicht eine Reihe von glüklichen Tagen."
 
 Georg Büchmann hat darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Gedanke ähnlich schon in Martin Luthers Tischreden vorkommt:


Martin Luther, Tischreden, 1570:

  • "Gute Tage können wir nicht ertragen, böse können wir nicht leiden! Gibt er uns Reichtum, so sind wir stolz, gibt er Armut, so verzagen wir." books.google.


__________
Quellen:
Büchmann
Goethe
Martin Luther
Fontane
Universallexikon
(Bibliographische Angaben folgen. )


zitate.eu/autor/kurt-tucholsky-zitate/1280
universal_lexikon.
Artikel in Arbeit.

Samstag, 17. November 2018

"Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb." Kurt Tucholsky (angeblich)


Dieser Aphorismus von Kurt Tucholsky wird oft mit einem veränderten Wort zitiert: statt "einer gesunden Ordnung" steht im Original: "jeder gesunden Ordnung".


Fast korrektes Kurt-Tucholsky-Zitat.


Kurt Tucholsky hat den Aphorismus 1930 und 1932 in zwei leicht verschiedenen Varianten publiziert:

Kurt Tucholsky

  • 1930: Die Basis jeder gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb.
  • 1932: Die Seele einer jeden Ordnung ist ein großer Papierkorb. (Link)
-

Spätere Varianten von Zitierenden:  

  • Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb.
  • Die Seele jeder Ordnung ist ein großer Papierkorb.
  • Ein großer Papierkorb ist die Basis jeder Ordnung.



 _______
Quellen:

Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg: 1975, S. 188-191; Erstdruck: Peter Panter: "»Das kann man noch gebrauchen –!«", Neue Leipziger Zeitung, 19. August 1930. zeno.org
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Reinbek bei Hamburg: 1975, S. 106-108; Erstdruck: Peter Panter,  Rubrik "Schnipsel", Die Weltbühne, 19. Juli 1932, Nr. 29, S. 98. zeno.org

In Arbeit. (Vorerst zitiert nach zeno.org)

Mittwoch, 3. Oktober 2018

"Wir sind alle Ausländer — fast überall!" Unbekannt


Dieser von einer unbekannten Person geprägte Slogan ist in den 1980er Jahren in Deutschland als Antwort auf rechte "Ausländer raus!"-Parolen entstanden.
Klaus Staeck, Plakat 1986, Galerie für Moderne Kunst und Plakatkunst.

Der Spruch "Wir sind alle Ausländer ..." wurde vor dem Aufkommen des Internets auf Hauswänden, Plakaten, Stickers, Transparenten und schon 1992 kommerziell auch auf T-Shirts verbreitet. 1988 erschien das erste Buch mit diesem Graffiti-Spruch als Titel.

Um 2007 beklagt man sich, dass dieser Spruch Goethe, Tucholsky und anderen berühmten Schriftstellern unterschoben wird.

Doch im Jahr 2018 sind diese falschen Zuschreibungen fast gänzlich wieder aus der digitalen Öffentlichkeit verschwunden.

Viele Kuckuckszitate halten sich über Jahrzehnte; diese Kuckuckszitate hatten interessanter Weise anscheinend nur eine kurze Lebenszeit.

Nur noch sehr vereinzelt findet man falsche Zuschreibungen an Bertolt Brecht oder Karl Valentin.

Varianten



Friedhelm Greis hat in seinem  Tucholsky-Sudelblog auf einen ähnlichen Gedanken bei Kurt Tucholksy hingewiesen:


Kurt Tucholsky: "Nationales"

  • "Man ist in Europa ein Mal Staatsbürger und zweiundzwanzig Mal Ausländer. Wer weise ist: dreiundzwanzig Mal."
    Peter Panter, "Die Weltbühne", 25. November 1924 (Link)

Ralf Bülow verdanke ich den Hinweis auf Karl Valentins wunderbares Dramolett "Die Fremden", in dem Valentin das Thema "Wir sind alle Ausländer" im Jahr 1940 mit seinem unvergleichlichen Wortwitz umkreist:

Karl Valentin: "Die Fremden"

  • "Valentin: Nein! – Ein Fremder bleibt nicht immer ein Fremder.
    Professor:
    Wieso?
    Valentin:
    Fremd ist der Fremde nur in der Fremde."
    Karl Valentin, 1940 (Link)
    
________
Quellen:
1988: Manfred Budzinski (Hg.) "Alle Menschen sind Ausländer. Fast überall." Ein Aktionshandbuch Mit Beiträgen von Peter Bick, Manfred Budzinski etc., Lamuv-Verlag, Göttingen: 1988
Kurt Tucholksy (Peter Panter): "Nationales", Die Weltbühne, XX. Jahrgang, 25. November 1924, Nr. 48, S. 804 (Link)
Karl Valentin: "Sämtliche Werke". Band 4, Piper Verlag, München 1994; hier zitiert nach dem Nachdruck in der TAZ, 9. April 2015, S. 5 (Link) 
Friedhelm Greis: "Wir sind alle Zitatgeber", 2007, Sudelblog, (Link);  Angebliche Tucholsky-Zitate
geschichtsforum.de/

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
Karl Valentin: "Handbuch der Ausländer- und Zuwanderungspolitik: von Afghanistan bis Zypern" Hrsg. von von Wolfgang Gieler, LIT Verlag, Münster Hamburg London: 2003, S. 17 books.google
Bertolt Brecht: meinbezirk.at/tag/aai-wien

....

_______
Dank:
Ich danke Ralf Bülow sehr für den wichtigen Hinweis auf Karl Valentin.

Mittwoch, 22. August 2018

"Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.
Diesen politischen Aphorismus einer unbekannten Autorin schrieb ein Lehrer beim Geschichtsunterricht um 1960 auf eine Schultafel. Der Lehrer wurde mit diesem Zitat auf der Tafel photographiert und das Foto in den "Nürnberger Nachrichten" veröffentlicht.

Deswegen wird diesem ehemaligen Lehrer und späterem Professor Hermann Glaser manchmal der Aphorismus zugeschrieben. Doch nach einer Anfrage von Dominik Lagushkin teilte Hermann Glaser mit, dass er diesen Aphorismus nicht geprägt habe, und 50 Jahre danach nicht mehr feststellen könne, woher er das Zitat damals hatte (Link).

Seit 2012, seit eine rechtsextreme Webseite damit begann, wird das Zitat auf Facebook, in der Kronen Zeitung und in anderen unseriösen Medien meistens Johann Wolfgang Goethe untergeschoben, vereinzelt auch Shakespeare, Kurt Tucholksy oder Immanuel Kant.

In den Schriften und dazugehörigen Nachschlagwerken Goethes, Kants und Tucholskys ist dieses Zitat, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts als politische Parole entstanden sein könnte, nicht zu finden.


 Entwicklung des Zitats



1998, unbekannt
  • "In unseren Tagen kursiert ein Satz, der Aichers Philosophie vorwegzunehmen scheint: „Wer in der Demokratie schläft, wacht auf in der Diktatur.“ Oder schlagender: „Schlaf in der Demokratie, wach auf in der Diktatur!“ Dieser Erkenntnis der jüngsten Vergangenheit diente seine Art der Prophylaxe." 
    Joerg Crone, Dissertation (pdf)

2007, unbekannt
  • "Wählen tut Not! Denn wer in der Demokratie pennt, der wacht in der Dikatur auf. "
    groups.google
2011?, Glaser
  • „Wer in der Demokratie schläft, erwacht in der Diktatur“. Dieses hochaktuelle Zitat stammt vom Nürnberger Professor und Publizisten Hermann Glaser".
    amadeu-antonio-stiftung.de

2012, Goethe
  •  "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." J W Goethe
    dasgelbeforum
2012, Shakespeare
  • "Liebe Landratsmitglieder, wachen Sie endlich auf. Sie haben einen Auftrag vom Volk! Nehmen Sie sowohl Ihre Pflichten wie auch Ihre Rechte wahr. Erinnern Sie sich an Shakespeare, der sagte:
    'Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.'"
    etwasanderekritik.wordpress.com/2012
2016, Goethe
  • Da fällt mir ein Satz Goethes ein: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“.
    Tassilo Wallentin: "Der große Coup", Kronen Zeitung, 27/3 2016 (Link)
  2017
-
Johann Wolfgang von Goethe ist übrigens nie als Verteidiger der Demokratie aufgefallen. Im Gegenteil:

Goethe, 1792

  • "Was mir aber noch mehr auffiel, war, daß ein gewisser Freiheitssinn, ein Streben nach Demokratie sich in die hohen Stände verbreitet hatte; man schien nicht zu fühlen, was alles erst zu verlieren sei, um zu irgendeiner Art zweideutigen Gewinnes zu gelangen."
    Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 1792 (Link)

Goethe, 1827

  • "Man spricht immer viel von Aristokratie und Demokratie, die Sache ist ganz einfach diese: In der Jugend, wo wir nichts besitzen oder doch den ruhigen Besitz nicht zu schätzen wissen, sind wir Demokraten; sind wir aber in einem langen Leben zu Eigenthum gekommen, so wünschen wir dieses nicht allein gesichert, sondern wir wünschen auch, daß unsere Kinder und Enkel das Erworbene ruhig genießen mögen. Deshalb sind wir im Alter immer Aristokraten ohne Ausnahme, wenn wir auch in der Jugend uns zu andern Gesinnungen hinneigten."
    Gespräche mit Eckerman, 15. Juli 1827 (Link)
________
Quellen:
"Lexikon der Goethe-Zitate". Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991, Stichwort "Demokratie", S. 110
Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 1792 (Link)
Gespräche mit Eckerman, 15. Juli 1827 (Link)
Immanuel Kant: Gesammelte Werke, Akademieausgabe. Elektronische Edition: Universität Duisburg  
Altes Sprichwort: "Wer mit Hunden schläft, wacht mit Flöhen auf."
Joerg Crone: "Die visuelle Kommunikation der Gesinnung - Zu den grafischen Arbeiten von Otl Aicher und der Entwicklungsgruppe 5 für die Deutsche Lufthansa 1962", Dissertation, Freiburg, 1998, S. 46 (pdf)
Edwin Baumgartner: "Retten wir Goethes Karriere!", Wiener Zeitung, 3. Dezember 2015 wienerzeitung.at
Dominik Lagushkin: "Über adoptierte Zitate", 2013 (Link)

Frühe falsche Zuschreibung an Goethe: 
2012:  dasgelbeforum
Beispiel für falsche Zuschreibung:
Tassilo Wallentin: "Der große Coup", Kronen Zeitung, 27. März 2016 (Link)

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Dank
Ich danke Dominik Lagushkin für seine informative Dokumentation aus dem Jahr 2013 (Link).

Artikel in Arbeit. 

Donnerstag, 14. Juni 2018

"Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal." Kurt Tucholsky (angeblich)



Dieses Sprichwort wird seit ungefähr 2005, also 70 Jahre nach seinem Tod, manchmal dem Satiriker Kurt Tucholsky unterschoben. Es scheint ein Kuckuckszitat zu sein, weil es in seinen Texten nicht zu finden ist. (Artikel in Arbeit.)

Kurt Tucholsky hatte sich mit seinem "Traktat über den Hund, sowie über Lerm und Geräusch" bei Hundebesitzern unbeliebt gemacht, und mit seinem "Brief an einen Kater" bewiesen, dass er Katzen verehrte:


Kurt Tucholsky






  • "Einen Gruß, Mingo! An dich und an alles, was schön ist und rätselhaft, überflüssig und geschwungen, unergründlich und einsam und ewig getrennt von uns: also an die Katzen und an das Feuer und das Wasser und an die Frauen.
    Mit einem herzlichen Fellgestreichel"
    Kurt Tucholsky: Peter Panter an den Kater Mingo, "Brief an einen Kater", Vossische Zeitung, 25. November 1927, (Link)
Vielleicht werden Kurt Tucholsky heute Katzen-Zitate unterschoben, weil er Katzen mochte und verehrte.



Varianten


2004: "Hunde haben ein Herrchen oder Frauchen, Katzen ihr Personal. unbekannt" mietzmietz.de
2005: "Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal (Kurt Tucholsky)" razyboard.com
2006: "Ein Hund hat einen Herrn, Katzen haben Personal." anonym  chefkoch.de/forum 
2007: "Hunde brauchen ein Herrchen, Katzen haben Personal." anonym fotocommunity.de
2008: "Schmitz' Katze: Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal". books.google
2009: "'Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal' – das soll der Schriftsteller und Satiriker Kurt Tucholsky einmal gesagt haben." welt.de

  • "Hunde brauchen einen Herren, Katzen haben Personal. (Volksmund)"
  • "Hunde haben ein Herrchen oder Frauchen, Katzen haben Personal. (unbekannt)" 
  • "Nur Hunde haben Besitzer... Katzen haben Personal!" anonym
 _______

Ralf Schmitz: "Schmitz' Katze: Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal", Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main: 2008 

Donnerstag, 31. Mai 2018

"Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt." Georg Christoph Lichtenberg

Dieser Aphorismus des Mathematikers und Physikers Georg Christoph Lichtenberg aus seinen Sudelbüchern wird paradoxer Weise oft entstellt zitiert.

Manchmal wird ein Beistrich oder ein Artikel hinzugefügt, manchmal wird das Wort "Unwahrheiten" durch das Wort "Lüge" ersetzt und manchmal wird das entstellte Zitat sogar Kurt Tucholsky unterschoben.


Georg Christoph Lichtenberg

  • "Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt." Sudelbücher, H 24 (Link)

Entstellte Zitate:

  1. "Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt."
  2. "Die gefährlichsten Unwahrheiten sind die Wahrheiten, mäßig entstellt." (Duden)
  3. "Die gefährlichste Unwahrheit ist die Wahrheit mäßig entstellt."
  4. "Die gefährlichste Lüge ist die Wahrheit, mäßig entstellt".  
  5. "Keine Lüge ist gefährlicher als die Wahrheit 'mäßig' entstellt."
  6. "Keine Lüge ist gefährlicher als die Wahrheit, mäßig entstellt".
  7. "Die schlimmste Form der Lüge ist die Wahrheit, mäßig entstellt." 
  8. "Die gefährlichste Form der Lüge ist die mäßig entstellte Wahrheit." 
  9. "ein System, das Kurt Tucholsky charakterisiert: 'Die schlimmste Lüge ist die Wahrheit – mäßig entstellt.'" (Link) 
  10. "hat schon Kurt Tucholsky in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts treffend beschrieben: Die schlimmste Lüge ist die Wahrheit, mäßig entstellt."

Übersetzungen:


  • "The most dangerous untruths are truths slightly distorted."
  • "The most dangerous of all falsehoods is a slightly distorted truth."
  • "The most dangerous untruths are truths moderately distorted." 
  • "The most dangerous of lies is a truth moderately distorted." 

Twitter:



______
Quellen:
Georg Christoph Lichtenberg: "Schriften und Briefe." 2. Band. Herausgegeben von Wolfgang Promies, (1971 Hanser Verlag), Zweitausendeins, Frankfurt: 1994, Sudelbücher II, 1784 – 1788, H  24, S. 181 (Link)
Google
Google

https://twitter.com/krieghofer/status/1002251507255992320

Samstag, 28. April 2018

"In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod." Alexander Kluge (angeblich)


Dieses Zitat stammt von dem deutschen Dichter und Epigrammatiker Friedrich von Logau aus dem 17. Jahrhundert und war 1974 der Filmtitel eines satirischen Films von Alexander Kluge und Edgar Reitz.

Manchmal wir dieser Satz auch Kurt Tucholsky unterschoben.
  • "In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod."
  • "In Danger and Deep Distress, the Middle Way Spells Certain Death."
  • "Quando un grave pericolo è alle porte le vie di mezzo portano alla morte."
  • "En peligro y máximo apuro el compromiso lleva a la muerte."

 

Friedrich von Logau, "Zu-Gabe"


                    "Der Mittel-Weg.
            In Gefahr und grosser Noth
            Bringt der Mittel-Weg den Tod."

                             (Link)


_______
Quellen:
"In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod", Filmtitel; Regie: Alexander Kluge und Edgar Reitz, 1974 (Link); (Link)
Alexander Kluge: "In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. Texte zu Kino, Film, Politik", herausgegeben von Christian Schulte, Vorwerk Verlag 8, Berlin: 1999
"Friedrichs von Logau Sämmtliche Sinngedichte", herausgegeben von Gustav Eitner, Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, CXIII., Tübingen: 1872, S. 421 (Link)
Wikipedia (Link)
Kurt Tucholsky Gesellschaft (Link)


Donnerstag, 26. April 2018

"Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen." Kurt Tucholsky (angeblich)

Distorted Kurt Tucholsky quote.
Dieses seit 40 Jahren äußerst beliebte Tucholsky-Zitat ist die verkürzte und entstellte Version eines Aphorismus von Kurt Tucholsky, den er zusammen mit einem Dutzend anderen Aphorismen in der Rubrik "Schnipsel" der 'Weltbühne' vom 9. März 1932 unter dem Pseudonym Peter Panter publiziert hat.

Kurt Tucholsky, 1932

  • "Laß dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: 'Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!' – Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen." 

Peter Panter: "Schnipsel", Die Weltbühne, XXVIII. Jahrgang, Nummer 10, 8. März 1932,  S. 378

Varianten des entstellten Tucholksy-Zitats:

 

  • "Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen."
    "Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auf 35 Jahre schlecht machen." 
    "Experience means nothing. One can do his tasks badly for 35 years."
    "Experience means nothing. You can do something badly for 35 years."
    "experience means nothing: you can also do something wrong for 35 years".  
  • "Experience means nothing. You can do the same thing at thirty-five and still do it bad."
Distorted Kurt Tucholsky quote.
_________
Quellen:
Kurt Tucholsky (Peter Panter): "Schnipsel", Die Weltbühne, XXVIII. Jahrgang, Nummer 10, 8. März 1932, S. 378
Laut Google books erstmals entstellt zugeschrieben:
Ulrich Helfenstein: "150 Jahre Staatsarchiv, 1837-1987", in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1988. S. 4-30, S. 29 (Link)
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate
Kurt Tucholsky Geselllschaft: "Angebliche Tucholsky-Zitate" (Link) 

Google
Dudenredaktion: "Duden", Band 12, "Zitate und Aussprüche: Herkunft, Bedeutung und aktueller Gebrauch, 7500 Zitate von der klassischen Antike bis heute", 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, Duden, Berlin: 2017, S. 728  (Link)
Das enstellte Tucholsky-Zitat wird vom "Duden" sowie von fast allen unseriösen Zitatsammlungen verbreitet, zum Beispiel von:
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (Hrsg.): "Zitate für Manager: Über 2.600 Sinnsprüche, die Ihre Botschaft auf den Punkt bringen", 4. korrigierte Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden: 2018, S. 83 (Link)
Zitate-online.de
kurt-tucholsky.info
beste-zitate.de
 
_______
Dank:
Ich danke Friedhelm Greis für seine Dokumentation der falschen Tucholsky-Zitate in seinem Sudelblog.

Montag, 15. Januar 2018

"Meine Sorgen möcht ich haben." Kurt Tucholsky (angeblich)

Karl Kraus hat diesen Satz ein halbes Jahr vor Kurt Tucholsky publiziert.


1930
  • "(Meine Sorgen möcht ich haben.)"
    Karl Kraus, September 1930,
    Die Fackel 838-844, S. 61: "Wegen der Maske!" (Link)
1931
  • "Meine Sorgen möcht ich haben."
    Kurt Tucholsky, 17. März 1931,
    Die Weltbühne, XXVII. Jahrgang, Nr. 11, S. 389:
    Kaspar Hauser (Pseudonym): "Zur soziologischen Psychologie der Löcher" (Link)
_____
Quellen:
Die Weltbühne, XXVII. Jahrgang, 17. März 1931, Nr. 11 S. 389 (Im Projekt Gutenberg wird diese  Satire irrtümlich Peter Panther zugeschrieben; im Original: Kaspar Hauser. Textlog.de: (Link))
Karl Kraus: Die Fackel, September 1930, Nr. 838-844, S. 61
Österreichische Akademie der Wissenschaften, AAC: DIE FACKEL von Karl Kraus (digitale Edition) 
________
Dank:
Ich danke Andre Gottwald für das 'Fackel'-Zitat.


Samstag, 13. Januar 2018

"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Seneca (angeblich)

Das irrtümlich manchmal Kurt Tucholsky, Marie von Ebner-Eschenbach oder Seneca zugeschriebene Zitat  hat der deutsche Kinderbuchautor und Lyriker Erich Kästner 1950 in einem Epigramm mit dem Titel "Moral" geprägt.

Erich Kästner, 1950
  • "Moral
     Es gibt nichts Gutes
     außer: Man tut es."
     Erich Kästner (Link) 
Varianten von Zitierenden:
  • "Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es."
  • "Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es."
  • "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."
  • "Es gibt nichts Gutes außer man tut es." 
  • "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es!"
Dieses Erich-Kästner-Zitat ist inzwischen zu einem weit verbreiteten Sprichwort geworden und wird oft auch ohne Zuschreibung an einen Autor verwendet.
_______
Quellen:
Google: "Ungefähr 93 500 Ergebnisse"
Twitter
Dudenredaktion: "Duden Allgemeinbildung. Berühmte Zitate und Redewendungen: Die muss man kennen", Duden, Berlin: 2013, S. 69  (Link)
Hubertus Kudla: "Lexikon der lateinischen Zitate - 3500 Originale mit Übersetzungen und Belegstellen", C.H. Beck Verlag, München: 1999, Nr. 3356  (Link)
Erich Kästner: "Kurz und bündig" (EA 1950), Gesammelte Schriften für Erwachsene. Band 3. Lizenzausgabe Droemersche Velagsanstalt Th. Knaur, München / Zürich: 1969, S. 324 (Link) 
Marcel Reich-Ranicki: "Über Erich Kästner: Der Dichter der kleinen Freiheit", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Februar 1974 (Link)

Beispiel für eine falsche Zuschreibung an Seneca:
Ida Metzger: "Der Finanzminister wollte eigentlich Pilot werden und ist Kenner des Philosophen Seneca." Interview mit Hartwig Löger, KURIER, 13. Januar 2018 (Link)
___
Dank:
Ich danke Michael Chalupka für den Hinweis auf die falsche Zuschreibung.

Mittwoch, 29. November 2017

"Freiheit stirbt mit Sicherheit." Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Tucholsky quote.


"Freiheit stirbt mit Sicherheit" war 1988 der Titel eines Kongresses gegen den Überwachungsstaat  und später der Titel eines Films von Horst Herbst (Link). Dieser Slogan einer unbekannten Autorin wird durch Graffiti und auf Transparenten verbreitet und seit kurzem auch manchmal fälschlich Kurt Tucholsky zugeschrieben (Link).
  
Autor: unbekannt.
Film von Horst Herbst, 1991, Youtube:


_________
Quellen:
Google
Horst Herbst: "Freiheit stirbt mit Sicherheit". Film, WDR, Köln: 1991 (Link)
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate

Sonntag, 9. Juli 2017

"Lasst uns das Leben genießen, solange wir es nicht begreifen." Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Tucholsky quote.

Diese hedonistische Maxime stammt nicht von Kurt Tucholsky und taucht in den digitalisierten Medien das erste Mal im Jahr 1997, allerdings ohne Zuschreibung an Kurt Tucholsky auf (Link).

In Kurt Tucholskys Schriften hat dieses Zitat noch niemand entdeckt, versichern Experten der Kurt Tucholsky-Gesellschaft.

Friedhelm Greis versprach schon vor Jahren in seinem Sudelblog: "Sollte jemand dieses Zitat in Tucholskys Werk entdecken, bekommt er zur Belohnung ein Weltbühne-Lesebuch zugeschickt!"
_________
Quellen:
(Link) (Bibliographische Angaben folgen.)
Kurt Tucholsky-Gesellschaft: "Angebliche Tucholsky-Zitate", 2016 (Link)
Friedhelm Greis verspricht in seinem Sudelblog: "Sollte jemand dieses Zitat in Tucholskys Werk entdecken, bekommt er zur Belohnung ein Weltbühne-Lesebuch zugeschickt!"
_____ 
Dank:
Ich danke Friedhelm Greis für seine Sammlung falscher Kurt-Tucholsky-Zitate auf seinem informativen und amüsanten Sudelblog.

Letzte Änderung: 26/4 2020

"Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen." Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Tucholsky quote.

Dieser Kalauer wurde Kurt Tucholsky 70 Jahre nach seinem Tod unterschoben.

Der Tucholsky-Experte Friedhelm Greis war der Erste, der in seinem unterhaltsamen "Sudelblog" darauf aufmerksam machte, dass dieses Zitat in den Schriften Kurt Tucholskys nicht enthalten ist (Link). Bis heute konnte ihm noch niemand das Gegenteil beweisen.

Das immer ohne Quellenangabe zitierte Falschzitat ist im im Internet äußerst beliebt, und wurde zum Beispiel auf Twitter seit dem Jahr 2009 schon von hunderten Leuten gepostet (Twitter).

Varianten:

  • "Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich selbst schadet, ohne anderen zu nützen."
  • "Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen."  

Twitter-Bot:









________
Quellen:
Twitter
 Google;   (Google books)
Sudelblog.de
1973  "Das ist das Ärgerliche am Ärger, daß man sich ärgert." (Ohne Zuschreibung an Kurt Tucholsky)  (Link) 

Beispiele für falsche Zuschreibungen an Kurt Tucholsky:
Frühe Erwähnung: 2005 www.tierforum.de/;  2007 literaturschock.de/;   2007, S. 9 www.evkirche-amstetten.de pdf .

fernstudium-journalismus.de
http://www.kurt-tucholsky.info/zitate
gratis-spruch.de
uva.

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Dank
Ich danke Friedhelm Greis für seine Dokumentation der falschen Tucholsky-Zitate in seinem Sudelblog.

Letzte Änderung: 8. Juli 2018

"Deutsche – kauft deutsche Bananen!" Kurt Tucholsky (angeblich)

Bei Kurt Tucholsky heißt es:
  • "Deutsche, kauft deutsche Zitronen!"
    Kurt Tucholsky: "Europa", Die Weltbühne, 12. Januar 1932, S. 73 

_________
Quelle:
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate


"Der Horizont des Berliners ist längst nicht so groß wie seine Stadt." Kurt Tucholsky (angeblich)

Dieses angebliche Tucholsky-Zitat hat noch niemand in Kurt Tucholskys Schriften gefunden. Es ist eine Erfindung des 21. Jahrhunderts. (Google books)

_________
Quellen:
Google books
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate

Mittwoch, 28. Juni 2017

"'Die Juden sind an allem Schuld', meinte einer. 'Und die Radfahrer' ... sagte ich. 'Wieso denn die Radfahrer?', antwortete er verdutzt. 'Wieso die Juden?', fragte ich zurück." Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Kurt-Tucholsky-Zitat.
Das ist eines von den etwa zwei Dutzend populären Tucholsky-Zitaten, die - nach Recherchen von Friedhelm Greis und der Kurt Tucholsky-Gesellschaft - in keinem Werk Tucholskys zu finden sind. 
Er kannte diesen Witz, aber er stammt nicht von ihm, auch wenn er ihm heute oft in diversen Zitatsammlungen irrtümlich zugeschrieben wird.

Der Witz war - wie auch Hannah Arendt erzählt - in der Weimarer Republik verbreitet und vielleicht wurde er 1923 von Theodor Lessing in seiner Satire "Feind im Land?" geprägt.

Auf der ganzen Welt bekannt wurde der Dialog durch Hannah Arendt und durch den Film "Ship of Fools" ("Das Narrenschiff"), in dem Heinz Rühmann als Julius Löwenthal die Gegenfrage stellt.


Eine frühe Version der scherzhaften Klage über Juden und Radfahrer findet man in dem 1912 erschienem Roman "Morgenrot" von Otto Stoessl:
  • "Und weil zu dieser Zeit auch das Zweirad aufkam, dessen Sportwildlinge viel Unheil anrichteten, pflegte Dieter das ganze Elend der Welt in dem Spruch zusammenzufassen: die Juden und die Radfahrer sind an allem schuld."
    Otto Stoessl: "Morgenrot", Projekt Gutenberg: 2017 (Link), Erstausgabe 1912: (Link)

Die Wendung "XY sind an allem schuld" ist seit Mitte des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Zwischen 1845 und 1871 werden in österreichischen Zeitungen folgende Gruppen - nicht immer völlig ernst - als "an allem schuld" bezeichnet:
  • die Pfaffen, die Österreicher, die Preußen,  die Jesuiten, die Journalisten (1871), die Engländer (1858), die verfluchten Schneider, die Zeitungen, die Gerichte und die Ärzte. (Link)
Von 1871 bis 1899 wird dann diese Floskel in Österreich hauptsächlich gegen Juden, selten gegen Freimaurer, Fremde, Sozialdemokraten, Clericale oder Antisemiten verwendet; "die Juden sind an allem schuld!", wird sogar im österreichischen Parlament von christlich-sozialen Abgeordneten geschrien.  (Link)
 


  1923, zehn Jahre bevor Theodor Lessing in seinem Exil in der Tschechoslowakei von Nazis ermordet wird, schreibt dieser meistgehasste Autor und Philosoph der Weimarer Republik in einer politischen Satire:
  • "Ja, ich sage es Ihnen frei heraus: Hier steht auf der einen Seite der unverantwortliche Geist der Zersetzung, auf der andern Seite die gesunde organische Evolution Europas. Wenn ich aber vaterlandsfeindliche Zurufe, die mir im Ohre gellen, auf ihre Herkunft prüfe, so kann ich mir nicht ganz verhehlen, daß einen guten Teil der Schuld an einem Siege der destruktiven Tendenzen auch die Freimaurer und Juden tragen ...« »Und die Radfahrer«, schrie Mannheimer aus seiner Ecke.
    »Wieso grade die Radfahrer?« fragte Tünnes etwas stutzig werdend.
    »Wieso grade die Juden?« erwiderte Mannheimer."
    Theodor Lessing: "Feind im Land. Satiren und Novellen. "(EA 1923), Hofenberg, Berlin: 2017 (Link) 
      
1925 kommt meines Wissens dieser Witz  erstmals in einer Zeitung (ohne Hinweis auf Theodor Lessing (Link)) vor, und Kurt Tucholsky spielt 1928 in folgenden Versen auf die Worte von "den Juden und den Radfahrern" an:

  • "Hast du Angst, Erich? Bist du bange, Erich?
    Klopft dein Herz, Erich? Läufst du weg?
    Wolln die Maurer, Erich – und die Jesuiten, Erich,
    dich erdolchen, Erich – welch ein Schreck!
        Diese Juden werden immer rüder.
        Alles Unheil ist das Werk der . ·.  . ·.  Brüder.
Denn die Jesuiten, Erich – und die Maurer, Erich –
und die Radfahrer – die sind schuld
an der Marne, Erich – und am Dolchstoß, Erich –
ohne die gäbs keinen Welttumult.
     ..."
Kurt Tucholsky: "Ludendorff oder Der Verfolgungswahn" von Theobald Tiger, "Die Weltbühne", 6. November 1928, Nr. 45, S. 700 (Link)

Für Hannah Arendt ist dieses Witzwort die "beste Widerlegung" der antisemitischen Wahnidee, die Juden stünden versteckter Weise hinter allen Übeln der Welt:
  • "Die beste Illustrierung und zugleich die beste Widerlegung dieser Theorie ist in einem Witz enthalten, der in den zwanziger Jahren häufig erzählt wurde: Ein Antisemit behauptet, die Juden seien am Kriege schuld; die Antwort lautet: Ja, die Juden und die Radfahrer. Warum die Radfahrer? fragt der eine; warum die Juden? fragt der andere."
    Hannah Arendt: "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft." (1955) Ullstein, Berlin: 1975, S. 23 (Link)

  • "The best illustration – and the best refutation – of this explanation, dear to the hearts of many liberals, is in a joke which was told after the first World War. An anti-Semite claimed that the Jews had caused the war; the reply was: Yes, the Jews and the bicyclists. Why the bicyclists? asks the one. Why the Jews? asks the other. "
    Hannah Arendt: "The Origins of Totalitarianism." (EA1951) Penguin Books Classics: 2017 (Link)

Einige weitere, manchmal sehr viel schwächere, Varianten des Dialogs:
1956
  • "»Dadurch haben wir den Krieg verloren. Durch die Schlamperei der Intellektuellen und durch die Juden.« »Und die Radfahrer«, ergänzt Riesenfeld. »Wieso die Radfahrer?« fragt Heinrich erstaunt. »Wieso die Juden?« fragt Riesenfeld zurück."
    Erich Maria Remarque: "Der schwarze Obelisk: Geschichte einer verspäteten Jugend." Kiepenheuer u. Witsch,  Köln: 1956, S. 293 (Link)
1965



  •  "Rieber: Lowenthal, you know it is a historical fact that the Jews are the basis of our misfortunes.  Lowenthal: Of course.  Rieber: You agree?  Lowenthal: Of course. The Jews and the bicycle riders.  Rieber: The bicycle riders? Why the bicycle riders?  Lowenthal: Why the Jews?"
    "Ship of Fools", 1965, zitiert nach Imdb.com
  • "'Die Juden sind an allem schuld.' Rühmann repliziert: 'Genau, die Juden und die Radfahrer.' 'Wieso die Radfahrer?', fragt der Deutsche. Rühmann entgegnet: 'Wieso die Juden?'."
    Das Narrenschiff, 1965 (Link) (Den genauen Wortlaut muss ich erst recherchieren.)

  • "Ferrer: 'Die Juden sind an allem Schuld.' Rühmann: 'Stimmt, die Juden und die Radfahrer.' Ferrer: 'Wieso die Radfahrer?' Rühmann: 'Wieso die Juden?'"
    Das Narrenschiff, 1965 (Link)
 1999
  • "Treffen einander zwei Wiener auf der Straße und jammern über die schrecklichen Entbehrungen, die ihnen der Krieg verursacht hat. Schließlich sagt der eine. 'Und weißt Du, wer schuld ist an dem Krieg? Die Juden und die Radfahrer!' Gegenfrage: 'Wieso die Radfahrer?!'"
    Albert Lichtblau (Hrsg.): "Als hätten wir dazugehört: österreichisch-jüdische Lebensgeschichten aus der Habsburgermonarchie." Böhlau, Wien: 1999 (Link)
 2010
  • "Ein älterer Jude aus Berlin findet sich von Nazis umringt, die ihn zu Boden schlagen und höhnisch fragen: 'Na Jude, wer ist denn schuld am Krieg?' Der kleine Jude ist nicht auf den Kopf gefallen und antwortet: 'Die Juden und die Radfahrer.' 'Warum die Radfahrer?', wollen die Nazis wissen. 'Warum die Juden?', kontert der alte Mann."
    Avi Primor, Christiane von Korff: "An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld", Piper Verlag, München: 2010, S. 9 (Link) 
 2014
  • "One of the conclusions to be drawn from this is that,  in endeavoring to provide an answer to the question "Why  were Jews specifically picked out to play the scapegoat role  in anti-Semitic ideology?" we might easily succumb to the  very trap of anti-Semitism, looking for some mysterious  feature in them that, as it were, predestined them for that  role: the fact that Jews who were chosen for the role of the  'Jew' ultimately is contingent — as it is pointed out by the  joke about anti-Semitism: 'Jews and cyclists are responsible for all our troubles. — Why cyclists? — WHY JEWS?'"
     Slavoj
    Žižek: "Žižek's Jokes: (Did you hear the one about Hegel and negation?)"  Ed. by Audun Mortensen, MIT Press, Boston: 2014, S. 117 (Link) 
  • "'Die Juden und die Radfahrer sind für unsere ganzen Schwierigkeiten verantwortlich!' 'Warum die Radfahrer?' 'Warum die Juden?'"
    Slavoj Žižek: "Žižek's Jokes - Treffen sich zwei Hegelianer ..." Übers: Franz Born, Suhrkamp, Berlin: 2014 (Link)
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Quellen:
Gutezitate.com  (Die Sammlung einer Unmenge falsch zugeschriebener Zitate und Memes.)
Stefan Ille, Kurt Tucholsky-Gesellschaft: "Juden und Radfahrer – Ein angebliches Tucholsky-Zitat." (Mit einem Nachtrag von Friedhelm Greis, dem ich auch das Tucholsky-Zitat verdanke.) (Link)
Historische Zeitungen und Zeitschrifen der Österreichischen Nationalbibliothek, Anno Volltextsuche (Link)
Google Books, Projekt Gutenberg etc.
Otto Stoessl: "Morgenrot", Projekt Gutenberg: 2017 (Link), Erstausgabe 1912: (Link)
Theodor Lessing: "Feind im Land. Satiren und Novellen. "(EA 1923), Hofenberg, Berlin: 2017 (Link) 
Kurt Tucholsky: "Ludendorff oder Der Verfolgungswahn" von Theobald Tiger (Psd.), "Die Weltbühne", XXIV Jg., Nr. 45, 6. November 1928, S. 700 (Letzte Zeile: "Alles Unheil ist das Werk der Heeresbrüder.") (Link)
Hannah Arendt: "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft." (1955) Ullstein, Berlin: 1975, S. 23 (Link)
Hannah Arendt: "The Origins of Totalitarianism." (EA1951) Penguin Books Classics: 2017 (Link)  
Slavoj Žižek: "Žižek's Jokes - Treffen sich zwei Hegelianer ..." Übers: Franz Born, Suhrkamp, Berlin: 2014 (Link)
 Slavoj Žižek: "Žižek's Jokes: (Did you hear the one about Hegel and negation?)"  Ed. by Audun Mortensen, MIT Press, Boston: 2014, S. 117 (Link)
Avi Primor, Christiane von Korff: "An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld", Piper Verlag, München: 2010, S. 9 (Link)  
Albert Lichtblau (Hrsg.): "Als hätten wir dazugehört: österreichisch-jüdische Lebensgeschichten aus der Habsburgermonarchie." Böhlau, Wien: 1999 (Link)
Erich Maria Remarque: "Der schwarze Obelisk: Geschichte einer verspäteten Jugend." Kiepenheuer u. Witsch,  Köln: 1956, S. 293 (Link)
"Das Vaterland." Abendblatt, 27. November 1897, S. 1 Parlament (Link) 
"Arbeiterwille", 27. Juni 1925, S. 3 1925: "Die Juden und die Radfahrer."
Walter Ludwig: "Soziologie des deutschen Stammtisches. Die Entstehung politischer Schlagworte." "Salzburger Wacht", 30. Januar 1932, S. 7: "'Die Juden und die Radfahrer' sind an allem schuld. Besser als mit diesem Witzwort, kann man die Mentalität eines Stammtisches nicht beschreiben." (Link)  


Letzte Änderung: 22/10 2019

Dienstag, 30. Mai 2017

"Gesetze sind Jungfrauen im Parlament, aber Huren vor Gericht." Kurt Tucholsky (angeblich)

Dieser Spruch ist vor dem 21. Jahrhundert unbekannt und wird seit etwa 10 Jahren Kurt Tucholsky unterschoben. Wer den Spruch geprägt hat, weiß man nicht.
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Quellen:
Wolfgang Prinz: "Politzirkus: Bissige Aussprüche und Zitate von Politikern und über sie."  Books on demand: 2009 (Link)
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate

Sonntag, 28. Mai 2017

"Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte." Max Liebermann

Der Maler Max Liebermann hat angeblich mit diesen Worten am 30. Januar 1933 seinen Ekel vor dem Sieges-Fackelzug von Nationalsozialisten in Berlin ausgedrückt (Link)
Die Anekdote wird in verschiedenen Versionen  seit dem Jahr 1934 weitererzählt. 
 Max Liebermann war nicht nur als Maler berühmt, sondern auch wegen seiner "Berliner Schnauze", seinen "lapidaren Aussprüchen", die "oft und oft durch die Welt" gegangen seien, wie in einem Nachruf der Wiener Tageszeitung "Die Stunde" am 13. Februar 1935 zu lesen war (Link).
 Bei einer frühen Erwähnung der Anekdote im Jahr 1934 wurde der Name des berühmten Malers noch verschwiegen, wohl um ihn vor Verfolgung durch Nazi-Behörden zu schützen:
1934
  • "Man erzählt in Berlin:
  • Professor...., der berühmte Maler, wird von einem seiner Schüler gefragt, wie er sich mit den Zuständen im Dritten Reiche abgefunden habe.

  • 'Ach Jott', erwidert der Meister, 'man kann nich halb so viel essen, wie man kotzen möchte.'"

  • Das Neue Tage-Buch, 2. Jahrgang, Nr. 40, Paris-Amsterdam, 6. Oktober 1934, S. 959 (Link)
1935
  • "Gefragt wie ihm Deutschland unter Hitler gefalle, sagte der greise Meister: 'Soviel kann man gar nicht fressen, als man kotzen möchte!'"
  • Hendric: "Totenklänge um einen Künstler", "Die Stunde", 13. Februar 1935, S. 3 (Link).
 Eine Version des Ausspruchs stammt von der Malerin Käthe Kollwitz.
 1947
  • "Mit Max Liebermann verband Käthe Kollwitz eine enge Freundschaft. Auch nach der Machtergreifung der Nazis ging sie oft zum Tee zu ihm. ... Einmal sagte er höhnisch und drastisch über die Zustände im Nazireich: "Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!"
  • Katharina Laessig: "Mit den Augen der Freundin. Zum 80. Geburtstag von Käthe Kollwitz." (Link)

1954
  • "Harrass: (rülpst genüßlich) Verzeihung. Der geradezu nicht-arische Kunstmaler Max Liebermann, 'n juter oller Berliner, der gar betreffenden Witzes in großem Maße teilhaftig, hat einmal den schlichten Satz jeprägt: Kann jar nich soviel essen, wie ich kotzen möchte."
  • "Des Teufels General", Film, 1955 (Link)

Jahrzehnte später wird der Spruch Max Liebermanns manchmal fälschlich Kurt Tucholsky oder Bertolt Brecht zugeschrieben, und kommt ohne Hinweis auf Liebermann wie eine sprichwörtliche Redensart zum Beispiel auch in Max Frischs Drama  "Biedermann und die Brandstifter - Ein Lehrstück ohne Lehre" vor.
Varianten:
  • "Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!"
  • "Kann jar nich soviel essen, wie ich kotzen möchte." 
  • "So ville kann ick gar nich essen, wie ick kotzen möchte."
  • "Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte." 
  • "Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte."
  • "Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte."
  • "Ach Jott, man kann nich halb so viel essen, wie man kotzen möchte." 
  • "Soviel kann man gar nicht fressen, als man kotzen möchte!" 
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Quellen:
Das Neue Tage-Buch, 2. Jahrgang, Nr. 40, Paris-Amsterdam, 6. Oktober 1934, S. 959 (Link) 
Hendric: "Totenklänge um einen Künstler", "Die Stunde", 13. Februar 1935, S. 3 (Link).
Katharina Laessig: "Mit den Augen der Freundin. Zum 80. Geburtstag von Käthe Kollwitz." in: "Aufbau,  Band 3, Aufbau Verlag, Berlin: 1947, S. 63 (Link) 
"Des Teufels General". Film 1955, Drehbuch: George Hurdalek, Helmut Käutner und Gyula Trebitsch; Regie: Helmut Käutner (nach dem Drama Carl Zuckmayers) Transkription einer Szene von Wolfgang Näser: (Link)
Carl Zuckmayer: "Des Teufels General." Drama in drei Akten, verfasst: 1945; Uraufführung 14. Dezember 1946,  in: Carl Zuckmayer: Gesammelte Werke, Die Deutschen Dramen, Bermann-Fischer Verlag, Stockholm: 1947 (In dieser Ausabe scheint die Liebermann-Anekdote nicht enthalten zu sein.)
"Max Liebermann: Poesie des einfachen Lebens",  Ausstellungskatalog, hrsg. von  Nicole Bröhan und  C. Sylvia Weber,  Swiridoff:  2003,  S. 192  (Link)
Johannes John: "Reclams Zitaten-Lexikon." Philipp Reclam jun., Stuttgart: 1992 (Link)
Bernd Küster: "Max Liebermann – ein Malerleben."  Ellert und Richter, Hamburg: 1988, S. 216 (zitiert nach Wikiquote)
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate
Kurt Tucholsky-Gesellschaft, Angebliche Tucholsky-Zitate (Link)
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Dank:
Ich danke den Leuten von Wikiquote, Friedhelm Greis und Herbert Gnauer und besonders auch Garson O' Toole für ihre Recherchen. Dank auch an Klaus Allwicher für eine Korrektur.
 
Letzte Änderungen: 5/7 2021 (Belege 1930er Jahre) ; 7/7 2021; 12/9 2023.