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Freitag, 26. März 2021

"Manchmal wollen die Menschen die Wahrheit nicht hören, weil sie nicht wollen, dass ihre Illusionen zerstört werden." Friedrich Nietzsche (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat.

Diese Lebensweisheit stammt aus einem Roman des amerikanischen Thriller-Autors William Diehl  und kommt weder so noch so ähnlich in einem Text Friedrich Nietzsches vor.

William Diehl:

1992

  • " 'Right, m’boy,' the Judge answered. 'I’ve also said that sometimes people don’t want to hear the truth because they don’t want their illusions destroyed'."
    William Diehl: "Primal Fear" (EA: 1992) Mandarin,  London: 1993, S. 262  (archive.org)

Ein Jahrzehnt später wird dieser Satz eines Richters aus William Diehls Roman "Primal Fear" in den Sozialen Medien Friedrich Nietzsche untergeschoben, zuerst auf Englisch, 2011 erstmals auf Spanisch, und in den folgenden Jahren auch auf Italienisch, Französisch und Deutsch.

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat.

Chronologie der frühesten falschen Zuschreibungen des Zitats an Friedrich Nietzsche auf Twitter:

2009, Englisch

  • "Sometimes people don’t want to hear the truth because they don’t want their illusions destroyed." (Link)

2011, Spanisch

  • "Alguna gente no quiere escuchar la verdad porque no quiere que se destruyan sus ilusiones"  (Link)

 2012, Italienisch

  • A volte le persone non vogliono sentire la verità, perché non vogliono che le loro illusioni vengano distrutte.  (Link)

2013, Französisch

  • ''Parfois, les gens ne veulent pas entendre la vérité parce qu'ils ne veulent pas que leurs illusions détruites " (Link)

 2014, Deutsch

  • "Menschen wollen die Wahrheit nicht hören, weil sie nicht wollen dass ihre Illusionen zerstört werden."  (Link)

 

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat.
Friedrich Nietzsche hat in seiner Moralkritik die Funktion von Illusionen analysiert, auch das Vergnügen daran, Illusionen zu zerstören, aber die simple Konstatierung, dass Menschen ihre Illusionen lieber sind als eine unangenehme Wahrheit, stammt nicht von ihm.

Man kann sich sicher sein, dass dieses beliebte angebliche Nietzsche-Zitat ein Kuckuckszitat ist, da Nietzsches Werke mehrfach digitalisiert sind und schon einige Leute, auch Experten, vergeblich nach diesem Zitat in seinen Schriften gesucht haben und das Zitat auch in den relevanten Nachschlagwerken nicht verzeichnet ist.

 

Artikel in Arbeit.

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 Quellen:

William Diehl: "Primal Fear" (EA: 1992) Mandarin,  London: 1993, S. 262  (archive.org)
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio  (nietzschesource.org) 
"Did Nietzsche actually say or write, 'Sometimes people don't want to hear the truth because they don't want their illusions destroyed', Dezember 2017 (philosophy.stackexchange.com/questions) 
dpa-Faktencheck: "Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Worte von Nietzsche stammen", 11. Oktober 2019  (presseportal.de)   
Wikiquote: Unsourced 

 
 ______
Dank:
Dank an Zitante Christa für Ihren Hinweis.

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 Anhang

 


Friedrich Nietzsche:

  • "Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen in Betracht kommen." 

    Friedrich Nietzsche: "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne: § 1, 1873 (Link)

Daraus entsteht der Hang nicht in der Lüge zu leben: Beseitigung aller Illusionen. Aber er wird aus einem Netz in’s andere gejagt. Der gute Mensch will nun auch wahr sein und glaubt an die Wahrheit aller Dinge. 

Ich hatte die Lust an den Illusionen satt. Selbst in der Natur verdross es mich, einen Berg als ein Gemüths-factum zu sehen. — Endlich sah ich ein, dass auch unsre Lust an der Wahrheit auf der Lust der Illusion ruht.


Zerstören der Illusionen. — Die Illusionen sind gewiss kostspielige Vergnügungen: aber das Zerstören der Illusionen ist noch kostspieliger — als Vergnügen betrachtet, was es unleugbar für manchen Menschen ist.  

Die Illusionen haben den Menschen auch Bedürfnisse angezüchtet, welche die Wahrheit nicht befriedigen kann.  

„Illusionen sind nöthig, nicht nur zum Glück, sondern zur Erhaltung und Erhöhung des Menschen: insonderheit ist gar kein Handeln möglich ohne Illusion. 

Unsere Menschen wollen hart, fatalistisch, Zerstörer der Illusionen sein — Begierde schwacher und zärtlicher Menschen, welche das Formlose, Barbarische, Form-Zerstörenden goutiren (z.B. die „unendliche“ Melodie — Raffinement der deutschen Musiker)  

Es ist naiv zu glauben, daß wir je aus diesem Meer der Illusion herauskommen könnten. Die Erkenntniß ist völlig unpraktisch. 

Die Verlogenheit und Illusion, in der der Mensch lebt. Die Lüge und die Wahrheitsrede — Mythus Poesie. Die Fundamente alles Großen und Lebendigen ruhen auf der Illusion. Das Wahrheitspathos führt zum Untergang.   

 

(Bibliographische Angaben folgen.) 

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Montag, 12. Oktober 2020

"Man muss das Leben tanzen." Friedrich Nietzsche (angeblich)

 

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat.
 

Dieses beliebte Pseudo-Nietzsche-Zitat ist vor etwa 7 Jahren entstanden und hat sich seither sehr schnell in der Meme-Welt, in Zeitungen sowie auf Plakaten und Postkarten verbreitet.

Da Friedrich Nietzsches Schriften mehrfach digitalisiert sind, kann man sich meinen Recherchen nach   sicher sein, dass dieses Zitat in seinen Texten nicht enthalten ist.

Vor dem Jahr 2013 ist dieses Kuckuckszitat in Zeitungen, Büchern und in den sozialen Medien meines Wissens nicht zu finden.

 

Früheste falsche Zuschreibungen an Friedrich Nietzsche auf Twitter, 2014:

 

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitate, Twitter 2014.


Friedrich Nietzsche wurde der Slogan von einer unbekannten Person wahrscheinlich deswegen unterschoben, weil kein anderer Philosoph so enthusiastisch das Tanzen feierte wie er:


Friedrich Nietzsche:

 

  • Und verloren sei uns der Tag, wo nicht Ein Mal getanzt wurde! Und falsch heisse uns jede Wahrheit, bei der es nicht Ein Gelächter gab!

  • 'Des Abends aber wird bei mir — getanzt!' — — Also sprach Zarathustra.

  • 'Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden muß': das klingt meinen Ohren wie eine lachende tanzende Weisheit. Aber sie meinen, ich heiße sie, — zum Kreuze kriechen! Freilich: bevor man tanzen lernt, muß man gehen lernen.

  • Hier auf glatten Felsenwegen
    Lauf’ ich tanzend dir entgegen,
    Tanzend, wie du pfeifst und singst:
    Der du ohne Schiff und Ruder Als der Freiheit freister Bruder
    Ueber wilde Meere springst.
    Kaum erwacht, hört’ ich dein Rufen,
    Stürmte zu den Felsenstufen,
    Hin zur gelben Wand am Meer.

  • Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.  

  • Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.
Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat.

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Artikel in Arbeit.


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Google

Genios.de

anno 


Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff. (Link)  

Garson O'Toole: "Those Who Dance Are Considered Insane by Those Who Can’t Hear the Music. Friedrich Nietzsche? Megan Fox? Anne Louise Germaine de Staël? John Stewart? Norman Flint? Science Fiction fans? Angela Monet? Rumi? George Carlin? Anonymous?" 2012, Quote Investigator (Link)
 

Bibliogr. Angaben folgen.

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Dank:

Ich danke  Gabriel Jonas Levc für den Hinweis auf das Kuckuckszitat.

Dienstag, 25. August 2020

"Wenn man ein Wozu des Lebens hat, erträgt man jedes Wie.“ Friedrich Nietzsche (angeblich)

 

Wandtattoo.  Entstelltes Friedrich-Nietzsche-Zitat.

 
Friedrich Nietzsches Aphorismus: "Hat man sein warum? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem wie? — ...", wird in den letzten Jahren oft verkürzt und entstellt zitiert und das Adverb "Warum" durch die Wörter "Wofür" oder "Wozu" ersetzt.
 
 
Entstelltes Friedrich-Nietzsche-Zitat.


Gekürztes Friedrich-Nietzsche-Zitat.
 
Das Kurz-Zitat mit dem Adverb "Warum" ist eine nicht sinnentstellende, in den 1920er Jahren entstandene, gekürzte Version eines Satzes von Friedrich Nietzsche aus dem Jahr 1888.

Diese gekürzte Version eines Nietzsche-Aphorismus wurde zum Leitsatz der Logotherapie des Psychiaters Viktor E. Frankl und auch Ingeborg Bachmann wurde von diesem Zitat "ein Leben lang begleitet", wie sie ihrem Verleger Siegfried Unseld erzählte.

 
Friedrich Nietzsche, 1888

  • "Hat man sein w a r u m? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem  w i e? — Der Mensch strebt  n i c h t  nach Glück; nur der Engländer thut das."

    Friedrich Nietzsche: "Götzen-Dämmerung: Sprüche und Pfeile", § 12., 1888 (Link)

  •  "Hat man sein Warum? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem Wie? Der Mensch strebt nicht nach Glück, wie die Engländer glauben. —"

    Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Frühjahr 1888, NF-1888, 15[118]
["Engländer" sind in diesem Zusammenhang Utilitaristen wie Jeremy Bentham oder John Stuart Mill, die sich zu dem Grundsatz bekennen: "The greatest happiness of the greatest number is the foundation of morals and legislation."]

Viktor E. Frankl


1946
  • "Die Devise nun, unter der alle psychotherapeutischen oder psychohygienischen Bemühungen den Häftlingen gegenüber stehen mußten, ist vielleicht am treffendsten ausgedrückt in den Worten von Nietzsche: 'Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie'".
    Viktor E. Frankl, 1946 
    (Link)
 1957
  • "Ein Wort von Nietzsche war es, das man als Motto über die ganze psychotherapeutische Arbeit im Konzentrationslager hätte setzen können: 'Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.'"
    Viktor E. Frankl, 1957 (Link)

1961
  • "There is much wisdom in the words of Nietzsche: 'He who has a why to live for can bear almost any how.'' I see in these words a motto which holds true for any psychotherapy'"
    Viktor E. Frankl, 1961 S. 101 (Link)

 

Ingeborg Bachmann, 1971

 

  • "Es kommt mir eine Ahnung, daß er aus dem braunen Schulheft ist, auf dessen erste Seite ich in der Neujahrsnacht geschrieben habe: Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie."Ingeborg Bachmann, Malina, 1971 (Link)


  • "Es [das Leben] ist auch ein Umhergehen in diesem Hohlraum, in dem das Ganze schon Platz hat, ein Weg zur Glan und die Wege entlang der Gail, auf die ganze Goria liege ich hingestreckt mit meinen Heften, ich kritzle sie wieder voll: Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie."
    Ingeborg Bachmann, Malina, 1971 (Link)

  • "... überhaupt Nietzsche. Sie [Ingeborg Bachmann] hat mir gesagt, daß sie ein Nietzsche-Wort ein Leben lang begleitet hätte; ja, sie hätte es für sich umformuliert: »Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.« Dies war ein Satz, den sie in ihr Tagebuch geschrieben hat. Jedes Neujahr gelesen und unter dem Christbaum gedacht. Auf das Nietzsche-Wort sei sie von einem Freund aufmerksam gemacht worden, und er hätte sie dann auch korrigiert."
    Siegfried Unseld über Ingeborg Bachmann, Chronik 1971
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1923  
  • "Nietzsche sagt: ,Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie'." (Link)


1985
  • "Das Wort stammt von Friedrich Nietzsche: „Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie". „Und wer kein Warum hat zu leben?" möchte man unwillkürlich nachfragen."
    (Link)
1991
  • Von Friedrich Nietzsche stammt das Wort: „Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie."(Link)
2003

  • "Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer."
 2018
  • "Wer ein Wozu zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie. (Nietzsche)"  (Link)
 


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ZITATFORSCHUNG unterstützen.

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Quellen:
Twitter 
Google
 
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio, "Götzen-Dämmerung: Sprüche und Pfeile", § 12, 1888 (Link)
Friedrich Nietzsche: "Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt," Sprüche und Pfeile § 12,  Leipzig: 1889, in: Nietzsche Werke, Kritische Gesamtausgabe. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Sechste Abteilung, Dritter Band, Walter de Gruyter, Berlin: 1969, S. 54f. (Link)
Der Neue Merkur, Band 7, Ausgabe 1, Efraim Frisch, Wilhelm Hausenstein 1923, S. 205(Link)
Viktor E. Frankl: "Ein Psycholog erlebt das Konzentrationslager." Verlag für Jugend und Volk, Wien:  1946 (Seitenangabe fehlt noch)
Viktor E. Frankl: "... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager" (EA 1946) Vorwort von Hans Weigel 1977, Kösel, München: 2009, ebooks, o J  (Link)
Viktor E. Frankl: "Man's Search for Meaning. An Introduction to Logotherapy", Beacon Press 1959,  Vorwort: Gordon W. Allport, Pocket Books, Simon and Schuster,  New York: 1963,  19th priniting: 1971, S. 164 
Viktor E. Frankl: "Basic Concepts of Logotherapy", Confins de la psychiatrie, Band 4, S. Karger, Basel/ New York: 1961, S. 101 (Link)
Ingbeorg Bachmann: "Malina", Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main: 1971, 1974, S. 225 und S. 307 
Siegfried Unseld: "Chronik", Band 2 1971, Hrsg. von Ulrike Anders, Raimund Fellinger und Katharina Karduck, Suhrkamp Verlag, Berlin: 2014, S. 13f.
Joachim Eberhardt: "'Es gibt für mich keine Zitate'. Intertextualität im dichterischen Werk Ingeborg Bachmanns", Studien zur deutschen Literatur, Band 165, Max Niemeyer Verlag, Tübingen: 2002, S. 336ff. (Link)
wikiquote
Politische Studien, Band 36, Ausgaben 279-284, Isar-Verlag. 1985, S. 113
Universitas: Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur, Band 46, Ausgaben 1-6; 535-540 Hrsg. von Änne Bäumer-Schleinkofer,  Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1991, S. 247 (Link)
Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 68 (Link)
tagesrandbemerkung.at/2015/05/29
lexikus.de/bibliothek/Zitate-von-Friedrich-Nietzsche
zitate.de

Artikel in Arbeit. Erweiterte Fassung.

Mittwoch, 8. April 2020

"Der denkende Mensch ändert seine Meinung." Friedrich Nietzsche (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat.

Dieser  fast schon sprichwörtliche Satz wird seit kaum 20 Jahren im Internet dem Philosophen Friedrich Nietzsche unterschoben.

In seinen Schriften ist dieser schlichte Satz nicht enthalten, wie jedermann leicht überprüfen kann, da Friedrich Nietzsches Werke mehrfach digitalisiert sind.

Die erste Zuschreibung dieses Zitats an Friedrich Nietzsche steht in dem 1998 erschienenen Jugend-Roman "Die Mitte der Welt" von Andreas Steinhöfel.


Andread Steinhöfel: Die Mitte der Welt, 1998,  S. 85 (Link)
Die  schlagfertige Schülerin Kat rechtfertigt in dem Roman "Die Mitte der Welt"  mit diesem Nietzsche-Zitat, das sie anscheinend gerade erfunden hat, eine Meinungsänderung gegenüber ihrem 17jährigen Freund Phil.

Ein paar Jahre später taucht dieses Zitat der Schülerin Kat als Nietzsche-Zitat in der Signatur von Forenbeiträgen auf, und inzwischen wird es vor allem durch Memes im Internet verbreitet.

Aber das Kuckuckszitat steht auch schon in Zeitungen, besonders amüsant in der 'Neuen Westfälischen' vom 17. März 2018, weil hier das Zitat sowohl Konrad Adenauer  als auch Friedrich Nietzsche fälschlich zugeschrieben wird:

  • "Volker Neuhöfer (SPD) konterte: 'Ich freue mich, mit einem Zitat von Konrad Adenauer antworten zu können: ,Der denkende Mensch ändert seine Meinung’, und es hat sich etwas geändert, deshalb stimmen wir zu.'

    Nichts anderes war erwartet worden, denn die SPD unterstützt das Projekt seit Beginn an. Allerdings hat Neuhöfer nicht Adenauer zitiert, sondern den Philosophen Friedrich Nietzsche (1844-1900)."

    'Neue Westfälische', 17. März 2018 (Link)
 Fortsetzung folgt.

Artikel in Arbeit.



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ZITATFORSCHUNG unterstützen.

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Quellen:
Google
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibungen an Friedrich Nietzsche:

1998 Andread Steinhöfel: Die Mitte der Welt, Carsen Verlag,Hamgurg: (Erstausgabe: 1998) 2018, S.85 (Link)
2002 beautyboard.de/showthread, Sonnenblume, 26. Juni 2002, 10:12:45; 16. April 2002
2004 schatzsucher.de/Foren
2007 ergotherapie.de/foren
S. 91 (Link) 
Neue Westfälische, 17. März 2018 (Link)

spruchwelt.com

Falsche Zuschreibung an Johann Wolfgang Goethe:
books.google 1993?, 2002

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Dank:
Ich danke Ralf Bülow für die Aufdeckung dieses Kuckuckzitats und seinen Hinweis auf dessen Ursprung  (Link).

Mittwoch, 18. September 2019

"Die Tanzenden wurden für verrückt gehalten von denjenigen, die die Musik nicht hören konnten." Friedrich Nietzsche (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Nietzsche quote.

Das amerikanische Sprichwort "Those Who Dance Are Thought Mad by Those Who Hear Not the Music" ist, wie Garson O' Toole herausgefunden hat, schon bald 100 Jahre alt (Link), und wird seit etwa 20 Jahren Friedrich Nietzsche zugeschrieben.

In Nietzsches Schriften ist es nicht zu finden.

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat.
Friedrich Nietzsche wurde das Sprichwort wahrscheinlich deswegen unterschoben, weil kein anderer  Philosoph so enthusiastisch das Tanzen feierte wie er:


Friedrich Nietzsche:

  • Und verloren sei uns der Tag, wo nicht Ein Mal getanzt wurde! Und falsch heisse uns jede Wahrheit, bei der es nicht Ein Gelächter gab! 
  • 'Des Abends aber wird bei mir — getanzt!' — — Also sprach Zarathustra.
  • 'Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden muß': das klingt meinen Ohren wie eine lachende tanzende Weisheit. Aber sie meinen, ich heiße sie, — zum Kreuze kriechen! Freilich: bevor man tanzen lernt, muß man gehen lernen.
  • Hier auf glatten Felsenwegen
    Lauf’ ich tanzend dir entgegen,
    Tanzend, wie du pfeifst und singst:
    Der du ohne Schiff und Ruder Als der Freiheit freister Bruder
    Ueber wilde Meere springst.
    Kaum erwacht, hört’ ich dein Rufen,
    Stürmte zu den Felsenstufen,
    Hin zur gelben Wand am Meer. 
  • Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.   
  • Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.
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Artikel in Arbeit.
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Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff. (Link)
Garson O'Toole: "Those Who Dance Are Considered Insane by Those Who Can’t Hear the Music. Friedrich Nietzsche? Megan Fox? Anne Louise Germaine de Staël? John Stewart? Norman Flint? Science Fiction fans? Angela Monet? Rumi? George Carlin? Anonymous?" 2012, Quote Investigator (Link)
 Bibliogr. Angaben folgen.

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Dank:
Ich danke Garson O'Toole für seine sorgfältige Dokumentation zur Entstehung dieses Kuckuckszitats.

Montag, 20. Mai 2019

"Hindernisse und Schwierigkeiten sind Stufen, auf denen wir in die Höhe steigen." Friedrich Nietzsche (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat.

Dieser beliebte Motivationsspruch stammt von einer unbekannten Autorin oder einem unbekannten Autor und wird Friedrich Nietzsche erst im 21. Jahrhundert unterschoben. In seriösen Nachschlagwerken ist dieser Spruch nicht zu finden.

Da Friedrich Nietzsches Schriften mehrfach digitalisiert sind und ich mehrere Varianten dieses Satzes gründlich gesucht habe, bin ich mir sicher, dass dieser Spruch niemals in einem Text des Philosophen gefunden werden wird.



Varianten des Kuckuckszitats:


2009

2015


2017



2018:
-

Der Friedrich Nietzsche unterschobene Satz könnte sich aus einem ähnlichen Satz der Meditations-Lehrerin Rosemarie Schneider aus dem Jahr 1987 entwickelt haben:

1987

  • "Hindernisse sind Stufen zu höheren Ebenen."
    Rosemarie Schneider: "Geistes-gegenwärtig leben", Verlag CSA Rosemarie Schneider, Bad Homburg: 1987, S. 138 (Link)



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Quellen:
Google
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, de Gruyter, Berlin/New York: 1967ff. (nietzschesource.org)
Rosemarie Schneider: "Geistes-gegenwärtig leben", Verlag CSA Rosemarie Schneider, Bad Homburg: 1987, S. 138 (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
 2008: oberberg-stiftung.de (frühe falsche Zuschreibung)
Hartmut Werner: "Supply Chain Management: Grundlagen, Strategien, Instrumente und Controlling", 6. Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden: 2017, S. 147 (Link)
spruchwelt.com
hebammenpraxis
gutezitate.com/zitat/104832

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Dank:
Ich danke Ralf Bülow für seinen Hinweis auf das Meditations-Buch Rosemarie Schneiders.

Mittwoch, 12. September 2018

"Werde der, der du bist." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

Diese Maxime des griechischen Dichters Pindar wird Johann Wolfgang von Goethe fälschlich zugeschrieben und ist weder in seinen digitalisierten Schriften noch in Goethe-Lexika zu finden.

Pindars Maxime stammt in diesem Wortlaut von Friedrich Nietzsche, in dessen Schriften und Briefen sie fünfmal in leicht verschiedenen Versionen vorkommt. Auch der Untertitel von Nietzsches letztem Werk, "Ecce homo. Wie man wird was man ist", spielt auf diesen Pindarschen Aphorismus an.


Friedrich Nietzsche:

Von diesem Satz Pindars gibt es viele verschiedene Übersetzungen, aber keine von Goethe.

Pindar, Zweite Pythische Ode:

  • "γένοι' οἷος ἐσσὶ μαθών"
  • "Werde welcher du bist erfahren". Übersetzt von Friedrich Hölderlin.
  • "Werde der, der du bist!" Übersetzt von Friedrich Nietzsche.
  • "Komm zur Kenntnis, von welcher Art du bist!" Übersetzt von Dieter Bremer.
  • "Beginne zu erkennen, wer du bist." Übersetzt von Eugen Dönt.
  • Become such as you are, having learned what that is.
  • Be what you know you are.
  •  Become the one thou art. 
    Become who you are!
  • Be true to thyself now that thou hast learnt what manner of man thou art.
  • Having learned, become who you are.
  • Deviens celui que tu es!
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Quellen:
"Lexikon der Goethe-Zitate". Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991
Pindar: "Siegeslieder" Griechisch - Deutsch,  Übers.: Dieter Bremer, Sammlung Tusculum, Patmos Verlag, Düsseldorf/Zürich: 2003, Zweite Pytische Ode, S. 124/72; 125 (Link)
Pindar: "Oden", übersetzt und hrsg. von Eugen Dönt, Reclam, Stuttgart: 1986, S. 99
Friedrich Hölderlin: Pindar, in: Friedrich Hölderlin: Sämmtliche Werke,  Band 15, hrsg. von D. E. Sattler, Stroemfeld/Stern, Frankfurt am Main: 1987, S. 219, Z. 131 (Link)
Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Oktober–Dezember 1876
 Friedrich Nietzsche: Nachgelassene Fragmente Frühjahr–Herbst 1881
Friedrich Nietzsche: Brief an Lou von Salomé: vermutlich 10. Juni 1882
Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft: § 270. Erste Veröff. 1882
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra IV: Das Honig-Opfer. 1885  
Timo Hoyer: "Nietzsche und die Pädagogik: Werk, Biografie und Rezeption", Königshausen u. Neumann, Würzburg: 2002, S. 418  (Link) 
Andreas Urs Sommer: "Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben, Nietzsche contra Wagner",  Nietzsche-Kommentar 6/2, De Gruyter, Berlin/ Boston: 2013, S.  354 (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibung an Goethe:
1985 books.google
facebook
twitter 

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Ich danke Frank Richter für den Hinweis auf dieses Falschzitat.



Artikel in Arbeit.


(Link)



Johann Wolfgang von Goethe

  • Mephistopheles:
    "Du bist am Ende - was du bist.
    Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
    Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
    Du bleibst doch immer, was du bist."
    Faust I, 1806-10 (Link)

Urworte, orphisch

ΔΑΙΜΩΝ, Dämon

        Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

Sonntag, 13. Mai 2018

"Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie." Friedrich Nietzsche (angeblich)


Gekürztes Friedrich-Nietzsche-Zitat.


Dieses weit verbreitete Zitat ist eine nicht sinnentstellende, in den 1920er Jahren entstandene, gekürzte Version eines Satzes von Friedrich Nietzsche.

Diese gekürzte Version eines Nietzsche-Aphorismus wurde zum Leitsatz der Logotherapie des Psychiaters Viktor E. Frankl und auch Ingeborg Bachmann wurde von diesem Zitat "ein Leben lang begleitet", wie sie ihrem Verleger Siegfried Unseld erzählte.

 
Friedrich Nietzsche, 1888

  • "Hat man sein w a r u m? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem  w i e? — Der Mensch strebt  n i c h t  nach Glück; nur der Engländer thut das."

    Friedrich Nietzsche: "Götzen-Dämmerung: Sprüche und Pfeile", § 12., 1888 (Link)

  •  "Hat man sein Warum? des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem Wie? Der Mensch strebt nicht nach Glück, wie die Engländer glauben. —"
    Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Frühjahr 1888, NF-1888, 15[118]
("Engländer" sind in diesem Zusammenhang Utilitaristen wie Jeremy Bentham oder John Stuart Mill, die sich zu dem Grundsatz bekennen: "The greatest happiness of the greatest number is the foundation of morals and legislation.")

Viktor E. Frankl


1946
  • "Die Devise nun, unter der alle psychotherapeutischen oder psychohygienischen Bemühungen den Häftlingen gegenüber stehen mußten, ist vielleicht am treffendsten ausgedrückt in den Worten von Nietzsche: 'Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie'".
    Viktor E. Frankl, 1946 
    (Link)
 1957
  • "Ein Wort von Nietzsche war es, das man als Motto über die ganze psychotherapeutische Arbeit im Konzentrationslager hätte setzen können: 'Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.'"
    Viktor E. Frankl, 1957 (Link)

1961
  • "There is much wisdom in the words of Nietzsche: 'He who has a why to live for can bear almost any how.'' I see in these words a motto which holds true for any psychotherapy'"
    Viktor E. Frankl, 1961 S. 101 (Link)

 

Ingeborg Bachmann, 1971

 

  • "Es kommt mir eine Ahnung, daß er aus dem braunen Schulheft ist, auf dessen erste Seite ich in der Neujahrsnacht geschrieben habe: Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie."Ingeborg Bachmann, Malina, 1971 (Link)


  • "Es [das Leben] ist auch ein Umhergehen in diesem Hohlraum, in dem das Ganze schon Platz hat, ein Weg zur Glan und die Wege entlang der Gail, auf die ganze Goria liege ich hingestreckt mit meinen Heften, ich kritzle sie wieder voll: Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie."
    Ingeborg Bachmann, Malina, 1971 (Link)

  • "... überhaupt Nietzsche. Sie [Ingeborg Bachmann] hat mir gesagt, daß sie ein Nietzsche-Wort ein Leben lang begleitet hätte; ja, sie hätte es für sich umformuliert: »Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.« Dies war ein Satz, den sie in ihr Tagebuch geschrieben hat. Jedes Neujahr gelesen und unter dem Christbaum gedacht. Auf das Nietzsche-Wort sei sie von einem Freund aufmerksam gemacht worden, und er hätte sie dann auch korrigiert."
    Siegfried Unseld über Ingeborg Bachmann, Chronik 1971
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1923  
  • "Nietzsche sagt: ,Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie'." (Link)


1985
  • "Das Wort stammt von Friedrich Nietzsche: „Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie". „Und wer kein Warum hat zu leben?" möchte man unwillkürlich nachfragen."
    (Link)
1991
  • Von Friedrich Nietzsche stammt das Wort: „Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie."(Link)
2003

  • "Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer."
 2018
  • "Wer ein Wozu zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie. (Nietzsche)"  (Link)
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Quellen:
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio, "Götzen-Dämmerung: Sprüche und Pfeile", § 12, 1888 (Link)
Friedrich Nietzsche: "Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt," Sprüche und Pfeile § 12,  Leipzig: 1889, in: Nietzsche Werke, Kritische Gesamtausgabe. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Sechste Abteilung, Dritter Band, Walter de Gruyter, Berlin: 1969, S. 54f. (Link)
Der Neue Merkur, Band 7, Ausgabe 1, Efraim Frisch, Wilhelm Hausenstein 1923, S. 205(Link)
Viktor E. Frankl: "Ein Psycholog erlebt das Konzentrationslager." Verlag für Jugend und Volk, Wien:  1946 (Seitenangabe fehlt noch)
Viktor E. Frankl: "... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager" (EA 1946) Vorwort von Hans Weigel 1977, Kösel, München: 2009, ebooks, o J  (Link)
Viktor E. Frankl: "Man's Search for Meaning. An Introduction to Logotherapy", Beacon Press 1959,  Vorwort: Gordon W. Allport, Pocket Books, Simon and Schuster,  New York: 1963,  19th priniting: 1971, S. 164 
Viktor E. Frankl: "Basic Concepts of Logotherapy", Confins de la psychiatrie, Band 4, S. Karger, Basel/ New York: 1961, S. 101 (Link)
Ingbeorg Bachmann: "Malina", Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main: 1971, 1974, S. 225 und S. 307 
Siegfried Unseld: "Chronik", Band 2 1971, Hrsg. von Ulrike Anders, Raimund Fellinger und Katharina Karduck, Suhrkamp Verlag, Berlin: 2014, S. 13f.
Joachim Eberhardt: "'Es gibt für mich keine Zitate'. Intertextualität im dichterischen Werk Ingeborg Bachmanns", Studien zur deutschen Literatur, Band 165, Max Niemeyer Verlag, Tübingen: 2002, S. 336ff. (Link)
wikiquote
Politische Studien, Band 36, Ausgaben 279-284, Isar-Verlag. 1985, S. 113
Universitas: Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur, Band 46, Ausgaben 1-6; 535-540 Hrsg. von Änne Bäumer-Schleinkofer,  Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1991, S. 247 (Link)
Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 68 (Link)
tagesrandbemerkung.at/2015/05/29
lexikus.de/bibliothek/Zitate-von-Friedrich-Nietzsche
zitate.de

Artikel in Arbeit.

Sonntag, 15. April 2018

"Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben." Oscar Wilde (angeblich)



Der zweite Teil des Aphorismus ("everyone else is already taken") stammt aus einer unbekannten Quelle aus dem Jahr 1999, wie Garson O'Toole herausfand (Link), und wurde ein paar Jahre später Oscar Wilde unterschoben, der erste Teil ("Be yourself") ist eine alte Maxime, die vielleicht auf Sophokles zurückgeht und in der Weltliteratur oft bekräftigt wurde, zum Beispiel von Friedrich Nietzsche, Henrik Ibsen und auch von Oscar Wilde selbst, in seinem einst viel bewunderten Essay "Der Sozialismus und die Seele des Menschen".

Sophokles

  • "So sei du selbst und, was du sinnst und tust, Verflucht, dreimal verflucht bis in den Tod! Nie blühe dir der Vaterfreude Segen! Zeugst du dem Fluch zum Trotz dir einen Sohn".
    Laios, in:
    "Dramen des Sophokles", Erster Band, "Laios", Vorspiel zu dem "König Oidipus" des Sophokles, übertragen von Walther Amelung, Eugen Diederichs, Jena: 1916, S. 13

Friedrich Nietzsche

  • "Der Mensch, welcher nicht zur Masse gehören will, braucht nur aufzuhören, gegen sich bequem zu sein; er folge seinem Gewissen, welches ihm zuruft: 'sei du selbst! Das bist du alles nicht, was du jetzt thust, meinst, begehrst.' Jede junge Seele hört diesen Zuruf bei Tag und bei Nacht und erzittert dabei; denn sie ahnt ihr seit Ewigkeiten bestimmtes Maass von Glück, wenn sie an ihre wirkliche Befreiung denkt: zu welchem Glücke ihr, so lange sie in Ketten der Meinungen und der Furcht gelegt ist, auf keine Weise verholfen werden kann."
    Friedrich Nietzsche: "Schopenhauer als Erzieher" § 1, 1874 (Link)

 Henrik Ibsen

  •  "Und insoferne nennt Ibsen in 'Peer Gynt' den Grundsatz: 'Sei Dir selbst genug' den der Trolle, dem er den der Menschen gegenüberstellt: 'Sei Du selbst'."
    Alfred Markowitz: "Die Weltanschauung Henrik Ibsens", Xenien Verlag: 1913, S. 182 (Link)

 Oscar Wilde

  • "‘Know thyself’ was written over the portal of the antique world. Over the portal of the new world, ‘Be thyself’ shall be written. And the message of Christ to man was simply ‘Be thyself.’ That is the secret of Christ."
    Oscar Wilde: "The Soul of Man under Socialism", 1891 (Link)
  • "»Erkenne dich selbst,« stand über dem Portal der antiken Welt zu lesen. Über dem Portal der neuen Welt wird stehen: »Sei du selbst.« Und die Botschaft Christi an den Menschen lautete einfach: »Sei du selbst.« Das ist das Geheimnis Christi. Wenn Jesus von den Armen spricht, meint er einfach Persönlichkeiten, gerade wie er, wenn er von den Reichen spricht, einfach Leute meint, die ihre Persönlichkeit nicht ausgebildet haben."
    Oscar Wilde: "Der Sozialismus und die Seele des Menschen" (Link)
  • "Was Jesus gemeint hat, ist folgendes. Er sagte dem Menschen: »Du hast eine wundervolle Persönlichkeit. Bilde sie aus. Sei du selbst. Wähne nicht, deine Vollkommenheit liege darin, äussere Dinge aufzuhäufen oder zu besitzen. Deine Vollkommenheit ist in dir. Wenn du die nur verwirklichen könntest, dann brauchtest du nicht reich zu sein. Der gemeine Reichtum kann einem Menschen gestohlen werden. Der wirkliche Reichtum nicht. ..."
    Oscar Wilde: "Der Sozialismus und die Seele des Menschen" (Link) 

Varianten des Kuckuckszitats:

  • "Be yourself; everyone else is already taken."
  • "Sei Du selbst, alle anderen gibt es schon."
  • "Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben." 
Pseudo-Oscar-Wilde quote.


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Quellen:

Garson O'Toole (Quote Investiagtor): "Be Yourself. Everyone Else Is Already Taken. Oscar Wilde? Thomas Merton? Gilbert Perreira? Menards? America Ferrera? Apocryphal? Anonymous?" 2014 (Link)
Frühe deutschsprachige Zuschreibung an Oscar Wilde:
Peter Fauser: "Woran Schulen denken sollten, wenn sie sich „auf den Weg“ machen", ILS Mail, Ausgabe 1/08, Jg. 7, Innsbruck: 2008  (pdf)
2008: Elisabeth Bonneau: "Der große GU Knigge, Gräfe und Unzer Verlag, München: 2008, S. 140 (Link)
Frühe englischsprachige Zuschreibungen an Oscar Wilde:   
Aug 25, 2006 at 10:50pm, "Best Kiss" (Link)
October 07, 2006, 07:48:50 pm (susans.org/forums)

"Dramen des Sophokles", Erster Band, "Laios", Vorspiel zu dem "König Oidipus" des Sophokles, übertragen von Walther Amelung, Eugen Diederichs, Jena: 1916, S. 13
Alfred Markowitz: "Die Weltanschauung Henrik Ibsens", Xenien Verlag: 1913, S. 182 (Link)
Friedrich Nietzsche: "Schopenhauer als Erzieher" (1874), Nietzsche Werke, Kritische Studienausgabe, 3. Abteilung - 1. Band, Die Geburt  der Tragödie. Unzeitgemäße Betrachtungen I-III (1872-1874), herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari,  Walter de Gruyter, Berlin/ New York, dtv München: Neuausgabe 1999, S. 338 (Link)
Oscar Wilde: "Der Sozialismus und die Seele des Menschen." Übersetzt von Hedwig Lachmann und Gustav Landauer, (EA 1904), Verschollene Meister der Literatur, Band 2 , Karl Schnabel Verlag, Berlin: 1928 (Link) Übersetzung von Edward Viesel: "Die Seele des Menschen im Sozialismus",   2012 (Link)
Oscar Wilde: "The Soul of Man under Socialism" (1891), "The Artist as Critic: Critical Writings of Oscar Wilde". Edited by Richard Ellmann. Random House, New York: 1969 (Link)
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Dienstag, 3. April 2018

"Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen." Friedrich Nietzsche (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat. 

Dieses bei Heilpraktikerinnen und Ärzten beliebte Pseudo-Nietzsche-Zitat ist als "Nietzsche"-Zitat  kaum zehn Jahre alt und schon weit verbreitet. Dieses  Kuckuckszitat wird immer ohne Quellenangabe aus Nietzsches Schriften zitiert und ist auch nicht in ihnen enthalten, wie man unschwer nachprüfen kann, da Nietzsches sämtliche Schriften und Briefe mehrfach digitalisiert sind.

Entstanden könnte das Kuckuckszitat durch eine Lebensweisheit sein, die häufig Franz Kafka  unterschoben wird, aber von dem spanischen Dichter Antonio Machado stammt: "Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen".

Twitter, 2015:




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Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra II:


"Neue Wege gehe ich, eine neue Rede kommt mir; müde wurde ich, gleich allen Schaffenden, der alten Zungen. Nicht will mein Geist mehr auf abgelaufnen Sohlen wandeln.
Zu langsam läuft mir alles Reden: — in deinen Wagen springe ich, Sturm! Und auch dich will ich noch peitschen mit meiner Bosheit!"
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra II: Das Kind mit dem Spiegel. Erste Veröffentlichung 31. Dezember 1883. (Link)

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Google
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio (Link) 
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra II: Das Kind mit dem Spiegel. Erste Veröffentlichung 31. Dezember 1883. (Link)




Frühe Zuschreibungen an Friedrich Nietzsche: 2007 (Link); 2012 Twitter; 2013 zB:  (Link)