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Montag, 25. November 2019

"Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen." Immanuel Kant (angeblich)

Der Satz: "Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht zu den vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: Die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen",  ist eine verkürzte, aber nicht sinnentstellende Wiedergabe eines Gedankens aus Immanuel Kants "Kritik der Urteilskraft":

Immanuel Kant, 1790:


  • "Voltaire sagte, der Himmel habe uns zum Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens zwei Dinge gegeben: die Hoffnung und den Schlaf. Er hätte noch das Lachen dazu rechnen können; wenn die Mittel es bei Vernünftigen zu erregen nur so leicht bei der Hand wären, und der Witz oder die Originalität der Laune, die dazu erforderlich sind, nicht ebenso selten wären, als häufig das Talent ist, kopfbrechend, wie mystische Grübler, halsbrechend, wie Genies, oder herzbrechend, wie empfindsame Romanschreiber (auch wohl dergleichen Moralisten), zu dichten."

    Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft, § 54 Anmerkung, S. 203 (Link);  /Link)

Voltaire hat den großen Wert von Schlaf und Hoffnung für die geplagte Menschheit in seinem Epos über Heinrich IV. (Le Henriade) gefeiert:

Voltaire, Le Henriade, 1728

  • "Gott, dessen Macht und Huld uns aus dem Nichts gerissen, 
    Hat, um die Pilgrimschaft des Lebens zu versüssen,
    Dis Rund mit Zweyerley zur Linderung begabt,
    Des glücklicher Besitz den Mensch beständig labt,
    Als Stütze bey der Müh, als Schatz, im Mangel offen;
    Dis ist der süsse Schlaf, das andre ist das Hoffen."

    Voltaire: "Heldengesang auf Heinrich dem Vierdten, König in Frankreich", übersetzt von Friedrich Heinrich von Schönberg, 1751, S. 108f.; französisch, S. 95: (Link)

Schon ein paar Jahre nach der Erstveröffentlichung der "Kritik der Urteilskraft" wurde der Gedanke Kants ohne Hinweis auf dessen Ursprung bei Voltaire zitiert:

  • "Hoffnung, Schlaf und Lachen sind, wie Kant sagt, die drei specifischsten Mittel, uns die Uebel der Welt vergessen zu machen, und die Wiener, ohne Kant zu kennen, wenden diese Mittel an."

    Carl L. Fernow, 1794 (Link)

Verkürztes Immanuel-Kant-Zitat.


Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Google
Immanuel Kant: "Kritik der Urteilskraft." Mit Einleitung und Bibliographie herausgegeben von Heiner F. Klemme und Anmerkungen von Piero Giordanetti. Felix Meiner Verlag, Hamburg: 2009, S. 458 (Anmerkung zu Voltaire) [Druckfehler: Huls statt Huld]  (Link)
Voltaire: "Le Henriade" (1728, London) Les frères Perisse, Lyon: 1807, S. 95 (Link)
Voltaire: "Heldengesang auf Heinrich dem Vierdten, König in Frankreich". Übersetzt von Friedrich Heinrich von Schönberg auf Zschaiten, Druckts Johann Christoph Krause, Dresden: 1751 S. 108f.
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"Trunkenheit, Hofnung und Schlaf. wodurch Menschen sich selbst gegen die Übel bewafnen"
Notiz von Immanuel Kant, etwa 1770 (Link)

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Dank:
Ich danke Michael Oberst für den Hinweis auf dieses verkürzte Zitat.









Mittwoch, 2. Januar 2019

"Kein größerer Schaden kann einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den Nationalcharakter, die Eigenart ihres Geistes und ihrer Sprache nimmt.“ Immanuel Kant (angeblich)

 Immanuel Kant unterschobenes Zitat von J.G. Herder.
Dieser Satz Johann Gottfried Herders wird nicht nur von der Identitären Bewegung manchmal Immanuel Kant unterschoben.

Mit Immanuel Kant hat dieser Satz nichts zu tun. Er stammt aus Johann Gottfried Herders Essay "Fragmente über die neuere deutsche Literatur" aus dem Jahr 1767.


Johann Gottfried Herder, 1767

  • "Kein größerer Schade kann einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den National-Charakter, die Eigenheit ihres Geistes und ihrer Sprache raubt; überdenke dieses, und du wirst den unersetzlichen Schaden sehen." (Link)

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Quellen:
Johann G. Herder: "Ueber die neuere Deutsche Litteratur." Fragmente, als Beilagen zu den Briefen, die neueste Litteratur betreffen. Dritte Sammlung. Johann Friedrich Hartknoch, Riga: 1767, S. 13 (Link) 
Google_

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Ich danke Tobias Blanken für den Hinweis auf dieses falsche Zitat. 


In Arbeit.


vds-ev.de/literatur/literarisches/sprueche-und-zitate-zur-deutschen-sprache
("unbekannter Verfasser (dieser Ausspruch wird irrtümlich oft Immanuel Kant zugeschrieben")

Mittwoch, 22. August 2018

"Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." Johann Wolfgang von Goethe (angeblich)

Pseudo-Johann-Wolfgang-Goethe-Zitat.
Diesen politischen Aphorismus einer unbekannten Autorin schrieb ein Lehrer beim Geschichtsunterricht um 1960 auf eine Schultafel. Der Lehrer wurde mit diesem Zitat auf der Tafel photographiert und das Foto in den "Nürnberger Nachrichten" veröffentlicht.

Deswegen wird diesem ehemaligen Lehrer und späterem Professor Hermann Glaser manchmal der Aphorismus zugeschrieben. Doch nach einer Anfrage von Dominik Lagushkin teilte Hermann Glaser mit, dass er diesen Aphorismus nicht geprägt habe, und 50 Jahre danach nicht mehr feststellen könne, woher er das Zitat damals hatte (Link).

Seit 2012, seit eine rechtsextreme Webseite damit begann, wird das Zitat auf Facebook, in der Kronen Zeitung und in anderen unseriösen Medien meistens Johann Wolfgang Goethe untergeschoben, vereinzelt auch Shakespeare, Kurt Tucholksy oder Immanuel Kant.

In den Schriften und dazugehörigen Nachschlagwerken Goethes, Kants und Tucholskys ist dieses Zitat, das in der Mitte des 20. Jahrhunderts als politische Parole entstanden sein könnte, nicht zu finden.


 Entwicklung des Zitats



1998, unbekannt
  • "In unseren Tagen kursiert ein Satz, der Aichers Philosophie vorwegzunehmen scheint: „Wer in der Demokratie schläft, wacht auf in der Diktatur.“ Oder schlagender: „Schlaf in der Demokratie, wach auf in der Diktatur!“ Dieser Erkenntnis der jüngsten Vergangenheit diente seine Art der Prophylaxe." 
    Joerg Crone, Dissertation (pdf)

2007, unbekannt
  • "Wählen tut Not! Denn wer in der Demokratie pennt, der wacht in der Dikatur auf. "
    groups.google
2011?, Glaser
  • „Wer in der Demokratie schläft, erwacht in der Diktatur“. Dieses hochaktuelle Zitat stammt vom Nürnberger Professor und Publizisten Hermann Glaser".
    amadeu-antonio-stiftung.de

2012, Goethe
  •  "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." J W Goethe
    dasgelbeforum
2012, Shakespeare
  • "Liebe Landratsmitglieder, wachen Sie endlich auf. Sie haben einen Auftrag vom Volk! Nehmen Sie sowohl Ihre Pflichten wie auch Ihre Rechte wahr. Erinnern Sie sich an Shakespeare, der sagte:
    'Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.'"
    etwasanderekritik.wordpress.com/2012
2016, Goethe
  • Da fällt mir ein Satz Goethes ein: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf“.
    Tassilo Wallentin: "Der große Coup", Kronen Zeitung, 27/3 2016 (Link)
  2017
-
Johann Wolfgang von Goethe ist übrigens nie als Verteidiger der Demokratie aufgefallen. Im Gegenteil:

Goethe, 1792

  • "Was mir aber noch mehr auffiel, war, daß ein gewisser Freiheitssinn, ein Streben nach Demokratie sich in die hohen Stände verbreitet hatte; man schien nicht zu fühlen, was alles erst zu verlieren sei, um zu irgendeiner Art zweideutigen Gewinnes zu gelangen."
    Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 1792 (Link)

Goethe, 1827

  • "Man spricht immer viel von Aristokratie und Demokratie, die Sache ist ganz einfach diese: In der Jugend, wo wir nichts besitzen oder doch den ruhigen Besitz nicht zu schätzen wissen, sind wir Demokraten; sind wir aber in einem langen Leben zu Eigenthum gekommen, so wünschen wir dieses nicht allein gesichert, sondern wir wünschen auch, daß unsere Kinder und Enkel das Erworbene ruhig genießen mögen. Deshalb sind wir im Alter immer Aristokraten ohne Ausnahme, wenn wir auch in der Jugend uns zu andern Gesinnungen hinneigten."
    Gespräche mit Eckerman, 15. Juli 1827 (Link)
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Quellen:
"Lexikon der Goethe-Zitate". Hrsg. von Richard Dobel, Artemis Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg: 1991, Stichwort "Demokratie", S. 110
Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Pempelfort, November 1792 (Link)
Gespräche mit Eckerman, 15. Juli 1827 (Link)
Immanuel Kant: Gesammelte Werke, Akademieausgabe. Elektronische Edition: Universität Duisburg  
Altes Sprichwort: "Wer mit Hunden schläft, wacht mit Flöhen auf."
Joerg Crone: "Die visuelle Kommunikation der Gesinnung - Zu den grafischen Arbeiten von Otl Aicher und der Entwicklungsgruppe 5 für die Deutsche Lufthansa 1962", Dissertation, Freiburg, 1998, S. 46 (pdf)
Edwin Baumgartner: "Retten wir Goethes Karriere!", Wiener Zeitung, 3. Dezember 2015 wienerzeitung.at
Dominik Lagushkin: "Über adoptierte Zitate", 2013 (Link)

Frühe falsche Zuschreibung an Goethe: 
2012:  dasgelbeforum
Beispiel für falsche Zuschreibung:
Tassilo Wallentin: "Der große Coup", Kronen Zeitung, 27. März 2016 (Link)

 ______
Dank
Ich danke Dominik Lagushkin für seine informative Dokumentation aus dem Jahr 2013 (Link).

Artikel in Arbeit. 

Freitag, 17. August 2018

"Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern; tot ist nur, wer vergessen wird." Immanuel Kant (angeblich)

Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
 Dieses Zitat stammt aus dem Schauspiel "Der Stern von Sevilla" des österreichischen Autors Christian von Zedlitz und wird dem Königsberger Philosophen Immanuel Kant seit Jahrzehnten unterschoben.

Obwohl der Literaturwissenschaftler Ulrich Seelbach von der Universität Bielefeld dankenswerter Weise schon vor Jahren auf diese falsche Zuschreibung des Zedlitz-Zitats in seiner Sammlung von Trauersprüchen hingewiesen hat, wird dieses Zitat weiterhin in Trauerspruchsammlungen, Büchern und Zeitungen Immanuel Kant und manchmal auch irrtümlich Seneca zugeschrieben.
Pseudo-Seneca-Zitat.

 1830, Christian von Zedlitz

  • "Wer im Gedächtniß seiner Lieben lebt, Ist ja nicht todt, er ist nur fern. – Todt nur
    Ist, wer vergessen wird; 
    ich aber werde,
    Ich weiß es, nicht vergessen seyn von dir – "
    Joseph Christian von Zedlitz: "Der Stern von Sevilla", 4. Aufzug, 7. Auftritt, Ortiz zu Estrella (Link) 
 "Der Stern von Sevilla" ist nach Motiven des 1623 publizierten Dramas "La Estrella de Sevilla" des spanischen Dichters Lope de Vega entstanden.

Die Wendung, "Todt nur ist, wer vergessen wird", scheint es nur in der deutschen Fassung des österreichischen Autors Christian von Zedlitz zu geben, obwohl sie manchmal im 19. Jahrhundert Lope de Vega zugeschrieben wird (Link).

Varianten dieses Satzes

  • "Wer im Herzen seiner Lieben lebt, ist nicht tot. Tot ist, wer vergessen wird."
 
1859, George Eliot
  • "Unsere Toten werden erst dann wirklich tot sein, wenn wir sie vergessen haben."
  • "Our dead are never dead to us until we have forgotten them."
    George Eliot, "Adam Bede"  (Link)
 21. Jahrhundert
https://twitter.com/krieghofer/status/8712816072185405
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Quellen:
Arbeitsgruppe von Ulrich Seelbach von der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld: "Trauersprüche"
Wikiquote
"Der Stern von Sevilla", Nach dem gleichnamigen Schauspiel des Lope de Vega, bearbeitet von Joseph Christian Baron v. Zedlitz, Verlag der J.G. Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen: 1830, S. 98 (Link)
George Eliot: "Adam Bede" (Erstausgabe 1859, John Blackwood, London), Harper and Brothers, New York: 1860, S. 89 (Link)
Literaturbericht zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik (1992-1997). Hrsg. von Walter Koch u.a.  Hahnsche Buchhdlg. , Hannove: 2000, S. 450 (zitiert nach Seelbach)
 Google
2011: Geschichtsforum

Frühe falsche Zuschreibungen an Immanuel Kant:
1984: Traueranzeige, "Das Ostpreußenblatt", 6. Oktober 1984, S. 22 preussische-allgemeine.de/1984
 
1992: Traueranzeige S. 23  preussische-allgemeine.de/1992
1999: Traueranzeige
1998: groups.google.com

Weitere Beispiele für falsche Zuschreibungen an Kant:
2016: Dudenredaktion: "DUDEN - Passende Worte im Trauerfall: Trauertexte stilsicher formulieren", Bibliographisches Institut, Berlin: 2016, ebook  (Link)
2018:  www.focus.de/wissen
2016 books.google


Falsche Zuschreibungen an Brecht:
zum Beispiel:
Dudenredaktion: "DUDEN - Passende Worte im Trauerfall: Trauertexte stilsicher formulieren", Bibliographisches Institut, Berlin, 2016, ebook (Link)

Dienstag, 14. August 2018

"Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt." Bertolt Brecht (angeblich)


Pseudo-Bertolt-Brecht-Zitat.
Dem im Jahr 1956 verstorbenen Dramatiker und Lyriker Bertolt Brecht wird dieser Trauerspruch seit etwa zwanzig Jahren unterschoben. In seinen Werken und in zeitgenössischen Quellen ist dieses Pseudo-Brecht-Zitat bisher nicht gefunden worden.

Dieser Trauerspruch stammt so ähnlich aus dem 19. Jahrhundert.

Entwicklung des Zitats


 1830, Christian von Zedlitz
  • "Wer im Gedächtniß seiner Lieben lebt,
    Ist ja nicht todt, er ist nur fern. – Todt nur
    Ist, wer vergessen wird; 
    ich aber werde,
    Ich weiß es, nicht vergessen seyn von dir – "
    Joseph Christian von Zedlitz: "Der Stern von Sevilla", 4. Aufzug, 7. Auftritt, Ortiz zu Estrella  (Link)
"Der Stern von Sevilla" ist nach Motiven des 1623 publizierten Dramas "La Estrella de Sevilla" des spanischen Dichters Lope de Vega entstanden.

Die Wendung, "Todt nur ist, wer vergessen wird", scheint es nur in der deutschen Fassung des österreichischen Autors Christian von Zedlitz zu geben, obwohl sie manchmal im 19. Jahrhundert Lope de Vega zugeschrieben wird (Link).

Das Zitat aus dem Schauspiel "Der Stern von Sevilla" wurde bald geflügelt und als anonymer Trauerspruch verbreitet.
 

1859, George Eliot
  • "Unsere Toten werden erst dann wirklich tot sein, wenn wir sie vergessen haben."
  • "Our dead are never dead to us until we have forgotten them."
    George Eliot, "Adam Bede"  (Link)

Der Trauerspruch "Tot ist nur, wer vergessen ist" (Link) wird heute auch  Immanuel Kant , Seneca und anderen unterschoben.


 Twitter, 2017:


https://twitter.com/krieghofer/status/8712816072185405
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Quellen:
Wikiquote
Arbeitsgruppe von Ulrich Seelbach von der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld: "Trauersprüche"
"Der Stern von Sevilla", Nach dem gleichnamigen Schauspiel des Lope de Vega, bearbeitet von Joseph Christian Baron v. Zedlitz, Verlag der J.G. Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen: 1830, S. 98 (Link)
George Eliot: "Adam Bede" (Erstausgabe 1859, John Blackwood, London), Harper and Brothers, New York: 1860, S. 89 (Link)
 Google
2011: Geschichtsforum

Frühe falsche Zuschreibung:
1998: groups.google.com

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
Google: diverse Online-Zitatsammlungen;  Zitate im Management;
Dudenredaktion: "DUDEN - Passende Worte im Trauerfall: Trauertexte stilsicher formulieren", Bibliographisches Institut, Berlin, 2016, ebook (Link)

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Dank

Ich danke Ulrich Seelbach und allen Teilnehmern der Twitter-Diskussion über dieses Zitat und besonders Ralf Bülow für den Hinweis auf Zedlitz.

Artikel in Arbeit.


Donnerstag, 24. Mai 2018

"Gott sei's gedankt, in der nächsten Welt wird es keinen Kaffee geben. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als auf Kaffee zu warten, wenn er noch nicht da ist." Immanuel Kant (angeblich)


Entstelltes Immanuel-Kant-Zitat.
In seinen letzten Lebensjahren war der Königsberger Philosoph Immanuel Kant verwirrt, er sprach manchmal nur mehr undeutlich und aus dieser Zeit sind einige Aussprüche Kants über das  Kaffeetrinken überliefert, die später etwas verändert zitiert wurden.

  • 1804: "Nun, darüber kann ich sterben; und in jener Welt will ich keinen Kaffee trinken." 
  • 1827: "Well, one can die after all: it is but dying; and in the next world, thank God! there is no drinking of coffee, and consequently no — waiting for it."
  • 2015: "Gott sei's gedankt, in der nächsten Welt wird es keinen Kaffee geben. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als auf Kaffee zu warten, wenn er noch nicht da ist."

Immanuel Kant konnte in den letzten Jahren seines Lebens nicht mehr klar denken; er hat 1799 - fünf Jahre vor seinem Tod - seine Freunde gebeten, ihn nunmehr wie ein Kind zu behandeln.

Nach einem Sturz verzichtete er auch auf seine täglichen Spaziergänge und gestattete es sich in seinem letzten Lebensjahr Kaffee zu trinken, den er angeblich sein Leben lang schätzte, aber nie trank, da er das "Öl des Kaffees" für schädlich hielt.


Wie sein Schüler und Freund Wasianski berichtete, blieb auch der alte  Immanuel Kant weiter höflich und freundlich, aber er wurde extrem ungeduldig und jede Bitte sollte "auf der Stelle" erledigt werden. Eine Minute zu warten schien dem achtzigjährigen, altersdementen Kant wie eine Ewigkeit und es war nicht leicht für ihn, die Zeit zu ertragen, die vom Moment der Kaffeebestellung verging, bis der Kaffee endlich serviert und genug ausgekühlt war.

Aus diesem letzten Lebensjahr Kants sind einige seltsame Kaffee-Sprüche überliefert, die heute oft ohne den notwendigen Hinweis auf das problematisch gewordene Zeitgefühl des alten Philosophen zitiert werden.


Ehregott A. Ch. Wasianski: "Immanuel Kant in seinen letzten Lebensjahren", 1804:


  • "Pfeilschnell eilte der Bediente, den Kaffee in das schon kochende Wasser zu schütten, ihn aufsieden zu lassen und heraufzubringen; doch währte ihm diese kurze dazu erforderliche Zeit unausstehlich lange. Auf jede Vertröstung erwiderte er etwas anderes, und war wegen Abänderung der Formeln nie verlegen.

    Sagte man: Der Kaffee wird gleich gebracht werden, so erwiderte er: „Ja, wird; das ist der Knoten, daß er erst gebracht werden wird". Hieß es: Er kommt bald! so fügte er hinzu: „Ja! bald, eine Stunde ist auch bald, und so lange hat es schon nach der Zeit gedauert, als es auch bald hieß". Endlich sagte er mit stoischer Fassung: 'Nun, darüber kann ich sterben; und in jener Welt will ich keinen Kaffee trinken'.

    Er stand auch wohl vom Tische auf und rief zur Türe hinaus, und das ziemlich verständlich: 'Kaffee! Kaffee!' Hörte er endlich den Diener die Treppe heraufkommen, so rief er jauchzend: 'Ich sehe Land!' wie der Matrose vom Mastkorbe.

    Auch das Kaltwerden des Kaffees erforderte eine für ihn zu lange Zeit, ob er gleich in mehrere Tassen umgegossen wurde. War er endlich zum Genuß völlig fertig, so hörte man auch wohl ein 'Heisa Courage meine Herren!', bei dessen Aussprache, besonders des zweiten Wortes, er das r aus Freude außerordentlich schärfte, und wenn alles genossen war, ein: 'Und hiermit Basta!' welchen Ausdruck er mit einem Tempo, mit dem er die Tasse stark hinsetzte, gewöhnlich begleitete."
Der englische Schriftsteller Thomas De Quincey hat die deutschsprachigen Erinnerungen der Freunde und Schüler von Immanuel Kant zu dem Buch "The Last Days of Immanuel Kant" verarbeitet, das sich weitgehend an die Vorlagen hielt, aber manche Zitate mit kleinen Zusätzen ergänzte.

Thomas De Quincey: "The Last Days of Immanuel Kant" 1827:


  • "Sometimes it would happen, that the interest of conversation carried him past the time at which he felt the craving for it; and this I was not sorry to observe, as I feared that coffee, which he had never been accustomed to, might disturb his rest at night. But, if this did not happen, then commenced a scene of some interest. Coffee must be brought ‘upon the spot,’ (a word he had constantly in his mouth during his latter days,) ‘in a moment.’ And the expressions of his impatience, though from old habit still gentle, were so lively, and had so much of infantine naïveté about them, that none of us could forbear smiling.

    Knowing what would happen, I had taken care that all the preparations should be made beforehand; the coffee was ground; the water was boiling; and the very moment the word was given, his servant shot in like an arrow, and plunged the coffee into the water. All that remained, therefore, was to give it time to boil up. But this trifling delay seemed unendurable to Kant. All consolations were thrown away upon him: vary the formula as we might, he was never at a loss for a reply. If it was said—‘Dear Professor, the coffee will be brought up in a moment.’—’Will be!’ he would say, ‘but there’s the rub, that it only will be: Man never is, but always to be blest.’  



  • If another cried out—‘The coffee is coming immediately.’—‘Yes,’ he would retort, ‘and so is the next hour: and, by the way, it’s about that length of time that I have waited for it.’ Then he would collect himself with a stoical air, and say—‘Well, one can die after all: it is but dying; and in the next world, thank God! there is no drinking of coffee, and consequently no—waiting for it.’ Sometimes he would rise from his chair, open the door, and cry out with a feeble querulousness—‘Coffee! coffee!’ And when at length he heard the servant’s step upon the stairs, he would turn round to us, and, as joyfully as ever sailor from the mast-head, he would call out—‘Land, land! my dear friends, I see land.’"
    (Link)
Der Wortlaut des heute verbreiteten Kant-Kaffee-Zitats scheint eine Rückübersetzung von Thomas des Quinceys' englischer Version zu sein.
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Quellen:
Google
C. A. Ch. Wasianski: "Immanuel Kant in seinen letzten Lebensjahren. Ein Beitrag zur Kenntnis seines Charakters und seines häuslichen Lebens aus dem täglichen Umgange mit ihm." (1804) In:   "Immanuel Kant. Ein Lebensbild nach Darstellungen der Zeitgenossen Jachmann, Borowski, Wasianski." Hrsg. von Alfons Hoffmann, Hugo Pfeffer, Halle a. S.: 1902, S. 326f. (Link)
Thomas De Quincey: "The Last Days of Immanuel Kant."  1827, eBooks@Adelaide: 2015 (Link)
Immanuel Kant: "Kant’s Gesammelte Schriften",  Akademieausgabe, Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften, Berlin: 1900ff.  Reimer, ab 1922 de Gruyter; Elektronische Edition: Universität Duisburg 


2010: wachleute.de
2013:  leo.org/forum
(Korr. Fassung)

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Twitter Thread

Samstag, 7. April 2018

„Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir Psalm 23 Vers 4 gab." Immanuel Kant (angeblich)

Seit 120 Jahren suchen Kant-Spezialisten vergeblich nach dem Ursprung dieses Zitats in den Schriften und Briefen Immanuel Kants. Der Philosoph Hans Vaihinger publizierte im ersten Band der "Kantstudien" 1897 eine Umfrage, woher dieses Zitat, das durch Erbauungsliteratur seit etwa 1870 verbreitet wird, stammen könnte:

 
Kantstudien, Band 1, 1897, S. 156

Inzwischen sind sämtliche Texte Immanuel Kants digitalisiert und weder in seinen noch in anderen zeitgenössischen Texten ist dieses Zitat zu finden. Es ist also ein Kuckuckszitat, das über 60 Jahre  nach Kants Tod entstanden ist. Wer es geprägt hat, ist unbekannt, da noch Quellen vor 1870 gefunden werden könnten.

Dieses Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat wird im Internet hauptsächlich durch protestantische, aber auch durch katholische Sprüche- und Predigtsammlungen verbreitet.


1874
  • "Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir das Wort in der Bibel Ps 23, 4 gab: ob ich schon wanderte im finsteren Thal, fürchte ich kein Unglück, denn Du, Herr, bist bei mir.(Link)
1935
  • "Und Kant: 'Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir Psalm 23 Vers 4 gab.'" (Link)
2011
  • "Kein Geringerer als Immanuel Kant schreibt zu Psalm 23, den man auch das protestantische Ave Maria genannt hat: 'Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir diesen Trost nicht gegeben, den mir dieses Wort der Bibel gab.'" (Link)
2014
  • "Der große Philosoph Immanuel Kant soll folgendes festgestellt haben: "Ich habe in meinem Leben viele kluge und gute Bücher gelesen. Aber ich habe in ihnen allen nichts gefunden, was mein Herz so still und froh gemacht hätte wie die vier Worte aus dem 23. Psalm: 'Du bist bei mir!'“ (Link)
2015
  • "Mit dem Psalmisten beten wir: 'Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.' Dem Philosophen Immanuel Kant wird dazu ein tiefgründiges Bekenntnis in den Mund gelegt: 'Alle Bücher, die ich gelesen habe, haben mir den Trost nicht gegeben, den mir dies Wort der Bibel gab.'" (Link)
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Quellen:
Google
"Kantstudien." Herausgegeben von Hans Vaihinger, Erster Band, Verlag von Leopold Voss, Hamburg und Leipzig: 1897, S. 156 (Link)
Christofer Frey: "Hat sich Kant jemals auf den Psalm 23 bezogen und den hohen Wert der vier Wörter "du bist bei mir" hervorgehoben?" 2002 (Link).
Immanuel Kant: Gesammelte Werke, Akademieausgabe. Elektronische Edition: Universität Duisburg 
Erstmals zugeschrieben: 
Alice Salzbrunn:  "Das Wort Gottes in Zeugnissen von Theologen, Philosophen und Dichtern." (EA 1870, Leipzig) 2. Auflage, Friese, Berlin: 1874, S. 56 (zitiert nach Vaihinger) 

Samstag, 1. Juli 2017

"Der Friede muß gestiftet werden, er kommt nicht von selber." Immanuel Kant (angeblich)

Dieses Zitat, das in den digitalisierten Medien erst im 21. Jahrhundert auftaucht, ist zwar in diesem Wortlaut nicht von Immanuel Kant, aber immerhin paraphrasiert es einen wichtigen Gedanken von Kant aus seiner immer noch lesenswerten Schrift "Zum ewigen Frieden".

Immanuel Kant, 1795:

 

  •  "Der Friedenszustand unter Menschen, die neben einander leben, ist kein Naturstand (status naturalis), der vielmehr ein Zustand des Krieges ist, d.i. wenn gleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch immerwährende Bedrohung mit denselben. Er muß also gestiftet werden; denn die Unterlassung der letzteren ist noch nicht Sicherheit dafür, und, ohne daß sie einem Nachbar von dem andern geleistet wird (welches aber nur in einem gesetzlichen Zustande geschehen kann), kann jener diesen, welchen er dazu aufgefordert hat, als einen Feind behandeln."
    Immanuel Kant: "Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf." 1795
_______
Quellen:
Immanuel Kant: "Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf." (1795) In: Werke in zwölf Bänden, Band 11, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main: 1977, S. 203.
Zeno.org
Projekt Gutenberg 
Weihnachtsgruß der Stadt Heidelberg, 2002 (Link)
(Link)
(Link)

Sonntag, 25. Juni 2017

"Versuche nicht perfekt zu sein, denn du bist es schon." Immanuel Kant (angeblich)

Pseudo-Kant quote
Dieses Zitat wird seit ein paar Jahren Immanuel Kant unterschoben und hat gar nichts mit seiner Philosophie zu tun. Immanuel Kant hielt es für eine Pflicht, sich selbst vollkommener zu machen.

 Laut Google wurde dieses Pseudo-Kant-Zitat schon mehr als tausend Mal zitiert, auf Google Books oder Google News ist es noch nicht aufgetaucht; allerdings sind schon Pädagogen auf dieses Falschzitat hereingefallen.

  • "In Liebe, ich!‹
    Chon-Dat Nguyen, Videoclip, Deutschland 2016, 2:00 Minuten
    Basierend auf dem Kant-Zitat „Versuche nicht perfekt zu sein, denn du bist es schon“ erzählen junge Menschen in die Kamera warum es gut ist, größer, kleiner, dicker oder dünner, hell oder dunkel zu sein." In: DVD mit 7 Kurzfilmen, 107 Min., 2017 (Link)
  • "Der erstere Grundsatz der Pflicht gegen sich selbst liegt in dem Spruch: lebe der Natur gemäß (naturae convenienter vive), d. i. erhalte dich in der Vollkommenheit deiner Natur, der zweite in dem Satz: mache dich vollkommner, als die bloße Natur dich schuf (perfice te ut finem; perfice te ut medium)."
    Immanuel Kant: "Metaphysik der Sitten", 1797 (Link)
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Quellen:
Grundschule-hopsten.de
Evangelische Medienzentrale Bayern  (Link)

"Ich kann, weil ich will, was ich muss." Immanuel Kant (angeblich)


Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
Diese Maxime steht in keiner Schrift von Immanuel Kant und ist inzwischen hauptsächlich deswegen weit verbreitet, weil sie seit dem Jahr 2000 in Ratgeberbüchern für Manager und Führungskräfte oft Immanuel Kant fälschlich zugeschrieben wird.

Der Spruch erinnert an die Redensart: "Wer kann, der will und wer will, der kann", aber er könnte auch als Variante des weltweit beliebten Kant-Zitats: "Du kannst, denn du sollst", entstanden sein, das (Überraschung!) allerdings auch nicht von Immanuel Kant stammt, sondern von Friedrich Schiller, der so viele deutsche Redensarten und Sprichwörter wie kaum ein anderer Autor geprägt hat.

Kant hat sein Postulat, eine moralische Norm müsse auch erreichbar sein, einmal in der ersten Person Plural formuliert: "wir müssen es auch können." Bei Fichte wurde daraus: »Ich kann, denn ich soll«, bei Hegel und Schopenhauer wurde es zu: "Du kannst, weil du sollst." Friedrich Schiller prägte die Maxime allerdings schon 1796, also Jahrzehnte vor Hegel und Schopenhauer.




Nicht nur in Zeitungen, auch in der Sekundärliteratur zu Kant wird die Kurzformel "Du kannst, weil du sollst", die einen Gedanken Kants paraphrasiert, oft Immanuel Kant irrtümlich zugeschrieben und nicht korrekter Weise Friedrich Schiller.


  • "Was ist aber von dem ruhmredigen Ausspruche der Kraftmänner [...] zu halten: »Was der Mensch will, das kann er«? Er ist nichts weiter als eine hochtönende Tautologie: was er nämlich auf den Geheiß seiner moralisch=gebietenden Vernunft will, das soll er, folglich kann er es auch thun (denn das Unmögliche wird ihm die Vernunft nicht gebieten)." - Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798), Erstes Buch, § 12. Vom Können in Ansehung des Erkenntnißvermögens überhaupt. In: Akademieausgabe Band VII, S. 14826f. --






  • "Die reine Vernunft enthält also, zwar nicht in ihrem spekulativen, aber doch in einem gewissen praktischen, nämlich dem moralischen Gebrauche, Prinzipien der Möglichkeit der Erfahrung, nämlich solcher Handlungen, die den sittlichen Vorschriften gemäß in der Geschichte des Menschen anzutreffen sein könnten. Denn, da sie gebietet, daß solche geschehen sollen, so müssen sie auch geschehen können, ..."
    Immanuel Kant: "Kritik der Reinen Vernunft", 1781(Link)
Varianten:
  • "Du kannst, denn du sollst."
  • "Du kannst, weil du sollst."
  • "Ich kann, denn ich soll." 
  • "You can, because you must!"
  • "You can because you ought."

1794, Kant:
  • "Denn, wenn das moralische Gesetz gebietet, wir sollen jetzt bessere Menschen sein: so folgt unumgänglich, wir müssen es auch können."
    Immanuel Kant: "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft",  1793/94, AAVI, S. 50 (Link)
1796, Schiller:
  • "Auf theoretischem Feld ist weiter nichts mehr zu finden;
    Aber der praktische Satz gilt doch: Du kannst, denn du sollst!"
    Friedrich Schiller: "Die Philosophen", 1796 (Link)(Link)
1798, Fichte:
  • "Nicht von der Möglichkeit wird auf die Wirklichkeit fortgeschlossen, sondern umgekehrt. Es heisst nicht: ich soll, denn ich kann; sondern: ich kann, denn ich soll."
    Johann Gottlieb Fichte: "Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Welt-Regierung", 1798 Zur Religionsphilosophie (Link)
1816, Hegel:
  • "Du kannst, weil du sollst, dieser Ausdruck, der viel sagen sollte, liegt im Begriffe des Sollens. Denn das Sollen ist das Hinausseyn über die Schranke; die Grenze ist in demselben aufgehoben, das Ansichseyn des Sollens ist so identische Beziehung auf sich, somit die Abstraktion des Könnens. Aber umgekehrt ist es eben so richtig: Du kannst nicht, eben weil du sollst. Denn im Sollen liegt ebenso sehr die Schranke als Schranke; jener Formalismus der Möglichkeit hat an ihr eine Realität, ein qualitatives Andersseyn, sich gegenüber, und die Beziehung beider auf einander ist der Widerspruch, somit das Nicht-Können oder vielmehr die Unmöglichkeit."
    Georg Wilhelm Friedrich Hegel: "Wissenschaft der Logik", 1816, (Projekt Gutenberg)
1839, Schopenhauer:
  • "Zudem es auch wohl nicht die Absicht der Königlichen Sozietät sein kann, durch eine Hinzuziehung des Gewissens in das Selbstbewußtsein, die Frage auf den Boden der Moral hinübergespielt und nun K a n t s moralischen Beweis, oder vielmehr Postulat, der Freiheit aus dem  a  p r i o r i  bewußten Moralgesetz, vermöge des Schlusses "du kannst, weil du sollst", wiederholt zu sehen."
    Arthur Schopenhauer: "Über die Freiheit des menschlichen Willens." Preisschrift, Drontheim: 1839 (Link)


Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.


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Quellen:
Google-Statistik:  "Ungefähr 8 950 Ergebnisse" für "Ich kann, weil ich will, was ich muss. Kant"
Elektronische Edition von Immanuel Kants Gesammelten Werken: Universität Duisburg
(Die Suchfunktion dieser Edition ist leider fehlerhaft.)
Immanuel Kant: "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft",  1793/94, AAVI, S. 50 (Link) 
Friedrich Schiller: "Die Philosophen", in: Musen-Almanach für das Jahr 1797, herausgegeben von Schiller, J.G. Cottaische Buchhandlung, Tübingen: (1796), S. 294 (Link)  
Friedrich Schiller Archiv: (Link) 

Karl Friedrich Wilhelm Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. 2. Bd. Gott bis Lehren, F.A. Brockhaus, Leipzig: 1870, S. 1495 (Link)
Johann Gottlieb Fichte: "Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Welt-Regierung", 1798, in:  Zur Religionsphilosophie (Link)
Klaus Steigleder: "Kants Konzeption der Moralphilosophie als 'Metaphyik der Sitten'." In: "Interdisziplinäre Ethik. Festschrift für Dietmar Mieth." Hrsg. von Adrian Holderegger u. Jean-Pierre Wils, Universitätsverlag Freib. CH, Herder Verlag, Wien: 2001, S. 101ff.
(Link)
David Baumgardt: "Legendary Quotations and the Lack of References." In: Journal of the History of Ideas 7 (1946) S. 99-102 (Zitiert nach Steigleder.)
Wolfgang Mieder: "'Zitate sind des Bürgers Zierde.' Zum Weiterleben von Schiller-Zitaten." In: "Deutsche Redensarten, Sprichwörter und Zitate: Studien zu ihrer Herkunft, Überlieferung und Verwendung." Edition Praesens, Wien: 1995, S. 46 ff. 
 

(Link)

Einige Beispiele für das Falschzitat:
Thorsten Hadeler: "Zitate für Manager: Für Reden, Diskussionen und Papers immer das treffende Zitat." Gabler, Wiesbaden: 2000, S. 84 (Link)
Ingo Reichardt, Anne Reichardt: "Treffende Worte: 3000 Zitate für Führungskräfte." Linde Verlag, Wien: 2003, S. 23 (Link)
Krawiez Consulting: "69 Zitate für die Persönlichkeitsentwicklung." Ohne Datum. (Das ist eine Sammlung von vielen falschen Zitaten.)  (Link)
Zitate-Online.de
EAG-FPI.com
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"Ich kann besser werden; .... Ich kann es, wenn ich muß."
Christian Erhard Schmid: "Versuch einer Moralphilosophie". 1790
(Link)
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 Artikel in Arbeit
"Ich kann weil ich muss und will. "1911 (Link)


Wolle nur, so kannst du (Link)


Zizek: (Link)


 




Freitag, 9. Juni 2017

"Der Ziellose erleidet sein Schicksal - der Zielbewusste gestaltet es." Immanuel Kant (angeblich)

Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
Dieser Aphorismus einer unbekannten Person wird Immanuel Kant seit ungefähr 70 Jahren unterschoben und ist in seinen Schriften weder so noch so ähnlich zufinden.

Das Wort "zielbewusst" kommt in keiner seiner Flexionen in Kants Wortschatz vor.

Da Kants Werke mehrfach digitalisiert sind, ist es so gut wie ausgeschlossen, dass der Satz jemals auf einer versteckten Stelle in Kants Schriften gefunden werden wird.


Varianten des Kuckuckszitats:

  • "Der ziellose Mensch erleidet sein Schicksal, der zielbewusste gestaltet es."
  • "Der ziellose Mensch erleidet ein Schicksal, der zielbewusste gestaltet es."
  • "Der Ziellose erleidet sein Schicksal - der Zielbewusste gestaltet es." 



Pseudo-Immanuel-Kant-Zitat.
Dieses angebliche Kant-Zitat wurde meiner Tochter bei der Matura-Feier im Juni 2017 zum Abschied von der Schule überreicht. Ihre Schuldirektorin ist wahrscheinlich auf eine unseriöse Online-Zitat-Sammlung oder auf ein Meme hereingefallen, aber sie könnte das Zitat auch einmal in "DIE ZEIT" gelesen haben.
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Quellen:
Elektronische Edition von Immanuel Kants Gesammelten Werken: Universität Duisburg
Google Statistik: "Ungefähr 8 780 Ergebnisse"
Google Books: Erstmals unterschoben: 1953  (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibungen:
"Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt", Bände 39-40, C. Heymann: 1953, S. 45 (Link)
Martin Wehrle: "Das Zitat... und Ihr Gewinn. Immanuel Kant sagt: Der ziellose Mensch erleidet sein Schicksal, der zielbewusste gestaltet." Die Zeit, 48/2012, 28. November 2012 (Link)
Robert Lutsch: "Zitate, die das Leben beschreiben", Books on Demand, Norderstedt: 2013, S. 42 (Link)

Letzte Änderung: 9/9 2018; 8/2 2020