Freitag, 20. Mai 2022

"Blumen anschauen hat etwas Beruhigendes: sie kennen weder Emotionen noch Konflikte." - Sigmund Freud (angeblich)

Pseudo-Sigmund-Freud-Zitat.
Dieses beliebte Sigmund-Freud-Zitat ist keines. Es wird dem Gründer der Psychoanlyse in Amerika seit 60 Jahren untergeschoben und auf Deutsch erst im 21. Jahrhundert.

In den Schriften Sigmund Freuds ist das Zitat nicht zu finden, worauf auch das Londoner  "Freud Museum" aufmerksam gemacht hat (Link).

Sigmund Freud mochte Blumen, wie sein Sohn Martin in den Erinnerungen an seinen Vater erzählt hat, besonders Alpenblumen, er sammelte gerne Pilze im Wald und die Familie Freud freute sich, wenn jemand bei Bergwanderungen ein Edelweiss fand.

Eine Lieblingsblume Sigmund Freuds war anscheinend das Kohlröserl (Nigritella nigra), das er auch einmal auf einem gefährlich steilen Hang am Schneeberg für seine Braut gepflückt hatte, eine schöne Erinnerung, die die Ehefrau Sigmund Freuds später immer wieder gerne ihren Kindern erzählte (Link).

Kohlröschen (Nigritella nigra) Wikipedia.
Die früheste Erwähnung das Falschzitats fand ich in dem von IBM herausgegeben New Yorker Magazin "Think" in der Ausgabe von März 1963:
  • "Flowers are restful to look at. They are neither emotions nor conflicts. / Sigmund Freud"
    Think magazine, published by IBM, Vol 29,  No 3,  New York: März 1963, S. 11  (archive.org)
Pseudo-Sigmund-Freud-Zitat.

Auf Deutsch scheint das Falschzitat erst um das Jahr 2009 aufgetaucht zu sein, als es in einer Zitate-Sammlung mit dem Titel "Geistreiches für Manager" aufgenommen wurde. 

Die Erstausgabe dieser Zitatesammlung im Jahr 2000 enthielt dieses Pseudo-Sigmund-Freud-Zitat noch nicht, und auch sonst ist es auf Deutsch vor dem Jahr 2000 in den digitalisierten Texten nicht zu finden.



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Quellen:

"Geistreiches für Manager" Neu ausgewählt von Hermann Simon, Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York: 2009, S. 277 (Link)
10 Quotes Wrongly Attributed to Sigmund FreudA catalogue of quotations erroneously attributed to Freud. Freud Museum London, 2009 (freud.org.uk)
Sigm. Freud: "Aus den Anfängen der Psychoanalyse: Briefe an Wilhelm Fliess, Abhandlungen und Notizen aus den Jahren 1887-1902." Imago Publishing, London: [1950] S. 333 (archive.org)
Martin Freud: "Sigmund Freud: man and father" Vanguard Press, New York: 1958, S. 85 (Link)
Twitter, 17. Aug. 2011 (früheste Erwähnung) "#Blumen anschauen hat etwas Beruhigendes: Sie kennen weder Emotionen noch #Konflikte. (#Freud) (twitter.com)" 
Think magazine, published by IBM, Vol 29,  No 3,  New York: März 1963, S. 11  (archive.org) [Früheste Erwähnung auf Englisch.]


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ANHANG


Dr. Sigm. Freud, Wien, Sonntag, 11. 3. 1900 an Wilhelm Fließ:
  • "Ich möchte zu Ostern gerne auf drei Tage fortgehen, und gewiß am liebsten Dich sehen. Aber ich leide unter einem argen Frühlingshunger, Sonne, Blumen, ein Streifen blauen Wassers u. dgl. wie ein Jüngling.

    Ich hasse Wien geradezu persönlich und wie ein Gegensatz zum Riesen Antaeus sammle ich frische Kraft, so oft ich den Fuß vom vaterstädtischen Boden abgehoben habe. Diesen Sommer muß ich der Kinder wegen auf Ferne und Gebirge verzichten, muß auf der Bellevue immer wieder Wien als Aussicht genießen, weiß nicht, ob ich das Geld für eine Septemberreise haben werde und möchte darum gerne zu Ostern von den Herrlichkeiten der Erde naschen. . . "

    Sigm. Freud: "Aus den Anfängen der Psychoanalyse: Briefe an Wilhelm Fliess, Abhandlungen und Notizen aus den Jahren 1887-1902." Imago Publishing, London: [1950] S. 333 (archive.org)