Dienstag, 28. April 2020

"Das Niveau ist hoch, aber leider ist niemand drauf." Karl Kraus (angeblich)

In dem polemischen Essay "Nestroy und die Nachwelt" charakterisiert Karl Kraus Nestroys Wiener Nachwelt zwei Jahre vor dem Ersten Weltkrieg mit den Worten:
  • "Wo überall das allgemeine Niveau gehoben wird und niemand draufsteht. " (Link)

Dieses Witzwort von Karl Kraus zur Kultur seiner Zeitgenossen wird meistens etwas verändert und auf einen anderen Kontext übertragen zitiert, öfters angeblich auch von Theodor W. Adorno in Seminaren:


  • Wenn es im Seminar von Adorno um Fragen der Kritik der politischen Ökonomie ging, soll der Philosoph – Alfred Schmidt zufolge – öfter gesagt haben: „Das Niveau ist hoch, aber keiner drauf, Herr Mohl, übernehmen Sie bitte!“ Der spätere Hannoveraner Professor Ernst-Theodor Mohl war und blieb der gediegenste Marx-Kenner am Frankfurter Institut für Sozialforschung.

  • Für Adorno freilich gilt der Satz von Karl Kraus: "Das Niveau ist hoch, aber leider ist niemand drauf." 

  • Mit dem Gewerkschaftlichen Grundsatzprogramm von 1963 und den Gewerkschaften verhält es sich so ähnlich wie mit dem Schönberg-Konzert, von dem Karl Kraus schon 1912 schrieb: Das Niveau war hoch, aber es war keiner drauf.'

  • Dann denkt er schnell an Adorno. Der hat mal gesagt: 'Das Niveau ist hoch, aber keiner ist drauf.

  • Adorno soll intellektuell abhebenden Seminarteilnehmern jeweils geantwortet haben: 'Das Niveau ist hoch und keiner drauf.'
  • "'Das Niveau ist hoch, aber keiner ist drauf', zitierte seinerzeit Carl Hegemann einen alten Spontispruch."  (Link)


Twitter, 2020

 

 

 

 Karl Kraus, 1912:


  • Nestroy "ahnt noch nicht, daß eine Zeit kommen wird", ... wo 
  • "das Talent dem Charakter Schmutzkonkurrenz macht und die Bildung die gute Erziehung vergißt. Wo überall das allgemeine Niveau gehoben wird und niemand draufsteht. Wo alle Individualität haben, und alle dieselbe, und die Hysterie der Klebstoff ist, der die Gesellschaftsordnung zusammenhält."

    Karl Kraus: Nestroy und die Nachwelt, "Die Fackel" Nr. 349/350, 13. Mai 1912, 21 fackel.oeaw.ac.at/F/349,021

Artikel in Arbeit.