Pseudo-Albert-Einstein-Zitat. |
Der Satz "Two things are infinite, as far as we know – the universe and human stupidity" wurde in diesem Wortlaut im Jahr 1947 erstmals publiziert und damals von dem Gestaltpsychologen Frederick S. Perls noch einem 'großen Astronomen' zugeschrieben.
22 Jahre später schrieb derselbe Frederick S. Perls den Satz etwas verändert und erweitert Albert Einstein zu.
Der amerikanische Zitatexperte Garson O'Toole hat im Jahr 2010 auf diese problematische Quellenlage aufmerksam gemacht (quoteinvestigator.com) und ich folge hier seinen Argumenten.
Im Zitat von 1947 sind der große Astronom, der von der Unendlichkeit der "zwei Dinge" gesprochen hat und Albert Einstein, mit dem das Zitat kommentiert wird, eindeutig zwei verschiedene Personen:
Frederick S. Perls: Variante 1, 1947
Frederick S. Perls: "Das Ich, der Hunger und die Aggression", übersetzt von Gudrun Theusner-Stampa (1978) (Link) |
22 Jahre später hat das Zitat nicht mehr ein großer Astronom gesagt, sondern angeblich Albert Einstein persönlich zu dem Autor:
Frederick S. Perls: Variante 2, 1969
Frederick S. Perls: "Gestalt-Therapie in Aktion"(1969); übersetzt von Josef Wimmer, 1974 (Link) |
Frederick S. Perls: Variante 3, 1969:
- "I spent one afternoon with Albert Einstein: unpretentiousness, warmth, some false political predictions. I soon lost my self-consciousness, a rare treat for me at that time. I still love to quote a statement of his: 'Two things are infinite, the universe and human stupidity, and I am not yet completely sure about the universe.'"
Zitiert nach Garson O'Toole (quoteinvestigator.com).
Entwicklung des angeblichen Einstein-Zitats bei F.S. Perls:
- 1949: Ein großer Astronom sagte:
"Zwei Dinge sind, soweit wir wissen, unendlich - das Universum und die menschliche Dummheit."
Kommentar dazu von Perls: Aussage sei nicht ganz richtig, da nach Einstein das Universum begrenzt sei. - 1969: Zuschreibung des Astronomen-Zitats an Einstein:
"Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit." - 1969: Zuschreibung des Astronomen-Zitats an Einstein in erweiterter Fassung:
"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."
Das Albert Einstein zugeschriebene Zitat hat eine lange Vorgeschichte.
- "Eine Sache, die mich zutiefst demütigt, ist zu sehen, dass das menschliche Genie seine Grenzen hat, die menschliche Dummheit jedoch nicht."
- "Une chose qui m’humilie profondément est de voir que le génie humain a des limites, quand la bêtise humaine n’en a pas. (Alex. Dum.)"
Le Grand Dictionnaire universel du XIXe siècle, vol.2, Pierre Larousse, Paris: 1867, S. 650 (Link)
Dass die menschliche Dummheit im Gegensatz zu Erde unendlich sei, steht zum Beispiel auch in einem Brief Gustave Flauberts, den er drei Monate vor seinem Tod an seinen Bewunderer und Freund Guy de Maupassant geschrieben hat:
Gustave Flaubert, 19. Februar 1880:
- "La terre a des limites, mais la bêtise humaine est infinie!""Die Erde hat Grenzen, aber die menschliche Dummheit ist unendlich!"
Guy de Maupassant: "Des Vers", G. Charpentier, Paris: 1880 (Link)
In den folgenden Jahren taucht dieser Gedanke (ohne Nennung Gustave Flauberts) in verschiedenen Formulierung auch in deutschsprachigen Büchern und Zeitungen auf.
Einige Beispiele. Chronologisch:
1890
- "Die menschliche Weisheit hat ihre Grenzen, die menschliche Dummheit ist grenzenlos."
- "An der schönen blauen Donau", 5. Jahrgang, 5. Heft, Wien: 1890, S. 110 , Aus der Mappe. Von Ludwig Borns(?) (Link)
Olga Wohlbrück, Aphorismen:
1891- "Zwei Dinge sind grenzenlos: Der Horizont und die Dummheit."
Olga Wohlbrück, Aphorismen (books.google)
Immanuel Kant, Kritik der Praktischen Vernunft:
- "Zwei
Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung
und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit
beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und
das moralische Gesetz in mir."
(Link)
1894
- "Auf dem großen, weiten Erdenrund, gibt es nur etwas, dem das Privileg der Unsterblichkeit verliehen ist: — die menschliche Dummheit."
Dr. A. Heine, Prager Tagblatt, 14. Oktober 1894, S. 4 (Link)
Auf Französch, Englisch und Deutsch wird der folgende Aphorismus oft dem französichen Historiker Ernest Renan zugeschrieben, allerdings hat meines Wissens noch niemand dafür einen Beleg in einem Text Renans nachweisen können:
1914
- "Renan hat das kurz in dem Satz ausgedruckt: 'Die menschliche Dummheit gibt die annäherndste Vorstellung von der Unendlichkeit!'".
Max Nordau: "Die Shakespeare-Bacon-Dummheit", 26. April 1914, S.2 (Link)
- "Renan sagte einmal, dass es nur eine Sache gebe, die imstande sei, ihm die Idee der Unendlichkeit nahezubringen, und das sei die menschliche Dummheit. Ob Herr Renan bei diesem Ausspruche wohl an die französische Bürokratie gedacht hat?"
Anonym (Jean Weber zitierend) , 27. September 1915, (Link)
-
1919
- "O menschliche Dummheit! Ewig wie die Sterne!"
Léon Werth, zitiert von Anna Nußbaum, 21. Dezember 1919 (Link)
Ödön von Horváth: "Geschichten aus dem Wiener Wald", Motto:
1931
Ödön von Horváth hat im Motto seines Volksstücks "Geschichten aus dem Wiener Wald" den Renan zugeschriebenen Aphorismus mit dem Austriazismus "als wie" variiert.
-
Vielleicht hat Albert Einstein den alten Aphorismus wiederholt, auch wenn man nach der Quellenlage den genauen Wortlaut nicht mehr ermitteln kann, wahrscheinlich aber hat das Gedächtnis dem in Berlin geborenen Gestaltpsychologen Frederick S. Perls einen Streich gespielt.
______________
Quellen:
Google : "Ungefähr 167 000 Ergebnisse"
(Link)
Artikel in Arbeit.