Mittwoch, 9. Januar 2019

"Wer Visionen hat, braucht einen Arzt." Franz Vranitzky (angeblich)

Dieses Bonmot wird seit 1988 dem österreichischen Bundeskanzler Franz Vranitzky und seit 1997 dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt zugeschrieben.

Franz Vranitzky hat wiederholt erfolglos bestritten, diesen Satz je gesagt zu haben, der 91-jährige Helmut Schmidt glaubte sich im Jahr 2010 zu erinnern, seinen "berühmtesten Satz" vor 30 bis 40 Jahren geprägt zu haben.

Bisher hat man keine schriftlichen Quellen dafür gefunden, auf welchem Weg der angebliche Satz Helmut Schmidts von Hamburg oder Bonn in den 1980er-Jahren nach Wien gelangt sein könnte.

Auch wurde bisher kein Dokument aus den 1970er oder 1980er Jahren von diesem Jahrzehnte später tausendfach zitierten Helmut-Schmidt-Satz entdeckt.

Der Wiener Philosoph Rudolf Burger erinnert sich, im Jahr 1986 einen Vorläufer dieses Spruchs ("wenn ich aber Visionen hätte, so ginge ich zum Arzt") geprägt zu haben, der bald Franz Vranitzky unterschoben und zwei Jahre später als angeblicher Franz-Vranitzky-Spruch publiziert wurde.

Wenn nicht bald eine Quelle für das Helmut-Schmidt-Zitat vor dem Jahr 1988 gefunden wird, könnte man annehmen, Helmut Schmidt habe sich geirrt: Der Satz wurde im 21. Jahrhundert Helmut Schmidt dermaßen oft unterschoben, bis er selbst glaubte, er habe ihn geprägt.


Artikel in Arbeit.

Chronologie:

1986
  • "Wenn sie eine Analyse wolle, so würde ich mich umsonst bemühen, wenn ich aber Visionen hätte, so ginge ich zum Arzt."
    Rudolf Burger, Café Landtmann, 27. August 1986
    Rudolf Burger: "Visionen aus dem Kaffeesud", Der Standard, 22. September 1999 (Link)

1988
  •  "In den Parteitagspausen machte indes unter Delegierten ein angeblicher Dialog zwischen Heinz Fischer und dem SP-Lenker die Runde.

    Fischer (lebhaft): 'Die SPÖ braucht Visionen.'
    Vranitzky (kühl): 'Wer Visionen hat, braucht an Arzt.'"
    "In den Parteitagspausen machte indes unter Delegierten ein angeblicher Dialog zwischen Heinz Fischer und dem SP-Lenker die Runde. Fischer (lebhaft): 'Die SPÖ braucht Visionen.'. Vranitzky (kühl): 'Wer Visionen hat, braucht an Arzt.'" - derstandard.at/61476/Die-Geschichte-vom-Kanzler-den-Visionen-und-dem-Arzt
    Christoph Kotanko, Hubertus Czernin, in: Profil, Band 19, Ausgaben 18-30, 1988, S. 20  (pofil) 
1991
  • "SPIEGEL: Der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky hat mal gesagt, wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.
    BLÜM: Vielleicht müßte der behandelt werden, der auf Visionen verzichtet."
    Der Spiegel 32/1991, 5. August 1991 (Link)

1993
  • 1993: "Unser aller Kanzler hat einmal gemeint: »Wer Visionen hat, braucht einen Arzt.« Inzwischen hat er diesen tiefen Denksatz ausdrücklich widerrufen."
    Neues Forum, Ausgaben 469-492, 1993, S. 16 (Link)
1997
  • "Diepgen antwortet mit einem Helmut-Schmidt-Zitat: 'Wer Visionen hat, braucht einen Psychiater'."
    Berliner Zeitung, 8. April 1997 (Link) 
    (Laut Google-Suchen erstmals Helmut Schmidt zugeschrieben.)
  • Diepgen antwortet mit einem Helmut-Schmidt-Zitat: "Wer Visionen hat, braucht einen Psychiater." – Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/16082306 ©2018
    Diepgen antwortet mit einem Helmut-Schmidt-Zitat: "Wer Visionen hat, braucht einen Psychiater." – Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/16082306 ©2018
     
1999
    • Ja, »wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen«, wird Helmut Schmidt später einmal zum besten geben. (Link)

    1999 

    • a ich in der politischen und medialen Realverfassung meines Landes diesen Satz "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt" nie los wurde, habe ich mich darauf eingestellt, mit ihm zu leben. Das fiel mir u.a. deshalb nicht besonders schwer, weil sich so manches in all den Jahren als visionär Angebotene im Endeffekt als ganz gewöhnlicher Blödsinn herausstellte. - derstandard.at/58576/Variationen-ueber-Visionena ich in der politischen und medialen Realverfassung meines Landes diesen Satz "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt" nie los wurde, habe ich mich darauf eingestellt, mit ihm zu leben. Das fiel mir u.a. deshalb nicht besonders schwer, weil sich so manches in all den Jahren als visionär Angebotene im Endeffekt als ganz gewöhnlicher Blödsinn herausstellte. - derstandard.at/58576/Variationen-ueber-Visionen Franz Vranitzky:
      "Da ich in der politischen und medialen Realverfassung meines Landes diesen Satz "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt" nie los wurde, habe ich mich darauf eingestellt, mit ihm zu leben. Das fiel mir u.a. deshalb nicht besonders schwer, weil sich so manches in all den Jahren als visionär Angebotene im Endeffekt als ganz gewöhnlicher Blödsinn herausstellte.

      Allerdings: Viele Jahre nach Erscheinen des Czernin/Kotanko-Artikels im profil schrieb ein Autor in der Presse den Satz über Visionen und Arzt dem früheren deutschen Kanzler Helmut Schmidt zu.

      Ich stand somit vor einer neuen, mein Seelenleben bewegenden Situation mit mehreren Optionen: Konnte ich mich bequem zurücklehnen, weil als der eigentliche Visionslose ja nun Helmut Schmidt entlarvt wurde?

      Oder - viel schlimmer - müsste ich mir von nun an das Plagiat vorhalten lassen?
      "
      "Variationen über 'Visionen'." Offener Brief von Ex-Kanzler Franz Vranitzky an Robert Menasse, Der Standard, 17. September 1999 (Link)
     2000
    • "Ich halte es da eher mit Helmut Schmidt: "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen."
      Finanzminister Hans Eichel: Die Vision der Realität. Der Spiegel,  

    2002
    • Der deutsche Bundeskanzler Schröder sagte einst, wer Visionen habe, solle zum Augenarzt gehen.  (Link)
     2009
    • Helmut Schmidt:
      "(1) Das Zitat geht auf mich zurück. Ich habe es damals aber nicht mit Blick auf Willy Brandt formuliert.
      (2) Ich erinnere mich nicht mehr an den Kontext, in dem ich mich über Visionen geäußert habe. Das Zitat wurde bestimmt des Öfteren aus dem Zusammenhang gerissen zitiert.
      (3) Das Zitat gilt auch heute, es bezieht sich damals wie heute auf Politiker."

      Helmut Schmidts Antwort auf eine Anfrage von Anna Carla Kugelmeier, St.-Ursula-Gymnasium Attendorn, 26. Februar 2009 (Link)

    2010

    • "ZEITmagazin: Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man meinen, Sie hätten eine Vision. Dabei haben Sie doch mal gesagt: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.

      Schmidt:
      Diesen Satz habe ich ein einziges Mal gesagt, er ist aber tausendfach zitiert worden. Einmal hätte genügt.

      ZEITmagazin:
      Wie ist er überhaupt in die Welt gekommen?

      Schmidt:
      Das weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich habe ich ihn in einem Interview gesagt. Das muss mindestens 35 Jahre her sein, vielleicht 40. Da wurde ich gefragt: Wo ist Ihre große Vision? Und ich habe gesagt: Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen. Es war eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage. "

      Giovanni di Lorenzo: "Fragen an Helmut Schmidt: Verstehen Sie das, Herr Schmidt?" ZEITmagazin, 4. März 2010 (Link)
     
    2012
    • "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“ Diese Aussage wurde vom deutschen Altkanzler Helmut Schmidt im Zuge des Bundestagswahlkampfs 1980 getätigt." (Link)
    ________
    Quellen:
    Christoph Kotanko, Hubertus Czernin, in: Profil, Band 19, Ausgaben 18-30, 1988, S. 20  (pofil) 
    Rudolf Burger: "Visionen aus dem Kaffeesud", Der Standard, 22. September 1999 (Link)
    Hubertus Czernin: "Die Geschichte vom Kanzler, den Visionen und dem Arzt", Der Standard, 23. September 1999 (Link)
    Der Spiegel 32/1991, 5. August 1991 (Link)
    "Variationen über 'Visionen'." Offener Brief von Ex-Kanzler Franz Vranitzky an Robert Menasse, Der Standard, 17. September 1999 (Link)
    Helmut Schmidt an Anna Carla Kugelmeier, St.-Ursula-Gymnasium Attendorn, 26. Februar 2009 (Link)
    Giovanni di Lorenzo: "Fragen an Helmut Schmidt: Verstehen Sie das, Herr Schmidt?" Aus der Serie: Fragen an den Altkanzler, ZEITmagazin, 4. März 2010 (Link)

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    Dank: 



    Was bisher geschah: Der Schriftsteller Robert Menasse thematisierte in einem Interview (STANDARD, 13. 9.) das angebliche Vranitzky-Zitat "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt"; der Ex-Kanzler dementierte die Urheberschaft (18.9.); der Philosoph Rudolf Burger reklamierte sie für sich (20.9.). - derstandard.at/61476/Die-Geschichte-vom-Kanzler-den-Visionen-und-dem-ArztAlso gut, ein allerletztes Mal noch sollt Ihr sie hören: Was bisher geschah: Der Schriftsteller Robert Menasse thematisierte in einem Interview (STANDARD, 13. 9.) das angebliche Vranitzky-Zitat "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt"; der Ex-Kanzler dementierte die Urheberschaft (18.9.); der Philosoph Rudolf Burger reklamierte sie für sich (20.9.). - derstandard.at/61476/Die-Geschichte-vom-Kanzler-den-Visionen-und-dem-ArztAlso gut, ein allerletztes Mal noch sollt Ihr sie hören: Was bisher geschah: Der Schriftsteller Robert Menasse thematisierte in einem Interview (STANDARD, 13. 9.) das angebliche Vranitzky-Zitat "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt"; der Ex-Kanzler dementierte die Urheberschaft (18.9.); der Philosoph Rudolf Burger reklamierte sie für sich (20.9.). - derstandard.at/61476/Die-Geschichte-vom-Kanzler-den-Visionen-und-dem-ArztAlso gut, ein allerletztes Mal noch sollt Ihr sie hören: Was bisher geschah: Der Schriftsteller Robert Menasse thematisierte in einem Interview (STANDARD, 13. 9.) das angebliche Vranitzky-Zitat "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt"; der Ex-Kanzler dementierte die Urheberschaft (18.9.); der Philosoph Rudolf Burger reklamierte sie für sich (20.9.). - derstandard.at/61476/Die-Geschichte-vom-Kanzler-den-Visionen-und-dem-ArztAlso gut, ein allerletztes Mal noch sollt Ihr sie hören: Was bisher geschah: Der Schriftsteller Robert Menasse thematisierte in einem Interview (STANDARD, 13. 9.) das angebliche Vranitzky-Zitat "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt"; der Ex-Kanzler dementierte die Urheberschaft (18.9.); der Philosoph Rudolf Burger reklamierte sie für sich (20.9.). - derstandard.at/61476/Die-Geschichte-vom-Kanzler-den-Visionen-und-dem-Arzt17. September 1999, 21:33 Offener Brief von Ex-Kanzler Franz Vranitzky an Robert Menasse Seher geehrter Herr Menasse! Im profil vom 16. Mai schreiben Hubertus Czernin und Christoph Kotanko Folgendes: In den Parteitagspausen machte indes unter Delegierten ein angeblicher Dialog zwischen Heinz Fischer und dem neuen SP-Lenker die Runde: Fischer (lebhaft): Die SPÖ braucht Visionen. Vranitzky (kühl): Wer Visionen hat, braucht an Arzt. Das war die Geburtsstunde eines Satzes, der mir nun schon über mehr als ein Jahrzehnt angehängt wird, ohne dass ich ihn je gesagt habe. Dies obwohl Czernin/Kotanko diesbezüglich gar keine definitive Behauptung aufstellten, sondern vielmehr einer "Angeblich-Geschichte" nachhingen. Im Übrigen würde der Präsident des österreichischen Nationalrats, Dr. Heinz Fischer, jederzeit bestätigen, dass ein von Czernin/Kotanko konjunktivisch formulierter (vermuteter) Dialog des in Rede stehenden Inhalts mit mir nie stattgefunden hat. Da ich in der politischen und medialen Realverfassung meines Landes diesen Satz "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt" nie los wurde, habe ich mich darauf eingestellt, mit ihm zu leben. Das fiel mir u.a. deshalb nicht besonders schwer, weil sich so manches in all den Jahren als visionär Angebotene im Endeffekt als ganz gewöhnlicher Blödsinn herausstellte. Allerdings: Viele Jahre nach Erscheinen des Czernin/Kotanko-Artikels im profil schrieb ein Autor in der Presse den Satz über Visionen und Arzt dem früheren deutschen Kanzler Helmut Schmidt zu. Ich stand somit vor einer neuen, mein Seelenleben bewegenden Situation mit mehreren Optionen: Konnte ich mich bequem zurücklehnen, weil als der eigentliche Visionslose ja nun Helmut Schmidt entlarvt wurde? Oder - viel schlimmer - müsste ich mir von nun an das Plagiat vorhalten lassen? - derstandard.at/58576/Variationen-ueber-Visionen17. September 1999, 21:33 Offener Brief von Ex-Kanzler Franz Vranitzky an Robert Menasse Seher geehrter Herr Menasse! Im profil vom 16. Mai schreiben Hubertus Czernin und Christoph Kotanko Folgendes: In den Parteitagspausen machte indes unter Delegierten ein angeblicher Dialog zwischen Heinz Fischer und dem neuen SP-Lenker die Runde: Fischer (lebhaft): Die SPÖ braucht Visionen. Vranitzky (kühl): Wer Visionen hat, braucht an Arzt. Das war die Geburtsstunde eines Satzes, der mir nun schon über mehr als ein Jahrzehnt angehängt wird, ohne dass ich ihn je gesagt habe. Dies obwohl Czernin/Kotanko diesbezüglich gar keine definitive Behauptung aufstellten, sondern vielmehr einer "Angeblich-Geschichte" nachhingen. Im Übrigen würde der Präsident des österreichischen Nationalrats, Dr. Heinz Fischer, jederzeit bestätigen, dass ein von Czernin/Kotanko konjunktivisch formulierter (vermuteter) Dialog des in Rede stehenden Inhalts mit mir nie stattgefunden hat. Da ich in der politischen und medialen Realverfassung meines Landes diesen Satz "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt" nie los wurde, habe ich mich darauf eingestellt, mit ihm zu leben. Das fiel mir u.a. deshalb nicht besonders schwer, weil sich so manches in all den Jahren als visionär Angebotene im Endeffekt als ganz gewöhnlicher Blödsinn herausstellte. Allerdings: Viele Jahre nach Erscheinen des Czernin/Kotanko-Artikels im profil schrieb ein Autor in der Presse den Satz über Visionen und Arzt dem früheren deutschen Kanzler Helmut Schmidt zu. Ich stand somit vor einer neuen, mein Seelenleben bewegenden Situation mit mehreren Optionen: Konnte ich mich bequem zurücklehnen, weil als der eigentliche Visionslose ja nun Helmut Schmidt entlarvt wurde? Oder - viel schlimmer - müsste ich mir von nun an das Plagiat vorhalten lassen? - derstandard.at/58576/Variationen-ueber-Visionen17. September 1999, 21:33 Offener Brief von Ex-Kanzler Franz Vranitzky an Robert Menasse Seher geehrter Herr Menasse! Im profil vom 16. Mai schreiben Hubertus Czernin und Christoph Kotanko Folgendes: In den Parteitagspausen machte indes unter Delegierten ein angeblicher Dialog zwischen Heinz Fischer und dem neuen SP-Lenker die Runde: Fischer (lebhaft): Die SPÖ braucht Visionen. Vranitzky (kühl): Wer Visionen hat, braucht an Arzt. Das war die Geburtsstunde eines Satzes, der mir nun schon über mehr als ein Jahrzehnt angehängt wird, ohne dass ich ihn je gesagt habe. Dies obwohl Czernin/Kotanko diesbezüglich gar keine definitive Behauptung aufstellten, sondern vielmehr einer "Angeblich-Geschichte" nachhingen. Im Übrigen würde der Präsident des österreichischen Nationalrats, Dr. Heinz Fischer, jederzeit bestätigen, dass ein von Czernin/Kotanko konjunktivisch formulierter (vermuteter) Dialog des in Rede stehenden Inhalts mit mir nie stattgefunden hat. Da ich in der politischen und medialen Realverfassung meines Landes diesen Satz "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt" nie los wurde, habe ich mich darauf eingestellt, mit ihm zu leben. Das fiel mir u.a. deshalb nicht besonders schwer, weil sich so manches in all den Jahren als visionär Angebotene im Endeffekt als ganz gewöhnlicher Blödsinn herausstellte. Allerdings: Viele Jahre nach Erscheinen des Czernin/Kotanko-Artikels im profil schrieb ein Autor in der Presse den Satz über Visionen und Arzt dem früheren deutschen Kanzler Helmut Schmidt zu. Ich stand somit vor einer neuen, mein Seelenleben bewegenden Situation mit mehreren Optionen: Konnte ich mich bequem zurücklehnen, weil als der eigentliche Visionslose ja nun Helmut Schmidt entlarvt wurde? Oder - viel schlimmer - müsste ich mir von nun an das Plagiat vorhalten lassen? - derstandard.at/58576/Variationen-ueber-Visionen17. September 1999, 21:33 Offener Brief von Ex-Kanzler Franz Vranitzky an Robert Menasse Seher geehrter Herr Menasse! Im profil vom 16. Mai schreiben Hubertus Czernin und Christoph Kotanko Folgendes: In den Parteitagspausen machte indes unter Delegierten ein angeblicher Dialog zwischen Heinz Fischer und dem neuen SP-Lenker die Runde: Fischer (lebhaft): Die SPÖ braucht Visionen. Vranitzky (kühl): Wer Visionen hat, braucht an Arzt. Das war die Geburtsstunde eines Satzes, der mir nun schon über mehr als ein Jahrzehnt angehängt wird, ohne dass ich ihn je gesagt habe. Dies obwohl Czernin/Kotanko diesbezüglich gar keine definitive Behauptung aufstellten, sondern vielmehr einer "Angeblich-Geschichte" nachhingen. Im Übrigen würde der Präsident des österreichischen Nationalrats, Dr. Heinz Fischer, jederzeit bestätigen, dass ein von Czernin/Kotanko konjunktivisch formulierter (vermuteter) Dialog des in Rede stehenden Inhalts mit mir nie stattgefunden hat. Da ich in der politischen und medialen Realverfassung meines Landes diesen Satz "Wer Visionen hat, braucht einen Arzt" nie los wurde, habe ich mich darauf eingestellt, mit ihm zu leben. Das fiel mir u.a. deshalb nicht besonders schwer, weil sich so manches in all den Jahren als visionär Angebotene im Endeffekt als ganz gewöhnlicher Blödsinn herausstellte. Allerdings: Viele Jahre nach Erscheinen des Czernin/Kotanko-Artikels im profil schrieb ein Autor in der Presse den Satz über Visionen und Arzt dem früheren deutschen Kanzler Helmut Schmidt zu. Ich stand somit vor einer neuen, mein Seelenleben bewegenden Situation mit mehreren Optionen: Konnte ich mich bequem zurücklehnen, weil als der eigentliche Visionslose ja nun Helmut Schmidt entlarvt wurde? Oder - viel schlimmer - müsste ich mir von nun an das Plagiat vorhalten lassen? - derstandard.at/58576/Variationen-ueber-Visionen