Lou Andreas-Salomé mit Peitsche, Paul Rée und Friedrich Nietzsche als Pferde; Foto: Jules Bonnet, Luzern:1882. |
Korrekt zitiert müsste das Zitat also lauten:
- "Du gehst zu Frauen? Vergiß die Peitsche nicht! –"
'Altes Weiblein' zu 'Zarathustra', in: Friedrich Nietzsche: 'Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen', Teil 1, 'Von alten und jungen Weiblein'".
Diese Szene lebt von privaten und literarischen Anspielungen, die einer plump misogynen Interpretation widersprechen. Die mittelalterliche Fabel, wie der alte Aristoteles von einer jungen Frau namens Phyllis, in die er närrisch verliebt ist, gedemütigt wird, war wahrscheinlich der Hintergrund für die Inszenierung des berühmten Fotos von Friedrich Nietzsche mit der damals 21-jährigen genialischen Freundin Lou Andreas-Salomé und der Peitsche in ihrer Hand.
In der Fabel wird Aristoteles von seiner Angebeteten überredet, sich wie ein Pferd satteln zu lassen. Der große Philosoph hofft, dadurch die Frau seinen sexuellen Wünschen gefügig zu machen und ahnt nicht, dass er beobachtet und von Phyllis zum Gespött am Hof gemacht wird. Die junge Frau hat dem weisen Aristoteles bewiesen, dass er selbst nicht auf der Höhe seiner weisen Ratschläge für Verliebte zu leben vermag.
Die Geschichte der Entlarvung des weisen Aristoteles durch Phillis als liebestollen Narren ist seit dem Mittelalter in mehreren Varianten überliefert und war auch der Stoff von Émile Pessard Opéra-comique "Le Char", die vier Jahre vor dem Foto Nietzsches mit der peitschenschwingenden Lou Andreas-Salomé uraufgeführt wurde.
In der Fabel wird Aristoteles von seiner Angebeteten überredet, sich wie ein Pferd satteln zu lassen. Der große Philosoph hofft, dadurch die Frau seinen sexuellen Wünschen gefügig zu machen und ahnt nicht, dass er beobachtet und von Phyllis zum Gespött am Hof gemacht wird. Die junge Frau hat dem weisen Aristoteles bewiesen, dass er selbst nicht auf der Höhe seiner weisen Ratschläge für Verliebte zu leben vermag.
Die Geschichte der Entlarvung des weisen Aristoteles durch Phillis als liebestollen Narren ist seit dem Mittelalter in mehreren Varianten überliefert und war auch der Stoff von Émile Pessard Opéra-comique "Le Char", die vier Jahre vor dem Foto Nietzsches mit der peitschenschwingenden Lou Andreas-Salomé uraufgeführt wurde.
Das Plakat zur Pariser Uraufführung der Opéra-comique "Le Char" von Émile Pessard könnte ein Vorbild für das Foto von Lou Andreas-Salomé mit Paul Rée und Friedrich Nietzsche gewesen sein.
In der Luzerner Fotoinszenierung von 1882 spielen Nietzsche und sein Freund Rée ein
Pferdegespann, das unter der Peitsche der gar nicht bedrohlich wirkenden
jungen Frau steht, in die beide Männer tatsächlich sehr verliebt sind.
Im Fotatelier von Jules Bonnet kümmert sich Nietzsche "in übermütiger Stimmung" (Lou Andreas-Salomé) um jedes Detail und schmückt zum Beispiel die Peitsche mit einem (auf dem Foto nicht erkennbaren) Fliederzweig.
Als Nietzsche den ersten Teil von Zarathustra schreibt, ist es mit der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit Lou Salomé vorbei, und in seiner Dichtung gibt Friedrich Nietzsche die Peitsche keiner Frau mehr in die Hand, sondern lässt eine alte Frau dem einsamen Berg-Eremiten Zarathustra den Ratschlag geben, sich vor einer Begegnung mit Frauen mit diesem Dressurwerkzeug zu wappnen. Der alten Frau legt Nietzsche eine Neufassung des mittelalterlichen florentinischen Sprichworts: "buona femmina e mala femmina vuol bastone" (Gute Frauen und schlechte Frauen brauchen den Stock) in den Mund.
Nietzsches Schwester Elisabeth erkennt sich später selbst in der Figur des "alten Weibleins" karikiert, weil sie ihrem Bruder auch einmal den Rat gab, strenger gegen "in Trieben und Charakteren ungebändigte Frauen" zu sein und metaphorisch von der "Peitsche" sprach, die "nicht tugendhafte" Frauen nötig hätten.
In der Nietzsche-Forschung wird Elisabeth Förster-Nietzsches Erinnerung skeptisch betrachtet, weil sie das Foto mit Lou Andreas-Salomé unterschlägt.
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Anmerkung:
Zur Fotografie Nietzsches mit Lou Andreas-Salomé wurde schon viel Unsinn geschrieben, zum Beispiel von Bazon Brock:
Aristoteles als Zugpferd auf einem Plakat zur Uraufführung der Opéra-comique "Le Char" von Émile Pessard, Paris, 1878. |
Lucas van Leyden: "Aristoteles und Phyllis", 1520, kolorierter Holzschnitt. |
Hans Baldung Grien: "Weibermacht", Phyllis reitet auf Aristoteles, Holzschnitt, 1513. |
Im Fotatelier von Jules Bonnet kümmert sich Nietzsche "in übermütiger Stimmung" (Lou Andreas-Salomé) um jedes Detail und schmückt zum Beispiel die Peitsche mit einem (auf dem Foto nicht erkennbaren) Fliederzweig.
Als Nietzsche den ersten Teil von Zarathustra schreibt, ist es mit der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit Lou Salomé vorbei, und in seiner Dichtung gibt Friedrich Nietzsche die Peitsche keiner Frau mehr in die Hand, sondern lässt eine alte Frau dem einsamen Berg-Eremiten Zarathustra den Ratschlag geben, sich vor einer Begegnung mit Frauen mit diesem Dressurwerkzeug zu wappnen. Der alten Frau legt Nietzsche eine Neufassung des mittelalterlichen florentinischen Sprichworts: "buona femmina e mala femmina vuol bastone" (Gute Frauen und schlechte Frauen brauchen den Stock) in den Mund.
Nietzsches Schwester Elisabeth erkennt sich später selbst in der Figur des "alten Weibleins" karikiert, weil sie ihrem Bruder auch einmal den Rat gab, strenger gegen "in Trieben und Charakteren ungebändigte Frauen" zu sein und metaphorisch von der "Peitsche" sprach, die "nicht tugendhafte" Frauen nötig hätten.
In der Nietzsche-Forschung wird Elisabeth Förster-Nietzsches Erinnerung skeptisch betrachtet, weil sie das Foto mit Lou Andreas-Salomé unterschlägt.
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Anmerkung:
Zur Fotografie Nietzsches mit Lou Andreas-Salomé wurde schon viel Unsinn geschrieben, zum Beispiel von Bazon Brock:
- "Sie zeigt die Studio-Inszenierung eines lebenden Bildes, in der Lou Andreas Salomé als peitschende Lenkerin ihrer beiden Zugpferde, Nietzsche und Paul Rée, erscheint – eine karikierende Anspielung auf Helios und die Rosse des Sonnenwagens; die Sonne ist bekanntlich im Deutschen weiblich. Andererseits ist nicht zu übersehen, daß die Inszenierung auf das seinerzeit populäre Thema für lebende Bilder „Frauen bändigen die unbändige Lust der Männer, indem sie sie unter das Zugtierjoch spannen“ anspielt. Gerade die Differenz von strahlendem Sonnenwagen der Liebe und dem Ehegespann im Alltagstrott, von himmelhochjauchzend und den Mühen der Ebene, eröffnete einen weiten Spielraum der Interpretation, ohne das Risiko, jemanden unmittelbar zu kränken." (Link)
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Quellen:
Friedrich Nietzsche: "Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen." 1883–1885, Zeno.org
Lou Andreas-Salomé: "Lebensrückblick – Grundriß einiger Lebenserinnerungen." Aus dem Nachlaß hg. v. Ernst Pfeiffer, Niehans, Zürich: 1951; Nachdruck: Severus Verlag, Hamburg: 2013, S. 100 (Link)
Walter Kaufmann: "Nietzsche: Philosopher, Psychologist, Antichrist." Princeton University Press, Princton: 1974
Friedrich Nietzsche: "Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen." 1883–1885, Zeno.org
Lou Andreas-Salomé: "Lebensrückblick – Grundriß einiger Lebenserinnerungen." Aus dem Nachlaß hg. v. Ernst Pfeiffer, Niehans, Zürich: 1951; Nachdruck: Severus Verlag, Hamburg: 2013, S. 100 (Link)
Walter Kaufmann: "Nietzsche: Philosopher, Psychologist, Antichrist." Princeton University Press, Princton: 1974
(Link)
Curt Paul Janz: "Friedrich Nietzsche. Biographie". Band 1: "Kindheit, Jugend, die Basler Jahre"; Band 2: "Die zehn Jahre des freien Philosophen"; Band 3: "Die Jahre des Siechtums. Dokumente, Quellen und Register", Carl Hanser-Verlag, München: 1978–1979.
Bazon Brock: "Lustmarsch durchs Theoriegelände – Musealisiert Euch!" 2008 (Link)
Elisabeth Förster-Nietzsche: "Friedrich Nietzsche und die Frauen seiner Zeit", (EA 1935) Servus Verlag, Hamburg: 2014, S. 10ff. (Link)
Carol Diethe: "Vergiss die Peitsche. Nietzsche und die Frauen", Europa Verlag, Hamburg/ Wien: 2000
Mario Leis: "Frauen um Nietzsche", Rowohlt Verlag, Reinbek: 2000, S. 7, 75, 162
Letzte Änderung: 28/9 2018
"Geschlechterwirren. «Vergiss die Peitsche nicht!»", in: Neue Zürcher Zeitung, 10. Mai 2013 Curt Paul Janz: "Friedrich Nietzsche. Biographie". Band 1: "Kindheit, Jugend, die Basler Jahre"; Band 2: "Die zehn Jahre des freien Philosophen"; Band 3: "Die Jahre des Siechtums. Dokumente, Quellen und Register", Carl Hanser-Verlag, München: 1978–1979.
Bazon Brock: "Lustmarsch durchs Theoriegelände – Musealisiert Euch!" 2008 (Link)
Elisabeth Förster-Nietzsche: "Friedrich Nietzsche und die Frauen seiner Zeit", (EA 1935) Servus Verlag, Hamburg: 2014, S. 10ff. (Link)
Carol Diethe: "Vergiss die Peitsche. Nietzsche und die Frauen", Europa Verlag, Hamburg/ Wien: 2000
Mario Leis: "Frauen um Nietzsche", Rowohlt Verlag, Reinbek: 2000, S. 7, 75, 162
Letzte Änderung: 28/9 2018