Freitag, 8. Dezember 2017

"Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen." Lenin (angeblich)

Pseudo-Lenin quote.
Dieses Zitat entwickelte sich aus einer Lenin-Anekdote, die 1958, also mehr als dreißig Jahre nach seinem Tod, das erste Mal in den digitalisierten Texten auftaucht: "Genossen", soll Lenin gesagt haben, "sorgt euch nicht um die Kapitalisten. Wir müssen ihnen nur genug Stricke liefern und sie werden sich selber aufhängen" (Link).

Ein Jahr später hängen sich die Kapitalisten in der revidierten Lenin-Anekdote nicht mehr selber auf, sondern werden aufgehängt. Zwei Jahre später wird der Spruch Stalin unterschoben (Link). Dann bekommt der Spruch langsam die kurze aphoristische Form, die wir heute kennen, und 1982 wird die älteste Lenin-Anekdote Alexander Solschenyzin zugeschrieben, der sie 1975 in Amerika erzählt haben soll (Link).

In den gesammelten Schriften Lenins wurde das Zitat weder so noch so ähnlich je gefunden. Der Journalist William Safire erzählte 1987 in einem amüsanten Artikel von seiner vergeblichen Suche nach dem Ursprung des Zitats bei Kommunisten, Professoren und Bibliothekaren in Moskau und New York (Link).

Die Evolution dieses Zitats legt den Schluß nahe, dass es ein Kuckuckszitat ist. Vor 1950 ist es weder auf Deutsch, noch auf Englisch oder Russisch in einem digitalisierten Text als "Lenin"-Zitat zu finden. 

Tobias Blanken hat mich darauf hingewiesen, dass dieses Lenin-Zitat wahrscheinlich ein späte Erfindung ist, der Literaturwissenschaftler und Übersetzer Joseph Wälzholz hat auf Russisch den Urspung des Zitats recherchiert und ich bin ihm auf Deutsch und Englisch nachgegangen: Auch wir sind, wie die Autoren des Buches "They Never Said It: A Book of Fake Quotes, Misquotes, and Misleading Attributions" und die Rechercheurinnen von Wikiquote zu dem Schluß gekommen, dass dieses Lenin-Zitat eine Erfindung aus der Zeit des Kalten Kriegs ist. 

Ralf Bülow verdanken wir den Hinweis, dass ein ähnliches Sprichwort auf Englisch schon im 19. Jahrhundert verbreitet war.

 Evolution des Sprichworts

 1671

  1788
1817
1834
1882

1890
1893
  • "Let these newspaper fellows have all the rope they want; they will hang themselves without assistance."

 Evolution des Kuckuckszitats


Das Pseudo-Lenin-Zitat taucht das erste Mal 1958 auf Englisch auf, ein Jahr später auf Deutsch, wobei der Strick aus dem Sprichwort nicht mehr als Metapher für Freiheit, sondern nur noch wörtlich genommen wird.
  

1958
  • "Some 35 years ago, in the course of a report on Russia's economic future, Lenin is reported to have said: 'Comrades, we have nothing to worry about the capitalists. All we have to do is give them enough rope and they will hang themselves.' Thereupon, one of his comrades asked Lenin: 'But where will we get the rope to give to the capitalists ?' Lenin quickly replied: 'from the capitalists, of course'."
    AFL-CIO, Dept. of International Affairs, AFL-CIO Free Trade Union News,  Bände 13-15, 1958,  S. 36
    (Link)
 
1959
  • "Über letztere hat Lenin einmal gesagt: 'Die Kapitalisten treten sich gegenseitig auf die Füße, um die Stricke zu verkaufen, an denen sie später einmal aufgehängt werden'.
    "
    Richard Etschmann: "Die Währungs- und Devisenpolitik des Ostblocks und ihre Auswirkungen ...", 1959, S. 209 (Link)
1960
  • "Lenin sagte: «Wenn die kapitalistische Welt anfängt, mit uns Handel zu treiben - von dem Tag ab beginnt sie, ihre eigene Vernichtung zu finanzieren.» Noch anschaulicher formulierte Stalin: «Wenn es dann so weit ist, daß wir die Kapitalisten dieser Welt aufhängen, werden sie sich gegenseitig auf die Zehen treten, um uns die Stricke zu verkaufen.»" 
    Reformatio, Band 9, 1960, S. 269 (Link)
1974
  • "Among the statements of the late Vladimir Lenin, founder of the modern Soviet state, are his words: "The capitalists are so greedy they will sell the rope for their own hanging." In the light of communist exploitation of American gullibility that is a statement of deep meaning and dire consequences."
    Life Line Freedom Talk, 1974  (Google) 
 1976
  • "daß — nach einem Wort Lenins — die Kapitalisten so habgierig und dumm sein können, daß sie ihrem Henker auch noch die Stricke verkaufen, an denen er sie früher oder später aufhängen wird."
    Criticón, Bände 33-38, 1976,  S. 14

 1981
  • "In einem der am häufigsten zitierten Lenin-Worte wird prophezeit, daß die kapitalistischen Länder eines Tages der Sowjetunion noch den Strick verkaufen würden, mit dem diese sie aufknüpft."
    Europäische Wehrkunde, Band 13, 1981 (Link)
1982
  • "When things go very hard for us, we will give a rope to the bourgeoisie and the bourgeoisie will hang itself." When Radek asked, "Where are we going to get enough rope to hang the whole bourgeoisie?" Lenin replied, "They'll supply us with it."
    Cord Meyer: Facing Reality: From World Federalism to the CIA, 1982 (
    Alexander Solschenizyn soll das am 30. Juni 1975 zur Gewerkschaft AFL-CIO gesagt haben) S.  303  (Link)  
 1983
  • "SPIEGEL: Sie kennen sicher das Lenin-Zitat: 'Die Kapitalisten werden uns auch noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufhängen ...'
    KENDALL: ... der Spruch wird oft zitiert. Ich habe mich schon öfters bemüht, die Quelle dieses Zitats zu finden. Niemand konnte mir bisher die Quelle nennen."
    DER SPIEGEL 6/1983, 7. Februar 1983 (Link)
 1987
  • "Former Colgate Prof. Albert Parry writes in The St. Petersburg Times: 'You will not find the rope prophecy in any of the voluminous Lenin works published in the Soviet Union.' Right."
    William Safire: "Useful Idiots Of the West", NYT, 12. April 1987 (Link) 
2008
  • "Ich kann diese Filme machen, weil ich das Glück habe, eine der wunderschönsten Schwächen des Kapitalismus auszunutzen: Ein Kapitalist wird Dir noch den Strick verkaufen, an dem Du ihn dann aufhängst, wenn der damit was verdient."
    Michael Moore, 14. September 2008, Telepolis (Link)
  2013
  • "Lenin said, 'The capitalists will sell us the rope with which to hang them'."
    Google
  • "Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen."
  • "Ein Kapitalist wird Dir noch den Strick verkaufen, an dem Du ihn dann aufhängst." 
  • "Die Kapitalisten treten sich gegenseitig auf die Füße, um die Stricke zu verkaufen, an denen sie später einmal aufgehängt werden."
  • "The capitalists will sell us the rope with which to hang them."
  • "We will hang the capitalists with the rope that they sell us."


_________
Quellen:
Marxist Internet Archive: (Link)
Google books, Deutsch
Google books, English
William Safire: "Useful Idiots Of the West", New York Times, 12. April 1987 (Link)
Paul F. Boller jr., John George: "They Never Said It: A Book of Fake Quotes, Misquotes, and Misleading Attributions", Oxford University Press, Oxford / New York: 1989, ebook (Link)
AFL-CIO, Dept. of International Affairs, AFL-CIO Free Trade Union News,  Bände 13-15, 1958,  S. 36 (Link)
Richard Etschmann: "Die Währungs- und Devisenpolitik des Ostblocks und ihre Auswirkungen ...", 1959, S. 209 (Link)
Reformatio, Band 9, 1960, S. 269 (Link)
Criticón, Bände 33-38, 1976,  S. 14
Europäische Wehrkunde, Band 13, 1981 (Link)
Cord Meyer: Facing Reality: From World Federalism to the CIA, 1982 (Alexander Solschenizyn soll das am 30. Juni 1975 zur Gewerkschaft AFL-CIO gesagt haben) S.  303  (Link) 
DER SPIEGEL 6/1983, 7. Februar 1983 (Link)   
Michael Moore, 14. September 2008, Telepolis (Link)
Wikiquote
______
Dank:
Ich danke Tobias Blanken, Joseph Wälzholz und Ralf Bülow sehr für ihre Recherchen.

Letzte Änderung: 4. Juni 2018 

"Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates." Joseph Goebbels (angeblich)

Pseudo-Goebbels quote.

Dieser in Amerika weit verbreitete Spruch eines unbekannten Autors wird Joseph Goebbels seit etwa zwanzig Jahren unterschoben und ist eine Übersetzung aus dem Englischen.

In den Schriften von Joseph Goebbels hat diesen Satz noch niemand gefunden.

Das vollständige Falschzitat:
  • "If you tell a lie big enough and keep repeating it, people will eventually come to believe it. The lie can be maintained only for such time as the State can shield the people from the political, economic and or military consequences of the lie. It thus becomes vitally important for the State to use all of its powers to repress dissent, for the truth is the mortal enemy of the lie, and thus by extension, the truth is the greatest enemy of the State."
    German Propaganda Archive

Pseudo-Goebbels quote.
  • "Von Joseph Goebbels, dem 'Propaganda-Minister' Hitlers, stammt die Aussage:
    'Wenn man eine große Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben. Man kann die Lüge so lange behaupten, wie es dem Staat gelingt, die Menschen von den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konsequenzen der Lüge abzuschirmen. Deshalb ist es von lebenswichtiger Bedeutung für den Staat, seine gesamte Macht für die Unterdrückung abweichender Meinungen einzusetzen. Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates'."
    achgut.com




Seit 2008 dokumentiert Randall Bytwerk im German Propaganda Archive (Calvin College) und auf seinem Blog "Goebbels Didn't Say It" die Weiterverbreitung dieses Falschzitats (Link).

Mehr dazu in dem Artikel: "Eine Lüge muss nur oft genug wiederholt werden. Dann wird sie geglaubt." (Link)
__________
Quellen:
Das Falschzitat ist zum Beispiel hier zu finden: Wikimannia  
Randall L. Bytwerk: German Propaganda Archive, "False Nazi Quotations", 2008ff. (Link)
Randall L. Bytwerk, Quentin J. Schultze: "Goebbels Didn't Say It", Blog, 2012ff. (Link)

Mittwoch, 6. Dezember 2017

"Eine Lüge muss nur oft genug wiederholt werden. Dann wird sie geglaubt." Joseph Goebbels (angeblich)


Pseudo-Joseph-Goebbels-Zitat.
Der Spruch wird Goebbels seit sieben Jahrzehnten in verschiedenen Varianten unterschoben. Es ist ein peinlicher Widerspruch, wenn man mit erfundenen Goebbels-Zitaten gegen Lügen in der Politik argumentiert (Link), wie zum Beispiel Donald-Trump-Gegner, die mit demselben Fake-Zitat gegen Trump polemisieren wie Hillary-Clinton-Gegner gegen Clinton (Link). Man bekämpft Fake News mit Fake Zitaten und suggeriert, der politische Gegner arbeite mit Nazipropaganda-Methoden.

Dieses auf Englisch und Deutsch hunderttausendfach verbreitete Pseudo-Goebbels-Zitat hat noch niemand in einem Text von Joseph Goebbels gefunden und es widerspricht auch der Ideologie von Goebbels, der sich seinen Zuhörern und Lesern gerne als Kämpfer für die Wahrheit gegen die verlogene Presse und gegen die ausländische 'Lügenpropaganda' präsentierte.
NSDAP-Plakat, 1940. Quelle: GERMAN PROPAGANDA ARCHIVE.

In der Tat hat kaum ein Politiker so schamlos gelogen wie Joseph Goebbels, aber in seinen Reden und auch in seinem Tagebuch posierte er als Person, die der Wahrheit verpflichtet ist. Seine Propaganda nennt er nicht Lüge, sondern "Probleme auf die einfachste Formel bringen" und suggerierte: Lügen, das tun die anderen, zum Beispiel 'die Engländer', die anders als die treuherzigen Nazis angeblich aus Prinzip logen.

Propagandaminister und Spindoktoren, die zugäben, Lügen zu verbreiten, wären wohl kaum glaubwürdig und erfolgreich.

Erfundene Goebbels-Zitate, eine Auswahl:

  • "'Angeblich verfolgt Trump mit seinen Lügereien die Goebbels-Doktrin', sagte der iranische Politiker. Er bezog sich auf das Goebbels-Zitat 'Eine Lüge muss nur oft genug wiederholt werden. Dann wird sie geglaubt'."
    Die ZEIT, 24. September 2017 (Link)
  • "Als mephistophelischer Meister der perfiden Lügenmaschinerie ging der Propagandaminister des Dritten Reichs, Joseph Goebbels, in die Geschichte ein, der bereits 1933 sein Credo formulierte: „Wenn du einmal mit dem Lügen begonnen hast, darfst du nie wieder damit aufhören.“ Und: „Man muss Lügen nur oft genug wiederholen, dass sie geglaubt werden.“"
    profil, 26. März 2010 (Link)
  • "Goebbels sagte, wenn man eine Lüge häufig genug wiederholt, dann wird sie zur Wahrheit."
    Welt, 20. Juli 2008 (Link)
    "'Man muss eine Lüge nur sooft wiederholen, bis man selber daran glaubt'- Joseph Göbbels" (Blog) "Joseph Goebbels schrieb einmal in sein Tagebuch: 'Man muss eine Lüge nur oft wiederholen, bis man selber daran glaubt'."Heise.de/Forum 
  • "Wenn die Wahrheit erfolgreich vergewaltigt wird, sind bald auch die Menschen, ihr Leben, ihre Würde an der Reihe. Deshalb darf man zu Sarrazin nicht schweigen. Die Maxime des PR-Experten Joseph Goebbels, man müsse die Lügen nur häufig genug wiederholen, bis die Masse sie glaube – unser Bundesbanker handelt gerne danach und hat dies in einer schwachen Minute der Süddeutschen sogar zu Protokoll gegeben  ..."
    Neue Rheinische Zeitung, 18. Mai 2011 (Link)
  • "If you tell a lie big enough and keep repeating it, people will eventually come to believe it. The lie can be maintained only for such time as the State can shield the people from the political, economic and or military consequences of the lie. It thus becomes vitally important for the State to use all of its powers to repress dissent, for the truth is the mortal enemy of the lie, and thus by extension, the truth is the greatest enemy of the State."
    German Propaganda Archive
  • "Von Joseph Goebbels, dem 'Propaganda-Minister' Hitlers, stammt die Aussage:
    'Wenn man eine große Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben. Man kann die Lüge so lange behaupten, wie es dem Staat gelingt, die Menschen von den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konsequenzen der Lüge abzuschirmen. Deshalb ist es von lebenswichtiger Bedeutung für den Staat, seine gesamte Macht für die Unterdrückung abweichender Meinungen einzusetzen. Die Wahrheit ist der Todfeind der Lüge, und daher ist die Wahrheit der größte Feind des Staates'."
    achgut.com
Das letzte Zitat wurde vor etwa 20 Jahren von einer unbekannten Person geprägt und ist eine Übersetzung aus dem Englischen.

Das Thema der "großen Lüge" in der Propaganda geht auf folgende Stelle in Hitlers "Mein Kampf" zurück:
  • "Man ging dabei von dem sehr richtigen Grundsatze aus, daß in der Größe der Lüge immer ein gewisser Faktor des Geglaubtwerdens liegt, da die große Masse des Volkes bei der primitivsten Einfalt ihres Gemütes einer großen Lüge leichter zum Opfer fällt als einer kleinen".
    A.H.: Mein Kampf, S. 252 
Diese Satz wird auch oft falsch zitiert: Hitler unterstellt hier die "Große Lüge" Juden und Marxisten, aber er bekennt sich nicht selbst offen zur "Großen Lüge" als Nazi-Propagandataktik.

Dass Wiederholung in der Propaganda wichtig ist, war schon in den 1920er Jahren ein Gemeinplatz und steht auch in "Mein Kampf":
  • "Aber alle Genialität der Aufmachung der Propaganda wird zu keinem Erfolg führen, wenn nicht ein fundamentaler Grundsatz immer gleich scharf berücksichtigt wird. Sie hat sich auf wenig zu beschränken und dieses ewig zu wiederholen."
    A.H.: Mein Kampf, S. 202
Dazu Goebbels, 1942:
  • "Ich kann wieder sehr viel lernen; vor allem, daß das Volk meistens viel primitiver ist, als wir uns  das vorstellen. Das Wesen der Propaganda ist deshalb die Einfachheit und die Wiederholung. Nur wer die Probleme auf die einfachste Formel bringen kann, und den Mut hat, sie auch gegen die Einsprüche der Intellektuellen ewig in dieser vereinfachten Form zu wiederholen, der wird auf die Dauer zu grundlegenden Erfolgen in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen. Wer einen anderen Weg einschlägt, mag den oder jenen labilen Intellektuellenkreis beeinflussen, das Volk ist er nicht einmal an der Oberfläche zu ritzen in der Lage."Joseph Goebbels, Tagebuch, 29. Januar 1942
Goebbels, 1941:
  • "Die Engländer gehen nach dem Prinzip vor, wenn du lügst, dann lüge gründlich, und vor allem bleibe bei dem, was du gelogen hast! Sie bleiben also bei ihren Schwindeleien, selbst auf die Gefahr hin, sich damit lächerlich zu machen."
    Joseph Goebbels, 1941, "Die Zeit ohne Beispiel" (Link)
  • "Die Engländer haben eine Art, die Wahrheit zu verschleiern und mit moralischen Phrasen allen bekannte und manchmal auch sehr zweifelhafte Zustände zu überdecken, die geradezu Bewunderung erregen muß."
    Joseph Goebbels, 1941, "Die Zeit ohne Beispiel" (Link)

Seit 2008 dokumentiert Randall Bytwerk im German Propaganda Archive (Calvin College) und auf seinem Blog "Goebbels Didn't Say It" die anscheinend unaufhaltsame Weiterverbreitung dieser Falschzitate im Internet, in diversen Büchern und durch Zeitungen (Link).

Man kann nie beweisen, dass ein Falschzitat niemals in einem Text des fraglichen Autors gefunden werden wird. Aber wenn ein Spruch immer nur ohne genaue Quellenangabe zitiert wird und kompetente Forscher jahrelang vergeblich nach einer seriösen Quelle gesucht haben, dann muss man davon ausgehen, dass das Zitat ein Falschzitat ist.



 _________
Quellen:
Frühe Zuschreibung:
Publications Relating to Various Aspects of Communism  by United States Congress, House Committee on Un-American Activities, 1946, Issues 1-15, p. 19,   (Link) (Zitiert nach Wikiquote)
Wikiquote
Wikipedia: "Big Lie"
Randall L. Bytwerk: German Propaganda Archive,  "False Nazi Quotations", 2008ff. (Link)
Randall L. Bytwerk, Quentin J. Schultze: "Goebbels Didn't Say It", Blog, 2012ff. (Link)
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands. Teil II, Diktate 1941-1945 (Bd. III: Januar-März 1942). New Providence, London und Paris: 1994, 29. Januar 1942, S. 213 (Zititert nach?: mhm)
Joseph Goebbels: "Die Zeit ohne Beispiel. Reden und Aufsätze aus den Jahre 1939/40/41", Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München: 1941, 12. Januar 1941, S. 364; S. 86 (Link)
Adolf Hitler: Mein Kampf, Verlag Franz Eher Nachf., München: 1943, S. 252; S. 202
"Plausible quotations and reverse credibility in online vernacular communities.." The Free Library. 2012, Institute of General Semantics (retrieved 6 Dec. 2017) (Link)
Peter Longerich: "Joseph Goebbels. Biographie." Siedler Verlag, München: 2010
Randall L. Bytwerk: "Bending Spines: The Propagandas of Nazi Germany and the German Democratic Republic." Michigan State University Press: 2004

_________
Dank:
Ich danke Randall Bytwerk für die Erlaubnis, das Goebbels-NSDAP-Plakat von 1940 hier wiedergeben zu dürfen und Tobias Blanken für einen Hinweis.


______________
Artikel in Arbeit.

1939
  • "I want to stress first two principles of the new art of Hitler and Goebbels which is still underestimated. The basic principle is that the illusion of truth can be created by an intensive repetition of a lie. If one repeats often enough, for example, and in a thousand variations which seem not to come from the same source that the German air fleet is invincible, then people will become afraid, will not dare to fight it, and in this way make it appear so powerful that it becomes the victor..."
    Report, 1939, S. 18 (Link)
1940
  • ".. Goebbels, covers the whole world with nets and traps and infection points. Nazi propaganda ranges from the most subtle forms of intellectual argument justifying manifold heresies and evil principles down to the crudest examples of the application of Hitler's brazen maxim that one of the best ways to spread a lie is to lie boldly — lie outrageously — lie most loudly — lie with a loud-speaker — lie incessantly, so that simple souls, child-like souls, the souls of great masses of people, will believe the lie because of their sheer inability to comprehend that there can be human beings really capable of inventing such cosmic whoppers. "Lie boldly" is a nazi application, and perversion, of Luther's paradoxical "Sin boldly."
    The Commonweal, Volume XXXIII, 5 November 1940, S. 101
1943
  • "'Propaganda,' Dr. Goebbels once wrote, 'should not be in the least respectable; nor should it be mild or humble. It should be successful.' In the event Goebbels accepted Hitler's famous dictum that the bigger the lie, the better: and that if you repeat a whopper often enough, the people will eventually come to believe it."
    David Walker: Civilian attack, 1943 S. 87 (Link)

"I notice that Autumn is more the season of the soul than of nature." Friedrich Nietzsche (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Nietzsche quote.
Dieses auf Englisch im Internet weit verbreitete Nietzsche-Zitat (Google) ist eine Fabrikation des 21. Jahrhunderts, wahrscheinlich noch nicht einmal 10 Jahre alt, und es ist weder in digitalisierten deutschen noch in englischen Büchern zu finden.

Es ist also ein Falschzitat eines unbekannten Autors oder einer unbekannten Autorin.

 Varianten:
  • "Notice that Autumn is more the season of the soul than of Nature.”
  • "I notice that Autumn is more the season of the soul than of nature."
____

Friedrich Nietzsche:

  •                  Im deutschen November.
    Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
    Fliege fort! fliege fort! —
    Die Sonne schleicht zum Berg
    Und steigt und steigt
    und ruht bei jedem Schritt.

    Was ward die Welt so welk!
    Auf müd gespannten Fäden spielt
    Der Wind sein Lied.
    Die Hoffnung floh —
    Er klagt ihr nach.

    Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz.
    Fliege fort! fliege fort!
    Oh Frucht des Baums‚
    Du zitterst‚ fällst?
    Welch ein Geheimniß lehrte dich
    Die Nacht‚
    Daß eis’ger Schauder deine Wange‚
    Die Purpur-Wange deckt? —

    Du schweigst‚ antwortest nicht?
    Wer redet noch? — —

    Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz.
    Fliege fort! fliege fort! —
    „Ich bin nicht schön
    — so spricht die Sternenblume —
    Doch Menschen lieb’ ich
    Und Menschen tröst’ ich —
    sie sollen jetzt noch Blumen sehn‚
    nach mir sich bücken
    ach! und mich brechen —
    in ihrem Auge glänzet dann
    Erinnerung auf‚
    Erinnerung an Schöneres als ich:

    — ich seh’s‚ ich seh’s — und sterbe so.“ —

    Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
    Fliege fort! fliege fort!
Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Herbst 1884  (Link)


_____
Quellen:
2013: (Link)
Google
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio (Link) 

Samstag, 2. Dezember 2017

"Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls." August Bebel (angeblich)

Pseudo-August-Bebel-Zitat.
Dieses Zitat wird seit etwa siebzig Jahren irrtümlich dem deutschen Sozialdemokraten August Bebel zugeschrieben. 

Als August Bebel 1894 in einem Gespräch mit Hermann Bahr den Spruch Ferdinand Kronawetters zitiert, distanziert er sich gleichzeitig davon.


August Bebel, 1894:

  • "Bei Ihnen hat man einmal gesagt — ich glaube, es war Kronawetter —: 'Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls.'  

    Das ist ein hübscher Einfall, aber er trifft doch die Sache nicht. Die eigentlichen Träger des Antisemitismus, das kleine Gewerbe und der kleine Grundbesitz, haben von ihrem Standpunkte aus nicht so Unrecht. ..."
  • In: Hermann Bahr: "Der Antisemitismus. Ein internationales Interview", 1894  (Archive.org)

Ferdinand Kronawetter, 1889: 

  • "Als Verräther, als Juden und Judenknecht werden wir Demokraten bezeichnet. Das sind wir nicht, aber wir sind auch keine Stiefelputzer der Liechtenstein, wir sind keine Pfaffenknechte, keine Heuchler, welche als Demokraten den telegraphischen Segen des Papstes kniend und augendrehend in Empfang nehmen. (Stürmischer Beifall) Der Antisemitismus ist nichts als der Socialismus des dummen Kerls von Wien (schallende Heiterkeit), denn welcher vernünftige Mensch kann glauben, daß die Zukunft besser wird, wenn man das Volk in das finstere Mittelalter zurückführt?"
  • Ferdinand Kronawetter, bei der Generalversammlung des Margaretner Wählervereins, in den "Drei Engel"-Sälen, am 23. April 1889, Neue Freie Presse (Link)
 Der Wiener Reichsratsabgeordnete Ferdinand Kronawetter, der sich von Karl Lueger trennte, als der sich antisemitischen Strömungen anbiederte, hat am 23. April 1889 dieses Zitat geprägt. 

Kronawetter  war eine Hassfigur der Wiener Antisemiten, aber ein hochgeschätzter politischer Partner der Sozialdemokraten. Die Stadt Wien verdankt ihm gute Initiativen; er stritt mit liberalen Grundsätzen gegen die Liberalen und gegen die Christlich-Sozialen.

Ferdinand Kronawetter ist heute vergessen, aber sein Aphorismus lebt auf der ganzen Welt weiter, allerdings wird er oft August Bebel, in Italien Lenin, in Spanien Karl Marx und hie und da auch den österreichischen Sozialdemokraten Victor Adler oder Engelbert Pernerstorfer unterschoben.

Varianten:


1890:  "wie Abgeordneter Kronawetter einst richtig bemerkte: der Antisemitismus ist
            der Socialismus des 'dummen Kerls von Wien'."
1893:   "'Der Antisemitismus', sagte Dr. Kronawetter in Bezug auf die Wiener Bewegung
             derb, 'ist der Socialismus der dummen Kerls.'" 
1893:   "Ausspruch Kronawetter's, daß der Antisemitsmus der Socialismus der dummen Kerle ist".    
1894:   "Wobei das bekannte Wort des österreichschen Reichsrathsabgeordneten Dr. Kronawetter
             citiert wurde: Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls.'"

             citiert wurde: Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls.'"
1895:   Als die antisemitische Partei in Wien auftauchte, das sagte Kronawetter in seiner
            drastischen Weise: 'Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls von Wien.'"

            drastischen Weise: 'Der Antisemitismus ist der Socialismus des dummen Kerls von Wien.'"
1897:  "Der Antisemitismus ist die Politik des dummen Kerls von Wien!" 
1919: "Viktor Adler war es wohl, der einmal sagte, daß der Wiener Antisemitismus der
            Sozialismus der dummen Wiener Jugend ist."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls von Wien."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen Kerle."
  • "Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen  Mannes."
  • "Der Antisemitismus ist der  Sozialismus der Dummen." 
  • "Anti-Semitism is the socialism of fools."
  • "Anti-Semitism is the socialism of imbeciles."
  • "L'antisémitisme est le socialisme des imbéciles."
  • "L’antisemitismo è il socialismo degli imbecilli." 
  • "El antisemitismo es el socialismo de los tontos." 
 
Pseudo-Pernerstorfer-Zitat.
  _______
Anmerkung:
 "Der dumme Kerl von Wien" war seit den 1860er Jahren ein Typus und eine satirische Figur in humoristischen Zeitschriften (Google Books); auch in der antisemitischen Satire-Zeitschrift "Kikeriki", die die schweinische Ironie des "Stürmers" vorwegnahm.
________

— Leigh Hunt (@jhleighhunt) 1. Mai 2017

 


_________
Quellen:
Hermann Bahr: Der Antisemitismus. Ein internationales Interview. S. Fischer Verlag, Berlin: 1894, S. 21 (Link) 
1889: Neue Freie Presse, 24. April 1889, Abendblatt, S. 2
1890: Bukowiner Rundschau, 16. Januar 1890, S. 3
1893: Tages-Post, 26. Oktober 1893, S. 2
1893: Neue Freie Presse, 26. Juni 1893, S. 5
1894: Freies Blatt, 10. Juni 1894, S. 6
1895: Tages-Post, 5. Februar 1895, S. 1
1897: Badener Zeitung, 27. Oktober 1897, S. 3
1919: Jüdische Korrespondenz, 21. November 1919, S. 3
Wikiquote 
Google Books 
_______ 
Dank:
Ich danke Justus Radmacher für seine Recherchen.




"Hinaus mit dem Schuft aus Wien!" Karl Kraus (angeblich)

Karl Kraus Online, Wienbibliothek, Vorlesungsprogramm 8. Oktober 1925.


Mit der Parole "Hinaus aus Wien mit dem Schuft!" vom Juni 1925, die Karl Kraus in den folgenden Monaten noch oft wiederholte und die bald ein geflügeltes Wort wurde, gelang es Karl Kraus, die Öffentlichkeit und die Justiz gegen den korrupten Zeitungsverleger Imre Békessy erfolgreich zu mobilisieren. Dieser erpresserische "Schwerverleger" musste ein Jahr später Wien verlassen und flüchtete im Juli 1926 vor einem drohenden Strafverfahren nach Paris.
  • "Die Arbeiter-Zeitung (28. Juni) brachte die folgende Zuschrift des Kartenbureaus Richard Lányi:
    ‚Die Stunde‘ stellt in einer Notiz die Behauptung auf, daß dem Vortrag, den Karl Kraus am 25. Juni unter dem Titel: »Entlarvt durch Bekessy« im mittleren Konzerthaussaal gehalten hat, im ganzen 150 Personen beigewohnt haben. Als Veranstalter des Vortrags stelle ich fest, daß der Saal 882 zum Verkauf gelangende Plätze, außer den Pflichtplätzen, enthält, welche lange vor dem Abend vollständig vergriffen waren, daß noch auf dem Podium [hinter der spanischen Wand] Stühle aufgestellt werden mußten, daß der Saal überfüllt war, daß mehr als 1000 Personen abgewiesen worden waren, so daß sich auch der große Konzerthaussaal, den ich leider nicht gemietet hatte, als zu klein erwiesen hätte. 
    Und daß die mehr als 900 Anwesenden sich dem Rufe des Redners: »Hinaus aus Wien mit dem Schuft!« angeschlossen haben."
    Die Fackel Nr. 691-696, Juni 1925, S. 36
Diese Parole von Karl Kraus gehört heute noch zu seinen bekanntesten Zitaten und wird - so wie sein missverstandener Satz aus der Dritten Walpurgisnacht, "Mir fällt zu Hitler nichts ein",  - öfters mit falscher Wortfolge wiedergegeben (Google).

Wenn unseriöse Journalisten Karl Kraus zitieren, geht die Sache nicht nur bei diesem Zitat regelmäßig schief.

Ein Beispiel:
  • "In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es in Wien den berüchtigten Herausgeber Imre Békessy. Mit seinem Krawallblatt 'Die Stunde' sank der Journalismus auf eine bis dahin nicht gekannte Niveaulosigkeit. Békessys schärfster Gegner war Karl Kraus, von dem der berühmte Satz überliefert ist: 'Hinaus mit dem Schuft aus Wien!'" 
    Michael Jeannée,  Kronen Zeitung,  4. Juni 2017 ( Link)
  • "'Hinaus mit dem Schuft aus Wien!'
    Zum Schluss seiner Kolumne zitiert Jeannée dann noch einen überlieferten Satz von Karl Kraus, den dieser in den 1920er Jahren seinem schärfsten Journalisten-Gegner Imre Békessy, der in den Kraus' Augen [mhm] ebenfalls ein "Krawallblatt" produzierte, entgegen warf: 'Hinaus mit dem Schuft aus Wien!'"
    Unzensuriert.at 5. Juni 2017 (Link)
 



___________
Quellen:
Google
Karl Kraus: Die Fackel Nr. 691-696, Juni 1925, S. 36; Nr. 697-705, Oktober 1925, S. 145-176
Karl Kraus: Vorlesungsprogramm, 8. Oktober 1925, Karl Kraus Online, Wienbibliothek (Link)
Arbeiter-Zeitung, Wien, 16. Juli 1926, S. 4 (Link)
Michael Jeanée,  Kronen Zeitung,  4. Juni 2017 (Link)
Unzensuriert.at 5. Juni 2017 (Link)
Mit veränderter Wortfolge zitierten den Satz zum Beispiel auch Walter Jens und Jörg Haider.
____
Theodor W. Adorno erinnert sich, dass Karl Kraus, "das Recht in die eigene Hand nahm und 1925 in einer Vorlesung, die keiner vergessen wird, der zugegen war, den Herrn der 'Stunde', Imre Bekessy, mit den Worten 'hinaus mit dem Schuft aus Wien' von der Stätte seines Wirkens endgültig vertrieb." Theodor W. Adorno, Sittlichkeit und Kriminalität
 ______
Artikel in Arbeit.

Freitag, 1. Dezember 2017

"Gute Künstler kopieren, große Künstler stehlen." Pablo Picasso (angeblich)

Pseudo-Pablo-Picasso-Zitat.
 Das Problem bei diesem berühmten Picasso-Zitat ist, dass es noch niemand in einem Text oder Interview Pablo Picassos gefunden hat. Populär wurde diese falsche Zuschreibung durch Steve Jobs, der sich mehrfach auf diese angebliche Picasso-Maxime, "Good artists copy. Great artists steal", bei der Entwicklung seines Macintosh Computers berufen hat.

Inzwischen wird dieser Aphorismus, über dessen Interpretation viel gestritten wird (Link), manchmal Steve Jobs selbst zugeschrieben.

Pseudo-Steve-Jobs-Zitat.
Garson O’Toole (Quoteinvestigator) ist der Evolution des Zitats nachgegangen. Am Anfang der Reihe stand ein Satz, der ungefähr das Gegenteil des späteren Pseudo-Picasso-Zitats behauptete:

1892
  • "Die großen Dichter ahmen nach und verbessern, während die kleinen stehlen und verschlechtern."
    W. H. Davenport Adams, 1892 (Quoteinvestigator)
1920
  • "Unreife Dichter imitieren; reife Dichter stehlen."
    T. S. Eliot:
    "Philip Massinger"  (Link) 
 1959
  • "Unreife Künstler entlehnen, reife Künstler stehlen."
    Marvin Magalaner paraphrasiert T.S. Eliot (Quoteinvestigator)
In den folgenden Jahrzehnten wurden Varianten dieses T.S.-Eliot-Aphorismus auch William Faulkner und Igor Strawinsky zugeschrieben und 1988 erstmals - von Steve Jobs - Pablo Picasso.

1996, Steve Jobs:
  • I mean Picasso had a saying he said good artists copy great artists steal. And we have always been shameless about stealing great ideas ehm and I think part of what made the Macintosh great was that the people working on it were musicians and poets and artists and zoologists and historians who also happened to be the best computer scientists in the world.
    Steve Jobs, June 1996, PBS TV special, Transcript (Link)

Ich empfehle dazu den ausführlicheren Artikel von Garson O’Toole, dem wir viele Entdeckungen zur Entwicklung dieses Spruchs verdanken.
 
2015
  • "Good artists copy; great artists steal; and most marketers misattribute."
    Jeremy Arnold  Quora.com
 _______
Quellen:
Google
Garson O'Toole: "Hemingway Didn't Say That: The Truth Behind Familiar Quotations." Little A, New York: 2017, S. 17-23
Garson O’Toole, Quoteinvestigator:  "Good Artists Copy; Great Artists Steal. Steve Jobs? Pablo Picasso? T. S. Eliot? W. H. Davenport Adams? Lionel Trilling? Igor Stravinsky? William Faulkner? Apocryphal?" 2013 (Link)
T. S. Eliot: "Philip Massinger" in: The Sacred Wood. Essays On Poetry and Criticism. Methuen and Co., London: 1920, p. 114 Archive.org, (Link)
Steve Jobs, 1996: "Triumph of the Nerds: The Rise of Accidental Empires", PBS TV special,  June 1996, Transcript Part III (Link) (1. Dez. 2017)

__________
Dank:
Ich danke, wie so oft, Garson O'Toole.

Donnerstag, 30. November 2017

"Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave." Aristoteles (angeblich)

Pseudo-Aristoteles quote.
Der Autor oder die Autorin dieses bei der Piratenpartei beliebten Aphorismus ist unbekannt. Erst  im 21. Jahrhundert wird er Aristoteles unterschoben und ist in dessen Werken unauffindbar.

Der Spruch könnte aus dem lateinischen Sprichwort, "Lieber gefahrvolle Freiheit, als ruhige Sklaverei", entstanden sein: "Malo periculosam libertatem, quam quietum servitium", war das Motto von Rafał Leszczyński, das sein Sohn, der polnische König Stanisław Leszczyński, überliefert hat und von Jean Jacques Rousseau in seinem "Du Contrat Social" und später von vielen anderen zitiert wird.


Varianten, die fälschlich Aristoteles zugeschrieben werden:
  • "Wer Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, ist zu Recht ein Sklave.“
  • "Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt ist zurecht ein Sklave."
  • "Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave." 

Auch Benjamin Franklin könnte den Spruch angeregt haben:

  • "Wer bereit ist, eine fundamentale Freiheit aufzugeben, um eine kurzfristige kleine Sicherheit zu erlangen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit."
  • "Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety."
    Benjamin Franklin, 1755 (Link)
Dieses Franklin-Zitat wird meistens verkürzt wiedergegeben:
  • "Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren."  
_____
Quellen:
Um 2002 erstmals Aristoteles zugeschrieben: Google
J.J. Rousseau: "Du Contrat Social" (Link); (Link)
Benjamin Franklin, 1755 (Link)  
________
Artikel in Arbeit. Letzte Änderung 28/8 2019

Mittwoch, 29. November 2017

"Freiheit stirbt mit Sicherheit." Kurt Tucholsky (angeblich)

Pseudo-Tucholsky quote.


"Freiheit stirbt mit Sicherheit" war 1988 der Titel eines Kongresses gegen den Überwachungsstaat  und später der Titel eines Films von Horst Herbst (Link). Dieser Slogan einer unbekannten Autorin wird durch Graffiti und auf Transparenten verbreitet und seit kurzem auch manchmal fälschlich Kurt Tucholsky zugeschrieben (Link).
  
Autor: unbekannt.
Film von Horst Herbst, 1991, Youtube:


_________
Quellen:
Google
Horst Herbst: "Freiheit stirbt mit Sicherheit". Film, WDR, Köln: 1991 (Link)
Friedhelm Greis: Sudelblog, Angebliche Tucholsky-Zitate

Dienstag, 28. November 2017

"Einen Fehler durch eine Lüge zu verdecken heißt, einen Flecken durch ein Loch zu ersetzen." Aristoteles (angeblich)

Pseudo-Aristotle quote.

Dieser Spruch wird Aristoteles erst im 21. Jahrhundert zugeschrieben. Auf Englisch, Griechisch oder Französisch habe ich ihn sowenig gefunden wie eine Stelle in einem Werk von Aristoteles, die so ähnlich wie das Zitat klingt. Es ist also wahrscheinlich ein Falschzitat.  

Wer es geprägt hat, wissen wir nicht. Es könnte aus Sprichwörtern wie, "Wer seinen Fehler durch eine Lüge entschuldigt, der macht das Uibel noch ärger", entstanden sein (Link).

 _________
Quellen:
Google
Erstmals zugeschrieben 2002:
Universitas, Band 57, Ausgaben 673-678, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart: 2002, S. 880 (Link)