Samstag, 16. September 2017

"Dunkel war's, der Mond schien helle ..." Joachim Ringelnatz (angeblich)

Dieses Zitat stammt weder von Joachim Ringelnatz (Link) noch von Christian Morgenstern, sondern aus einem anonymen Kindergedicht, das schon vor 130 Jahren (Link) (Link) weit verbreitet war. Das Nonsensgedicht aus lauter Oxymora gibt es in Dutzenden Versionen mit vielen Zusatzsstrophen und wird irrtümlich auch anderen Autoren unterschoben.

Ralph Babel hat auf seiner informativen Seite diverse Varianten dieser wahrscheinlich immer noch bekanntesten Oxymora  übersichtlich dokumentiert: "Dunkel war's, der Mond schien helle", Varianten von 1875 bis 2005  (Link).  Deswegen bringe ich hier nur eine kurze Fassung dieser anonymen Verse, die meistens mit: "Dunkel war's, der Mond schien helle" beginnen; mir gefällt "Finster war's ..." besser.

"Finster war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzesschnelle
langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft.
als ein totgeschossener Hase
auf der Wiese Schlittschuh lief."
Anonym (Nach der Fassung von James Krüss.)

Sämtliche 12 Strophen in der Bearbeitung von Volker Gringmuth findet man auf seiner Webseite hier.
Varianten von 1875 bis 2005: (Link).
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Quellen:
"Neue Zeitschrift für Musik", 15. Januar 1886, S. 27 (Link)
"Wiener Montags-Journal", 10. Mai 1885, S. 3 (Link)
 Ralph Babel: "Dunkel war's, der Mond schien helle", Varianten von 1875 bis 2005, 2006ff.?  (Link). 
Volker Gringmuth: "Quatschgedicht -  Dunkel war’s, der Mond schien helle ...", 2005 (Link)
Wikipedia
Wikisource 


Montag, 11. September 2017

"Nicht der Krieg, der Frieden ist der Vater aller Dinge." Willy Brandt


Dieses Zitat von Willy Brandt stammt - wie Tobias Blanken herausgefunden hat - ursprünglich von einem der größten Sozialistenhasser aller Zeiten, von dem österreichischen Ökonomen Ludwig von Mises.

Ob Willy Brandt den Ursprung dieses Satzes aus seiner Autobiographie "Über den Tag hinaus: eine Zwischenbilanz" (Link) kannte, weiß ich nicht.

Willy Brandt: 

  • 1971: "Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio."
  • 1973: "... sollte uns daran erinnert haben, dass nicht Krieg, sondern Frieden der Vater aller Dinge ist."
  • 1974: "Nicht der Krieg, der Friede ist der Vater aller Dinge!" 
1971
  • "Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio. Auch wenn das  noch nicht allgemeine Einsicht ist: Ich begreife eine Politik für den Frieden als wahre Realpolitik dieser Epoche."
    Willy Brandt: "Friedenspolitik in  unserer Zeit"
    Universität Oslo, am 11. Dezember 1971 anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises.
1973/1974, Neujahrsansprache
  • "Der Konflikt im Nahen Osten sollte uns daran erinnert haben, dass nicht Krieg, sondern Frieden der Vater aller Dinge ist."

Quelle: Willy-Brandt-Archiv im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Willy Brandt: Entwurf zur Neujahrsansprache vom 31.12.1973

1974
  • "Nicht der Krieg, der Friede ist der Vater aller Dinge! Wir müssen ihn mit allen Mitteln zu sichern versuchen. Und es muß schließlich gelingen, eine internationale Ordnung zu schaffen, die den Namen Friede verdient. Immerhin meinen wir heute zu wissen, daß ein dritter Weltkrieg, der vermutlich der letzte unserer Zivilisation wäre, vermeidbar ist. Wir dürfen sogar davon ausgehen, daß niemand, der über Macht verfügt und Verantwortung trägt, die Katastrophe will." Willy Brandt: "Über den Tag hinaus: eine Zwischenbilanz" (Autobiographie), Hoffmann und Campe, Hamburg: 1974, S. 469 (Link)
Günther Grass, am 17. Dezember 1969 an Willy Brandt: 
  • "Wer immer noch meint, der Krieg oder auch die Revolution sei der Vater aller Dinge, der wird sich belehren lassen müssen, dass wir zum Frieden verurteilt sind, und zwar lebenslänglich". 
Günther Grass fordert Willy Brandt in diesem Brief auf, schreibt Wolfgang Mieder, "seinen Gedanken 'im Frieden leben' in seinen Reden weiter auszubauen" (Link)

Dieser aufschlußreichen Studie Wolfgang Mieders zur Sprichwortrhetorik Willy Brandts verdanken wir auch die Vermutung, dass Günther Grass seinem Freund Willy Brandt das Heraklit-Sprichwort vom Krieg als dem Vater aller Dinge in Erinnerung gebracht haben könnte.

Ludwig Mises

 1922 
  • "Die Überwindung des Gewaltprinzips durch das Friedensprinzip wird dem menschlichen Geiste in der liberalen Sozialphilosophie bewußt, in der sich die Menschheit zum erstenmal über ihr Handeln Rechenschaft gibt. Sie zerreißt den romantischen Nimbus, mit dem die Ausübung der Gewalt bis dahin umgeben war. Krieg, lehrt sie, ist schädlich, nicht nur für die Besiegten, sondern auch für die Sieger. Durch Werke des Friedens ist die Gesellschaft entstanden, ihr Wesen ist Friedensstiftung. Nicht der Krieg, der Frieden ist der Vater aller Dinge. Nur durch wirtschaftliche Arbeit ist der Wohlstand um uns herum entstanden; Arbeit, nicht Waffenhandwerk bringt den Völkern Glück."
    Ludwig von Mises: "Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus." (1922) 2., umgearbeitete Auflage, Verlag von Gustav Fischer, Jena: 1932, S. 45 pdf
  •  
Wie weit diese Umkehrung des Heraklit-Spruchs von Ludwig Mises, der 1919 in Österreich entadelt wurde und sich in der Emigration wieder das "von" vor seinem Nachnamen zugelegt hat, in den 1960er und 1970er Jahren verbreitet war, kann ich noch nicht sagen.

Korr. Fassung, 16. Februar 2018
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Quellen:
Wofgang Mieder: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Zu Willy Brandts gesellschaftspolitischer Sprichwortrhetorik." In: Hartmut E. H. Lenk, Ulrike Richter-Vapaatalo (Hg.): Sie leben nicht vom Verb allein; Beiträge zur historischen Textanalyse, Valenz- und Phraseologieforschung, Frank und Timme, Berlin: 2015, S.135 (Link) 
Günther Grass an Willy Brandt,  17. Dezember 1969: Zitiert nach Wolfgang Mieder.
Ludwig von Mises: "Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus." (1922) 2., umgearbeitete Auflage, Verlag von Gustav Fischer, Jena: 1932, S. 45 pdf
 "Zum 100. Geburtstag von Willy Brandt. Er hat die Fenster aufgemacht in diesem doch sehr verrotteten Land." Brandts Wahlkampfleiter erinnert an die alte Bonner Republik. Albrecht Müller im Gespräch mit Liane von Billerbeck. Deutschlandfunk Kultur: 18.12.2013 (Link)
Willy Brandt: "Über den Tag hinaus: eine Zwischenbilanz" (Autobiographie), Hoffmann und Campe, Hamburg: 1974, S. 469 (Link)
Willy Brandt: Entwurf zur Neujahrsansprache vom 31.12.1973; Willy-Brandt-Archiv im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Willy Brandt: "Friedenspolitik in  unserer Zeit." Universität Oslo, am 11. Dezember 1971 anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises. (Link)

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Dank:
Ich danke Tobias Blanken für den Hinweis auf Ludwig von Mises (Link) und den Kolleginnen und Kollegen vom Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Nachweise des Zitats in den Schriften Willy Brandts (Link).

Sonntag, 10. September 2017

"Es gibt drei Arten von Lügen: Lügen, verdammte Lügen und Statistiken." Benjamin Disraeli (angeblich)

Wir wissen nicht, wer diesen Spruch, den heutzutage fast jeder kennt, geprägt hat (eventuell Sir Charles Wentworth Dilke), wir wissen allerdings, dass er dem britischen Premierminister Benjamin Disraeli nur unterschoben wurde, auch von Mark Twain, dem heute der Spruch selbst oft fälschlich zugeschrieben wird. Mark Twain zitiert ihn in seiner Autobiographie, er hat ihn aber nicht geprägt.


Pseudo-Mark-Twain-Zitat.

Im Department of Mathematics der University of York (Link) ist man der Sache am gründlichsten nachgegangen und die meisten der folgenden Zitate sind mit Links und Quellennachweisen in ihrer  Studie "Lies, Damned Lies and Statistics" verzeichnet.

Es ist sicher etwas übertrieben, die Evolution dieses Statistik-Spruchs bei Thomas von Aquin und Augustinus, die drei Arten von Lügen unterschieden (sunt tria genera mendaciorum), beginnen zu lassen:


1266
  • "Auf der anderen Seite sagt Augustin (l. c. 14.): „Drei Arten Lügen giebt es: Die einen geschehen für den Vorteil und den Nutzen des betreffenden; die anderen geschehen aus Scherz; die dritte Art Lügen vollzieht sich aus Bosheit, um zu schaden."
    "Sed contra est quod super illud Psalm., perdes omnes qui loquuntur mendacium, dicit Glossa quod sunt tria genera mendaciorum. Quaedam enim sunt pro salute et commodo alicuius; est etiam aliud genus mendacii, quod fit ioco; tertium vero mendacii genus est quod fit ex malignitate. Primum autem horum dicitur officiosum; secundum, iocosum; tertium, perniciosum. Ergo mendacium in tria praedicta dividitur."
    Thomas von Aquin: Summa theologica, Quaestio 110, Articulus 2, 1265-1273 (Link)

1845
  • "Der heilige Thomas von Aquin unterscheidet drei Arten von Lügen: die Dienstlüge, die Scherzlüge und die schädliche Lüge." (Link)
1859
  • "Es giebt drei Arten von Lügen: Lügen durch Reden; Lügen durch Verschweigen; und Lügen durch Verstellung; indem Jedes uns etwas zu glauben bestimmt, was wir nicht sollen." (Link)
1885
  • "Talked politics, scandal, and the three classes of witnesses—liars, d—d liars, and experts."
  • "Bag is bad, but fibs are worse; and a mixture of brags and fibs is worst of all; and this is what we find in the Liberationist statistics". 
1886
  • "Whereupon counsel on the other side was heard to explain to his client that there were three sorts of liars, the common or garden liar ... the damnable liar who is fortunately rather a rara avis in decent society, and lastly the expert, ...".
1891
  • "false statements might be arranged according to their degree under three heads, fibs, lies, and statistics".
    Sir Charles Wentworth Dilke 
  • "It has been wittily remarked that there are three kinds of falsehood: the first is a ‘fib,’ the second is a downright lie, and the third and most aggravated is statistics."
1892
  •  "... Balfour, der Erste Lord des Schatzamtes, erklärte neulich in einer Rede zu Manchester, es gebe drei Arten von Lügen, nämlich erstens einfache Lügen, zweitens verfluchte Lügen und drittens — die Statistik."
    Neue Freie Presse (Link)
  • "The statements were to the effect that there are three classes of unreliable witnesses, and they were respectively classified as the liar, the blanked liar and the medical expert. " 
  •  "the liar simple, the d–d liar and the expert witness."
  • "As to the three orders of untruth, a fib, a lie, and statistics".
  • "There are lies, there are outrageous lies, and there are statistics."
1895
  • "Columns of figures are hurled about in the papers, and demonstrate the justice of the witty claim that there are three kinds of untruth : fibs, lies, and statistics."
  • "We all know, again, the famous degrees of comparison recently quoted by an eminent statesman: lies, d—d lies, and statistics."
  • "I think Lord Beaconsfield said that there were three degrees of veracity—viz., lies, d—d lies, and statistics."
  • "the proverbial kinds of falsehoods, 'lies, damned lies and statistics'".
1896
  • "a recent president of Harvard" was saying that "There are three kinds of lies—lies, damned lies and statistics."
 1904
  • ".. the remark attributed to Disraeli would often apply with justice and force: 'There are three kinds of lies: lies, damned lies, and statistics.'" 
    Mark Twain, Autobiography (Link)

1911  
  • Es seien dann "... alkoholfeindliche Statistiken zu Tage gefördert worden und da ist denn auch das hübsche Wort des alten Lord Beaconsfield aufgeflattert, demzufolge es drei Arten von Lügen gebe: Lügen, verdammte Lügen und Statistiken". (Link)

1921
  • "There are three degrees or classes of lies; there are lies, damned lies and statistics."
1926
  • "Wie es für den geistreichen Spötter Antoine Rivarol drei Arten von Lügen gibt, nämlich die Behauptung, die Auslassung und die Statistik, so gibt es für mich als Statistiker drei Arten von Menschen: solche, die die Statistik brauchen, andere, die sie missbrauchen, und dritte, die über sie schimpfen." (Link)

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Quellen:
"Lies, Damned Lies and Statistics" , Department of Mathematics der University of York, 2012 (Link)
Wikipedia: "Lies, damned lies, and statistics"
Thomas von Aquin: "Summa theologica", Quaestio 110, Articulus 2, 1265-1273 (Link) 

(Artikel in Arbeit.)

"Nothing to hide." "Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu befürchten." Joseph Goebbels (angeblich)

Der Spruch: "If you have nothing to hide you have nothing to fear", der bei Diskussionen über den Ausbau des Überwachungsstaats in den letzten Jahren oft zititert wird, wird in der englischsprachigen Welt manchmal fälschlich Joseph Goebbels zugeschrieben.

  • "Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann haben Sie nichts zu befürchten."
  • "Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu befürchten." 
  • "If you have nothing to hide you have nothing to fear.”
  • "You have nothing to fear if you have nothing to hide."
Da der problematische Slogan niemals mit einer genauen Quellenangabe zitiert wird und von kompetenten Leuten in keiner Schrift oder Rede von Goebbels so zu finden war, kann man sich inzwischen sicher sein, dass er Goebbels fälschlich zugeschrieben wird.

Wer den Spruch in diesem kurzen Wortlaut vor kaum 20 Jahren geprägt hat, wissen wir nicht. Varianten findet man sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch seit dem 19. Jahrhundert.
Zum Beispiel: Wer nichts zu verbergen hat, braucht die Beobachtung ..., die Beichte ..., die Aufsicht der ungarischen Regierung ... oder die Kontrolle der Sozialdemokratie nicht zu fürchten.

In der immer noch lesenswerten Analyse des korrupten Pressemilieus, in "The Brass Check. A Study of American Journalism" (1919), kommt auch der sozialistische Autor Upton Sinclair dem Wortlaut des Spruchs nahe.


 1825
  • "Wer nichts zu verbergen hat, scheut die Beobachtung nicht; und wer den Beobachter scheut, wird machen, daß er nichts mehr zu verbergen habe."
    Anselm Feuerbach
    ,
    "Betrachtungen über die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege."

1832

  • "We must have nothing to hide, nothing to fear."
    "Sermons on the spiritual comfort and assurance attainable by obedience ..." (Link)
 
1883
  • "wer nichts zu ver­heimlichen habe, brauche auch die Aufsicht der ungarischen Regierung nicht zu fürchten."  

1889
  • "Wer nichts zu verheimlichen hat, braucht eine Beichte nicht zu fürchten.“ (Google)
 1903
  • "Until you make your life so honorable and open that you have nothing to fear, that no disclosure will cause you to tremble, until you have made your life so clean that you have nothing to hide ..."
    The Character Builder (Link)

1910
  • "Wer nichts zu verbergen hat, braucht die Kontrolle der Sozialdemokratie nicht zu scheuen."
    In dem Zeitungsartikel fordern Sozialdemokraten Kontrollen der Gemeindegelder. (Link)

1919
  • „From first to last I had nothing to hide, and for that reason I had nothing to fear, and this was as well known to the newspapers as it was to the police who were probing the explosion.“
  • „Vom Anfang bis zum Ende hatte ich nichts zu verbergen, und deswegen hatte ich nichts zu befürchten, und dies war den Zeitungen genauso gut bekannt wie der Polizei, die die Explosion untersuchte.“
    Upton Sinclair: "The Brass Check. A Study of American Journalism." Published by the author. Pasadena: 1919 (Google books)


1933
  • "I have nothing to hide and nothing to colour, for this young Germany has no reason to fear the judgment of the world."
    Joseph Goebbels: Englische Übersetzung seiner Genfer Rede vom 28. September 1933 (Link) 
Jospeh Goebbels versichert im September 1933 in Genf, er habe nichts zu verbergen und das junge Deutschland habe keinerlei Grund, das Urteil der Welt zu fürchten, das autoritäre Regime Deutschlands sei eine höhere Form von Demokratie und Hitler wünsche den Frieden, weil er miterlebt habe, was Krieg bedeute.
Der Spin, die Lügen von Joseph Goebbels wurden von der internationalen Presse nicht gut aufgenommen, aber vielleicht blieb sein "nothing to hide" bei einigen Journalisten hängen.
 

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Quellen:
Ralf Bülow: " 'Missing Link': Der Erste, der nichts zu verbergen hatte." heise online, 13. August 2017 (Link)
Anselm Feuerbach: "Betrachtungen über die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege." Zweiter Band, Georg Friedrich Heyer, Giessen: 1825, S. 139 (Link)
Upton Sinclair: "The Brass Check. A Study of American Journalism." Published by the author. Pasadena: 1919 (pdf) (Link)
Anno
Wikipedia: "Nichts-zu-verbergen-Argument"
Wikipedia: "Nothing to hide argumen"

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Dank:
Ich danke Ralf Bülow für Hinweise und für seinen aufschlußreichen Artikel zu diesem Spruch (Link).

"Statistisches Denken wird eines Tages für mündige Staatsbürger ebenso wichtig sein, wie die Fähigkeit zu lesen oder zu schreiben." H.G. Wells (angeblich)

Dieses Zitat, das seit 1950 tausende Male H.G. Wells zugeschrieben wurde, konnte jahrzehntelang in keiner Schrift von H.G. Wells gefunden werden.

Erst vor ein paar Jahren hat ein britischer Bibliothekar den Psychologen und Autor Gerd Gigerenzer darauf aufmerksam gemacht, dass in einem 1938 erschienen Buch von H.G. Wells wenigstens ein ähnlicher Satz zu finden ist (Link):

  • "A certain elementary training in statistical method is becoming as necessary for anyone living in this world of today as reading and writing."
    H. G. Wells:
    "World Brain", 1938 (Link)
  • "Eine gewisse Grundunterweisung in der statistischen Methode ist für jeden, der in unserer heutigen Welt lebt, so unabdingbar wie Lesen und Schreiben."
    H. G. Wells, 1938
Der Statistiker Samuel S. Wilks hatte am 28. Dezember 1950 (Link) bei einer Rede für die American Statistical Association diesen Satz in folgendem Wortlaut in Erinnerung: 
  •  "Perhaps H.G. Wells was right when he said 'Statistical thinking will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write.'"

     Und in dieser Version wurde das H.G.-Wells-Zitat seitdem zu einem Lieblingszitat aller Statistiker.

Varianten des entstellten Zitats auf Deutsch:

 

  • "Statistisches Denken wird eines Tages für mündige Staatsbürger ebenso wichtig sein, wie die Fähigkeit zu lesen oder zu schreiben."
  • "Statistisches Denken wird eines Tages genauso wichtig sein für eine aufgeklärte Gesellschaft wie die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben". 
  • "Statistisches Denken wird eines Tages für ein fähiges Bürgertum ebenso notwendig sein, wie die Beherrschung des Lesens und Schreibens.
  • "Wolle man mündige Bürger, so müsse man diesen Lesen, Schreiben und statistisches Denken beibringen, sagte einmal Herbert G. Wells, der Autor der "Zeitmaschine". (Link)
Das Zitat ist zwar entstellt, aber anders als bei vielen anderen entstellten Zitaten verfälscht es nicht den Gedanken des Autors.

Three false quotes.


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Quellen:
H.G. Wells: "World Brain." Methuen u. Co., London: 1938 Project Gutenberg
W. Tankard Jr.: "The H.G. Wells quote on statistics: A question of accuracy". Historia Mathematica, The University of Texas, Austin: 1979 (Link)  (Diese verdienstvolle Studie ist nicht mehr aktuell, da der Autor das ursprüngliche Zitat von H.G. Wells nicht gefunden hat.)
Gerd Gigerenzer: "Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft." C. Bertelsmann, München: 2013 ebook (Link)
Darrell Huff: "How to Lie with Statistics."W. W. Norton & Company, New York: 1954
Quora:  "What is the source of the H.G. Wells quote, "Statistical thinking will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write"? 2012 (Nicht mehr aktuell.)
 Google
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Zitate:
"A certain elementary training in statistical method is becoming as necessary for anyone living in this world of today as reading and writing. I am asking for this much contemporary history as the crowning phase, the graduation phase of our knowledge-giving. After that much foundation, the informative side of education may well be left to look after itself."
H.G. Wells: World Brain, 1938, Project Gutenberg

"The great body of physical science, a great deal of the essential fact of financial science, and endless social and political problems are only accessible and only thinkable to those who have had a sound training in mathematical analysis, and the time may not be very remote when it will be understood that for complete initiation as an efficient citizen of one of the new great complex world-wide states that are now developing, it is as necessary to be able to compute, to think in averages and maxima and minima, as it is now to be able to read and write. This development of mathematical teaching is only another aspect of the necessity that is bringing the teaching of drawing into schools, the necessity that is so widely, if not always very intelligently perceived, of clearheadedness about quantity, relative quantity, and form, that our highly mechanical, widely extended, and still rapidly extending environments involve.
Arithmetic and geometry were taught in the mediaeval school as sciences, in addition the quadrivium involved the science of astronomy, and now that the necessary fertilizing inundation of our general education by the classical languages and their literatures subsides, science of a new sort reappears in our schools. I must confess that a lot of the science teaching that appears in schools nowadays impresses me as being a very undesirable encumbrance of the curriculum. The schoolman’s science came after the training in language and expression, late in the educational scheme, and it aimed, it pretended—whatever its final effect was—to strengthen and enlarge the mind by a noble and spacious sort of knowledge. "
H.G. Wells: Mankind in the Making, 1903 Project Gutenberg

Freitag, 8. September 2017

"Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe." Winston Churchill (angeblich)

Pseudo-Winston-Churchill-Zitat.


Dieses Zitat stammt weder von Winston Churchill noch von Joseph Goebbels: Es taucht in den digitalisierten Texten 1946 erstmals ohne Namen auf und in der ersten Person Singular erstmals 1967 als Bonmot von Bischof Otto Dibelius (Link).

 
Erst ab dem Jahr 1980 wurde der Spruch Winston Churchill unterschoben und das Anekdotenbuch von Bischof Dibelius scheint vergessen worden zu sein.

Durch Recherchen von Werner Barke vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg weiß man seit 2004, dass der Spruch in keiner Schrift Winston Churchills zu finden ist, allerdings wurde damals die Legende in die Welt gesetzt, Joseph Goebbels oder einer seiner Mitarbeiter habe wahrscheinlich den Spruch Winston Churchill unterschoben. 

Diese Legende wird heute von vielen statistischen Fachbüchern und Webseiten verbreitet (Link)

Da aber bis heute aus den Jahren 1933 - 1979 kein einziger Beleg für diese These gefunden wurde, kann man davon ausgehen, dass das Zitat nicht im Propagandministerium von Joseph Goebbels für Winston Churchill geprägt wurde.

Englische und französische Versionen des angeblichen Churchill-Zitats sind nur in Texten aus dem 21. Jahrhundert zu finden.

 

1946: 

  • "Was nutzt es also, wenn gewisse deutsche Regionen versuchen, die Welt zu überzeugen, sie seien an dem nazistischen Unheil „weniger“ schuld als ihre Brüder jenseits des Flusses? So viel haben sie schon gelernt, daß sie nur den Statistiken glauben, die sie selbst gefälscht haben."

    Hanns-Erich Haack: "Ameisenstaat oder Sintflut." Deutsche Rundschau, 1946, S. 139
    (Link) 

 

Bischof Otto Dibelius:

1967
  • "Im übrigen glaube ich nur an die Statistik, die ich selbst gefälscht habe."

    [Es ist nicht überliefert, in welchem Jahr der 1967 verstorbene Bischof diesen Satz geprägt hat.]

    In: "Anekdoten um Bischof Dibelius: Geist und Witz eines grossen Kirchenmannes", Bechtle Verlag, München und Esslingen: 1967, S. 79 (Link)

Ohne Zuschreibung an Dibelius oder Churchill:

 1978

  • "Sie wissen, dass man einer Statistik nur dann Glauben schenken darf, wenn man sie selber gefälscht hat."

    G. Stadler, Basel: "Genetik und Gesellschaft." Bull. Schweiz. Akad. Med. Wiss. 34, 1978, S. 309 (pdf)

 1979
  • "alten Spruch, der Ihnen sicher auch bekannt ist, man solle nur der Statistik glauben, die man selbst gefälscht hat." (Link)
 
  
Die früheste Zuschreibung des Bonmots an Winston Churchill taucht in den digitalisierten Texten am 2. Oktober 1980 auf: in einer Rede des Abgeordneten Kurt Bürer im Schweizer Nationalrat (Link).

 

Früheste Zuschreibungen an Winston Churchill:

 

1980

  • "Diese Statistik ist sicher seriös geführt. Ich zweifle nicht daran, aber bei solchen Statistiken wäre man versucht, mit Churchill zu sagen: 'Ich traue nur jenen Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.' "

    Kurt Bürer (CVP), am 2. Oktober 1980, Schweizer Nationalrat, in: Amtliches Bulletin der Bundesversammlung. Bulletin officiel de l'Assemblée fédérale, 1980, S. 1116 (Link); 
    (pdf)

 1981

  • "Wie hatte schon Winston Churchill gesagt? 'Ich glaube nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe.'"
    Peter Koch: Wahnsinn Rüstung. stern-Buch im Verlag Gruner + Jahr,  Hamburg: 1981, S. 92 (Link)

  • "Wie es um den Informationsgehalt von Statistiken steht, ist jedem bekannt. Churchill sagte einmal: 'Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.' "

    Marianne Kohnen: Zusammenhang von Lohn und Produktivität. Deutsche Bauzeitung 1981, S. 110.

  • "Churchills kluges Bonmot über die Statistik – nur solchen Statistiken könne man glauben , die man selber gefälscht habe – kann auf alle menschlichen Erkenntnisse angewandt werden."

    Alberto Manguel, Gianni Guadalupi: Von Atlantis bis Utopia. Ein Führer zu den imaginären Schauplätzen der Weltliteratur. Christian Verlag, München: 1981, S. 5.


1982

  • "Man kann einer Statistik nur dann trauen, wenn man sie selbst gefälscht hat."

    In: Tim Wesski: "Waffen in germanischen Gräbern der älteren römischen Kaiserzeit südlich der Ostsee." B.A.R. Internat. Ser. 147, Oxford: 1982 (Link) 

1989
  • "Von Winston Churchill ist ja bekannt, daß er gesagt hat, er glaube nur der Statistik, die er selbst gefälscht habe."
Pseudo-Winston-Churchill-Zitat.



 

Einige Varianten des Pseudo-Winston-Churchill-Zitats: 

 

  • "Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe."
  • "Man kann einer Statistik nur dann trauen, wenn man sie selbst gefälscht hat."
  • "Man verwende keine Statistiken, es sei denn, man hat sie selbst gefälscht."
  • "Ich glaube nur Statistiken, die ich selbst gefälscht habe."
  • "I only believe in statistics that I doctored myself."
  • "The only statistics you can trust are those you falsified yourself." 
  • "The only statistics I trust are those I made up myself."
  • "Do not trust any statistics you did not fake yourself." 
  • "Je ne crois aux statistiques que lorsque je les ai moi-même falsifiées."
 
Pseudo-Churchill quote.

Pseudo-Winston-Churchill-Zitat.







 

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Quellen:
Werner Barke: "Ich glaube nur der Statistik ... Was Winston Churchill über Zahlen und Statistik gesagt haben soll – und was er wirklich sagte." Hrsg.: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart: (2004) 2011, 6. Auflage (pdf)
"Die Zeit", Nr. 34/2004: "Von Chruchill?" (Link)
Wolf-Dieter Zimmermann: "Anekdoten um Bischof Dibelius. Geist und Witz eines großen Kirchenmannes", Bechtle Verlag, München und Esslingen: 1967, S. 79 (Link)
G. Stadler, Basel: "Genetik und Gesellschaft." Bull. Schweiz. Akad. Med. Wiss. 34, 1978, S. 309 (pdf)
Tim Wesski: "Waffen in germanischen Gräbern der älteren römischen Kaiserzeit südlich der Ostsee." B.A.R. Internat. Ser. 147, Oxford: 1982 (Link) 
Hanns-Erich Haack: "Ameisenstaat oder Sintflut." Deutsche Rundschau, 1946, S. 139 (Link) (Zitiert nach Wikipedia)

Schweizer Nationalrat: Amtliches Bulletin der Bundesversammlung. Bulletin officiel de l'Assemblée fédérale, 1980, S. 1116 (Link);  (pdf) 

Peter Koch: Wahnsinn Rüstung. stern-Buch im Verlag Gruner + Jahr Hamburg 1981. (Link) 
Wikiquote
Wikipedia

dicocitations.lemonde.fr - 40610


Beispiele für falsche Zuschreibungen:
sezession.de

amp.programme-television.org/news-tv 

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Dank:
Ich danke Ralf Bülow für seine Recherchen zu diesem Zitat und Christian Seidl für seinen Hinweis auf den Schweizer Abgeordneten Karl Bürer.

 

Korrigierte Fassung, 11/9/2017; weitere Zitat-Funde vor 1946 und vor 1967 würden mich freuen. Letzte Änderungen: 4/9 2020.



    Freitag, 25. August 2017

    "Ich fürchte nicht die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.“ Theodor W. Adorno (angeblich)

    Pseudo-Adorno-Zitat.

    Seit 2007 wird dieses Zitat - immer ohne genaue Quellenangabe - Theodor W. Adorno unterschoben. Obwohl es schon viele gesucht haben, hat es noch nie jemand in einer Schrift oder in einem Interview von Adorno gefunden.

    Es ist also ein Falschzitat, und könnte durch die ungenaue Erinnerung an einen Satz Theodor W. Adornos aus seinem berühmten Radiovortrag: "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" (1959) entstanden sein. Bazon Brock zum Beispiel bezieht sich 2008 in seiner misslungenen Version (Link) dieses Zitats auf eine Äußerung Adornos "1959 im Rundfunk".

    Theodor W. Adorno, 1959:
    • "Ich möchte nicht auf die Frage neonazistischer Organisationen eingehen. Ich betrachte das Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie als potentiell bedrohlicher denn das Nachleben faschistischer Tendenzen gegen die Demokratie. Unterwanderung bezeichnet ein Objektives; nur darum machen zwielichtige Figuren ihr come back in Machtpositionen, weil die Verhältnisse sie begünstigen." (Link)
    Theodor W. Adorno, 1959, ab 2:35. Diese Tonbandaufnahme unterscheidet sich in einigen Stellen von der gedruckten, etwas gekürzten Fassung des Vortrags.


    Die Wendung vom "Faschisten in der Maske der Faschisten" klingt so holprig wie "Monarchisten in der Maske von Monarchisten" oder "Liberale in der Maske von Liberalen" und ist einem Stilisten wie Theodor W. Adorno nicht zuzutrauen.

    Der Journalist Peter Mühlbauer war anscheinend der Erste, der diese Wendung Adorno zugeschrieben hat. Ob Peter Mühlbauer das Zitat selbst geprägt oder von einer unbekannten Person übernommen hat, weiß ich nicht.

    2007
    • "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr des Faschisten in der Maske des Faschisten, sondern vor dessen Rückkehr in der Maske des Demokraten." 
      Peter Mühlbauer: "Unbewusstes Battle Reenactment." Telepolis, 4. Juni 2007 (Link)
    2008
    • "Theodor W. Adorno hat 1959 im Rundfunk geäußert, daß er nicht die Wiederkehr des Faschismus als Schlägerbande fürchte, die nach SA-Manier das Volk aufmische, sondern er fürchte die Wiederkehr des Faschismus als Demokratie." 
      Bazon Brock, 2008 (Link)

    2008 ist dieses Pseudo-Adorno-Zitat im Internet schon weit verbreitet und dokumentiert ist erstmals auch ein vergeblicher Versuch, die Stelle in einem Werk von Adorno zu finden. (Link)

    Varianten des Pseudo-Theodor-W.-Adorno-Zitats:

    • "Ich habe keine Angst vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten."
    • Ich habe keine Angst vor Faschisten, in der Maske von Faschisten. Ich habe Angst vor Faschisten in der Maske von Demokraten."
    • "Ich fürchte nicht die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten."
    •  "Theodor W. Adorno hat 1959 im Rundfunk geäußert, daß er nicht die Wiederkehr des Faschismus als Schlägerbande fürchte, die nach SA-Manier das Volk aufmische, sondern er fürchte die Wiederkehr des Faschismus als Demokratie." 
    • "Ich fürchte nicht die Wiederkehr des Faschismus gegen die Demokratie, sondern ich fürchte die Wiederkehr des Faschismus als Demokratie."
    • "I fear the return of fascists in the mask of democrats, not the return of fascists in the mask of fascists." 
    • "I don't fear the return of fascists in the mask of fascists, but I fear their return in the mask of democrats…"

    Pseudo-Theodor-W.-Adorno-Zitat.


    htt________
    Quellen:
    Google
    Twitter
    Theodor W. Adorno: "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit?" In: Gesammelte Schriften 10.2. Kulturkritik und Gesellschaft II: Eingriffe. Stichworte. Suhrkamp, Frankfurt am Main: 1977, S. 555-572 (Link)
    Klaus Baum: "Ein Adorno-Zitat?", 29. Oktober 2008 klausbaum.wordpress.com
    Peter Mühlbauer: "Unbewusstes Battle Reenactment." Telepolis, 4. Juni 2007 (Link)
    Bazon Brock: "Lustmarsch durchs Theoriegelände – Musealisiert Euch!", Du Mont, Köln: 2008 (Link)
    Twitter 

    Sonntag, 9. Juli 2017

    „Das Budget sollte ausgeglichen sein, die öffentlichen Schulden sollten reduziert werden und die Bürger sollten mehr arbeiten als sich auf die Gaben der Regierung verlassen!" Cicero (angeblich)


    Das Zitat variiert einen Satz, der 1965 der Romanfigur "Cicero" in den Mund gelegt wird. Er stammt sicher nicht aus klassischer Zeit, sondern aus dem Roman "A Pillar of Iron" (1965) von Taylor Caldwell (Link), aus dem auch noch ein anderes Pseudo-Cicero-Zitat populär wurde: "Eine Nation kann ihre Narren überleben – und sogar ihre ehrgeizigsten Bürger. Aber sie kann nicht den Verrat von innen überleben." (Link)

    Varianten des Falschzitats:
    • "The budget should be balanced; the Treasury should be refilled."
    • "The budget should be balanced, the treasury should be refilled, public debt should be reduced, the arrogance of officialdom should be tempered and controlled, and the assistance to foreign lands should be curtailed lest Rome become bankrupt. People must again learn to work, instead of living on public assistance." 

    • "Das Budget sollte ausgeglichen sein, die öffentlichen Schulden sollten reduziert werden und die Bürger sollten mehr arbeiten anstatt sich auf die Gaben der Regierung zu verlassen." 
    • "Das Budget sollte ausgewogen sein, der Schatz muss aufgefüllt werden, die Staatsverschuldung muss reduziert werden, die Arroganz der Bürokratie sollte temperiert und gesteuert werden, und die Hilfe von anderen Ländern sollten beseitigt werden, so dass Rom nicht in Konkurs gehen muss. Die Menschen müssen wieder lernen zu arbeiten, statt vom Staat zu leben." (Link)
     ______
    Quellen:
    Das Falschzitat ist zum Beispiel in:
    Karl Farmer, Harald Jung, Werner Lachmann (Hrsg): "Wirtschaftskrisen und der Vertrauensverlust in Wirtschaft und Politik: Ist das Vertrauen mit dem christlichen Ethos zu gewinnen?" Lit Verlag, Berlin: 2014, S. 3 (Link)
    Focus.de
     _____
    Taylor Caldwell: "A Pillar of Iron: A Novel of Ancient Rome", 1965. (Eine Ausgabe von 1965 hatte ich noch nicht in der Hand.) Google Books: (Link)
    Paul F. Boller jr., John George: "They Never Said It: A Book of Fake Quotes, Misquotes, and Misleading Attributions", Oxford University Press, Oxford / New York: 1989, S. 14 (Link)
    quoteinvestigator.com 

      „Ein Haus mit einer Bücherei darin besitzt eine Seele.“ Platon (angeblich)

      Pseudo-Platon-Zitat.
      Für dieses Zitat gibt es keine griechische Quelle, aber eine englische, denn seit 1877 wird es in der Fassung, "A house that has a library in it has a soul", irrtümlich Platon zugeschrieben, und zwar erstmals von dem amerikanischen Schriftsteller und Politiker Robert G. Ingersoll in seinem Buch: "The Liberty Of All"  (Google Books).

      Es könnte aus der Fehlerinnerung an ein Cicero-Zitat entstanden sein, das heute in vielen Varianten verbreitet ist. 

      Cicero bekam von seinem Freund Atticus neue Bücherregale und freute sich sehr, als der römische Grammatiker Tyrannio seine Bücher neu geordnet hatte.

       Cicero schrieb deswegen an Atticus:

      • "postea vero quam Tyrannio mihi libros disposuit mens addita videtur meis aedibus." (Link)
      •  "Seitdem Tyrannio meine Bücher in Ordnung gebracht hat, scheint mein Haus die Seele bekommen zu haben." (Link)
      • "Jetzt erst ist der Geist in mein Haus eingezogen – seit Tyrannio meine Bücher geordnet hat."
      • "And now that Tyrannio has put my books straight, my house seems to have woken to live."

        Marcus Tullius Cicero: Atticus-Briefe IV, 8 (Link)

      Aus diesem Satz Ciceros sind 2000 Jahre später folgende Pseudo-Zitate entstanden:


      • "A house that has a library in it has a soul." Plato
      • "Ein Haus mit einer Bücherei darin besitzt eine Seele." Platon
      • "Ein Haus ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele." Cicero
      • "Einem Haus eine Bibliothek hinzuzufügen, heißt, dem Haus eine Seele zu geben." Cicero 

        Pseudo-Platon-Zitat.

      ________
      Quellen:
      Google-Statistik, Deutsch: Cicero: "Ungefähr 3 820 Ergebnisse"
      Googe-Statistik, Englisch: Plato: "Ungefähr 12 200 Ergebnisse"
      Marcus Tullius Cicero: Atticus-Briefe, lateinisch-deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Helmut Kasten. Sammlung Tusculum, Artemis und Winkler, Düsseldorf / Zürich: 1990, 5. Auflage: 1998,  IV.8 (Link)
      Aphorismen.de
      Zitate.eu
      Rede von Frau Bundesministerin Dr. Claudia Schmied zur Eröffnung des „Belvedere Research Center“ am 27. Oktober 2009: (Link)
      the CAMPVS, 2011: "Cicero on books and the soul."
      Wikiquote: List of misquotations 


      Letzte Änderung: 1/12 2022.

      "Der Zinseszins war die größte Erfindung menschlichen Denkens." Albert Einstein (angeblich)

      Pseudo-Einstein quote.
      Im Januar 1972 wurde dieses Zitat noch in der Variante: “compound interest is the second greatest invention of mankind”, John Maynard Keynes unterschoben, im August 1976 erstmals Albert Einstein, wie Quote Investigator herausgefunden hat.
      Seitdem wird das Zitat in den verschiedensten Versionen Albert Einstein zugeschrieben, ab Mitte der 1980er Jahre auch auf Deutsch.

      Man hat lange geglaubt, Einstein könnte es wirklich so ähnlich an versteckter Stelle gesagt haben, inzwischen kann man sicher sein, dass das Zitat Albert Einstein erst Jahrzehnte nach seinem Tod unterschoben wurde. Geprägt wurde eine Version des Zitats ("greatest invention the world has ever produced") 1916 in einer Annonce von einem unbekannten Autor (Quote Investigator).

      • "Der Zinseszins ist das 8. Weltwunder."
      • "Die größte mathematische Erfindung des menschlichen Geistes? – Die Zinseszinsen!" 
      • "Der Zinseszins war die größte Erfindung menschlichen Denkens."
      • Einstein: "Auf die Frage nach der stärksten Kraft im Universum antwortete er spontan. 'Das ist der Zinseszins.'"
      • "Compound interest is the most powerful force in the universe."
      • "Compound interest is man’s greatest invention."
      • "Compound interest is the greatest mathematical discovery of all time."
      • "Compound interest is the eighth wonder of the world."
      • "Compound interest is the most powerful force in the universe."
      • "Compound interest is more complicated than relativity theory."
      _________
      Quellen:
      Zitat für Investoren
      Google Books
      "Was Privatanleger von Milliardären lernen können." Interview mit Peter Hollmann. Manager Magazin, 23. März 2015
      Snopes, updated 2011: "Einstein and Compound Interest Did Albert Einstein declare compound interest to be 'the most powerful force in the universe'?"
      Quote Investigator, 2011: "Compound Interest Is Man’s Greatest Invention. Albert Einstein? Advertising copywriter? Apocryphal?"