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Dienstag, 29. September 2020

"Das Sein bestimmt das Bewusstsein." Karl Marx (angeblich)

Verkürztes Karl-Marx-Zitat.
 

Das ist ein verkürztes Zitat aus dem Vorwort der 1859 publizierten Studie  "Zur Kritik der politischen Ökonomie" von Karl Marx: 

  • "Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt." (mlwerke.de)

In den  Manuskripten von Marx und Engels aus den Jahren 1845 und 1846, die 1932 unter dem Titel "Die Deutsche Ideologie" posthum veröffentlicht wurden, ist dieser Gedanke noch etwas anders formuliert:



Manuskript: "Nicht das Bewußtsein bestimmt ..." Quelle: IISG Amsterdam, 'Die Welt'.
 

  • "Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein." (mlwerke)

Die Herausgeber und die Herausgeberin der Neuausgabe (2017) der 'Deutschen Ideolgie" haben klar gestellt, dass diese Manuskripte von Karl Marx und Friedrich Engels Fragmente geblieben sind und nicht für eine Buchpublikation, sondern als Beiträge für eine Vierteljahresschrift, die nie erschienen ist, vorgesehen waren.

 

Karl Marx, Friedrich Engels (1845/1846) 1932

 

  • "Die Moral, Religion, Metaphysik und sonstige Ideologie und die ihnen entsprechenden Bewußtseinsformen behalten hiermit nicht länger den Schein der Selbständigkeit. Sie haben keine Geschichte, sie haben keine Entwicklung, sondern die ihre materielle Produktion und ihren materiellen Verkehr entwickelnden Menschen ändern mit dieser ihrer Wirklichkeit auch ihr Denken und die Produkte ihres Denkens. Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein. In der ersten Betrachtungsweise geht man von dem Bewußtsein als dem lebendigen Individuum aus, in der zweiten, dem wirklichen Leben entsprechenden, von den wirklichen lebendigen Individuen selbst und betrachtet das Bewußtsein nur als ihr Bewußtsein."

    Karl Marx, Friedrich Engels: "Die deutsche Ideologie" Geschrieben 1845-1846 (1932), Karl Marx / Friedrich Engels - Werke, Band 3, Dietz Verlag, Berlin: 1969, S. 27 (mlwerke)
 

Karl Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859

  •  "In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein."

    Karl Marx: Vorwort zur "Kritik der politischen Ökonomie", in: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke,  Band 13,  Dietz Verlag, Berlin: (1961), 7. Auflage 1971,  S. 8f. (mlwerke.de)

 

 

Artikel in Arbeit.

 

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Quellen:

Google

Matthias Bohlender: "Entmythologisierung. Zur Neuausgabe der 'Deutschen Ideologie' (MEGA2 I/5)", 28. März 2018 (theorieblog.de)

Alex Demirović: "Die 'Deutsche Ideologie' hat es nie gegeben. Und jetzt?" 8. April 2018 (marx200.org) 

Dudenredaktion: Duden - Zitate und Ausspüche, Band 12, Duden Verlag, Mannheim: 2012, S. 477 (Link)

Karl Marx: Vorwort zur "Kritik der politischen Ökonomie", in: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke,  Band 13,  Dietz Verlag, Berlin: (1961), 7. Auflage 1971,  S. 8f.

Karl Marx, Friedrich Engels: "Die deutsche Ideologie" Geschrieben 1845-1846, Erstveröffentlichung: 1932, Karl Marx / Friedrich Engels - Werke, Band 3, Dietz Verlag, Berlin: 1969, S. 27 (mlwerke)

Karl Marx/Friedrich Engels: Deutsche Ideologie. Manuskripte und Drucke. Karl Marx/Friedrich Engels, Gesamtausgabe, Abt. I, Band 5, herausgegeben von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung Amsterdam, bearbeitet von Ulrich Pagel, Gerald Hubmann und Christine Weckwerth, Texte und Apparat, 1893 Seiten, Berlin/Boston: 2017 (zitiert nach  Alex Demirović)


Donnerstag, 5. Juli 2018

"Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann." Karl Marx (angeblich)


Pseudo-Karl-Marx-Zitat.
Sixt-Annonce, 1998.

Seit 1874 wird der Satz "Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht Jedermann gestatten kann" Otto von Bismarck zugeschrieben. 

Seit 1998 wird dieses Bismarck-Zitat Karl Marx unterschoben, das erste Mal von einer Werbeagentur für eine Annonce der deutschen Autovermietungsfirma Sixt

Seither wird es in unseriösen Medien sowie von Politikern wie Gregor Gysi  oder Beate Hartinger-Klein dem 1883 verstorbenen Philosophen Karl Marx zugeschrieben.

In den Werken und Briefen von Karl Marx kommt das Zitat weder so noch so ähnlich vor.

Mehrfach bezeugt ist ein ähnlich Ausspruch Bismarcks zu einem Diplomaten aus dem Jahr 1866:

Entwicklung des Zitats von Bismarck bis Marx:


1866
  • "Nur ein ganz fertiger Staat kann sich den Luxus einer liberalen Regierung gestatten." (Link)
Einige Jahre später taucht das heutzutage Karl Marx untergeschobene Zitat so ähnlich in der Anthologie "Bismarck’s Geflügelte Worte in Bild und Schrift" auf. 

1874
  • "Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht Jedermann gestatten kann!"
"Bismarck’s Geflügelte Worte in Bild und Schrift", [1874], [S. 20] (Link) 


Wann und wo das Bismarck in diesem Wortlaut gesagt hat, ist noch unbekannt.

1901
  • "Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann gestatten kann."
    v. Bismarck.

    "Geistige Waffen: Ein Aphorismen-Lexikon", 1901,
    S. 149 (Link)
 1937
  • "Die wirtschaftliche wie die politische Freiheit ist ein Luxus, der den reichen Ländern vorbehalten ist."
    Raymond Bertrand (Link)
1998
  • "Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann." Karl Marx
  • "Freiheit ist ein Luxus, den sich      jedermann leisten kann." Erich Sixt (Link)
2018

  • "Sozialminister Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat den anstehenden Beschluss zur Ausweitung der Arbeitszeit mit einem Zitat des deutschen Philosophen Karl Marx verteidigt. Dieser habe einst gesagt, 'Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann'. Mit der nun vorliegenden Arbeitszeit-Regelung 'ist diese Freiheit für jedermann und jederfrau möglich', so die Ressortchefin."
    APA, "Die Presse", 5. Juli 2018


Pseudo-Karl-Marx-Zitat: Die Presse, 5. Juli 2018



_____ 
Quellen:
"Bismarck’s Geflügelte Worte in Bild und Schrift", Verlag von W. Moeser, Berlin: [1874], [S. 20] (Link) 
Camille Schaible: "Geistige Waffen: Ein Aphorismen-Lexikon", Verlag von Paul Waetzel, Freiburg i.B. u. Leipzig: 1901, S. 149  (Link)
Internationalen Marx-Engels-Stiftung: MEGAdigital: Online-Angebot der historisch-kritischen Gesamtausgabe von Karl Marx und Friedrich Engels (Link)
Karl Marx archive.org  (In den digitalisierten Texten von Karl Marx ist das Zitat weder so noch so ähnlich zu finden. )
Konrad Löw: "Weise Marximen des guten Onkel Karl. Wie die Werbung Marx verkürzt und so verfälscht ", "Die Welt", 16. Juli 1998 (Link)

Beispiele für falsche Zuschreibungen an Karl Marx:
Gregor Gysi: "Marx u. wir. Warum wir eine neue Gesellschaftsidee brauchen." Aufbau, Berlin: 2018 ebook (books.google)
APA: "Hartinger-Klein verteidigt Arbeitszeit-Paket mit Marx-Zitat", "Die Presse", 5. Juli 2018
zitate-online.de 
gutezitate.com/zitat/185538 

Google books 
Google  




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 Sixt (Link)

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Dank an Wolfgang Gruber und Gerda Hillebrand für den Hinweis auf dieses Falschzitat sowie an Arno Tator für seine Recherchen.

Artikel in Arbeit.

Letzte Änderungen: 22/12 2022 (Zitat 1874 nach Hinweis von Tator.)

Samstag, 3. Juni 2017

"Religion ist Opium fürs Volk." Karl Marx (angeblich)

Auf Twitter und auch sonst liest man oft, Karl Marx habe gechrieben, Religion sei Opium FÜRS Volk, aber er schrieb, sie sei Opium DES Volkes; die Wendung "fürs Volk" impliziert eine Priesterbetrugstheorie.
  • Kant, 1793:
    (Gegen einen geistlichen Tröster am Totenbett:)
    "An dessen statt aber gleichsam Opium fürs Gewissen zu geben, ist Verschuldigung an ihm selbst und andern, ihn Überlebenden; ganz wider die Endabsicht, wozu ein solcher Gewissensbeistand am Ende des Lebens für nöthig gehalten werden kann."
  • Novalis, 1798:
    (Über Philister:)
    "Ihre sogenannte Religion wirkt bloß wie ein Opiat reizend, betäubend, Schmerzen aus Schwäche stillend."
  • Heine, 1840:
    „Heil einer Religion, die dem leidenden Menschengeschlecht in den bittern Kelch einige süße, einschläfernde Tropfen goss, geistiges Opium, einige Tropfen Liebe, Hoffnung und Glauben!“
  • Karl Marx, 1844:
    "Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
    Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammerthales, dessen Heiligenschein die Religion ist."

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Quellen:
Karl Marx: "Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung." 1844  (Link)
(Artikel in Arbeit)