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Freitag, 15. Oktober 2021

"Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muß". Johann Gottfried Herder (angeblich)


Pseudo-Johann-Gottfried-Herder-Zitat.

Dieses Zitat wird Johann Gottfried Herder, der glaubte, der "Zweck unseres jetzigen Daseins" sei "einzig auf Bildung der Humanität gerichtet", und der mit Wieland, Schiller und Goethe zum Viergestirn der Weimarer Klassik zählt, nur untergeschoben.

In Herders digitalisierten Texten und in seriösen Nachschlagwerken ist dieses Kuckuckszitat nicht zu finden.

Vielleicht war der Berliner Innensenator Heinrich Lummer der Erste, der das Zitat fälschlich dem Humanisten Herder  zugeschrieben hat:

 
1981

Vor dem Jahr 1981 konnte ich bislang keine Zuschreibung des Zitats an Herder finden und Heinrich Lummer hat dieses angebliche Herder-Zitat auch später noch ohne Quellenangabe verwendet (Link).

Da dieses Pseudo-Herder-Zitat in einer angesehenen Zeitung wie der ZEIT erschienen ist, wurde es bald von anderen Autoren aufgegriffen und ist heute in allen Medien weit verbreitet.

1983

  • Das Fernsehen griff kürzlich auf das schöne Wort des Ostpreußen Johann Gottfried Herder zurück "Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muß".

    "KK - 
    Kulturpolitische Korrespondenz", Ostdeutscher Kulturrat, Nr. 498 vom 5. Januar 1983, S. 2f. books.google; weitere Zitierungen 1983: (Link)

 

Entwicklung des Zitats:

Georg Büchmann, der Autor der "Geflügelten Worte", hat den Ursprung der sprichwörtlichen Redensart "Ubi bene, ibi patria" (Wo es mir gut geht, da ist mein Vaterland  /  Heimat ist da, wo es mir gut geht) bei dem athenischen Komödiendichter Aristophanes, der 444 vor Chr. gestorben ist und bei dem 44 v. Chr ermordeten Römer Cicero gefunden, wobei Cicero den römischen Dramatiker Pacuvius zitierte.

Der griechische Bogenschütze Teucor, der nach der Schlacht von Troja fern von seiner griechischen Heimat leben musste, tröstete sich im Drama von Pacuvius mit den Worten: "Mein Vaterland ist da, wo ich mich wohl befinde."

 

Cicero: "Gespräche in Tusculum" (V, 37)

 

Aus dem daraus abgeleiteteten Sprichwort  "Ubi bene, ibi patria", "Heimat ist da, wo es mir gut geht", sind in den letzten 200 Jahren eine Reihe von mehr oder weniger ernsten, mehr oder weniger tiefgründigen Kurzdefinitionen der Heimat entstanden, allerdings keine von Johann Gottfried Herder:


  

Artikel in Arbeit.

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Quellen:

Google : "Ungefähr 5 640 Ergebnisse"

"Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes", gesammelt und erläutert von Georg Büchmann, fortgesetzt von Walter Robert-tornow, 22. vermehrte und verbesserte Auflage, bearbeitet von Eduard Ippel, Verlag der Haude u. Spenerschen Buchhandlung, Berlin: 1905, S. 525f. (Link)
Aristophanes: Plutos, ein Lustspiel, mit erläuternden Anmerkungen versehen von Emanuel Lindemann, Carl Cnobloch, Leipzig: 1832, S. 128 (Link)
M. Tulli Ciceronis Tusculanarum. Disputationum ad M. Brutum, Libri Quinque. Erklärt von Gustav Tischer, Weidmannsche Buchhandlung, Berlin: 1858, Liber V, 37, S. 261 (Link)
Markus Tullius Cicero's "Tuskul. Untersuchungen an M. Brutus" deutsch und lateinisch, von Xaver Weinzierl, Joseph Lentner, München: 1806, S. 553 (Link)
 
Früheste falsche Zuschreibungen an Johann Gottfried Herder:
1981: "Entschieden für Gesetz und Ordnung Heinrich Lummer: 'Arrogant genug zu behaupten, daß ich liberal bin'. " Die Zeit, 10. Juli 1981,  (Link) 
 1983: "KK -  Kulturpolitische Korrespondenz", Ostdeutscher Kulturrat, Nr. 498 vom 5. Januar 1983, S. 2f. books.google; weitere Zitierungen 1983: (Link)
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Weitere Beispiele:
Heinrich Lummer: "Standpunkte eines Konservativen" Sinus Verlag, Krefeld: 1987, S. 27  (Link)
profil, 15. Oktober 2015 (Link)
FAZ, 9. Mai 2017 (Link)
Beliner Zeitung, 25. März 2021 (Link) 
 

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Dank:

Ich danke socksocky2 für die Frage nach diesem Zitat und Ralf Bülow für seine Recherche.

 

 

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Anhang

Brockhaus, 1894:

  • Ubi bene ibi patrĭa (lat.), «wo (es mir) gut (geht), da (ist mein) Vaterland», sprichwörtliche Redensart, welche zunächst beruht auf den vermutlich vom Tragiker Pacuvius herrührenden Worten in Ciceros «Tusculanen» (5, 37): «Patria est, ubicunque est bene.» Die erste Quelle ist jedoch Vers 1151 in Aristophanes’ «Plutos».
    Brockhaus 1894ff. (Link)



Mittwoch, 2. Januar 2019

"Kein größerer Schaden kann einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den Nationalcharakter, die Eigenart ihres Geistes und ihrer Sprache nimmt.“ Immanuel Kant (angeblich)

 Immanuel Kant unterschobenes Zitat von J.G. Herder.
Dieser Satz Johann Gottfried Herders wird nicht nur von der Identitären Bewegung manchmal Immanuel Kant unterschoben.

Mit Immanuel Kant hat dieser Satz nichts zu tun. Er stammt aus Johann Gottfried Herders Essay "Fragmente über die neuere deutsche Literatur" aus dem Jahr 1767.


Johann Gottfried Herder, 1767

  • "Kein größerer Schade kann einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den National-Charakter, die Eigenheit ihres Geistes und ihrer Sprache raubt; überdenke dieses, und du wirst den unersetzlichen Schaden sehen." (Link)

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Quellen:
Johann G. Herder: "Ueber die neuere Deutsche Litteratur." Fragmente, als Beilagen zu den Briefen, die neueste Litteratur betreffen. Dritte Sammlung. Johann Friedrich Hartknoch, Riga: 1767, S. 13 (Link) 
Google_

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Ich danke Tobias Blanken für den Hinweis auf dieses falsche Zitat. 


In Arbeit.


vds-ev.de/literatur/literarisches/sprueche-und-zitate-zur-deutschen-sprache
("unbekannter Verfasser (dieser Ausspruch wird irrtümlich oft Immanuel Kant zugeschrieben")