Donnerstag, 24. September 2020

"Lärm ist das Geräusch der anderen." Kurt Tucholsky (angeblich)

Dieses Bonmot, das an Jean Paul Sartres berühmten Satz "Die Hölle, das sind die anderen" erinnert, ist in diesem Wortlaut in den 1960er Jahren entstanden und könnte auf eine Bemerkung des Dortmunder Arbeitsphysiologen Gunther Lehmann aus dem Jahr 1954 zurückgehen (Link), wie Ralf Bülow herausgefunden hat.

 

Gunther Lehmann, 1954:

 

  • "Meist ist Lärm das Geräusch, das der andere macht, ein Geräusch, mit dessen Entstehung man selbst nichts zu tun hat. So wird auch der Fabrikdirektor durch das Geräusch des benachbarten Maschinensaals nicht gestört, das dem Besucher eine vernünftige Unterhaltung fast unmöglich zu machen scheint und für die Sekretärin eine nervöse Belastung erster Ordnung darstellt." (Link)

 

Der Autor Wilhelm Drey scheint dem Bonmot im Jahr 1963 als Erster die prägnante Form: "Lärm ist das Geräusch der anderen",  gegeben zu haben (Link).

Vor dem Jahr 1954 ist es in den digitalisierten Texten weder in Zeitungen noch in Büchern zu finden und erst im 21. Jahrhundert wird es sehr oft fälschlich Kurt Tucholsky zugeschrieben.

Vielleicht entstand die falsche Zuschreibung des Bonmots an Kurt Tucholsky durch die Fehlerinnerung an einen der vielen Sätze in seinen Schriften gegen die Zumutungen von Lärm:

 

 Kurt Tucholsky:

 

Die erste falsche Zuschreibung an Kurt Tucholsky ist vielleicht im Jahr 2001 im Wiener Lärm-Online-Informationssystem (LOIS) entstanden, die durch die APA verbreitet und danach von vielen deutschsprachigen Zeitungen übernommen wurde, wovon man sich durch eine chronologische Suche mit der Zeitungssuchmaschine genios.de überzeugen kann.  


 

Artikel in Arbeit.

 

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Quellen: 

Google

genios.de

Universitas: Zeitschrift für Wissenschaft, Kunst und Literatur, 9. Jahrgang, Band 2, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft: 1954, S. 962  (Link)

APA :  OTS0038, 17. Jan. 2002, 09:30

Wilhelm Drey: "Bessere Werktage: Mehr Erfolg mit weniger Mühe", Leske, Opladen: 1963, S. 5, 88, 95  (Link) 

 

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Dank:

Ich danke Friedhelm Greis (sudelblog.de) für die Bestätigung, dass dieses Zitat in den Schriften Kurt Tucholskys nicht zu finden ist, sowie Ralf Bülow, Moritz Jacob, Weltgeist redux, Sonja Brünzels, Max Koss und Klaus Pohlmann für ihre Recherchen und Hinweise auf  Twitter.