Pseudo-Theodor-W.-Adorno-Zitat. |
In Adornos digitalisierten Schriften und in der Sekundärliteratur zu Adorno ist dieses angebliche Adorno-Zitat nicht zu finden.
Pseudo-Theodor-W.-Adorno-Zitat. |
Warum soll etwas am perfektesten sein, weil es sofort wieder verschwindet? Große Kunst ist, abgesehen von den Zeitkünsten Schauspiel und Musik, auf Dauer angelegt.
Das Kuckuckszitat ist vielleicht aus einer entstellten Erinnerung an einen Gedanken aus Adornos nachgelassener Schrift "Ästhetische Theorie" entstanden. In der Tat erklärt Adorno einmal das Phänomen des Feuerwerks als "prototypisch" für alle Kunstwerke, auch wohl weil hier Erscheinung, Ding und Wesen nahezu identisch sind.
In der philosophischen Tradition wurde das Vergnügen an Feuerwerken der ästhetischen Reflexion nicht für würdig befunden. Adorno war, abgesehen von Paul Valéry, der erste Philosoph, der Feuerwerke als Phänomen und Metapher ernst nahm, aber er hat Feuerwerke nirgends "zur perfektesten Form der Kunst" erklärt.
Wer dieses Pseudo-Adorno-Zitat geprägt hat, ist unbekannt. Vielleicht stammt es aus der Marketingabteilung einer Feuerwerksfirma.
Erstmals nachweisbar ist das Falschzitat im Diskussionsforum einer Informationsplattform für 'Achterbahnen, Freizeitparks und Kirmes' im Posting von "Matthias" aus Deutschland NW vom 3. Oktober 2004, 16:44 Uhr. - Vielleicht findet jemand einmal heraus, wie dieser unbekannte "Matthias" zu seinem Zitat gekommen ist.
Das falsche Adorno-Zitat dient Pyrotechnikunternehmen als Werbeslogan und kann nur so ernst genommen werden wie zum Beispiel ein Werbeslogan des Circus Roncalli, der einmal ein Zirkusprogramm als die "größte Poesie des Universums" verkaufte, allerdings ohne diesen marktschreierischen Superlativ einem Philosophen zu unterschieben.
Theodor W. Adorno, Feuerwerk als Metapher
- "Offensichtlich ist die Dauer, welche die Kunstwerke begehren, auch nach
dem festen überlieferten Besitz gemodelt; Geistiges soll Eigentum werden
wie Materielles, Frevel des Geistes an sich selbst, ohne daß er doch
dem zu entgehen vermöchte. Sobald die Kunstwerke die Hoffnung ihrer
Dauer fetischisieren, leiden sie schon an ihrer Krankheit zum Tode: die
Schicht des Unveräußerlichen, die sie überzieht, ist zugleich die,
welche sie erstickt. Manche Kunstwerke höchster Art möchten sich
gleichsam an die Zeit verlieren, um nicht ihre Beute zu werden; in
unschlichtbarer Antinomie mit der Nötigung zur Objektivation. Ernst
Schoen hat einmal von der unübertrefflichen noblesse des Feuerwerks
gesprochen, das als einzige Kunst nicht dauern wolle sondern einen
Augenblick lang strahlen und verpuffen. Am Ende wären nach dieser Idee
die Zeitkünste Schauspiel und Musik zu deuten, Widerspiel einer
Verdinglichung, ohne die sie nicht wären und die sie doch entwürdigt.
Derlei Erwägungen nehmen angesichts der Mittel der mechanischen
Reproduktion überholt sich aus; doch mag das Unbehagen an diesen auch
eines gegen die heraufkommende Allherrschaft der Dauerhaftigkeit von
Kunst sein, die parallel geht zum Verfall der Dauer. Entschlüge sich
Kunst der einmal durchschauten Illusion des Dauerns; nähme sie die
eigene Vergänglichkeit aus Sympathie mit dem ephemeren Lebendigen in
sich hinein, so wäre das einer Konzeption von Wahrheit gemäß, welche
diese nicht als abstrakt beharrend supponiert, sondern ihres Zeitkerns
sich bewußt wird."
Theodor W. Adorno: "Ästhetische Theorie", 1970, S. 50
- "Am nächsten kommt dem Kunstwerk als Erscheinung die apparition, die Himmelserscheinung. ....
Prototypisch für die Kunstwerke ist das Phänomen des Feuerwerks, das um seiner Flüchtigkeit willen und als leere Unterhaltung kaum des theoretischen Blicks gewürdigt wurde; einzig Valéry hat Gedankengänge verfolgt, die zumindest in seine Nähe führen. Es ist apparition katexochen: empirisch Erscheinendes, befreit von der Last der Empirie als einer der Dauer, Himmelszeichen und hergestellt in eins, Menetekel, aufblitzende und vergehende Schrift, die doch nicht ihrer Bedeutung nach sich lesen läßt. Die Absonderung des ästhetischen Bereichs in der vollendeten Zweckferne eines durch und durch Ephemeren bleibt nicht dessen formale Bestimmung. Nicht durch höhere Vollkommenheit scheiden sich die Kunstwerke vom fehlbaren Seienden, sondern gleich dem Feuerwerk dadurch, daß sie aufstrahlend zur ausdrückenden Erscheinung sich aktualisieren. Sie sind nicht allein das Andere der Empirie: alles in ihnen wird ein Anderes. Darauf spricht das vorkünstlerische Bewußtsein an den Kunstwerken am stärksten an. Es willfahrt der Lockung, welche zur Kunst überhaupt erst verführt, vermittelnd zwischen ihr und der Empirie. Während die vorkünstlerische Schicht durch ihre Verwertung vergiftet wird, bis die Kunstwerke sie ausmerzen, überlebt sie sublimiert in ihnen. Weniger besitzen sie Idealität, als daß sie vermöge ihrer Vergeistigung ein blockiertes oder versagtes Sinnliches versprechen."
Theodor W. Adorno: "Ästhetische Theorie", 1970, S. 125f. (Link)
Twitter, 2018
21. Dezember 2018 |
Artikel in Arbeit.
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Quellen:
Theodor W. Adorno: "Ästhetische Theorie", hrsg. von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann, Suhrkamp, Frankfurt am Main: 1970, S. 50; 125f. (Link)
Szabo Sacha: "Sozioanalyse des Alltags. Kulturelle Wurmlöcher u. Gesellschaftliche Seismographen Trends und Traditionen aus Sicht der Cultural Studies", Studien zur Unterhaltungswissenschaft, Band 10, Tectum Verlag. Marburg: 2015, S. 29
2009: feuerwerk-forum.de/thema/theodor-adorno
Beispiele für das Falschzitat, das vielen Feuerwerksfirmen als Motto dient.
2004: onride.de ("onride.de ist die Plattform für dein Hobby! Wir sind Informationsplattform, Community, Diskussionsforum und Reiseveranstalter rund um die Themen Achterbahnen, Freizeitparks und Kirmes.")
2008: onride.de/
2010: welt.de
2012: Christian Seiler: "André Heller: Feuerkopf. Die Biografie", C. Bertelsmann, München: 2012, Ebook (Link)
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Dank:
Ich danke HDemnächst und Sardon Adór für den Hinweis auf dieses Falschzitat.