Rudolf Frühwirth hat mich auf den Ursprung dieses Bonmots in der ersten großen Polemik von Karl Kraus gegen Maximilian Harden aus dem Jahr 1907 aufmerksam gemacht, in der Kraus dem damals berühmten Berliner Kritiker Harden sprühende 'Ledernheit' attestiert:
1907
- Kein Wunder, daß dieses lohende
Temperament Ledernheit sprüht, wenn es zum Schreiben kommt; es hat sich
bis dahin im Redigieren abgekühlt.
Karl Kraus: "MAXIMILIAN HARDEN. Eine Erledigung." Die Fackel", Nr. 234-235, 31. Oktober 1907, S. 10
1990 meinte der Schriftsteller Hans Sahl in seinen Memoiren, Alfred Polgar habe über den problematischen Berliner Theaterkritiker Herbert Ihering gesagt, er sprühe Leder.
Neun Jahre später glaubten Marcel Reich-Ranicki und danach Fritz J. Raddatz, der Berliner Kritiker Alfred Kerr habe mit diesem Witzwort seinen damals fast ebenso einflußreichen Kollegen Herbert Ihering charakterisiert. Bislang konnte das Bonmot meines Wissens weder in Polgars noch in Kerrs Schriften nachgewiesen werden.
1960
- (ich glaube, es war Karl Kraus, der das Bonmot prägte: 'Er sprüht Leder')
Carl Zuckmayer: "Leidenschaft zählt", DIE ZEIT, 50/1960, 9. Dezember 1960 (Link)
1990
- Ihering ... war auf einen Punkt
gerichtet ... Dieser Punkt hieß Brecht. Seine Kritiken waren Manifeste,
Traktate, Kampfansagen. »Er sprüht Leder«, hatte der sonst so milde Alfred Polgar von ihm gesagt.
Hans Sahl: "Memoiren eines Moralisten - Das Exil im Exil", (EA: 1983/1990) Luchterhand, München: 2009, ebook (Link)
1999
- Reich-Ranicki: Ja, aber es gibt auch große nichtjüdische Kritiker.
Herbert Ihering etwa.
DIE WELT: Bedeutend, aber etwas trocken, oder?
Reich-Ranicki: Er sprüht Leder, schrieb Kerr.
"Wir waren zusammen in der Hölle - und im Himmel" Ein Interview mit Marcel Reich-Ranicki und seiner Frau Tosia, Die Welt, 18. September 1999 (Link)
2013
- Er sprüht Leder", mokierte sich der pointenverliebte Kritiker Alfred Kerr über seinen nicht direkt brillanten Konkurrenten Herbert Ihering.
Fritz J. Raddatz: "Bester beim Bläh-Deutsch" stern, 24. August 2013 (Link)
Quellen:
Karl Kraus: "MAXIMILIAN HARDEN. Eine Erledigung." Die Fackel", Nr. 234-235, 31. Oktober 1907, S. 10
Neue deutsche Literatur, Band 3, Volk und Welt: 1955, S. 169 (Link)
Carl Zuckmayer: "Leidenschaft zählt", DIE ZEIT, 50/1960, 9. Dezember 1960 (Link)
Fritz J. Raddatz: "Bester beim Bläh-Deutsch" stern, 24. August 2013 (Link)
"Wir waren zusammen in der Hölle - und im Himmel" Ein Interview mit Marcel Reich-Ranicki und seiner Frau Tosia, Die Welt, 18. September 1999 (Link)
Hans Sahl: "Memoiren eines Moralisten - Das Exil im Exil", (EA: 1983/1990) Luchterhand, München: 2009, ebook (Link)
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Dank:
Ich danke Rudlof Frühwirt für den Hinweis auf das Karl-Kraus-Zitat über Maximilian Harden.
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Letzte Änderung: 13. Oktober 2018. (In der ersten Fassung dieses Artikels schrieb ich, das Zitat sei höchstwahrscheinlich nicht von Karl Kraus.)