FALSCHZITATE mit Belegen und Kommentaren. Hunderte falsche Zitate, Memes, Kuckuckszitate, Zitaträtsel, apokryphe, problematische und entstellte Zitate, misquotations, misattributed and fake quotes. (Die Sammlung wird laufend ergänzt.) Von GERALD KRIEGHOFER.
Dieser Aphorismus wird seit ungefähr zwei Jahren Friedrich Nietzsche untergeschoben. Geprägt wurde der Satz anscheinend am 26. Oktober 2018 von der mir unbekannten Autorin Heike Thieme auf Twitter:
X/Twitter 26. Oktober 2018
Beispiele für frühe falsche Zuschreibungen auf Twitter:
2022/2023:
Twitter-Screenshot.
In den digitalisierten Werken Friedrich Nietzsches ist dieser Satz, der auch nicht nach Nietzsche klingt, nicht zu finden. Allerdings kommt der "Weg" als Metapher in Nietzsches Schriften öfters vor.
Zwei Beispiele:
Friedrich Nietzsche:
Es giebt in der Welt einen einzigen Weg, auf welchem niemand gehen kann, ausser dir: wohin er führt? Frage nicht, gehe ihn. Wer war es, der den Satz aussprach: „ein Mann erhebt sich niemals höher als wenn er nicht weiss, wohin sein Weg ihn noch führen kann“?
Du gehst deinen Weg der Grösse: das muss nun dein bester Muth sein, dass es hinter dir keinen Weg mehr giebt! Du gehst deinen Weg der Grösse; hier soll dir Keiner nachschleichen! Dein Fuss selber löschte hinter dir den Weg aus, und über ihm steht geschrieben: Unmöglichkeit.
Also sprach Zarathustra III: Der Wanderer. Erste Veröffentlichung 10/04/1884.
Dieser arrogante Ausspruch wurde dem 1812 verstorbenen Gründer des Bankhauses Rothschild, Mayer Amschel Rothschild, seinem SohnAmschel Mayer von Rothschild sowie englischen Mitgliedern der Familie Rothschild zugeschrieben, aber noch niemand konnte das Zitat in einer zeitgenössischen Quelle nachweisen und korrekt datieren.
Dieses bei Antisemiten und in der österreichischen Kronen Zeitung beliebte Kuckuckszitat, das den gigantischen Machtanspruch der jüdischen Familie Rothschild bezeugen soll, wurde erstmals in Amerika einem Rothschild untergeschoben.
Andrew Fletcher: A letter to the Marquiss of Montrose, the Earls of Rothes, Roxburg and Haddington, 1. December 1703
"I said I knew a very wise man so much of Sir Christopher's sentiment, that he believed if a man were permitted to make all the ballads he need not care who should make the laws of a nation, and we find that most of the ancient legislators thought that they could not well reform the manners of any city without the help of a lyric, and sometimes of a dramatic poet."
The political works of Andrew Fletcher (archive.org)
1879 taucht der Spruch "dann ist es mir egal, wer die Gesetze macht" erstmals in einer Version auf, in der die "Lieder" durch das "Geld" ersetzt wurden.
1879
"Hendrick B. Wright [...] may well exclaim: "Give me the making of a people's money and I care not who makes their laws." (Lass mich das Geld eines Volkes herstellen und es ist mir egal, wer seine Gesetze macht.)
Das Zitat wurde hier noch dem amerikanischen Politiker Henrick B. Wright zugeschrieben.
Der Spruch wurde in den folgenden Jahrzehnten in Amerika noch öfters zitiert, aber erst im Jahr 1912 erstmals einem Rothschild untergeschoben.
Der amerikanische Autor und Lobbyist T. Cushing Daniel hat das Zitat in einem US-Congress-Hearing ohne Quellenangabe erstmals als Maxime des Hauses Rothschild bezeichnet:
1912
William Pitt made this statement: "Let the American people go into their debt-funding schemes and banking systems, and from that hour their boasted independence will be a mere phantom." He realized the maxim that Rothschilds laid down as fundamental: "Let us control the money of a country and we care not who makes its laws." (Link)
Daniel hat diese angebliche Rothschild-Maxime später noch öfters zitiert, auch in einem Brief an den US-Präsident Wilson.
In den 1930er Jahren wurde phantasiert, ein englischer Rothschild habe Premier Disraeli heimlich gebeten, das britische Geld zu kontrollieren:“Let me
create and control the money of a nation and I care not who makes its
laws.”
Und 1944 wurde einmal behauptet, der älteste Bankier Rothschild habe den Satz am Ende des 18. Jahrhunderts geschrieben (Link).
Der Name "Rothschild" ist bekanntlich ein zentrales Element in allen antisemitischen Wahnvorstellungen.
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Auf Deutsch scheint das Zitat erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg aufgetaucht zu sein, wobei ich frühere Funde nicht ausschließen kann.
Ein paar Beispiele:
1992
"Von Mayer Anselm Rothschild stammt das oft zitierte Wort: 'Gib mir die Macht , das Geld einer Nation herauszugeben, und ich frage nicht danach, wer die Gesetze macht !' “
In den letzten Jahren wurde diese Pseudo-Rothschild-Maxime öfters in der Kronen Zeitung zitiert, von den Autoren TassiloWallentin und Klaus Woltron, sowie von Leserbriefschreibern.
Allerdings steht das Falschzitat auch in angesehenen Zeitschriften wie The Economist.
Varianten des Kuckuckzitats:
Permit me to issue and control the money of a nation, and I care not who makes its laws!
Give me control of a Nation’s money supply, and I care not who makes its laws.
Let me issue and control a nation's money and I care not who writes the laws.
Gebt mir die Kontrolle über die Währung einer Nation, und es ist mir gleichgültig, wer die Gesetze macht!
Mich interessiert nicht, wer die Gesetze macht, solange ich das Geld kontrolliere.
Gebt mir die Kontrolle über das Geld, und es ist mir egal, wer die Gesetze macht.
Mich interessiert nicht, wer die Gesetze macht, solange ich das Geld kontrolliere.
Artikel in Arbeit.
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Quellen:
The political works of Andrew Fletcher, Esq. of Saltoun, Robert Urie, Glasgow: 1749, p. 266
Johannes Kleinhappl, Ernst van Loen: Christentum und Kapitalismus: Analysen, Essays und Fragmente aus dem Nachlass, Tyrolia, Innsbruck, Wien: 1992, S. 17 (Link)