Eine Generation später zitiert es der Wiener Psychiater Erwin Ringel gerne, und weist zumindest einmal auf dessen Urspung bei dem Herzspezialisten Max Herz hin.
In den letzten Jahren erwähnt es der Gerichtspsychiater Reinhard Haller öfters, schreibt das geflügelte Wort allerdings Hildegard von Bingen zu. In Zusammenhang mit Hildegard von Bingen taucht das Sprichwort anscheinend 2006 im Klappentext zu einem Buch von ihr erstmals auf; in ihren Texten ist es meines Wissens weder so noch so ähnlich zufinden.
Der Frauenarzt und Sachbuchautor Josef Löbel, der, wie Soma Morgenstern wusste, das Modell für den menschenfreundlichen, weisen, schachspielenden Doktor Skowronnek in Joseph Roths Roman "Radetzkymarsch" war, verwendet das Sprichwort in einem populärwissenschaftlichem Buch schon 1928 (Link), aber dieser belesene Dr. Löbel meint, es sei "ein altes Wort". Er hat es also nicht geprägt (Link).
Bis jetzt konnte es vor dem Jahr 1928 weder in Sprichwortsammlungen noch in digitalisierten Texten gefunden werden.
1928, anonym
- "Was kränkt, macht krank."
Josef Löbel, 1928 (Link)
- "Die Lebensführung eines Herzkranken muss sich nach dem Grundsatz richten: Was kränkt, macht krank; was Freude macht, ist gesund."
Max Herz, 25. März 1929 (Link)
- "Kreuzer: 'Was kränkt, macht krank.' Ringel: 'Was kränkt, macht krank', kann man mit Max Herz sagen."
Erwin Ringel, Franz Kreuzer, 1985 (Link)
- "Es ist allgemein bekannt: «Alles was kränkt, macht krank.»"
Werbetext für das Buch: Hildegard von Bingen - Heilkraft der Natur "Physica", 2006 (Link);
Klappentext, August 2009 (Link)
2015, Hildegard von Bingen
- "Was kränkt, macht krank, hat schon Hildegard von Bingen gesagt."
Reinhard Haller, 7. Dezember 2015 (Link)
- "Schon Hildegard von Bingen hat gesagt, ' Was kränkt, macht krank.'"
Reinhard Haller: Kränkung - Der krankmachende Vertrauensverlust (Link)
Pseudo-Augustinus quote. |
Pseudo-Hildegard-von-Bingen quote. |
Da das geflügelte Wort weder so noch so ähnlich in den digitalisierten Texten Hildegard von Bingens zu finden ist, wird es ihr - so wie Augustinus - höchstwahrscheinlich irrtümlich zugeschrieben. Vielleicht stellt sich einmal heraus, dass es wirklich der Internist Max Herz geprägt hat.
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Quellen:
Josef Löbel: "Haben sie keine Angst!: Vierzig Kapitel optimistischer Medizin", Grethlein und Company, Leipzig/ Zürich: 1928, S. 11 (Link)
Max Herz: (Link), (Link)
Franz Kreuzer, Erwin Ringel: "Dürstende Knospen: Österreich: Brutstätte der Neurose, Heilstätte der Neurose", Deuticke, Wien: 1985, S. 35 (Link)
Soma Morgenstern: "Joseph Roths Flucht und Ende. Erinnerungen." Hrsg. von Ingolf Schulte, Aufbau Verlag, Berlin: 1994, S. 169 (Link)
Reinhard Haller: Kränkung - Der krankmachende Vertrauensverlust, in: Thorsten Adelt, Christian Metz: Im Sog der Angst – Wenn Vertrauen schwindet: Leidfaden 2017, Issue 3, S. 23 (Link)
Laotse oder Hippokrates?
Hildegard von Bingen: "Heilkraft der Natur. 'Physica': Das Buch von dem inneren Wesen der verschiedenen Naturen der Geschöpfe", übersetzt von Marie L Portmann, Nachwort: Caecilia Bonn, Vorwort: Cyrill Bürgel, 2009 (Link)
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Sprichwörtliche Verwendungen:
Lärm macht krank, Arbeitslosigkeit macht krank, Mangel an Liebe macht krank, Stadtluft macht krank, zu viel essen macht krank, eine große Tafel macht krank, Faulheit macht krank, den Blick nach Innen wenden macht krank, Arbeitsstress macht krank, (Wagner macht krank).
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Dank:
Wikipedia-Mitarbeiterinnen bin ich für den Hinweis auf Soma Morgenstern dankbar.
(In Arbeit.)