Dienstag, 20. März 2018

"Es kommt nicht von ungefähr, dass die Teleskope, die nach intelligentem Leben suchen, von der Erde weggerichtet sind." Stephen Hawking (angeblich)

Anonyme Varianten dieses Witzes sind auf Englisch seit 2012 und auf Deutsch seit 2014 (Link) nachweisbar. Werner Koczwara nahm den Witz 2016 in sein Kabarettprogramm auf (Link) und seit März 2018 wird er - anscheinend recht erfolgreich - ohne Quellenangabe dem gerade verstorbenen Physiker Stephen Hawking unterschoben.

Als Stephen-Hawking-Zitat wurde der Witz auf Twitter innerhalb von ein paar Tagen schon mehr als tausend Mal retweeted; erstmals fälschlich Stephen Hawking zugeschrieben wurde er anscheinend auf Instagram.

Chronologie


2012





2016



 2018




2018




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 Quellen:
 (Link)
(Link)
(Link)

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Dank:

Ich danke Enno Park für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat  (Twitter).

Freitag, 16. März 2018

"Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden." Franz Kafka (angeblich)


Janouch-Kafka quote..
Dieses Zitat steht so ähnlich, nämlich in der Version, "Wer die Fähigkeit, Schönheit zu sehen, behält, der altert nicht",  in Gustav Janouchs Erinnerungsbuch an Franz Kafka und ist auf der ganzen Welt sehr beliebt.

Varianten

  • "Anyone who keeps the ability to see beauty never grows old."
  • "Quiconque garde la possibilité de voir la beauté ne vieillit jamais." 
  • "Quiconque garde l'aptitude à voir la beauté ne vieillit jamais."
  • "Chi mantiene la capacità di vedere la bellezza non invecchia mai." 
  • "Cualquiera que tenga la capacidad de ver la belleza nunca envejece."    

Der tschechische Autor Gustav Janouch hat als Gymnasiast Franz Kafka einige Male (Janouch sagt: über hundert Mal) getroffen und Jahrzehnte später seine Gespräche mit ihm in zwei Versionen publiziert.
"Franz Kafka." Hrsg. von Erich Heller und Joachim Beug, 1969, S. 48 (Link)

Je älter Janouch wurde, desto mehr Kafka-Zitate fielen ihm wieder ein. In der Franz-Kafka-Forschung gelten Janouchs Zitate inzwischen als Legenden eines phantasievollen Verehrers, weil er erst 25 Jahre nach Kafkas Tod mit der Niederschrift seiner Kafka-Zitate begonnen hat und weil viele Janouch-Kafka-Zitate mehr an Kalendersprüche als an Franz Kafkas unsentimentale, phrasenlose Prosa erinnern.

Gustav Janouchs Buch über seinen Guru Kafka bleibt lesenswert, obwohl ihn seine Erinnerung nachweislich oft getäuscht hat, "wenn er zum Beispiel Kafka am Samstag nach Wien fahren liess, um sich dort mit Milena im Café zu treffen (Link)" und obwohl man seine Kafka-Zitate nicht völlig ernst nehmen kann.


Alena Wagnerová über Gustav Janouch

  • "Nimmt man heute die erste Ausgabe der Gespräche aus dem Jahr 1951 zur Hand, ist man mitunter entsetzt über die Banalitäten, die Franz Kafka hier von sich gibt, und kann kaum fassen, dass Max Brod sie für echt hielt und in Sätzen wie «Die Kaffeehäuser sind die Katakomben der Juden in dieser Zeit» den Sprachduktus seines Freundes erkannte."
    Alena Wagnerová: "Als Janouch mir entgegenkam", NZZ, 11. November 2006 (Link)

Janouch-Kafka quote.
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Quellen:
Google deutsch: "Ungefähr 58 700 Ergebnisse"
Google english: "About 106.000 results"  
Google books (Link)
Erstmals in neuer deutscher Variante 2000: (Link)
Gustav Janouch: Gespräche mit Kafka. Anmerkungen und Erläuterungen Alma Urs. S. Fischer, Frankfurt am Main: 1951
Gustav Janouch: Gespräche mit Kafka. Aufzeichnungen und Erinnerungen. Erweiterte Ausgabe, S. Fischer, Frankfurt am Main: 1968, Fischer Taschenbücher  5093, 1981, S. 45
"Franz Kafka." Herausgegeben von Erich Heller und Joachim Beug. Heimeran / S. Fischer, München: 1969, S. 48
Josef Čermák: "Franz Kafka - výmysly a mystifikace"  Nakladatel, Gutenberg: 2005  (Hinweis von Wagnerová)
Alena Wagnerová: "Als Janouch mir entgegenkam", NZZ, 11. November 2006 (Link)
Wikiquote (ohne die Variante aus Janouchs Buch)
  • "Die Jugend ist glücklich, weil sie die Fähigkeit besitzt, Schönheit zu sehen. Wenn diese Fähigkeit verlorengeht, beginnt trostloses Alter, Verfall, das Unglück."
    Gustav Janouch: "Gespräche mit Kafka." S. 24 (Link)

Mittwoch, 14. März 2018

"Wenn wir eine komplette Theorie haben, können wir die Gedanken Gottes verstehen." Stephen Hawking (angeblich)


Entstelltes Stephen-Hawking-Zitat, 14. März 2018.
 Dieses Zitat ist eine sinnentstellende Verkürzung des Schlußworts von Stephen Hawkings Bestseller "Eine kurze Geschichte der Zeit". 



Eine kurze Geschichte der Zeit

  • "Wenn wir jedoch eine vollständige Theorie entdecken, dürfte sie nach einer gewissen Zeit in ihren Grundzügen für jedermann verständlich sein, nicht nur für eine Handvoll Spezialisten. Dann werden wir uns alle Philosophen, Naturwissenschaftler und Laien mit der Frage auseinandersetzen können, warum es uns und das Universum gibt. Wenn wir die Antwort auf diese Frage fänden, wäre das der endgültige Triumph der menschlichen Vernunft — denn dann würden wir Gottes Plan kennen."
    Stephen Hawking, 1988,
    S. 218

A Brief History of Time

  • "However, if we discover a complete theory, it should in time be understandable by everyone, not just by a few scientists. Then we shall all, philosophers, scientists and just ordinary people, be able to take part in the discussion of the question of why it is that we and the universe exist. If we find the answer to that, it would be the ultimate triumph of human reason — for then we would know the mind of God."
    Stephen Hawking, 1988 (pdf)

Stephen Hawking sagte einmal (Link), er hätte diesen später meistzitierten Gedanken seines  Schlußworts beim Fahnenkorrigieren beinahe gestrichen und wahrscheinlich sei die Hälfte der Buchauflage dieser Gotteserwähnung zu verdanken.
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Das verstümmelte Zitat, "Wenn wir eine komplette Theorie haben, können wir die Gedanken Gottes verstehen",  ist auf Deutsch seit etwa 6 Jahren verbreitet und impliziert durch die Weglassungen fälschlich, Physiker seien Gottsucher, was vielleicht Theologen gefällt, aber sicher nicht den Intentionen des Atheisten Stephen Hawking entspricht.

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Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit, S. 218

 

Stephen Hawking, 2014:

  • "Before we understand science, it is natural to believe that God created the universe. But now science offers a more convincing explanation." "What I meant by ‘we would know the mind of God’ is, we would know everything that God would know, if there were a God, which there isn’t. I’m an atheist."

    (Bevor wir Wissenschaft verstehen, ist es natürlich zu glauben, Gott habe das Universum erschaffen. Aber heute bietet die Wissenschaft eine überzeugendere Erklärung. Was ich mit "dann würden wir Gottes Plan kennen" meinte, ist, dass wir alles wissen würden, was Gott wüsste, wenn es einen Gott gäbe, aber es gibt keinen. Ich bin ein Atheist.)
    Interview mit  Pablo Jáuregui, El Mundo  


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Quellen:
Stephen Hawking: "Eine kurze Geschichte der Zeit - Die Suche nach der Urkraft des Universums", mit einer Einleitung von Carl Sagan, übersetzt von Hainer Kober, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg: 1988, S. 218
Stephen Hawking: "A Brief History of Time: From the Big Bang to Black Holes." Bantam Books, New York: 1988 (pdf)
 http://www.hawking.org.uk/books.html
Pablo Jáuregui: Stephen Hawking: 'No hay ningún dios. Soy ateo', El Mundo, 21. September 2014 (Link) 
Alan Boyle: "‘I’m an Atheist’: Stephen Hawking on God and Space Travel", nbcnews, 23. September 2014 (Link)
 Zur Übersetzung von "mind": (Link)
Das verkürzte  Zitat taucht im Januar 2012 auf  (Link). 
 Das falsche Stephen-Hawking-Zitat war am Todestag von Stephen Hawking in vielen deutschsprachigen  Medien verbreitet, zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung (Link), im Stern (Link) oder in tagesschau.de (Link).
"Mit diesen Sätzen brachte Hawking die Welt zum Staunen", Stern,  14. März 2018 (Link)
"Stephen Hawking hatte die Gabe, Gedanken prägnant zu formulieren. Eine Auswahl seiner wohl wichtigsten Zitate. " Süddeutsche Zeitung, 14. März 2018 (Link)
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(Artikel in Arbeit.)