Dienstag, 3. April 2018

""Poesie ist wie ein Duft, der sich verflüchtigt und dabei in unserer Seele die Essenz der Schönheit zurückläßt." Jean Paul (angeblich)


Dieses Zitat wird seit etwa 8 Jahren dem deutschen Schriftsteller Jean Paul - immer ohne Quellenangabe - zugeschrieben, aber bis heute hat es noch niemand in einer seiner Schriften entdeckt; Jean Pauls Nachlass ist noch nicht digitalisiert, deswegen kann man einen späteren Fund nicht völlig ausschließen, auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist, weil ihm das Zitat erst seit so kurzer Zeit unterschoben wird.

Ohne Zuschreibung an Jean Paul taucht das Zitat  laut Google-Books-Suche erstmals als anonymes  Motto in dem Lyrikband "Zweiminuten-Terrine" der jungen Dichterin Lisa-Marie Kuich auf (Link).

Seit 2010 wird mit diesem Kuckuckszitat regelmäßig der Welttag der Poesie am 21. März gefeiert.



 2010, Twitter:





 

2014, Twitter: 






2015, Twitter:




 2018, Twitter:



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Quellen:
 Lisa-Marie Kuich: Zweiminuten-Terrine, Papierfresserchens MRM Verlag, Bodolz: 2008, Motto, S. (6)   (Link): "Für Irena Spangehl / .. denn Poesie ist der Duft, der sich verflüchtigt und dabei in der Seele die Essenz des Schönen zurücklässt ... "
Falsche Zuschreibungen, zum Beispiel:   (Link) (Link); oe1.orf.at/programm/20140321/345224  
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Entwicklung:
1861: Leopold Dules:  "Das Innere der Poesie ist der Duft der Rose, der empfunden aber nicht definiert werden kann." Ben Chananja. Wochenblatt für jüdische Theologie, Nr. 7, Szegedin 15. Februar 1861, S. 54 (Link)  

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Dank:
Ich danke Markus Bernauer, dem Leiter der Jean Paul Edition der Berlin-Brandenburgischen  Akademie der Wissenschaften, für seine Auskunft.


 

"Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen." Franz Kafka (angeblich)

Pseudo-Franz-Kafka-Zitat. 
Dieser Aphorismus wird auf Englisch ("Paths are made by walking") und Deutsch im 21. Jahrhundert Franz Kafka, und in der Variante, "Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen", Friedrich Nietzsche unterschoben.

Der Aphorismus ist auf Spanisch weit verbreitet und stammt aus dem 1912 erschienenem Lyrik-Band "Campos de Castilla " des spanischen Dichters Antonio Machado: "caminante, no hay camino, se hace camino al andar".


Pseudo-Franz-Kafka-Zitat.

In den Schriften von Franz Kafka und Friedrich Nietzsche ist dieser Satz Antonio Machados weder so noch so ähnlich zu finden.

Der Band "Campos de Castilla" von  Antonio Machado  enthält 53 kurze Gedichte, die mit römischen Zahlen numeriert sind. Unsere Zeile steht in dem Gedicht mit der Nummer XXIX.

Antonio Machado: "Campos de Castilla", 1917


XXIX
Caminante, son tus huellas
el camino, y nada más;
caminante, no hay camino,
se hace camino al andar.
Al andar se hace camino,
y al volver la vista atrás
se ve la senda que
nunca se ha de volver a pisar.
Caminante, no hay camino,
sino estelas en la mar."
XXIX
Wanderer, deine Spuren sind
der Weg, und sonst nichts;
Wanderer, es gibt keinen Weg,
der Weg entsteht im Gehen.
Im Gehen entsteht der Weg,
und wenn man den Blick zurückwirft,
sieht man den Pfad, den man
nie wieder betreten wird.
Wanderer, es gibt keinen Weg,
nur Kielwasser im Meer.
Übersetzung: Fritz Vogelgsang


XXIX
Wanderer, your footprints are
the path, and nothing else;
wanderer, there is no path,
the path is made by walking.

Walking makes the path,
and on glancing back
one sees the path
that will never trod again.
Wanderer, there is no path—
Just steles in the sea. 
Übersetzung: Betty Jean Craige

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Twitter-Diskussionen zu dem Zitat:



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ter.com/krieghofer/status/98147398217943040
https://twitter.com/krieghofer/status/98147398217943040
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Quellen:
Antonio Machado: "Campos de Castilla", Renacimiento, Sociedad anónima editorial, Madrid: 1912 (ohne Vers XXIX)
"Proverbios y cantares XXIX" [Proverbs and Songs 29], Campos de Castilla (1912); trans. Betty Jean Craige, in Selected Poems of Antonio Machado (Louisiana State University Press, 1979) (Zitiert nach Wikipedia)
Antonio Machado: "Campos de Castilla - Kastilische Landschaften", Herausgegeben, übertragen und mit einem Nachwort versehen von Fritz Vogelgsang, Ammann Verlag, Zürich: 2001  (Seitenangabe folgt)



Beispiele falscher Zuschreibungen: 2002: "Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. Franz Kafka" (Link) 2007:" Paths are made by walking.  Franz Kafka" (Link); 2009: " ... German saying, commonly attributed to Kafka (but unsourced) that Wege entstehen dadurch, dass man sie geht ('Paths are made by walking')."  (Link); Twitter


 Artikel in Arbeit.

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Dank:

Ich danke Eduard Habsburg für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat und ich bin auch  Basso Continuo für seine vielen Hinweise sehr dankbar.

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Letzte Änderung: 8/ 2021

 

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Screenshots, Google-Bild-Suche, April 2018:

"Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen." Friedrich Nietzsche (angeblich)

Pseudo-Friedrich-Nietzsche-Zitat. 

Dieses bei Heilpraktikerinnen und Ärzten beliebte Pseudo-Nietzsche-Zitat ist als "Nietzsche"-Zitat  kaum zehn Jahre alt und schon weit verbreitet. Dieses  Kuckuckszitat wird immer ohne Quellenangabe aus Nietzsches Schriften zitiert und ist auch nicht in ihnen enthalten, wie man unschwer nachprüfen kann, da Nietzsches sämtliche Schriften und Briefe mehrfach digitalisiert sind.

Entstanden könnte das Kuckuckszitat durch eine Lebensweisheit sein, die häufig Franz Kafka  unterschoben wird, aber von dem spanischen Dichter Antonio Machado stammt: "Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen".

Twitter, 2015:




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Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra II:


"Neue Wege gehe ich, eine neue Rede kommt mir; müde wurde ich, gleich allen Schaffenden, der alten Zungen. Nicht will mein Geist mehr auf abgelaufnen Sohlen wandeln.
Zu langsam läuft mir alles Reden: — in deinen Wagen springe ich, Sturm! Und auch dich will ich noch peitschen mit meiner Bosheit!"
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra II: Das Kind mit dem Spiegel. Erste Veröffentlichung 31. Dezember 1883. (Link)

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Google
Friedrich Nietzsche: Digitale Kritische Gesamtausgabe der Werke und Briefe, basierend auf der Ausgabe von G. Colli und M. Montinari, Berlin/New York, de Gruyter: 1967ff., hrsg. von Paolo D’Iorio (Link) 
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra II: Das Kind mit dem Spiegel. Erste Veröffentlichung 31. Dezember 1883. (Link)




Frühe Zuschreibungen an Friedrich Nietzsche: 2007 (Link); 2012 Twitter; 2013 zB:  (Link)

Freitag, 23. März 2018

"Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber nicht das Recht auf seine eigenen Fakten." Daniel P. Moynihan (angeblich)


Diese Maxime geht auf einen Satz des amerikanischen Börsenspekulanten und Politikberaters Bernard Baruch aus dem Jahr 1946 zurück und wurde in den folgenden Jahrzehnten etwas abgewandelt von James R. Schlesinger (1965), Alan Greenspan (1981), Daniel Patrick Moynihan (1988) und einigen anderen verwendet.

Der amerikanische Verteidigungsminister Schlesinger, dem dieser Grundsatz manchmal zugeschrieben wird, hat ursprünglich Bernard Baruch zitiert und später das Zitat ohne Verweis auf dessen Ursprung etwas verändert. 

Der New Yorker Senator Daniel P. Moynihan zitierte ihn als  "einfache Regel" des US-Notenbank-Chefs Alan Greenspan, mit der er 1981 eine von Ronald Reagan eingesetzte Kommission leitete.

Trotzdem wird die in vielen Sprachen sprichwörtlich gewordene Maxime meistens Daniel P. Moynihan zugeschrieben. Begonnen hat diese falsche Zuschreibung anscheinend mit einem Artikel in der New York Times vom 25. April 1989 (Link),  ein Jahr nachdem Moynihan in seinem Buch mit dem Titel "Came the Revolution: Argument in the Reagan era" die "einfache Regel" Alan Greenspans zitiert hatte (Link).

Auch Barack Obama erzählt einmal die "wunderbare Geschichte", wie Daniel P.  Moynihan dieses sprichwörtlich gewordene Zitat geprägt hat, merkt allerdings an, diese Anekdote könnte eine Legende (apokryph) sein (Link) und ist skeptisch, ob das Sprichwort in der heutigen Medienlandschaft noch brauchbar ist.
 

Chronologie


1946
Bernard Baruch:
  • "Every man has the right to an opinion but no man has a right to be wrong in his facts. Nor, above all, to persist in errors as to facts." (Link)

 

Der Ökonomie-Professor und amerikanische Verteidigungsminister von 1973 bis 1975 James Schlesinger hat dieses Zitat im Jahr 1965 etwas verändert Bernard Baruch zugeschrieben und 1975 in wieder einem leicht veränderten Wortlaut ohne Erwähnung Baruchs bei einer Konferenz mit dem Titel "Pacem in Terris IV" vorgetragen.


1965
James R. Schlesinger:

  • "At some point, facts also claim a place. Said Bernard M. Baruch: 'Every man has a right to his own opinion, but no man has a right to be wrong in his facts.' " (Link)

 1975

  • “Everybody is entitled to his own views,” Schlesinger said. “Everybody is not entitled to his own facts.” (quoteinvestigator)
 
  • Congressional Record, 5. August 1977, S. 27597 (Link)

Bei der späteren ungenauen Wiedergabe von Schlesingers Version des Zitats aus dem Jahr 1975 ist erst die endgültige Version des heute weit verbreiteten politischen Grundsatzes entstanden, wobei der Wortlaut des zweiten Teils des Satzes von Schlesinger geprägt wurde.

1977 

  • As former Secretary of Defense James R. Schlesinger has said, 'Each of us is entitled to his own opinion, but not to his own facts.'
    Air University Review By Air University (U.S.), United States. Dept. of the Air Force v. 29 - 1977, S. 15 (Link) (Zitiert nach Barry Popik)
1983
  • "Jeder darf seine eigene Meinung haben, aber niemand ist berechtigt, seine eigenen Fakten zu schaffen". Anonym (Link)
 1981/1988
Alan Greenspan
  • "Alan Greenspan, who chaired the commission*), adopted a simple rule: Each member was entitled to his own opinion but not his own facts."
    Daniel P. Moynihan: "Came the Revolution: Argument in the Reagan era", Harcourt Brace Jovanovich,  San Diego, CA:  1988,  S. 159 (Link)
1989
Daniel Patrick Moynihan
  • "'Everybody is entitled to their own opinions, but not their own facts,' said Senator Daniel Patrick Moynihan, Democrat of New York." 
    NYT, 25. April 1989 (Link)
1996
  • "Jeder, so wusste er, hat ein Anrecht auf seine eigene Meinung, nicht aber auf seine eigenen Fakten."
2004
  • "Meine Schlussfolgerung ist: Jeder von uns, Sie, ich, Herr Rumsfeld, alle, wir haben ein Recht auf eigene Meinung, aber wir haben kein Recht auf eigene Fakten."
    (Link)
2005
  • "As the old adage says so well, we're entitled to our own opinions, we're just not entitled to our own facts."
2006 
Barack Obama / Moynihan

  • "There's a wonderful, perhaps apocryphal story that people tell about Daniel Patrick Moynihan, the brilliant, prickly, and iconoclastic late senator from New York. Apparently, Moynihan was in a heated argument with one of his colleagues over an issue, and the other senator, sensing he was on the losing side of the argument, blurted out: 'Well, you may disagree with me, Pat, I'm entitled to my own opinion.' To which Moynihan frostily replied, 'You are entitled to you own opinion, but you are not entitled to you own facts.Moynihan's assertion no longer holds. We have no authoritative figure, no Walter Cronkite or Edward R. Murrow whom we all listen to and trust to sort out contradictory claims. Instead, the media is splintered into a thousand fragments, each with its own version of reality, each claiming the loyalty of a splintered nation. Depending on your viewing preferences, global climate change is or is not dangerously accelerating; the budget deficit is going down or going up. Nor is the phenomenon restricted to reporting on complicated issues."
    Barack Obama: "The Audacity of Hope", 2006, S. 126f. (Link)
2010
  • "Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber nicht das Recht auf seine eigenen Fakten, auch nicht Frau Steinbach."  (Link)
   

Varianten

  • "Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten."
  • "Jede/r hat Anrecht auf eine eigene Meinung, nicht aber auf eigene Fakten."
  • "Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung – aber nicht auf eigene Fakten."
  • "Jeder hat das Grundrecht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten."
  • "Jeder darf seine eigene Meinung haben, aber niemand ist berechtigt, seine eigenen Fakten zu schaffen."
  • "Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung. Aber es gibt kein Recht auf eigene Fakten!"
  • "Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eigene Fakten."
  • "Everyone is entitled to their own opinions, but they are not entitled to their own facts."
  • "Everybody is entitled to his own views, everybody is not entitled to his own facts."
  • "You are entitled to your own opinion, but you are not entitled to your own facts."
  • "You’re entitled to your own opinions. You’re not entitled to your own facts."

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Anmerkung:

Commission: The National Commission on Social Security Reform, von Ronald Reagan im Dezember 1981 eingesetzt. 

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Quellen:
Google
The Dictionary of Modern Proverbs. Hrsg. von  Charles Clay Doyle, Wolfgang Mieder und Fred R. Shapiro, Yale University Press, New Haven und London: 2012, S. 185.
(Baruch:) Toledo (OH) Blade, 9 October 1946, "Lie Hints He May Enter Atomic Control Dispute; U.N. Leader Indicates Action At Gathering Honoring Baruch; U.S. Delegate Defends Plan" , S. 2, col. 3:  (Link)  (Zitiert nach Barry Popik) 

James Schlesinger, 2. Dezember 1975, Konferenz "Pacem in Terris IV", in: "Congressional Record, 5. August 1977, S. 27597 (Link) ; sowie leider nur Snippet-Ansicht: Google books (Link)
Daniel P. Moynihan: "Came the Revolution: Argument in the Reagan era", Harcourt Brace Jovanovich,  San Diego, CA:  1988,  S. 159 (Link);  zitiert: (Link)
Kenneth R. Weiss: "Washington Talk; States Circle Their Wagons for the Money Wars", New York Times, 25. April 1989  (Link)
Barry Popik hat in seinem Blog 2009 die Entwicklung des Sprichworts mit vielen Varianten und bibliographischen Angaben dokumentiert. (Blog)

Garson O'Toole: "People Are Entitled To Their Own Opinions But Not To Their Own Facts. Bernard Baruch? Daniel Patrick Moynihan? Rayburn H. Carrell? James R. Schlesinger? Alan Greenspan?" 2020, (quoteinvestigator.com)
Barack Obama: "The Audacity of Hope: Thoughts on reclaiming the American dream," Crown Publishers, New York:  2006, S. 126 (Link)
listserv.linguistlist.org 2010
Wikiquote

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Dank:
Ich danke Barry Popik für seine umfangreiche Dokumentation.

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Letzte Änderung: 28/11 2020

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ANHANG





Dienstag, 20. März 2018

"Es kommt nicht von ungefähr, dass die Teleskope, die nach intelligentem Leben suchen, von der Erde weggerichtet sind." Stephen Hawking (angeblich)

Anonyme Varianten dieses Witzes sind auf Englisch seit 2012 und auf Deutsch seit 2014 (Link) nachweisbar. Werner Koczwara nahm den Witz 2016 in sein Kabarettprogramm auf (Link) und seit März 2018 wird er - anscheinend recht erfolgreich - ohne Quellenangabe dem gerade verstorbenen Physiker Stephen Hawking unterschoben.

Als Stephen-Hawking-Zitat wurde der Witz auf Twitter innerhalb von ein paar Tagen schon mehr als tausend Mal retweeted; erstmals fälschlich Stephen Hawking zugeschrieben wurde er anscheinend auf Instagram.

Chronologie


2012





2016



 2018




2018




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 Quellen:
 (Link)
(Link)
(Link)

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Dank:

Ich danke Enno Park für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat  (Twitter).

Freitag, 16. März 2018

"Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden." Franz Kafka (angeblich)


Janouch-Kafka quote..
Dieses Zitat steht so ähnlich, nämlich in der Version, "Wer die Fähigkeit, Schönheit zu sehen, behält, der altert nicht",  in Gustav Janouchs Erinnerungsbuch an Franz Kafka und ist auf der ganzen Welt sehr beliebt.

Varianten

  • "Anyone who keeps the ability to see beauty never grows old."
  • "Quiconque garde la possibilité de voir la beauté ne vieillit jamais." 
  • "Quiconque garde l'aptitude à voir la beauté ne vieillit jamais."
  • "Chi mantiene la capacità di vedere la bellezza non invecchia mai." 
  • "Cualquiera que tenga la capacidad de ver la belleza nunca envejece."    

Der tschechische Autor Gustav Janouch hat als Gymnasiast Franz Kafka einige Male (Janouch sagt: über hundert Mal) getroffen und Jahrzehnte später seine Gespräche mit ihm in zwei Versionen publiziert.
"Franz Kafka." Hrsg. von Erich Heller und Joachim Beug, 1969, S. 48 (Link)

Je älter Janouch wurde, desto mehr Kafka-Zitate fielen ihm wieder ein. In der Franz-Kafka-Forschung gelten Janouchs Zitate inzwischen als Legenden eines phantasievollen Verehrers, weil er erst 25 Jahre nach Kafkas Tod mit der Niederschrift seiner Kafka-Zitate begonnen hat und weil viele Janouch-Kafka-Zitate mehr an Kalendersprüche als an Franz Kafkas unsentimentale, phrasenlose Prosa erinnern.

Gustav Janouchs Buch über seinen Guru Kafka bleibt lesenswert, obwohl ihn seine Erinnerung nachweislich oft getäuscht hat, "wenn er zum Beispiel Kafka am Samstag nach Wien fahren liess, um sich dort mit Milena im Café zu treffen (Link)" und obwohl man seine Kafka-Zitate nicht völlig ernst nehmen kann.


Alena Wagnerová über Gustav Janouch

  • "Nimmt man heute die erste Ausgabe der Gespräche aus dem Jahr 1951 zur Hand, ist man mitunter entsetzt über die Banalitäten, die Franz Kafka hier von sich gibt, und kann kaum fassen, dass Max Brod sie für echt hielt und in Sätzen wie «Die Kaffeehäuser sind die Katakomben der Juden in dieser Zeit» den Sprachduktus seines Freundes erkannte."
    Alena Wagnerová: "Als Janouch mir entgegenkam", NZZ, 11. November 2006 (Link)

Janouch-Kafka quote.
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Quellen:
Google deutsch: "Ungefähr 58 700 Ergebnisse"
Google english: "About 106.000 results"  
Google books (Link)
Erstmals in neuer deutscher Variante 2000: (Link)
Gustav Janouch: Gespräche mit Kafka. Anmerkungen und Erläuterungen Alma Urs. S. Fischer, Frankfurt am Main: 1951
Gustav Janouch: Gespräche mit Kafka. Aufzeichnungen und Erinnerungen. Erweiterte Ausgabe, S. Fischer, Frankfurt am Main: 1968, Fischer Taschenbücher  5093, 1981, S. 45
"Franz Kafka." Herausgegeben von Erich Heller und Joachim Beug. Heimeran / S. Fischer, München: 1969, S. 48
Josef Čermák: "Franz Kafka - výmysly a mystifikace"  Nakladatel, Gutenberg: 2005  (Hinweis von Wagnerová)
Alena Wagnerová: "Als Janouch mir entgegenkam", NZZ, 11. November 2006 (Link)
Wikiquote (ohne die Variante aus Janouchs Buch)
  • "Die Jugend ist glücklich, weil sie die Fähigkeit besitzt, Schönheit zu sehen. Wenn diese Fähigkeit verlorengeht, beginnt trostloses Alter, Verfall, das Unglück."
    Gustav Janouch: "Gespräche mit Kafka." S. 24 (Link)

Mittwoch, 14. März 2018

"Wenn wir eine komplette Theorie haben, können wir die Gedanken Gottes verstehen." Stephen Hawking (angeblich)


Entstelltes Stephen-Hawking-Zitat, 14. März 2018.
 Dieses Zitat ist eine sinnentstellende Verkürzung des Schlußworts von Stephen Hawkings Bestseller "Eine kurze Geschichte der Zeit". 



Eine kurze Geschichte der Zeit

  • "Wenn wir jedoch eine vollständige Theorie entdecken, dürfte sie nach einer gewissen Zeit in ihren Grundzügen für jedermann verständlich sein, nicht nur für eine Handvoll Spezialisten. Dann werden wir uns alle Philosophen, Naturwissenschaftler und Laien mit der Frage auseinandersetzen können, warum es uns und das Universum gibt. Wenn wir die Antwort auf diese Frage fänden, wäre das der endgültige Triumph der menschlichen Vernunft — denn dann würden wir Gottes Plan kennen."
    Stephen Hawking, 1988,
    S. 218

A Brief History of Time

  • "However, if we discover a complete theory, it should in time be understandable by everyone, not just by a few scientists. Then we shall all, philosophers, scientists and just ordinary people, be able to take part in the discussion of the question of why it is that we and the universe exist. If we find the answer to that, it would be the ultimate triumph of human reason — for then we would know the mind of God."
    Stephen Hawking, 1988 (pdf)

Stephen Hawking sagte einmal (Link), er hätte diesen später meistzitierten Gedanken seines  Schlußworts beim Fahnenkorrigieren beinahe gestrichen und wahrscheinlich sei die Hälfte der Buchauflage dieser Gotteserwähnung zu verdanken.
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Das verstümmelte Zitat, "Wenn wir eine komplette Theorie haben, können wir die Gedanken Gottes verstehen",  ist auf Deutsch seit etwa 6 Jahren verbreitet und impliziert durch die Weglassungen fälschlich, Physiker seien Gottsucher, was vielleicht Theologen gefällt, aber sicher nicht den Intentionen des Atheisten Stephen Hawking entspricht.

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Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit, S. 218

 

Stephen Hawking, 2014:

  • "Before we understand science, it is natural to believe that God created the universe. But now science offers a more convincing explanation." "What I meant by ‘we would know the mind of God’ is, we would know everything that God would know, if there were a God, which there isn’t. I’m an atheist."

    (Bevor wir Wissenschaft verstehen, ist es natürlich zu glauben, Gott habe das Universum erschaffen. Aber heute bietet die Wissenschaft eine überzeugendere Erklärung. Was ich mit "dann würden wir Gottes Plan kennen" meinte, ist, dass wir alles wissen würden, was Gott wüsste, wenn es einen Gott gäbe, aber es gibt keinen. Ich bin ein Atheist.)
    Interview mit  Pablo Jáuregui, El Mundo  


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Quellen:
Stephen Hawking: "Eine kurze Geschichte der Zeit - Die Suche nach der Urkraft des Universums", mit einer Einleitung von Carl Sagan, übersetzt von Hainer Kober, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg: 1988, S. 218
Stephen Hawking: "A Brief History of Time: From the Big Bang to Black Holes." Bantam Books, New York: 1988 (pdf)
 http://www.hawking.org.uk/books.html
Pablo Jáuregui: Stephen Hawking: 'No hay ningún dios. Soy ateo', El Mundo, 21. September 2014 (Link) 
Alan Boyle: "‘I’m an Atheist’: Stephen Hawking on God and Space Travel", nbcnews, 23. September 2014 (Link)
 Zur Übersetzung von "mind": (Link)
Das verkürzte  Zitat taucht im Januar 2012 auf  (Link). 
 Das falsche Stephen-Hawking-Zitat war am Todestag von Stephen Hawking in vielen deutschsprachigen  Medien verbreitet, zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung (Link), im Stern (Link) oder in tagesschau.de (Link).
"Mit diesen Sätzen brachte Hawking die Welt zum Staunen", Stern,  14. März 2018 (Link)
"Stephen Hawking hatte die Gabe, Gedanken prägnant zu formulieren. Eine Auswahl seiner wohl wichtigsten Zitate. " Süddeutsche Zeitung, 14. März 2018 (Link)
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(Artikel in Arbeit.)