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Dienstag, 14. Februar 2023

"Alles Große in der Welt geschieht nur, weil einer mehr tut als er muss!" Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Blechschild mit Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Dieser Aphorismus wurde jahrzehntelang Hermann Gmeiner, dem Gründer der SOS-Kinderdörfer zugeschrieben, und wird erst im 21. Jahrhundert Albert Einstein untergeschoben.

In den digitalisierten Texten Albert Einsteins und in Alice Calaprices Standardwerk "The Ultimate Quotable Einstein" ist das angebliche Albert-Einstein-Zitat nicht zu finden.

Die erste Zuschreibung an Hermann Gmeiner habe ich bislang in Markus M. Ronners 1974 erschienener Zitatesammlung "Die Treffende Pointe" gefunden:

1974

  • "Alles Große in der Welt wird nur dadurch Wirklichkeit, daß irgendwer mehr tut, als er müßte. Hermann Gmeiner"

    Markus M. Ronner: "Die Treffende Pointe"1974 (books.google.at)
Bis zum Jahr 2006 wurde der Aphorismus, von dem ich noch nicht weiss, wann er wo geprägt wurde, mit geringfügigen Veränderungen fast immer nur Hermann Gmeiner zugeschrieben.

Klaus Landfried, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, hat im Jahr 1997 einmal den Satz Hermann Gmeiners bei einem Vortrag verwendet (books.google.at) . Seitdem wird auch er manchmal als Autor des Zitats genannt.

Man kann aber keinen Aphorismus prägen, der schon 20 Jahre davor unter einem andern Namen in einem Lexikon stand. 

Erst seit dem Jahr 2007 wird der Gmeiners Aphorismus ohne ersichtlichem Grund Albert Einstein zugeschrieben.

2011

"Hermann Gmeiner, the father of the SOS Children’s Villages, expressed it this way:


Auch die SOS-Kinderdörfer schreiben das Zitat ihrem Gründer zu.

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Quellen:


Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011
Alice Calaprice: "Einstein sagt: Zitate, Einfälle, Gedanken", Vorwort von Freeman Dyson; übersetzt von Anita Ehlers, Piper Verlag, München / Berlin: 2015 ebook
The Collected Papers of Albert Einstein: einsteinpapers / princeton
Markus M. Ronner: "Die Treffende Pointe: humoristisch-satirische Geistesblitze des 20. Jahrhunderts nach Stichwörtern alphabetisch geordnet." Ott Verlag, Thun: 1974, S. 126 (books.google.at)
1985 Gmeiner (books.google)

1997

  • Alles Große in der Welt geschieht nur, weil einer mehr tut, als er muß." Klaus Landfried Präsident der Hochschulrektorenkonferenz  (books.google.at) 


2009 

Alles Große in unserer Welt geschieht nur, weil jemand mehr tut, als er muss.“ Hermann Gmeiner 

(eventuell 2002 Erstauflage) Hermann Gmeiner (books.google.)



Artikel in Arbeit.

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Dank:

Ich danke M. Wollmann für den Hinweis auf das falsche Einstein-Zitat und Ralf Bülow für seine Recherche.

Freitag, 10. Februar 2023

"Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht." Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Plakat der "Bild"-Zeitung (2006) mit Werbe-Slogan: "Jede Wahrheit braucht ..."
Plakat der "Bild"-Zeitung (2006) mit Werbe-Slogan: "Jede Wahrheit braucht ..."

Seit 2006 warb die deutsche "Bild"-Zeitung jahrelang mit Fotos von berühmten Personen wie Martin Luther King, Mahatma Gandhi, Sigmund Freud, Galileo Galileo und Albert Einstein.

Auf allen diesen Plakaten stand der "Bild"-Zeitungs-Slogan: "Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht." 

Seit 2007 wird dieser Werbe-Slogan der "Bild"-Zeitung fälschlich Albert Einstein zugeschrieben.

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

In den digitalisierten Schriften Albert Einsteins ist dieser Reklamespruch der "Bild"-Zeitung nicht zu finden.


Plakat der "Bild"-Zeitung mit Werbe-Slogan: "Jede Wahrheit braucht ..."

Plakat der "Bild"-Zeitung (2006) mit Werbe-Slogan: "Jede Wahrheit braucht ..."


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Quellen:
Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011
Alice Calaprice: "Einstein sagt: Zitate, Einfälle, Gedanken", Vorwort von Freeman Dyson; übersetzt von Anita Ehlers, Piper Verlag, München / Berlin: 2015 ebook
The Collected Papers of Albert Einstein: einsteinpapers / princeton 
Einstein Archives Online  alberteinstein.info 



Artikel in Arbeit.
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Dank:

Ich danke M. Wollmann für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat.

Mittwoch, 11. Januar 2023

"Nichts wird die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern, wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung." Albert Einstein (angeblich)

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat.

Dieses bei Vegetariern sehr beliebte Zitat kam mehr als 30 Jahre nach dem Tod des 1955 verstorbenen Physikers Albert Einstein in Amerika auf, konnte aber in seinen Texten und Interviews weder auf Deutsch noch auf Englisch gefunden werden.

Der Satz: "Nothing will benefit human health and increase the chances for survival of life on Earth as much as the evolution to a vegetarian diet" ist also ein Kuckuckszitat.

Alice Calaprice hat daher das immer ohne Quellenangabe zitierte Zitat in ihrem Standardwerk "The Ultimate Quotable Einstein" in das Kapitel mit der Überschrift "Wahrscheinlich nicht von Einstein" eingeordnet (Link).

Bei einer chronologischen Durchsuchung englischer und amerikanischer Bücher und Zeitungen taucht das Zitat ab 1995 in verschiedenen Publikationen auf.

Ich kann noch nicht sagen, wer den Wortlaut geprägt und mit der falschen Zuschreibung in den 1990er Jahren begonnen hat. 


Beispiele für die falsche Zuschreibungen an Albert Einstein: 

1995
Common Ground magazine, November 1995, S. 39 (Link).

 Auf Deutsch hat sich das Zitat erst im 21. Jahrhundert verbreitet, zuerst im Internet, bald auch in Zeitungen und in Büchern.

Pseudo-Albert-Einstein-Zitat (Link).

2010

  • "Was haben Albert Einstein und Dustin Hofmann gemeinsam? Ihren Verzicht auf Fleisch - und zwar der Umwelt zuliebe. 'Nichts wird die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern, wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung', sagte der fleischlos lebende Nobelpreisträger einmal."
    Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 2010 (sueddeutsche.de)
  2013
  • "'Nichts wird die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung.' Das hat der überzeugte Vegetarier Albert Einstein einmal gesagt. Er ahnte nicht, wie aktuell seine Erkenntnis einmal sein würde. "

     Focus, 1. November 2013 (focus.de)

In beiden Artikeln wird auch die falsche Behauptung wiederholt, Albert Einstein wäre "überzeugter Vegetarier" gewesen und habe "fleischlos" gelebt.

Aber "fettlos, fleischlos, fischlos" hat Albert Einstein nur aus gesundheitlichen Gründen gelebt, wie er ein Jahr vor seinem Tod dem befreundeten Arzt Hans Mühsam mitteilte:

1954

  • "So lebe ich fettlos, fleischlos, fischlos dahin, fühle mich aber ganz wohl dabei. Fast scheint mir, dass der Mensch gar nicht als Raubtier geboren ist."  (.Link)

Albert Einstein hatte Sympathien für Vegetarier und in manchen Jahren auch wenig oder gar kein Fleisch gegessen, aber er hat mehrfach erklärt, dass er nicht nach vegetarischen Grundsätzen gelebt hat, zum Beispiel in einem Brief an den Vegetarier Max Kariel, der Einstein kritisiert hatte, weil er im Reader's Digest lesen musste, Albert Einstein würde auch angeln, was vegetarischen Prinzipien widerspräche:


Albert Einstein an Max Kariel, 3. August 1953:

  • "Ihr neuer Angriff hat mir sehr gut gefallen, zumal auch ich die Tierleichen immer mit etwas schlechtem Gewissen gefressen habe.   
  • Aber es bleibt dabei, dass wir uns der Tyrannei der Natur, wie sie vom Standpunkt der menschlichen Moral erscheint, de facto nicht völlig zu entziehen imstande sind." [siehe Anhang]

1930 hat Einstein seine Sympathien für vegetarische Prinzipien in einem Brief für eine Zeitschrift des Deutschen Vegetarier-Bundes mit folgenden Worten formuliert:


Albert Einstein an Hermann Huth, 27. Dezember  1930:

 
  • "Obwohl ich durch äussere Umstände an der Durchführung einer ausschliesslich vegetarischen Lebensweise verhindert gewesen bin, bin ich doch seit langem der Gesinnung nach Anhänger Ihrer Bestrebung.

    Abgesehen von der Billigung dieser Bestrebungen aus ästhetischen und moralischen Motiven, bin ich der Ansicht, dass die vegetarische Lebensweise durch ihre rein körperliche Wirkung auf das menschliche Temperament das Schicksal der Menschen in sehr glücklicher Weise zu beeinflussen vermöchte." 
    In: Vegetarische Warte. Organ des Deutschen Vegetarier-Bundes, 20/21. Januar 1931 (Link)

    Das Falschzitat könnte durch mehrfache ungenaue Rückübersetzungen aus diesem Bekenntnis von Albert Einstein entstanden sein.

 

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Quellen:

Alice Calaprice: "The Ultimate Quotable Einstein", Foreword: Freeman Dyson, Princeton University Press, Princeton and Oxford: 2011

Alice Calaprice: "Einstein sagt: Zitate, Einfälle, Gedanken", Vorwort von Freeman Dyson; übersetzt von Anita Ehlers, Piper Verlag, München / Berlin: 2015 

Alice Calaprice: The Quotable Einstein, Princeton University Press, Princeton: 1996, S. 223 (Link)

Albert Einstein an Elsa Einstein, 2. September 1923, in: The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 14: The Berlin Years: Writings a. Correspondence, April 1923-May 1925, Edited by Diana Kormos Buchwald, József Illy, Ze’ev Rosenkranz, Tilman Sauer a. Osik Moses, ebook, p. 174 (Link)

Albert Einstein an Herman Huth, 27. Dezember 1930, Erstdruck in: "Vegetarische Warte" 1931, in: William Shurtleff, Akiko Aoyagi: "History of Vegetarianism and Veganism Worldwide (1430 BCE to 1969)" Extensively Annotated Bibliography and Sourcebook. Soyinfo Center, Lafayette, CA: 2022, S. 953 (Link)

Hans-Josef Küpper: "Einsteins 'Lieblingsspeisen'" (einstein-website.de)

Beispiele für falsche Zuschreibungen:

1995: Common Ground magazine, November 1995, S. 39 (Link)
2010: M. Kuckuk: "Rückkehr zum Sonntagsbraten", Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 2010 (sueddeutsche.de)
2013: Frage von A. Deutsch: "Schadet Fleischkonsum dem Klima?" Focus, 1. November 2013 (focus.de)
2016: Maryann Overstreet: "The Routledge Modern German Reader." Routledge, London, New York: 2016, Motto von Kapitel 15 (books.google)

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Dank:

Artikel in Arbeit.

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Anhang



 

Albert Einstein an Max Kariel, 3. August 1953 (Faksimile aus einem Auktionskatalog 2013)

Quelle: Auktionskatalog 2013
(Link); (Link)

  •  
  • "Sehr geehrter Herr Kariel:
    Ihr neuer Angriff hat mir sehr gut gefallen, zumal auch ich die Tierleichen immer mit etwas schlechtem Gewissen gefressen habe. Aber es bleibt dabei, dass wir uns der Tyrannei der Natur, wie sie vom Standpunkt der menschlichen Moral erscheint, de facto nicht völlig zu entziehen imstande sind.

    Sie trinken Milch, die den Kälbern entzogen wird und ausserdem von einem künstlich auf unmässige Milchproduktion gezüchteten und insofern verstümmelten Tier herstammt. Was Sie kaufen können ist überhaupt alles unter Missachtung des von Ihnen mit Recht hochgehaltenem Gesichtspunkt gewonnen.

    Wenn Sie sich aber ein Stück Sumpfland erstehen, um Ihren Kohl und Ihre Aepfel selbst zu pflanzen, dann müssen Sie zuerst die Wassertiere und Pflanzen durch Entwässerung umbringen und später die Raupen etc., die Ihnen die kärgliche Nahrung wegfressen würden.

    Wenn Sie aber all dies vermeiden wollen, dann müssen Sie Selbstmord begehen und nur diejenigen am Leben lassen, denen alle höheren moralischen Grundsätze unbekannt oder unzugänglich sind.

    Bei aller Hochachtung für die moralischen Grundsätze wird man zugeben müssen, dass die Existenz des Menschen inbezug auf diese auf einen Kompromiss angewiesen ist, das genauer festzulegen gewiss notwendig, aber keine leichte Sache ist. Mit der moralischen Entrüstung allein kann man es jedenfalls nicht schaffen.
    Freundlich grüsst Sie
    Ihr
    Albert Einstein.


  • ... (Link)