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Freitag, 1. Oktober 2021

"Die Hoffnung hat zwei schöne Töchter. Sie heißen Wut und Mut. Wut darüber, dass die Dinge so sind, wie wir sie sehen. Mut, ..." Augustinus (angeblich)

Pseudo-Augustinus-Zitat. (Link)

Dieses inzwischen weltweit beliebte Augustinus-Zitat kam in den 1970er Jahren in Amerika auf und ist weder in seriösen Nachschlagwerken noch in den digitalisierten Texten des Heiligen Augustinus zu finden.

Da das angebliche Augustinus-Zitat von Beginn an ohne Beleg zitiert wurde, und auch seither in Dutzenden Büchern niemals eine seriöse Quelle angegeben wird, muss man davon ausgehen, dass es ein Kuckuckszitat ist, also dem in Afrika geborenen Kichenvater Augustinus über 1500 Jahre nach seinem Tod nur untergeschoben wurde.

Auch der amerikanische Erzbischof Charles J. Chaput kam in seinem Buch "Strangers in a Strange Land" zu dem Schluss, es gebe keinen "wirklichen Beweis", dass Augustinus diese Worte jemals geschrieben hat.

Pseudo-Augustinus-Zitat. (Link)

Der Wortlaut des angeblichen Augustinus-Zitats, das von den unterschiedlichsten christlichen Gruppierungen verbreitet wird, hat sich im Lauf der Jahre etwas geändert. 

Ursprünglich zum Beispiel hatte die Hoffnung nur zwei 'überraschende' Töchter, später zwei schöne oder zwei liebliche:


 Einige Beispiele für das Kuckuckszitat. Chronologisch.

 

In den frühesten Zuschreibungen wird das angebliche Augustinus-Zitat noch ohne Anführungszeichen umschrieben:

 

1976

  • "but hope as seen by St. Augustine: a formidable virtue, with its two surprising daughters named Anger and Courage. Anger that what should not be, is; and that what should be, is not. Courage to destroy that which should not be, and to help bring to birth that which should prevail. Anger and Courage, Yes, and faith in both, God and ourselves."
    Francis A. Eigo, Silvio Fittipaldi: "Living with Change, Experience, Faith" The Villanova University Press, Villanova: 1976, S. 14   (Link)

 

1982

  • "A long time ago St. Augustine wrote that hope has two daughters: (1) anger and (2) courage. Anger so that what ought not to be cannot be. Courage so that what must be will be."

    ESA: Engage/Social Action . Vol. 10 Iss. 5, May 1982, S. 24 (Link)

 

 1988

  • "St. Augustine realized this, and attributed to the virtue of hope a higher priority than he gave to charity. He writes that the virtue of hope has two daughters, Anger and Courage. Anger is the daughter who says 'No' to what must not be, to what must not continue to become. Enough is enough! And Courage is the daughter who says 'Yes' to what needs to be, to what needs to become."

    Mary Michael O'Shaughnessy OP: "Feelings and emotions in Christian living." 1988  (Link)

 1988

  • "Hope has two beautiful daughters. Their names are anger and courage: anger at the way things are, and courage to see that they do not remain the way they are. Augustine"

    Robert McAfee Brown: "Spirituality and Liberation." 1988  (Link)

In diesem Wortlaut des presbyterianischen Theologen  Robert McAfee Brown wurde das angebliche Augustinus-Zitat populär.

1990

  • "Der Kirchenvater Augustinus sagt, daß die Hoffnung zwei liebliche Töchter hat, Zorn und Mut. Treibt diese Töchter nicht aus dem Haus sie gehören zusammen; Zorn, damit das Nichtige auch nichtig bleibt; Mut, wie Augustinus sagt, damit das ....."

    Hans-Eckehard Bahr, Franz Alt: "Von der Armee zur europäischen Friedenstruppe",  1990, S. 204  (Link)

 

1991

Ohne Zuschreibung an Augustinus: 

1991, archive.org


1994

 

 1995:

  • "Der Kirchenvater Augustinus sagt, dass die Hoffnung zwei liebliche Töchter hat; Zorn und Mut. Treibt diese Töchter nicht aus dem Haus, sie gehören zusammen."

    Dorothee Sölle in:
    Dorothee Sölle, Fulbert Steffensky: "Wider den Luxus der Hoffnungslosigkeit" (Herder: 1995) Kreuz Verlag, Freiburg im Breisgau: 2013 ebook (Link) 


 2007
  • "Für Augustinus besitzt die Hoffnung zwei Töchter: Zorn und Mut".

    Jutta Rittweger: "Hoffnung als existenzielle Erfahrung" 2007 (books.google)

 2011

2012

2021

  • "Der  Kirchenvater Augustinus sagt: 'Die Hoffnung hat zwei schöne Töchter, sie heißen Wut und Mut.' Wut darüber, wie die Dinge sind. Mut, um sie zu verändern."

  • "Die Hoffnung hat zwei schöne Töchter. Sie heißen Wut und Mut. Wut darüber, dass die Dinge so sind, wie wir sie sehen. Mut, um sie so umzugestalten, wie sie sein sollten.        Augustinus"

 

Am Ende seines Blog-Artikels zu diesem Falschzitat schrieb der Augustinus-Experte 'fatherhorton' im Jahr 2018: 

  • "I’m just going to say that however beautiful and helpful the thought may be (cf. +Chaput, above), it didn’t come from the mind of St. Augustine." 

    "Ich möchte nur noch sagen, dass, so schön und hilfreich der Gedanke auch sein mag [...]: er stammt nicht vom Geist des Heiligen Augustinus."
    (fauxtations)


 

Artikel in Arbeit.

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Quellen:

Google Deutsch: "Ungefähr 744 Ergebnisse"
Google Englisch: "Ungefähr 10 400 Ergebnisse" 
"Augustinus-Zitatenschatz: Kernthemen seines Denkens",  Lateinisch – Deutsch, mit Kurzkommentaren von Cornelius Mayer, Schwabe Verlag,  Basel: 2018, S. 167 ff. (Link) [Keine Erwähnung des Zitats unter dem Stichwort 'Hoffnung']
Augustinus: "Handbüchlein. De Fide, Spe et Charitate." Übertragen u. erläuter v. Paul Simon.  Schöningh, Paderborn: 1962. (Link)
Aurelius Augustinus: Bekenntnisse. Übersetzung von Otto F. Lachmann.  Reclam, Leipzig: 1888 (Link)
Francis A. Eigo, Silvio Fittipaldi: "Living with Change, Experience, Faith" The Villanova University Press, Villanova: 1976, S. 14 (Link)
ESA: Engage/Social Action . Vol. 10 Iss. 5, May 1982, S. 24 (Link)
Mary Michael O'Shaughnessy OP: "Feelings and emotions in Christian living." Alba House, Staten Island, N.Y.: 1988,  S. 81  (Link) 
Robert McAfee Brown: "Spirituality and Liberation." Hodder a. Stoughton, London: 1988, S. 139 (Link)
Hans-Eckehard Bahr, Franz Alt: "Von der Armee zur europäischen Friedenstruppe", Th. Knaur, München:  1990, S. 204  (Link) [Nur Snippets zugänglich; muss noch überprüft werden.]
Regina Coll: "Christianity and Feminism in Conversation" Twenty-Third Publications, Mystic, CN: 1994, S. 186 (Link)
Dorothee Sölle, Fulbert Steffensky: "Wider den Luxus der Hoffnungslosigkeit." (Herder: 1995) Kreuz Verlag, Freiburg im Breisgau: 2013 ebook (Link)
Jutta Rittweger: Hoffnung als existenzielle Erfahrung: Am Beispiel onkologischer Patienten in der Starhlentherapie. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig: 2007, S. 71 ((books.google) 
fatherhorton: St. Augustine and the daughters of hope, August 29, 2018 (fauxtations) 
Charles J. Chaput: "Strangers in a Strange Land: Living the Catholic Faith in a Post-Christian World" Henry Hold a. Company, New York: 2017, S. 162: "The words are apocryphal. There’s no real evidence that Augustine ever wrote them". (books.google) 

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Anhang

Die drei Töchter Sophias: Glaube, Liebe und Hoffnung (books.google).

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Dank:

 Ich danke Eduard Habsburg für den Hinweis auf dieses Kuckuckszitat sowie fatherhorton, Ralf Bülow und Arno Tator für ihre Recherchen.

 

 Letzte Änderung: 3/10 2021.